Kurze Grenzöffnung in Ceuta, lange Liste der Push-Backs, anhaltende Gewalt in Schweizer Lagern

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  • 8’000 Menschen erreichen nach Grenzöffnung Ceuta – und werden umgehend wieder abgeschoben
  • Impfhürden für Luzerner Sans-Papiers
  • Resettlement-Programm 2022-2023 erlaubt die Aufnahme von lediglich 1600 Personen
  • Kopf der Woche: Notis Mitarakis hält Push-Backs für notwendig und legal
  • Die Gewalt in den schweizer Asylcamps lässt sich nicht weiter leugnen
  • Dänemark entzieht Syrier*innen Aufenthaltsberechtigung – und steht an der Spitze einer gefährlichen neuen Migrationsstrategie in Europa
  • Maltesische Regierung bezahlte Push-Backs nach Libyen
  • Migrationsabwehr wird zunehmend technologisiert und militarisiert
  • Balkanroute: Studie zeigt Zunahme illegaler Push-Backs
  • NEIN zum neuen Polizeigesetz (PMT) am 13. Juni

Was ist neu?

8’000 Menschen erreichen nach Grenzöffnung Ceuta – und werden umgehend wieder abgeschoben

Nachdem marokkanische Grenzbeamt*innen die Kontrolle der Grenze zur spanischen Enklave Ceuta unterbrochen haben, nutzten etwa 8000 Menschen die Chance, europäischen Boden zu erreichen. Die meisten wurden bereits wieder nach Marokko abgeschoben. Hintergrund ist ein politischer Streit zwischen Spanien und Marokko über die Westsahara.
Plötzlich war am Montag die Grenze offen. Marokkanische Grenzbeamt*innen liessen Menschen nach Ceuta passieren. Dies sprach sich schnell herum und führte dazu, dass sich etwa 8000 Menschen auf Schlauchbooten oder schwimmend auf den Weg in die Enklave machten. Viele von ihnen waren Marokkaner*innen, die vor der Pandemie in der Enklave Arbeit hatten und unkompliziert pendeln konnten. Seit die Grenzen pandemiebedingt geschlossen sind, ist dies nicht mehr möglich und die wirtschaftliche Situation für sie prekär. Auch befanden sich Menschen auf der Flucht aus den Staaten südlich der Sahara.
Auslöser der Grenzöffnung war ein politischer Konflikt zwischen Spanien und Marokko über die Westsahara. Diese ehemalige spanische Kolonie wird heute grösstenteils von Marokko kontrolliert. Die spanische Regierung hat dem Anführer der Widerstandsbewegung in der Westsahara, Brahim Ghali, eine medizinische Behandlung ermöglicht. Marokko wollte daraufhin diplomatischen Druck auf Spanien zur Anerkennung seiner Souveränität in der Westsahara ausüben.
Diplomatischen Druck ausüben auf Kosten von Menschen, die eine Perspektive in Europa, oder auch nur in der spanischen Enklave, suchen, ist unendlich zynisch. Die Situation als „Chance“ für diese Menschen zu beschreiben, wäre unpassend. Ihre Hoffnungen wurden sehr schnell wieder zerstört. Etwa 6000 Menschen wurden bereits wieder nach Marokko abgeschoben. Auch war der Grenzübertritt noch immer gefährlich. Mindestens eine Person ertrank, viele erlebten Gewalt durch spanische Grenzbeamt*innen, die in der klaren Unterzahl verzweifelt versuchten, die Menschen aufzuhalten. Am Samstag starb ein Junge aus Marokko, der in Ceuta von einer Hafenmauer stürzte.
Unklar ist momentan, wie Spanien mit den eingereisten Minderjährigen umgehen wird. Das sind etwa 1500 Personen, die aktuell in provisorischen Unterkünften untergebracht wurden. Weiterhin versuchen Menschen, nach Ceuta und Melilla zu gelangen.
Die Situation zeigt, da sind sich sogar die bürgerlichen Medien einig, wie falsch die europäische Migrationspolitik abläuft. Menschenwürde und Menschenrechte spielen in den politischen Machtkämpfen keine Rolle. Wir erinnern uns an die einseitige Grenzöffnung durch die Türkei im vergangenen Jahr. Die ganze EU wurde in politischen Aufruhr versetzt und tat alles dafür, Diktator Erdoğan wieder zu besänftigen. Bei diesem politischen Manöver wurde ein Mann erschossen, tausende erlebten Gewalt. Diese Grenzgewalt muss endlich ein Ende haben.

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Menschen versuchen, von von Fnideq (Marokko) nach Ceuta zu schwimmen.

https://taz.de/Marokko-laesst-Migrantinnen-passieren/!5772707/
https://www.spiegel.de/ausland/eu-migrationspolitik-gewalt-aus-prinzip-a-6818928b-6be9-4904-a784-7894d5852672
https://www.theguardian.com/world/2021/may/19/spain-accused-of-summary-deportations-as-thousands-sent-back-to-morocco
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ceuta-jugendlicher-faellt-von-mauer-und-stirbt-17354735.html

Impfhürden für Luzerner Sans-Papiers

Bei einem Termin für die Corona-Impfung müssen eine Krankenkassenkarte und ein gültiger Ausweis vorgezeigt werden. Für Sans-Papiers, Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, ist dies ein grosses Problem. Doch es gibt noch weitere Hürden, die sie davon abhalten, sich impfen zu lassen.
Der Kanton Luzern bietet seit dem 17. Mai 2021 Corona-Impfungen bereits ab 16 Jahren an. Somit erhalten nun auch junge und gesunde Menschen Zugang zur Impfung. Dabei passiert jedoch dasselbe wie schon bei den Corona-Tests: Sans-Papiers werden vergessen. Für sie gibt es verschiedene Hürden, welche sie davon abhalten, sich impfen zu lassen. Menschen die nie in der Schweiz registriert waren, haben oft vor allem Angst, bei einer Impfung aufzufliegen. Schon bei den Corona-Tests wurde diese Beobachtung gemacht, weshalb es an wenigen Orten die Möglichkeit gab, sich anonym oder vertraulich testen zu lassen. Dazu kommt, dass die Impf-Informationen nicht sehr zugänglich sind. Auf der offiziellen Webseite vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) können Informationen rund um Corona in den verschiedensten Sprachen heruntergeladen werden. Das Merkblatt zur Corona-Impfung ist jedoch nur in zehn Sprachen verfügbar, vier davon sind Landessprachen der Schweiz. Es ist also gut denkbar, dass es schon daran scheitert, dass sich die Menschen nicht richtig über die Impfung informieren können.

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Das Impfzentrum auf der Luzerner Allmend

https://www.zentralplus.ch/ich-kenne-noch-keinen-sans-papiers-der-geimpft-ist-2089275

Was geht ab beim Staat?

Resettlement-Programm 2022-2023 erlaubt die Aufnahme von lediglich 1600 Personen

Der Bundesrat hat vergangene Woche das Resettlement-Programm für die Jahre 2022 und 2023 genehmigt. Die Anzahl an geflüchteten Personen, welche in diesem Zeitraum aufgenommen werden sollen, ist angesichts der schlimmen Zustände in Geflüchtetenlagern und der Möglichkeiten der Schweiz ein Hohn.
Das vom Bundesrat verabschiedete Resettlement-Programm für die Jahre 2022 und 2023 verlangt die Aufnahme von insgesamt 1600 geflüchteten Personen, welche sich in einer besonders prekären Lage befinden. Hinzu kommt ein Kontingent von bis zu 300 geflüchteten Personen, welche wegen der pandemiebedingten Verzögerung nicht im Rahmen des vorhergehenden Programms aufgenommen werden konnten.
Die Anzahl der bereitgestellten Resettlement-Plätze hat in den letzten Jahren stetig abgenommen: 2020 konnten weltweit weniger als 23’000  Personen auf diesem sicheren Weg in ein Aufnahmeland einreisen. Das Bedürfnis nach Resettlement wäre hingegen sehr gross – das UNHCR spricht von 1.44 Millionen Personen. Viele geflüchtete Menschen leben unter prekären Bedingungen in überfüllten Geflüchtetenlagern, können nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren und der weitere Weg ist äusserst gefährlich.
Durch die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Reiseeinschränkungen und vorübergehenden Grenzschliessungen kam es zu grossen Verzögerungen – auch beim Schweizer Resettlement-Programm: Insgesamt konnten 2020 lediglich rund 330 Personen in die Schweiz einreisen. Das Jahreskontingent von 800 Plätzen wurde demnach bei Weitem nicht erfüllt.
Der Entscheid des Bundesrates in den Jahren 2022 und 2023 weitere Resettlement-Plätze zur Verfügung zu stellen, ist grundsätzlich zu befürworten. Gleichzeitig ist die geringe Anzahl angesichts des grossen Bedarfs an Resettlement weltweit und der Möglichkeiten der Schweiz ein Hohn. Immer mehr Menschen müssen ihre Länder verlassen, nicht zuletzt aufgrund der Klimakrise. 2020 verursachten Klimakatastrophen mehr Binnenvertreibungen als Kriege.
In der Schweiz hingegen befindet sich die Anzahl der gestellten Asylgesuche auf einem historischen Tief. Die Schweiz verfügt über die finanziellen Mittel und nötigen Ressourcen, um mehr geflüchtete Menschen aufnehmen zu können.
Auch bringen Resettlement-Programme selbst einige nicht unproblematische Implikationen mit sich. Für die Aufnahme in das Programm müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Dazu gehören «die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), eine erhöhte Schutzbedürftigkeit (…) und die Bereitschaft zur Integration in der Schweiz». Diese Bedingungen verstärken die äusserst problematische Einteilung in «richtige» und «falsche» geflüchtete Menschen. Alle flüchtenden Menschen sollten ein Recht auf Bewegungs -und Niederlassungsfreiheit haben. Ob die Menschen aus Krisengebieten fliehen oder ihren Wohnort wegen fehlender Perspektiven verlassen – alle müssen ein Recht auf Bewegungsfreiheit und Sicherheit haben.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83573.html
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/resettlement-schweiz-muss-mehr-schutzbeduerftige-aufnehmen
https://www.theguardian.com/global-development/2021/may/20/climate-disasters-caused-more-internal-displacement-than-war-in-2020

Kopf der Woche

Notis Mitarakis hält Push-Backs für notwendig und legal

Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarakis hat sich mit seinen letzten Äusserungen komplett ins Aus geschossen. Nachdem die griechische Regierung über Monate geleugnet hatte, dass es Push-Backs in der Ägäis gäbe, liess Mitarakis plötzlich verlauten, Push-Backs seien nicht nur notwendig, sondern auch legal. Dass sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention, internationales und EU-Recht seine Aussage lügen strafen, schien ihm egal.
Er stellte weiter die Behauptung auf, auch laut Frontex sei das Zurückweisen von Booten auf See legal (in der Praxis scheint das tatsächlich so, die Richtlinien besagen jedoch anderes.) Und beklagte ferner, dass die Türkei sich nicht an das 2016 geschlossene Abkommen halte, Menschen auf der Flucht mithilfe von EU-Geldern davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen. Somit sei die griechische Regierung geradezu dazu gezwungen, Push-Backs durchzuführen.
Nebst dieser beinahe kindischen Abgabe von Verantwortung, stilisierte er Griechenland zudem zur Opferfigur: „Wir wollen keine Opfer von Schmugglern werden, die Geld machen, indem sie illegale Migranten auf Schlauchboote setzen und so Menschenleben riskieren.“ Die Rollen umzukehren, also die griechische Staatsmacht zu verharmlosen, die Militarisierung und Überwachung der Ägäis zu verschweigen, die eindeutige Zuständigkeit der griechischen Küstenwache zu verschleiern und die Schmuggler*innen als Sündenbock zu benutzen, um sich einer (rechtlichen) Pflicht zu entziehen, sind verbreitete Strategien in den von Rassismus durchzogenen Rechtfertigungsversuchen zu Europas Abschottungspolitik. Für diese haben Sie die Ernennung zum Kopf der Woche verdient, Herr Mitarakis. Herzlichen Glückwunsch!

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https://www.derstandard.at/story/2000126796905/griechenland-verteidigt-illegale-pushbacks-als-notwendig

Was ist aufgefallen?

Die Gewalt in den schweizer Asylcamps lässt sich nicht weiter leugnen

Es tut sich einiges in den schweizer Asyllagern. Dank des unermüdlichen Widerstands unzähliger Menschen innerhalb und ausserhalb der Camps werden nun einige Missstände sichtbar und in der Öffentlichkeit diskutiert. Sogar die grossen und etablierten Nichtregierungsorganisationen, die sich sonst mit Kritik gegenüber staatlichen Behörden und Institutionen stark zurückhalten, fühlten sich gezwungen, Stellung zu beziehen.
Beispielsweise hat Amnesty International letzte Woche einen Bericht zu den Gewaltvorfällen in Bundesasyllagern publiziert. Darin wird vor allem die Gewalt beschrieben, die von den beauftragten Sicherheitsfirmen Securitas AG und Protectas AG ausgeht.
Amnesty International hat zwischen Januar 2020 und April diesen Jahres Interviews mit 32 Personen geführt. Darunter sind 14 Misshandlungsbetroffene und 18 Sicherheitsangestellte, Rechtsvertreter*innen, Betreuer*innen und Sozialpädagog*innen, die Zeug*innen von Missbrauch waren. Zudem wurden ärztliche Berichte, Strafanzeigen und andere relevante Informationen und Dokumente ausgewertet. Die beschriebenen Misshandlungen fanden in den Zentren Basel, Giffers, Boudry, Altstätten und Vallorbe statt. Daraus resultierten Schilderungen von Misshandlungen durch Schläge und Fusstritte sowie von aktiver Provokation und rassistischer Haltung von Sicherheitsangestellten. Unter den Befragten befanden sich auch zwei Kinder, die unter anderem berichteten, dass sie Schlägen ausgesetzt waren oder aufgrund der anhaltenden Gewaltanwendung in ihrer Atmung eingeschränkt waren, einen epileptischen Anfall erlitten oder durch den Einsatz von Pfefferspray ohnmächtig wurden. Andere Betroffene wurden bis zur Unterkühlung in einen Metallcontainer gesperrt. Sechs der Betroffenen mussten wegen ihrer Verletzungen im Spital behandelt werden. Zweien wurde eine medizinische Behandlung verweigert, obwohl sie um Hilfe gebeten hatten. Die für diese Recherche gesammelten Fälle und Informationen deuten auf schweren Missbrauch hin, der in einzelnen Fällen den Tatbestand der Folter oder anderer Misshandlungen erfüllt. Neben den körperlichen Verletzungen, Misshandlungen und Bestrafungen kam es auch regelmässig zu Feindseligkeit, Vorurteilen und Rassismus gegen Menschen in den Lagern, insbesondere gegen Menschen nordafrikanischer Herkunft.
Der Bericht zeigt klar, dass es sich bei den Gewaltvorfällen in den Bundesasylzentren nicht um einzelne «Übeltäter*innen» handelt. Viel eher wird die Systematik der Gewaltanwendung und Erniedrigung durch das Sicherheitspersonal sichtbar.
Das SEM sah sich in der Folge gezwungen, eine externe Untersuchung über konkrete Gewaltvorfälle anzuordnen, welche vom ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer durchgeführt wird. Dies ist zwar begrüssenswert, reicht aber nicht aus. Denn hinter den sichtbaren Gewaltanwendungen steht ein weniger sichtbares, aber nicht weniger gewaltvolles System der konstanten Erniedrigung, Zermürbung, Isolation und Unterdrückung durch das schweizerische Asylregime. Wir wünschen uns, dass nicht zuerst der Tatbestand der Folter erfüllt sein muss, bevor Stimmen nach Veränderung rufen, sondern dass grundsätzlich die Gewalt und Diskriminierung von Menschen, die Asyl suchen, erkannt und bekämpft wird.
Diese krassen Gewalt- und Isolationserfahrungen belasten die Psyche vieler Menschen stark. Traurigerweise hat sich dies in den letzten Monaten in den vielen Suiziden und Suizidversuchen in schweizer Asyllagern gezeigt. Allein im St. Galler Asyllager «Sonneblick» ist es innerhalb von acht Monaten zu drei Suizidversuchen gekommen. Hier (https://www.ajourmag.ch/das-asyllager-mit-integrationscharakter/) geht es zum ausführlichen Bericht dazu.
Ebenfalls aufgrund des Widerstands aus den Camps (unter anderem von Stopp Isolation) prüft nun die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), ob das Nothilfesystem in den bernischen Rückkehrzentren menschenrechtskonform und kindgerecht ist. Auch diese Überprüfung wird wohl das menschenverachtende System der Illegalisierung von Menschen nicht in seinen Grundpfeilern erschüttern, doch immerhin wird in letzter Zeit von verschiedenen Seiten anerkannt, dass da etwas gründlich schief läuft. Kommt dazu, dass der Widerstand aus den Camps nicht mit einer Untersuchung endet. Ende Mai findet in Bern eine weitere Demonstration von Stopp Isolation gegen die Gewalt in schweizer Asyllagern statt. Weitere Infos folgen. (https://migrant-solidarity-network.ch/2021/05/12/aufruf-zur-solidaritaet-gegen-die-isolation-in-den-asylzentren/)Bild:Bewohner von bernischen Rückkehrzentren protestierten im Juli 2020 gegen die geltenden Bedingungen. Nun befasst sich die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) mit dem Thema.
https://www.bernerzeitung.ch/regierungsrat-laesst-nothilfe-in-berner-rueckkehrzentren-ueberpruefen-857275981630
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2021/amnesty-fordert-ende-von-menschenrechtsverletzungen-in-bundesasylzentren

https://beobachtungsstelle.ch/news/besorgniserregender-bericht-von-amnesty-international-schweiz-ueber-gewalt-in-bundesasylzentren/

https://www.bernerzeitung.ch/regierungsrat-laesst-nothilfe-in-berner-rueckkehrzentren-ueberpruefen-857275981630

Dänemark entzieht Syrier*innen Aufenthaltsberechtigung – und steht an der Spitze einer gefährlichen neuen Migrationsstrategie in Europa

Die dänische Regierung hat 380 syrischen Geflüchteten die Aufenthaltsgenehmigung nicht erneuert. Die Region um Damaskus sei sicher für eine Rückkehr. Der Trend, geflüchtete Menschen nur noch auf Zeit aufzunehmen, breitet sich in Europa weiter aus.
Dänemark verfolgt seit 2019 eine zunehmend restriktive Asylpolitik. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat das Ziel festgelegt, alle asylsuchenden Personen auszuweisen. Als Teil dieser Strategie wird vielen Geflüchteten nur noch ein subsidiärer Status zuerkannt. Das bedeutet, dass sie in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen, wenn die Lage dort als sicher genug beurteilt wird. Dies hat Dänemark im Falle Syriens im März mit der Erklärung von Damaskus und der umliegenden Region als sichere Rückkehrgebiete getan (wir berichteten in der Wochenschau vom 8.3.2021, antira.org/2021/03/08). Nun wurden weiteren 380 Menschen die Aufenthaltsberechtigungen entzogen. Betroffen sind grösstenteils Frauen, teilweise auch mit Kindern. Für rückkehrende Männer besteht weiterhin die grosse Gefahr, vom Regime ins Militär eingezogen zu werden.
In ganz Syrien ist aber keine*n einzigen Rückkehrer*in sicher (siehe den Artikel von thenewhumanitarian.org). Das syrische Netzwerk für Menschenrechte dokumentierte im März alleine 143 Fälle von Festnahmen und Inhaftierungen, grösstenteils in Damaskus und Umgebung. Rückkehrer*innen werden vom syrischen Regime beobachtet und verfolgt, hunderte wurden bereits inhaftiert. Viele der Frauen, welchen Dänemark nun das Aufenthaltsrecht entzieht, arbeiteten in Pflege- oder Betreuungsberufen und wurden während der Corona-Pandemie noch für ihren Einsatz beklatscht. In Syrien drohen ihnen Verfolgung und Wirtschaftskrise. Auf thenewhumanitarian.org sagt die alleinerziehende Rasha: «Ich habe keine Angst vor den Bomben. Ich habe Angst vor dem Regime.» Ausschaffen kann die dänische Regierung Syrier*innen wegen fehlender diplomatischer Beziehungen nicht. Doch wer nicht freiwillig geht, wird in ein Abschiebezentrum verfrachtet, in welchen ein menschenwürdiges Leben und ein geregelter Alltag nicht möglich sind. Bei einer «freiwilligen» Rückkehr erhalten die Geflüchteten bis zu 25´000 Euro. Damit will sich Dänemark ein Land frei von Asylsuchenden erkaufen.
Dänemark praktiziert in Europa bisher das schärfste Asylregime. Doch weitere Länder folgen bereits. Schweden und Grossbritannien haben ähnliche Entscheidungen bezüglich der Sicherheitslage in Damaskus getroffen. Und Deutschland hat den generellen Abschiebestopp nach Syrien aufgehoben. Allgemein ist ein gefährlicher Trend erkennbar. Viele Staaten wollen Geflüchteten nur noch subsidiären Schutz gewähren und keinen Flüchtlingsstatus mehr zuerkennen. Damit werden den Migrant*innen weniger Rechte gewährt und unter anderem der Familiennachzug erschwert. Und es verunmöglicht ihnen, sich ein neues Leben in Sicherheit aufzubauen, da die permanente Angst vor einem Entzug der Aufenthaltserlaubnis besteht.
Diese neue europäische Ausrichtung bezüglich temporärer Aufnahme von Geflüchteten muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Länder wie Syrien werden noch jahrelang für den allergrössten Teil von Rückkehrer*innen nicht sicher sein, auch wenn dort aktuell keine Kriegshandlungen stattfinden. Dass dies in Dänemark unter der Leitung einer sozialdemokratischen Regierung geschieht ist zudem ein Beispiel dafür, wie sich in der Asylpolitik in Europa die Verhältnisse generell nach rechts bewegen.

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«Dein Vater ist auch ein Flüchtling, Tesfaye.» Klare Botschaft an den dänischen Minister für Immigration und Integration, Mattias Tesfaye.

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https://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2021/5/17/how-denmarks-syrian-refugee-residency-move-reflects-shifting-policies-across-europe
Bericht zur Lage in dänischen Abschiebezentren: https://www.thelocal.dk/20200107/danish-asylum-centres-slammed-in-anti-torture-committee-report/
Studie von Syrien Network for Human Rights (SNHR) zur Sicherheitslage: https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/At_least_143_Cases_of_Arbitrary_Arrest_Detention_Documented_in_Syria_in_March_2021_Including_Two_Children_and_Nine%20Women_en.pdf

Balkanroute: Studie zeigt Zunahme illegaler Push-Backs

Täglich werden an allen möglichen Landesgrenzen dieser Welt Menschenrechte durch illegale Push-Backs verletzt. Dazu hat die Organisation Protecting Rights at Borders (PRAB) nun eine Studie herausgegeben.
Eigentlich ist ein Land dazu verpflichtet, Migrant*innen aufzunehmen, solange ihr Asylantrag geprüft wird. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass diese Pflicht nicht selten verletzt wird. Migrant*innen werden an den Grenzen von Polizei und Militär zurückgedrängt – ihnen wird bereits der Grenzübergang auf gewaltsame Weise verwehrt. Natürlich haben die Migrant*innen so nicht mal die Chance, einen Asylantrag in einem europäischen Land zu stellen. Die Organisation Protecting Rights at Borders (PRAB), welche sich aus verschiedenen Organisationen zusammensetzt, hat eine Studie zu Push-Backs durch europäische Staaten durchgeführt. Dabei haben sie zwischen dem 01. Januar 2021 und dem 30. April 2021 2’162 Fälle von illegalen Push-Backs registriert. Jedoch ist diese Zahl ganz sicher geringer als die Realität. Die Studie bezieht sich nur auf die Push-Backs, welche in Gebieten passieren, die öffentlich zugänglich sind. Viele Migrant*innen werden aber auch in militärisch abgeriegelten Zonen festgehalten, zum Beispiel an der griechisch-türkischen Grenze. Was in diesen Gebieten passiert, kann nur vermutet werden.

Bereits Ende 2020 wurde dem Europäischen Parlament und der Kommission ein Bericht mit 1’500 Seiten vorgelegt. Das Border Violence Monitoring Network nennt darin 900 Fälle von Push-Backs mit 12’600 beteiligten Personen. Die PRAB-Studie deutet darauf hin, dass sich die Praxis verschärft. Dunja Mijatovic, die Menschenrechtskommissarin des Europarats, hat in einem öffentlichen Brief die Menschenrechtsverletzungen durch griechische Grenzschutzbeamt*innen stark kritisiert. Daraufhin hat Griechenland getan, was immer getan wird, wenn die Gewalt an den Grenzen angesprochen wird: Sie haben alle Vorwürfe zurückgewiesen und verschliessen weiterhin die Augen vor ihrer Verantwortung.
https://www.independent.co.uk/news/bosnia-authorities-move-migrants-to-camp-in-northern-town-sarajevo-bosnia-european-union-croatia-b1849293.html
 https://www.theguardian.com/global-development/2021/may/12/eu-states-cooperating-informally-to-deny-refugees-asylum-rights-report
https://www.lemonde.fr/international/article/2021/05/13/nouvelles-accusations-de-refoulements-illegaux-de-migrants-contre-plusieurs-pays-europeens_6080051_3210.html

Maltesische Regierung bezahlte Push-Backs nach Libyen

Im Prozess gegen die maltesische Regierung wurden letzte Woche mehrere Menschen verhört, deren Aussagen verifizieren, dass Push-Backs vom maltesischen Staat koordiniert und finanziert wurden. Mehrere private Fischerboote wurden vom maltesischen Militär angeheuert, um Menschen vom Mittelmeer zurück nach Libyen zu schleppen und Lebensmittellieferungen zu organisieren.
Momentan stehen der maltesische Premierminister Robert Abela, der Minister für nationale Sicherheit und Strafverfolgung Byron Camilleri und ein Offizier der Armed Forces of Malta (AFM) Jeffrey Curmi vor Gericht. Vertreten durch die Anwält*innen Paul Borg Olivier und Eve Borg Costanzi klagen 52 asylsuchende Menschen gegen den maltesischen Staat. Sie w  aren im Frühjahr 2020 Betroffene eines Push-Backs durch das private Fischerboot Dar es Salaam 1 unter libyscher Flagge, welches von maltesischen Behörden angeheuert worden sein soll.
Letzte Woche sagte der Besitzer des besagten Bootes, Carmelo Grech, aus, ein Vertreter der AFM habe sich ihm genähert und ihm die Koordinaten eines Schlauchbootes übergeben. Die Dar es Salaam 1 befand sich zu der Zeit im Grand Harbor nahe Valetta und sei daraufhin ausgefahren. Nahe Lampedusa hätte die Crew das Schlauchboot schliesslich entdeckt. Fünf Menschen seien bereits tot gewesen. Die Überlebenden und die Leichen seien an Bord genommen und entgegen ihres Protests nach Tripoli gebracht worden. Dort seien sie von libyschen Offizieren in Gefangenenlager gebracht worden. Grech sagt aus, er selber habe sich nie an Bord befunden, sondern die Koordination vom Land aus geleitet. Zudem seien neben der Bezahlung von Crew und Benzin keine weiteren Gelder geflossen. Auf Nachfrage bestätigte er drei bis vier derartiger Einsätze. Die Dar es Salaam 1 wurde angehalten, die Menschen in Seenot nicht mehr mit eigenen Nahrungsmitteln zu versorgen. Dieser Auftrag wurde wiederum von der Salve Regina übernommen. Dominic Tanti, Besitzer der Salve Regina, sagte aus, er habe mindestens ein Mal von Konrad Baldacchino den Auftrag erhalten, 30 Tonnen Lebensmittel und Wasser nach Tripoli zu bringen. Das Schiff startete vom Hafen in Valetta, wurde in Marsa beladen und übergab die Ladung an libysche Soldaten an libyens Küste. Auf einer zweiten ähnlichen Tour übergab die Salve Regina einen Teil ihrer Ladung an ein drittes Schiff, das involviert war, die Tre Mar. Eine Mittelsperson sollte den Kontakt zwischen der AFM und der sog. libyschen Küstenwache herstellen. Ein damaliger Angestellter des Office of the Prime Minister (OPM) Neville Gafà koordinierte die Push-Backs von zu Hause und „manchmal vom Auto“ aus. Er stand sowohl mit dem ehemaligen Stabschef des OPM in Kontakt, nun Maltas Finanzminister Clyde Caruana, als auch mit dem Kommandanten der AFM und gab Koordinaten an die sog. libysche Küstenwache und den libyschen Innenminister weiter. Er behauptet, keine Bezahlung dafür erhalten zu haben.

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Das Fischerboot Dar al Salaam 1 wurde dafür bezahlt, Menschen gegen ihren Willen nach Libyen zurückzubringen


https://www.maltatoday.com.mt/news/national/109738/malta_government_paid_for_libya_pushbacks_three_to_four_times_shipper_reveals

https://timesofmalta.com/articles/view/neville-gafa-says-he-coordinated-migrant-pushback-under-libyan.873103

Migrationsabwehr wird zunehmend technologisiert und militarisiert

Dass sich die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex eine weitere Strategie überlegt hat, um Seenotrettung zu umgehen, ist nichts Neues. Seit 2018 hat Frontex ein privates Unternehmen beauftragt, mit mindestens drei Propeller-Flugzeugen das Mittelmeer zu überwachen. Flugzeuge können schliesslich nur Koordinaten weitergeben und keine Menschen an Bord nehmen. Laut internationalem Seerecht müssten alle Menschen, die sich in Seenot befinden, von Schiffen in unmittelbarer Nähe gerettet werden. Und von der EU-Militärmission IRINI befinden sich nur noch drei Schiffe im Einsatz. Nun erhärtet sich der Verdacht, Frontex schicke Koordinaten an die sog. libysche Küstenwache, um illegale Pullbacks durchzuführen.
Die Internetplattform BuzzFeed News Deutschland wertete tausende Flugdaten, interne Frontex-Dokumente und Meldungen von Seenotrettungsorganisationen aus. Von April bis November 2020 fing die sog. libysche Küstenwache insgesamt 94 Boote mit flüchtenden Menschen ab und schleppte sie zurück nach Libyen. In 70 Fällen kreiste davor ein Frontex-Flugzeug in der Nähe. Wenn Frontex die Koordinaten direkt an die sog. libysche Küstenwache weitergibt, verstösst dies gegen internationales Recht, nach dem keine Person in einen Staat zurückgebracht werden darf, in dem für sie das ‚ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht‘. Zudem rekonstruierte die Recherche drei Fälle auf dem zentralen Mittelmeer, in denen Frontex-Flugzeuge in der Nähe waren, als insgesamt 250 Menschen in Seenot gerieten. Trotz der anwesenden Flugzeuge wurde den Menschen in Seenot nicht rechtzeitig geholfen und insgesamt 180 Menschen kamen ums Leben.
Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurden vergangenes Jahr knapp 11’000 Menschen auf der Überfahrt über das zentrale Mittelmeer von der sog. libyschen Küstenwache abgefangen. Mehr als tausend Menschen starben oder gelten als vermisst. Auch letzte Woche gab es mindestens 57 Todesfälle. Ein Boot mit knapp 90 Menschen an Bord war am Sonntag von der libyschen Stadt Suwara aufgebrochen. Vor der tunesischen Küste nahe Sfax kenterte das Boot. Nur 33 Menschen überlebten, weil sie sich an einer Bohrinsel festhielten.

Die Militarisierung des Mittelmeers nimmt kein Ende

Frontex baut seine Überwachung aus der Luft weiter aus. Acht Meter grosse Langstreckendrohnen sollen ab diesem Jahr über dem Mittelmeer eingesetzt werden. Das Modell Heron ist mit Wärmebildkameras ausgestattet, kann Mobil- und Satellitentelefone orten und aus 10’000 m Entfernung Objekte erkennen. Der Auftrag über 50 Mio. Euro ging an AIA für den Bau und an Airbus für die Operation der Drohnen, welche ansonsten z.B. von der deutschen Bundeswehr in Afghanistan und Mali eingesetzt werden.
Und das Mittelmeer ist nicht der einzige teuer überwachte und kontrollierte Raum. An der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei gibt es eine kostspielige, nahezu vollkommen automatisierte Rundum-Überwachung bestehend aus Satelliten, Drohnen, einem Zeppelin und Grenzüberwachung am Boden. Das Pilotprojekt kostet 8 Mio. Euro.
An der Grenze zwischen Bosnien und Kroatien  werden Drohnen und Quadrokopter eingesetzt, Miniatur-Hubschrauber ausgestattet mit Wärmebildkameras und Nachtsichtgeräten. Frontex hat eine Ausschreibung gestartet, laut der sie Firmen suchen, die für 2 Mio. Euro besagte Quadrokopter für 15 weitere Länder an den EU-Aussengrenzen herstellen. Mögliche Auftragnehmer sind Firmen wie Aeronautics, Erickson Nikola Tesla und Delair. Die Signale von Flugzeugen und Drohnen können ausgeschaltet werden, doch die Flugdaten von Quadrokoptern lassen sich überhaupt nicht nachverfolgen. Und die Ungeheuerlichkeiten hören hier nicht auf: In dem Bericht ‚Border Wars‘ berichtet Mark Akkermann von Firmen, die sowohl an der Überwachung der EU-Aussengrenzen verdienen, als auch am Export von Rüstungsgütern in Kriegsländer und somit Herkunftsländer von flüchtenden Menschen.
https://www.buzzfeed.de/recherchen/frontex-gefluechtete-ertrunken-ueberwachung-luft-drohnen-flugzeuge-libyen-90654342.html

https://www.derstandard.at/story/2000126740989/rote-kreuz-57-gefluechtete-sterben-vor-der-kueste-tunesiens?ref=rss

https://www.nau.ch/news/ausland/wahrscheinlich-mehr-als-50-migranten-vor-tunesiens-kuste-ertrunken-65929606

https://www.theguardian.com/world/2021/may/18/migrant-boat-sinks-off-tunisia-mediterranean

Was nun?

NEIN zum neuen Polizeigesetz (PMT) am 13. Juni

Das neue Polizeigesetz (PMT), über welches in der Schweiz am 13. Juni abgestimmt wird, weitet die Terrorismusdefinition stark aus. Mit einer Annahme des Gesetzes können neu auch Journalist*innen, Staatskritiker*innen oder Aktivist*innen als Terrorist*innen gelten und von schwerer Repression betroffen sein.
Am 13. Juni werden die Schweizer Stimmberechtigten über das «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus», kurz PMT, abstimmen. Mit dem PMT erhält die Polizei weitreichende Möglichkeiten, präventiv gegen Menschen vorzugehen, die sie für gefährlich hält – von Fussfesseln, Wegweisungen und Rayonverboten für Kinder ab zwölf Jahren bis zu Hausarrest für Personen ab fünfzehn Jahren. Nötig sind dafür keine Beweise. Es reicht die Annahme, dass jemand gefährlich sei. Die Vorstellung hinter dem PMT: Präventive Repression gegen vermeintlich gefährliche Personen sorge für mehr Sicherheit. Diese Logik hat sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA und in verschiedenen europäischen Staaten verstärkt. Vielerorts sind Gesetze entstanden, «die den Ausnahmezustand verstetigen und die Grundrechte einschränken». Bei einer Annahme des PMT würde die Schweiz in dieser Entwicklung zur Spitzenreiterin.  
Schweizer Rechtsprofessor*innen, Uno-Sonderbeauftragte oder die Menschenrechtskommissarin des Europarats befürchten schwere und willkürliche Eingriffe in die Menschenrechte. Der zentrale Kritikpunkt ist dabei die schwammige Terrorismusdefinition, welche im PMT enthalten ist. Diese Definition öffnet Tür und Tor für Willkür und Repression, wie Evelyne Schmid, Prof essorin für Völkerrecht an der Universität Lausanne, in einem Interview mit dem Magazin Republik darlegt. Im neuen Gesetz wird Terror folgendermassen definiert: «Als terroristische Aktivität gelten Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung, die durch die Begehung oder Androhung von schweren Straftaten oder mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt werden sollen.» Entscheidend dabei ist: Früher waren «schwere Straftaten» und «Verbreitung von Furcht und Schrecken» durch das Wort ‹sowie› aneinandergekoppelt, im PMT steht stattdessen ein ‹oder›. Die Definition verändert sich dabei fundamental, wie Evelyne Schmid darlegt: «Im neuen Kontext der PMT entkoppelt man die Terrorismus-Definition von einer schweren Straftat oder der Bedrohung eines bedeutenden Rechtsguts.» Durch diese neue Terrorismusdefinition sollen dabei alle, die «die staatliche Ordnung verändern oder beeinflussen wollen» und dabei «Furcht und Schrecken verbreiten» als potenzielle Gefährder*innen verstanden werden – Journalist*innen, Staatskritiker*innen oder Aktivist*innen können so als Terrorist*innen gelten und von oben genannter Repression betroffen sein.
Hier können Plakate und Sticker zum neuen Polizeigesetz bestellt (https://barrikade.info/article/4501) oder hier mehr Infos zur Nein-Kampagne eingeholt werden (https://willkuerparagraph.ch).
Und: «Sie können uns noch lange kriminalisieren, unsere Kämpfe für ein besseres Leben für alle kriegen sie niemals klein!»
https://www.republik.ch/2021/05/19/was-justizministerin-keller-sutter-im-abstimmungskampf-verschweigt

Save the date: Aktionswochenende 19. und 20. Juni

Wir rufen dazu auf, am 19. und 20. Juni europaweit auf die Straßen zu gehen! Es ist 2021, Menschen überleben in Lagern, sterben im Meer, und unsere Regierungen? Sie begehen Straftaten anstatt zu helfen! Das lassen wir uns nicht bieten und werden diesen Sommer Menschenrechte für alle konsequent einfordern.Tut euch zusammen, organisiert Aktionen und Demonstrationen, werdet aktiv und lasst uns gemeinsam die Politik ändern. Weitere Infos folgen bald!
https://www.facebook.com/SeebrueckeSchafftsichereHaefen/posts/1393844397654406

Was steht an?

Kundgebung Stop Isolation
29.05.21 I 14.00 Uhr I Waisenhausplatz Bern
Das Asyllager Sonneblick verwandelt sich zunehmend in ein Selbstmordlager. Diese Bedingungen, die nicht den Menschen- und internationalen Asylrechten entsprechen, müssen abgeschafft werden.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Grenzen ohne Papiere

Sirley Escobar lebt seit 23 Jahren in der Schweiz – 13 Jahre davon ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Ihr Leben in Anonymität war durchzogen mit Grenzen, kein Tag verging ohne die Angst, von der Polizei entdeckt zu werden. Durch ein Härtefallgesuch erhielt Sirley Escobar gültige Papiere, heute arbeitet sie bei der Beratungsstelle für Sans-Papiers in Bern. Sie ist live zu Gast im temporären Studio in der Sollbruchstelle.
https://rabe.ch/2021/05/15/grenzen-ohne-papiere/

Das Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren ist da

Ab sofort kann die dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage des Handbuchs zum Asyl- und Wegweisungsverfahren bestellt werden. Das Standardwerk der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bietet einen raschen Überblick über die aktuelle Rechtslage und zugleich präzise Informationen zu Rechtsgrundlagen, Rechtsprechung und Praxis.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/das-handbuch-zum-asyl-und-wegweisungsverfahren-ist-da

Offener Brief „This is not Disneyland“

Geflüchtete Menschen aus Moria richten sich angesichts steigender Corona-Zahlen im Lager erneut an die europäische Öffentlichkeit.
https://www.medico.de/this-is-not-disneyland-18199

Film: THE WIRE

„Das ist die neue Berliner Mauer.“ Sie liegt im „zauberhaften Tal der Schmetterlinge“ unterhalb des Risnjak-Gebirges und vor den Toren Zagrebs, wo die smaragdfarbene Kupa entlangfließt. Immer schon lebten hier Kroaten und Slowenen Seite an Seite in einer EU-Vorzeigeregion in puncto Nachhaltigkeit und sanfter Tourismus. Wo sich vorher Bären, Luchse und Wölfe in völliger Abgeschiedenheit versteckten, stehen nun kilometerlange Grenzzaunanlagen. Während Militärkonvois patrouillieren und Stacheldraht verlegen, suchen andere ihr Heil in der lebensgefährlichen Flucht durch dschungelartiges Terrain. Mikroskopisch fein sezierender und emotional aufwühlender Dokumentarfilm über den komplizierten Status des Schengener Abkommens – mitten in Europa.
https://www.dokfest-muenchen.de/films/view/24171

Climate disasters ‘caused more internal displacement than war’ in 2020

Refugee organisation says 30m new displacements last year were due to floods, storms or wildfires
https://www.theguardian.com/global-development/2021/may/20/climate-disasters-caused-more-internal-displacement-than-war-in-2020