Klage gegen Frontex, Demo gegen polnische Grenzpolitik, Protest gegen Inhaftierungen in Lybien

Polnische Soldaten bauen an der Grenze zu Belarus einen Stacheldrachtzaun auf.
Polnische Soldaten bauen an der Grenze zu Belarus einen Stacheldrachtzaun auf.
Themen
  • Premiere: Syrische Familie verklagt Frontex wegen Pushbacks
  • EU-Innenminister*innen fordern Grenzmauer statt Menschenrechte
  • Griechenland: Geflüchtete werden zu Gefangenen
  • 2’500 Geflüchtete in Italien als “Schleuser*innen” kriminalisiert
  • Tote und Vermisste an Europas Grenzen
  • Italien: Faschistischer Angriff auf die Gewerkschaft CGIL
  • Protestierende in Libyen fordern Freilassung und Evakuierung von inhaftierten Geflüchteten
  • Es formt sich Widerstand gegen die restriktive Migrationspolitik an Polens Grenzen

Was ist neu?

Premiere: Syrische Familie verklagt Frontex wegen Pushbacks
2016 kam Omar B. mit seiner Familie aus Syrien über die Türkei nach Griechenland und stellte dort ein Asylgesuch. Er wurde mit seiner Familie jedoch illegalerweise von Frontex per Flugzeug in die Türkei abgeschoben, bevor sein Asylgesuch behandelt wurde. Das ist bei weitem kein Einzelfall, jährlich erleben hunderte Migrant*innen Pushbacks an den europäischen Aussengrenzen. Neu ist jedoch, dass sich die Betroffenen juristisch wehren. 5 Jahre nach dem Pushback verklagt die Familie Frontex vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf Schadensersatz. Frontex ist sich wie gewohnt keiner Schuld bewusst. Sie sehen die Verantwortung bei den griechischen Behörden und hätten nur Aufträge ausgeführt. Dumm nur, dass der gesamte Fall ausgesprochen gut dokumentiert ist. Die Familie von Omar B. lebt heute im Nordirak. Ein Gerichtsurteil wird wenig an ihrer erfahrenen Ungerechtigkeit wieder gut machen. Hoffen wir dennoch, dass Frontex immer stärker unter Druck gerät und auch für die Herrschenden untragbar wird. Menschenrechtsgruppen sind motiviert, zahlreiche weitere Klagen gegen Frontex folgen zu lassen. 
 
Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg werden als verbindlich angesehen
Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg werden als verbindlich angesehen
EU-Innenminister*innen fordern Grenzmauer statt Menschenrechte

Seit einigen Wochen sorgt die Situation für Schutzsuchende an der polnisch-belarussischen Grenze für Schlagzeilen. Obwohl die polnische Regierung ein Sperrgebiet in unmittelbarer Grenznähe ausgerufen hat, sickern Berichte an die Öffentlichkeit, dass Polen seine Grenze zum belarussischen Nachbarn brutalst verteidigt und mit unmenschlicher, widerrechtlicher Härte Schutzsuchende zurück nach Belarus drängt.

Rechtswidrige Pushbacks werden seit Jahren systematisch und gewaltvoll von EU-Grenzstaaten wie Kroatien und Griechenland durchgeführt. Jetzt reiht sich auch Polen in die Staaten ein, die an ihren Außengrenzen die Drecksarbeit der europäischen Union machen und die EU-Außengrenzen gewaltvoll und widerrechtlich verteidigen. Durch das politische Kalkül des belarussischen Diktators Lukaschenko, der seine Grenzen öffnet, um die EU unter Druck zu setzen, damit diese wirtschaftliche Sanktionen gegen Belarus aufhebt, ist das polnisch-belarussische Grenzgebiet zu einem weiteren Schauplatz der rassistischen, menschenfeindlichen Migrationspolitik der EU geworden. Mit Zäunen und bewaffneten Polizist*innen wird die Festung Europa verteidigt und Menschenrechte verletzt.

In einem Brief an die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson fordern die Innenminister*innen von 12 EU-Mitgliedstaaten (Österreich, Bulgarien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Polen und die Slowakei) jetzt den Bau einer von der EU finanzierten Grenzmauer zwischen Polen und Belarus. Ihr Argument: ein physischer Wall wäre der effektivste Grenzschutz und Abschottungsmechanismus. Eine solche Mauer wäre die betonierte Manifestation der rassistischen, rechtswidrigen EU-Migrationspolitik. Die Tatsache, dass dieser Vorschlag nicht sofort vehement von Seiten der EU abgelehnt und die Unterzeichnenden an die sogenannten EU-Werte (Menschenwürde, Achtung der Menschenrechte; siehe Art. 2 EUV) erinnert wurden, sondern der Vorschlag letzten Freitag auf einem Treffen der Minister*innen in Luxemburg besprochen wurde, zeigt wieder einmal, dass ein menschenverachtender, militarisierter Grenzschutz im Interesse der EU ist und die Achtung der Menschenwürde, sowie das geltende EU-Recht beim Thema Grenzschutz keine Rolle spielen.

https://www.infomigrants.net/en/post/35853/poland-doubles-troop-contingent-on-border-with-belarus
https://www.euractiv.com/section/justice-home-affairs/news/poland-passes-law-allowing-migrants-to-be-pushed-back-at-border/?utm_source=piano&utm_medium=email&utm_campaign=9707&pnespid=q_VjEC1VPaoC0.rbqSnsGMzQrxmoCYF2dOa.meVxoUBmRjzyVO81JTU8H2NaQCPoJrrzXp82
https://euobserver.com/tickers/153241?utm_source=euobs&utm_medium=rss
https://www.euractiv.com/section/politics/short_news/new-wall-on-the-polish-belarussian-border-new-dead-body-found/
https://taz.de/Grenzregion-zwischen-Polen-und-Belarus/!5806085/
https://www.deutschlandfunk.de/polen-zum-schutz-der-landesgrenze-zu-belarus-werden.1939.de.html?drn%3Anews_id=1313163
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-belarus-pushbacks-101.html
https://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refdaily?pass=52fc6fbd5&id=61710ae437
https://www.infomigrants.net/en/post/35759/desperate-migrants-trapped-between-belarus-poland-amid-geopolitical-row
https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1523612/lithuanian-authorities-to-investigate-how-media-and-ngos-receive-info-about-migrants
https://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refdaily?pass=52fc6fbd5&id=616fb9ee3
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/deutschland-will-kontrollen-an-grenze-zu-polen-verschaerfen?urn=urn:srf:video:61f8ccbb-0ba3-44c6-9ea1-da85790d24a9
https://www.reuters.com/world/europe/eu-weighs-further-sanctions-belarus-over-illegal-migrants-2021-10-18/?taid=616d6d7835a2610001adee07&utm_campaign=trueAnthem:+Trending+Content&utm_medium=trueAnthem&utm_source=twitter

Was ist aufgefallen?

Griechenland: Geflüchtete werden zu Gefangenen

«No more Morias». Das waren die Worte der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wenige Tage nach dem Grossbrand im Lager Moria Anfang September 2020. Die neuen Unterbringungsorte sollten sogenannten «EU-Standards» entsprechen. Was das genau heisst, zeigt sich nun auf der griechischen Insel Samos: Stacheldrahtzaun, Ausgangsbeschränkungen, Überwachung. Geflüchtete Personen werden in dem neu eingerichteten Lagern zu Gefangenen.

276 Millionen Euro gab die EU der griechischen Regierung für die Konzeption und den Bau von fünf neuen Auffanglagern auf den Inseln Leros, Kos, Lesbos, Chios und Samos. Das erste Lager auf Samos wurde im September eröffnet. Die Lager markieren ein «neues Kapitel des Migrationsmanagements», verkündete die Vorsitzende der neu gegründeten Taskforce für Migrationsmanagement Beate Gminder bei der Eröffnung.
Diese Task Force hat die EU speziell dafür eingerichtet, um dafür zu sorgen, dass die sogenannten «EU-Standards» eingehalten werden. Übersetzt: Verstossen wir gegen die Menschenwürde, platzieren wir geflüchtete Menschen an Orten, die sie retraumatisieren, nehmen wir ihnen mehr und mehr ihrer Freiheit, aber alles unter höchsten EU-Standards.
Das neue Lager auf Samos gleicht einem Gefängnis: Polizist*innen patrouillieren in und um das Gelände. Doppelte Reihen Maschendrahtzaun und «NATO-Stacheldraht mit Widerhaken» umzäunen das Lager. Um in die nächste Stadt zu gelangen, brauchen die Personen zu Fuss über eine Stunde. Und das Busticket ist so teuer, dass sich dies kaum jemand leisten kann. Das Gelände wird von Drohnen aus der Luft überwacht und zahlreiche weitere Kameras überwachen den Alltag der Menschen. Dafür wurde im griechischen Migrationsministerium extra eine eigene Kommandozentrale eingerichtet. In einem Tweet des griechischen Migrationsministers Notis Mitarakis ist zu sehen, dass sogar die Betten überwacht werden.
Wie Recherchen von verschiedenen Medien (fragdenstaat, ZDF Magazin Royale, Ippen Investigativ und Mediapart) zeigen, wurde dieses Totalüberwachungssystem mit Geldern der EU bezahlt, die eigentlich für die Wiederankurbelung der Wirtschaft von EU-Mitgliedstaaten nach der Corona-Pandemie gedacht waren. Auch zeigen veröffentlichte Berichte, dass die EU-Grundrechteagentur FRA, die im Entstehungsprozess selbst involviert gewesen war, vor genau solchen Lagern warnte. In einem Bericht vom Februar 2021 schreibt sie: «Ein Lager, das für die erste Identifizierung und Registrierung zuständig ist, sollte nicht wie ein Gefängnis aussehen. Um das Risiko einer Retraumatisierung bei Menschen, die Gewalt und Verfolgung ausgesetzt waren, so weit es geht zu vermeiden, sollte kein Stacheldraht oder andere gefängnisähnliche Umzäunung verwendet werden und uniformiertes Personal vermieden werden.» Genau dies ist auf Samos bereits Realität geworden, vier weitere Lager sind in Planung. Als nächstes soll in der Nähe von Kalloni gebaut werden, etwa 40 Kilometer von Mytilini entfernt, in der Nähe einer Müllhalde.
Was der kaputte Verein EU sonst noch an Menschenverachtung hervorbringt, kann hier nachgelesen bzw. nachgeschaut werden:

https://fragdenstaat.de/blog/2021/10/22/das-neue-moria/
https://dasneuemoria.eu/
https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=tJMLNMlJkPw&feature=emb_title

2’500 Geflüchtete in Italien als “Schleuser*innen” kriminalisiert
Der Bericht “From Sea to Prison” zeigt das Ausmass der Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht durch italienische Behörden auf. Seit 2013 wurden über 2’500 Menschen verhaftet, die vermeintlich ein Boot nach Europa gesteuert haben sollen – wenngleich sie selbst auf der Flucht waren.
 
Der Report basiert auf Gesprächen mit hunderten Betroffenen und umfasst über tausend Fälle, in denen Menschen bei ihrer Ankunft in Italien kriminalisiert wurden. Die Anschuldigen beruhen meist auf unzuverlässigen Zeug*innenaussagen oder auf fehlerhaften Fotos. Die Prozesse finden nicht selten ohne Rechtsbeistand der Beschuldigten und mit mangelhafter Beweislast statt. In den vergangenen 25 Jahren wurden die italienischen Gesetze immer wieder angepasst, um eine verstärkte Kriminalisierung geflüchteter Menschen zu ermöglichen.
“Die verhängten Haftstrafen reichen von 2 Jahren bis zu 20 Jahren – und manchmal sogar darüber hinaus”, heisst es im Report. “Von den fast 1000 Fällen, die wir durch eine systematische Medienrecherche aufgedeckt haben, fanden wir 24 Personen mit Haftstrafen von über 10 Jahren und 6 Personen, die lebenslänglich verurteilt wurden.”
Mit einem Boot von Libyen nach Europa zu kommen, wird seit Jahren immer schwieriger. Da sind die libyschen Lager, aus denen sich Menschen freikaufen müssen. Da sind die hohen Kosten, um einen Platz auf einem unsicheren Boot zu bekommen. Und das ist die sogenannte libysche Küstenwache, die die Mehrzahl der Boote wieder abfängt und die Menschen zurück nach Libyen bringt. Keiner der Menschen, die von diesem System profitieren, setzt sich der Gefahr der Überfahrt oder einer Verhaftung aus, indem er*sie ein Boot nach Europa steuert. Deshalb sind es in der Regel geflüchtete Menschen selbst, die beispielsweise mit Gewalt oder weil sie nicht ausreichend Geld für die Überfahrt haben, das Steuern des Bootes übernehmen müssen. Die juristische Situation, in der sie sich dann in Italien wiederfinden, schafft die europäische Abschottungspolitik selbst, indem sie alle legalen Einreisewege nach Europa dichtgemacht hat.

 

https://fromseatoprison.info/
https://taz.de/Migration-nach-Italien/!5804661/
https://www.theguardian.com/global-development/2021/oct/15/italy-using-anti-mafia-laws-to-scapegoat-migrant-boat-drivers-report-finds

 
Verhaftung eines Bootsfahrers, 2021, durch die Guardia di Finanza.
Verhaftung eines Bootsfahrers, 2021, durch die Guardia di Finanza.
Tote und Vermisste an Europas Grenzen

Alleine in der letzten Woche hat das europäische Grenzregime mindestens 27 Menschen auf verschiedenen Fluchtrouten in und nach Europa das Leben gekostet.

Aus einem Fluss an der Grenze zwischen Belarus und Polen wurde die Leiche eines 19-Jährigen aus Syrien geborgen. Er war laut Augenzeug*innenberichten zusammen mit anderen Syrer*innen letzten Dienstag von der belarussischen Grenzpolizei in den Fluss getrieben worden. Hiermit steigt die Zahl der Toten an der polnisch-belarussichen Grenze auf 8 seit dem Sommer. An der Grenze zwischen Österreich und Ungarn wiederum wurden die Leichen zweier Männer zwischen 25 und 30 Jahren in einem Van gefunden. Sie waren dehydriert und in schlechter körperlicher Verfassung und starben wahrscheinlich während der Grenzüberquerung. Sie waren mit 26 anderen geflüchteten Menschen aus Kurdistan und Syrien in einem Minibus eingepfercht gewesen. Die Reaktion des österreichischen Innenministers (ÖVP) ist als PR-Strategie und politisches Framing bei Politiker*innen weit verbreitet: er kriminalisiert ausschliesslich ‚Menschenschmuggel‘ und sieht keine Verantwortung bei der restriktiven österreichischen und EU-Migrations- und Asylpolitik.

Auch auf dem Mittelmeer sind letzte Woche mindestens 24 Menschen ertrunken und 47 weitere werden vermisst:
1. Ein Boot mit 14 Menschen an Bord kenterte im westlichen Mittelmeer auf seinem Weg von Oran ( Algerien) in das über 100 km entfernte Spanien. Zwei Menschen konnten lebend aus dem Wasser geborgen werden, die anderen zwölf ertranken. Die spanische Küstenwache war informiert worden, nachdem ein Segelboot einen der Überlebenden aus dem Wasser 13km vor der Küste der spanischen Provinz Almeria geholt hatte. Daraufhin hatte ein Flugzeug der Küstenwache den zweiten Überlebenden in der Nähe im Wasser treibend gefunden.
2. Auf dem zentralen Mittelmeer zwischen den tunesischen Städten Mahdia und Monastir, 140 km von der italienischen Insel Lampedusa entfernt, sank ein Boot mit 31 Menschen an Bord. Sieben von ihnen konnten gerettet werden, mindestens zwei Menschen ertranken, 22 werden noch vermisst. Einer der Überlebenden hatte zurück schwimmen und die Küstenwache informieren können.
3. Westlich der spanischen Atlantikküste vor Kap Trafalgar geriet ein Boot in Seenot. Mindestens neun Menschen ertranken, 16 werden noch vermisst. Zwei Überlebende wurden im Boot gefunden, eine weitere Person lebend aus dem Wasser geborgen, nachdem sie über Bord gefallen war.
4. Eine weitere Person kam auf einem Boot ums Leben, das Gran Canaria letzten Sonntag nach einer Woche auf dem Atlantik erreicht hatte. Die restlichen 44 Personen an Bord, viele von ihnen minderjährig, wurden bei ihrer Ankunft medizinisch versorgt und daraufhin in den Hafen von Arguineguin gebracht. Vermutlich war das Boot in Marokko gestartet.
Die Zustände für geflüchtete Menschen auf den Atlantischen Inseln sind katastrophal und der Weg dahin eine der tödlichsten Fluchtrouten weltweit. Alleine im Jahr 2021 sind bereits über 1000 Menschen bei dem Versuch gestorben, die atlantischen Inseln zu erreichen. Die zunehmenden Push- und Pull-Backs auf dem Mittelmeer sowie die generelle Überwachung und Kontrolle der Route über das Mittelmeer zwingt flüchtende Menschen dazu, noch riskantere Routen in Kauf zu nehmen.

https://www.politico.eu/article/death-poland-belarus-border-19-year-old-syrian/
https://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/refdaily?pass=52fc6fbd5&id=616fb66a3

https://www.infomigrants.net/en/post/35863/manhunt-underway-as-two-migrants-found-dead-in-van-in-austria

https://jacobinmag.com/2021/10/european-union-border-regime-boat-crossings-atlantic-africa-canary-islands

https://www.infomigrants.net/en/post/35791/dozens-of-migrants-feared-dead-hundreds-rescued-in-mediterranean-and-atlantic

https://www.infomigrants.net/fr/post/35797/grande-canarie–44-rescapes-et-un-mort-retrouves-dans-un-bateau

https://www.macaubusiness.com/four-dead-19-missing-after-tunisian-migrant-boat-sinks/

https://www.infomigrants.net/fr/post/35800/mer-mediterranee–au-moins-25-migrants-portes-disparus-au-large-de-lespagne

Italien: Faschistischer Angriff auf die Gewerkschaft CGIL

Am 9. Oktober versammelten sich in Rom fast 10’000 Impfgegner*innen und -Kritiker*innen. Schon bald stürmten Hunderte von Demonstrant*innen vor den Augen der Polizei in das Hauptgebäude der grossen italienischen Gewerkschaft CGIL (Confederazione Generale della Trabajadora Italiana) und plünderten es. Bei den anschliessenden Zusammenstößen wurden 38 Polizeibeamte verletzt und 12 Personen verhaftet.

Die Demonstration wurde von neofaschistischen und nationalistisch-reaktionären Organisationen angeführt. Sie versuchen, die Unzufriedenheit mit der Pandemiepolitik der Regierung in eine rechte Richtung zu lenken. Der wichtigste Akteur war Forza Nuova (Neue Kraft), eine 1997 von Roberto Fiore gegründete Partei, die in Rom von Giuliano Castellino geleitet wird. Die Bilder des Angriffs weckten Erinnerungen an die Angriffe auf Gewerkschaften, die den Beginn der faschistischen Ära Italiens in den 1920er Jahren markierten. Heute befinden wir uns in einer ganz anderen historischen Situation. Aber die Passivität des bürgerlichen Staates angesichts eines neofaschistischen Angriffes war offensichtlich. Wie ist es möglich, dass Giuliano Castellino, der angeblich unter besonderer Beobachtung stand, eine Demonstration von 10’000 Menschen anführen kann? Wie ist es möglich, dass ein Mob von über 100 Personen, angeführt von Robeto Fiore, den Sitz einer grossen Gewerkschaft erreichen kann, ohne dass die Sicherheitskräfte eingreifen? Trotz des schwachen Polizeieinsatzes zum Schutz des Gewerkschaftssitzes gibt sich der italienische Premierminister Mario Draghi nun als bester Freund der Gewerkschaftsbürokratie aus, garantiert eine gemeinsame Achse gegen den Extremismus und verspricht, die Forderung der Demokratischen Partei nach Auflösung der Forza Nuova zu berücksichtigen. Diese Argumente aus der Ecke “Extremismusbekämpfung” zielen darauf ab, nicht nur gewalttätige rechtsextreme Gruppen, sondern auch militante Gewerkschaften sowie Linke zu delegitimieren.
Forza Nuova haben mit ihrem gelungenen Angriff die Idee der gewerkschaftlichen bzw. kollektiven Organisierung in Frage gestellt. Forza Nuova unterscheidet nicht zwischen CGIL, kämpferischen Gewerkschaften wie USB und Si Cobas und linken Organisationen. Wir von antira.org solidarisieren uns deshalb mit dieser sehr bürokratischen Gewerkschaft. Der Angriff zeigt auf, dass die soziale Unzufriedenheit wachender Teile der arbeitenden und präkeren Gesellschaft derzeit stärker von rechts als von links abgeholt wird. Unser Aufbau einer antirassistischen, solidarischen, egalitären Welt ist dringend nötig, um den Faschisten den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Lasst uns deshalb unsere Politiken fürs Lebens stärken und die rechten oder neoliberalen Politiken des Todes gemeinsam schwächen.

https://peoplesdispatch.org/2021/10/17/the-fascist-assault-on-a-union-in-italy-some-thoughts/

Das Büro der italienischen Gewerkschaft CGIL, das von rechtsextremen Demonstranten angegriffen wurde.
Das Büro der italienischen Gewerkschaft CGIL, das von rechtsextremen Demonstranten angegriffen wurde.

Wo gabs Widerstand?

Protestierende in Libyen fordern Freilassung und Evakuierung von inhaftierten Geflüchteten

Mehr als 4000 geflüchtete Menschen protestieren seit über zwei Wochen vor dem Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Tripolis, Libyen. Die Potestierenden migrierten aus dem Sudan, Eritrea, Somalia und Nigeria sowie aus anderen Ländern. Sie fordern das UNHCR auf, sie aus Libyen zu evakuieren.

Einer der Protestierenden aus dem Sudan erklärte gegenüber der libyschen Nachrichtenagentur Cloud News Agency, er sei nach Libyen gekommen, um den schwierigen Bedingungen in seinem Land zu entkommen. Nun wurde er in Libyen brutal überfallen und verhaftet, wie vielen Menschen auf der Flucht passiert. Aufgrund der katastrophalen Situation in Libyen, habe das UNHCR seine Arbeit bis auf weiteres eingestellt. Die Bedingungen für alle geflüchteten Menschen seien sehr schlecht, da sie auf der Strasse schlafen und keine Hilfe von Organisationen oder der Zivilgesellschaft erhalten.
Die protestierenden Menschen forderten die Vereinten Nationen, das Hochkommissariat für Flüchtlinge und die libysche Regierung auf, Massnahmen zu ergreifen, das heisst die tausenden inhaftierten Geflüchteten freizulassen und zu evakuieren.

https://en.libyan-cna.net/migration-and-human-rights/irregular-migrants-and-refugees-are-protesting-outside-unhcr-office-in-tripoli/

Protest vor dem UNHCR-Hauptquartier in Tripolis
Protest vor dem UNHCR-Hauptquartier in Tripolis
 
Es formt sich Widerstand gegen die restriktive Migrationspolitik an Polens Grenzen

Tausende Menschen haben am Sonntag in Warschau gegen das Zurückdrängen (Push-back) von Menschen auf der Flucht an der polnisch-belarussischen Grenze protestiert. Die Demonstrierenden zogen durch die polnische Hauptstadt und trugen Schilder mit Botschaften wie “Stoppt die Folter an der Grenze”, “Niemand ist illegal” und “Wie viele Leichen liegen im Wald?”.

Seit Monaten weist die konservative polnische Regierung systematisch Geflüchtete an den Grenzen ab oder drängt sie zurück nach Belarus. Die Betroffenen werden dadurch teilweise wochenlang im Grenzgebiet blockiert, ohne Zugang zu irgendeiner Form von Unterstützung. Mindestens sieben Menschen auf der Flucht sind seit dem Sommer infolge der Push-backs gestorben. Nun hat Polen an der Grenze zusätzlich den Ausnahmezustand verhängt, der Hilfskräfte daran hindert, die Menschen zu versorgen, und Journalist*innen den Zugang zum Gebiet verwehrt. Am Donnerstag verabschiedete das polnische Parlament zudem ein Gesetz, das Push-backs legalisiert und die willkürliche Ablehnung von Asylanträgen ermöglicht. Das neue Gesetz untergräbt fundamental das im internationalen und EU-Recht verankerte Grundrecht auf Asyl. Um das Gesetz durchsetzen zu können, wurden die Pläne der Regierung zum Bau einer Grenzmauer genehmigt, deren Kosten auf 353 Millionen Euro geschätzt werden.
Nebst den zahlreichen Demonstrationen werden auch andere Formen von Widerstand geleistet. Zahlreiche Menschen, die in der Nähe der belarussischen Grenze wohnen, brachten an ihrem Haus ein grünes Licht an, um zu signalisieren, dass sie Menschen mit Nahrung und Unterkunft versorgen können. Denn viele kämpfen aufgrund eisiger Temperaturen ums Überleben.

https://www.dw.com/en/poland-thousands-protest-against-migrant-pushbacks-at-belarus-border/a-59532143
https://de.euronews.com/2021/10/18/polen-warschau-demonstration-migranten-grenze-belarus-mauer

Demonstrierende weisen auf die prekäre Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hin. Geflüchtete drohten zu erfrieren, heißt es. Aus Solidarität schwingen die Protestler Rettungsdecken.
Demonstrierende weisen auf die prekäre Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hin. Geflüchtete drohten zu erfrieren, heißt es. Aus Solidarität schwingen die Protestler Rettungsdecken.

Was steht an?

Offenes Antifaschistisches Treffen (OAT) Basel

 

25.10.2021 – 20:00
Du möchtest vorbeikommen? Schreibe uns eine Mail, und wir teilen dir den Ort mit: oat-bs@riseup.net

https://barrikade.info/event/1609

 

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Europe’s Border Regime Is Killing Thousands
Over two thousand people have died trying to cross from Africa to Spain’s Canary Islands so far this year. While the European Union boasts of its humanitarian migrant policy, it has made these islands into a rampart of a murderous border regime.
 
Educating the host: It’s not just refugees who need ‘integration’ programmes
Teaching local hosts the experience of war and forced displacement would help to publicly challenge hate speech and inform compassion
https://www.opendemocracy.net/en/north-africa-west-asia/educating-the-host-its-not-just-refugees-who-need-integration-programmes/
 
The inhumane futility of border policing
Increased and more violent border policing does not work. It is time to abolish it.
https://www.aljazeera.com/opinions/2021/10/19/the-inhumane-futility-of-border-policing
 
Volunteers in the sky watch over migrant rescues by sea
ABOARD THE SEABIRD — As dozens of African migrants traversed the Mediterranean Sea on a flimsy white rubber boat, a small aircraft circling 1,000 feet above closely monitored their attempt to reach Europe.
https://apnews.com/article/europe-africa-migration-only-on-ap-birds-d84260007646147679759ed2bce9628c
Rettung unerwünscht
Italiens Versuche, die Seenotrettung Geflüchteter zu kriminalisieren
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/readingtips/2021_09_Borderline%20Europe%20RETTUNG%20UNERW%C3%9CNSCHT%20final.pdf
 
From Sea to Prison – The Criminalization of Boat Drivers in Italy
A report by ARCI Porco Rosso and Alarm Phone with the collaboration of Borderline Sicilia and borderline-europe.
https://fromseatoprison.files.wordpress.com/2021/10/from-sea-to-prison_arci-porco-rosso-and-alarm-phone_october-2021.pdf