Themen
– Dänemark erklärt Syrien zu sicherem Herkunftsland
– Génération Identitaire verboten
– Italienische Behörden kriminalisieren erneut zivile Seenotretter als Schlepper
– Golf von Aden: Schmuggler werfen Migrant*innen über Bord
– Frontex’ stille Skandale
– Offizielle Schweiz verkennt ihre Verantwortung für (Frontex-)Pushbacks
– Prozesse zur Verteilung geflüchteter Menschen in Europa sind intransparent und diskriminierend
– Gemeinden kehren ORS den Rücken
– Antisemitisches Zoombombing an der Uni Basel
– Das SEM hat per Sonderflug nach Nigeria ausschaffen lassen
– Gewalt bei Fahrkartenkontrollen nicht hinnehmen
Was ist neu?
Dänemark erklärt Syrien zu sicherem Herkunftsland
Dänemark hat als erster europäischer Staat 94 geflüchteten Personen aus Syrien die Aufenthaltsbewilligung entzogen, nachdem der dänische Staat Damaskus und die umliegenden Gebiete als sicher erklärt hat. Die 94 Menschen werden in Deportationscamps transferiert.
Die dänische Regierung verteidigt ihr Vorgehen damit, dass den betroffenen Menschen von Anfang an klar gewesen sei, dass ihre Aufenthaltsbewilligung nur vorläufig sei und ihnen jederzeit entzogen werden kann. Auch in anderen europäischen Staaten wie beispielsweise der Schweiz bekommen Menschen aus Syrien nur eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung. Auch dies mit dem Ziel, die Menschen eines Tages wieder dorthin abzuschieben. Es stellt sich die Frage, wie nun andere europäische Länder auf den Entscheid Dänemarks reagieren werden. Sollten sie nachziehen, um sich in der europäischen Migrationspolitik keine «Nachteile» zu verschaffen, wären bald schon wieder Ausschaffungen nach Syrien möglich. Für viele Menschen würde das den sicheren Weg in Gewalt und Tod bedeutet. Wer sich die Reisehinweise des EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) für Syrien durchliest, wird wohl verstehen können, weshalb Menschen nicht freiwillig dorthin zurück wollen:Von Reisen nach Syrien und von Aufenthalten jeder Art wird abgeraten. Seit 2011 herrscht in Syrien ein bewaffneter Konflikt. Luftangriffe, schwere Kämpfe zwischen syrischen Sicherheitskräften, deren Verbündeten und bewaffneten Oppositionsgruppen sowie Kämpfe zwischen verschiedenen Oppositionsgruppen fordern täglich Todesopfer und Verletzte. Der Norden und Süden des Landes sind besonders schwer davon betroffen. Grosse Gebiete des Landes sind vermint. Praktisch täglich werden Anschläge verübt, besonders in den nördlichen und südlichen Landesteilen. Das Entführungsrisiko (teilweise mit Todesfolge) durch terroristische und kriminelle Gruppierungen ist hoch. Seit 2011 sind zahlreiche syrische und ausländische Staatsangehörige entführt worden.
https://www.infomigrants.net/en/p
ost/30650/denmark-declares-parts-of-syria-safe-pressuring-refugees-to-return
https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/syrien/reisehinweise-fuersyrien.html
Génération Identitaire verboten
In Frankreich wurde die bekannteste Bewegung der rechtsradikalen Identitären ‚Génération Identitaire“ (GI) verboten. Der selbst durch rechte Politik auffallende Innenminister Gérald Darmanin twitterte, die GI trete wie eine private Miliz auf und würde zu Diskriminierung, Hass und Gewalt aufrufen. Bereits 2012 traten die GI auf den Plan und fielen immer wieder durch rassistische Aktionen an Grenzen, in der Nähe von Aslyllagern oder Moscheen auf. Der damalige Präsident François Hollande zog zwar in Erwägung, die GI zu verbieten, unterliess es aber. So mussten fast zehn Jahre rechtsradikaler Hetze vergehen, bis es zum Verbot kam. Die österreichische Schwesterorganisation Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) wurde nach wie vor nicht verboten, obwohl u.a. der Christchurch-Attentäter mit Martin Sellner, dem Leiter der IBÖ in Verbindung stand und ihm Geld spendete.
https://www.derstandard.at/story/2000124627766/bekannteste-identitaeren-gruppe-in-frankreich-aufgeloest?ref=rss
https://www.infomigrants.net/en/post/30622/france-bans-far-right-anti-migrant-group-generation-identity
Italienische Behörden kriminalisieren erneut zivile Seenotretter als Schlepper
In Italien gibt es einen weiteren Versuch, Seenotrettung zu kriminalisieren. Im vergangenen Herbst soll die Mare Jonio gegen eine Geldzahlung 27 gerettete Menschen vom Tanker Maersk Etienne übernommen haben. Die Staatsanwaltschaft Ragusa (IT) ermittelt gegen vier Personen wegen Schlepperkriminalität.
38 Tage, so lange wie noch kein Schiff zuvor, erhielt der Tanker Maersk Etienne nach der Rettung von 27 Menschen aus Seenot keinen sicheren Hafen zugewiesen. Die körperliche und psychische Verfassung der Menschen verschlechterte sich zunehmend, zumal der Frachter keine geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten, geschweige denn geschultes Personal für die Betreuung der geretteten Menschen zur Verfügung stellen konnte. Das zivile Rettungsschiff Mare Jonio von Mediterranea Saving Humans erklärte sich am 11. September 2020 als besser ausgerüstetes Schiff bereit, die Menschen zu übernehmen und zu versorgen. Kurz nach der Übernahme erhielt das Schiff einen Hafen zugewiesen.
Diese Übernahme sei allerdings nicht aus Solidarität, sondern aus kommerziellen Gründen erfolgt, behauptet nun die italienische Staatsanwaltschaft. Es habe telefonische Absprachen zu einer Zahlung von knapp 5’000 € pro Person gegeben, die das zivile Rettungsschiff dem Tanker Maersk Etienne als maritime Dienstleistung abnehmen würde. Von den Untersuchungen betroffen ist nicht die NGO Mediterranea Saving Humans selbst, sondern die Schiffseigner Giuseppe Caccia und Alessandro Metz, der Missionsleiter Luca Casarini und der Kapitän Pietro Marrone. Für Schlepperkriminalität sieht das italienische Gesetz bis zu 30 Jahre Haft vor. Allerdings, so erläutert es der Jurist Stefano Zirulia, sei für diesen Straftatbestand gar kein Geldfluss ausschlaggebend, sondern die illegale Beförderung von Menschen nach Italien, ohne die dafür nötigen Papiere. Dies sei in diesem Fall nicht zutreffend, da die Übernahme der Menschen in einer noch nicht abgeschlossenen Seenotrettung stattfand. Die Pflicht zur Rettung von Menschenleben ist in der Seerechtskonvention verankert und steht über den staatlichen Interessen und Gesetzen zum sogenannten Grenzschutz. Dass es eine Zahlung in Höhe von 125’000 € von der dänischen Firma Maersk an Idra Social Shipping Ltd., Eigentümerin der Mare Jonio, gab, ist unbestritten. Diese wurde in Gesprächen zwei Monate nach dem Ereignis vereinbart und ist laut Maersk als Unterstützung an die zivile Seenotrettung und zur Deckung eines Teils der entstandenen Kosten gedacht.
Die Ermittlungen gaben den italienischen Behörden die Gelegenheit, Hausdurchsuchungen in zahlreichen Städten durchzuführen. Vermutlich in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, woraus sich ein haltbarer Vorwurf konstruieren liesse. In jedem Fall spielen die Ermittlungen den Rechtspopulist*innen in die Hände, die seit jeher Seenotretter*innen als Schmuggler bezeichnen und Stimmung gegen diese machen. Und sie behindern ganz praktisch die Arbeit der NGO.
Ebenfalls vergangene Woche schloss die italienische Staatsanwaltschaft nach drei Jahren ihre Untersuchungen gegen Crewmitglieder der Iuventa sowie der Organisationen Ärzte ohne Grenzen und Save the Children ab. Wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung drohen ihnen bis zu zwanzig Jahre Gefängnis. Das es zu Verurteilungen kommen wird, ist aufgrund der mangelhaften Beweislage auch in diesem Fall zweifelhaft. Es sind politisch motivierte Anklagen, die die zivile Seenotrettung unterbinden und Migration behindern sollen. Und die seit Jahren Menschenleben kosten, Woche um Woche.
https://alarmphone.org/de/2021/01/14/ein-kampf-fuer-jedes-einzelne-boot/>
https://www.repubblica.it/cronaca/2021/03/01/news/l_accusa_a_mare_jonio_soldi_all_armatore_per_salvare_migranti_-289822212/ma
https://www.avvenire.it/opinioni/pagine/mare-jonio-domanda-errata-nellinchiesta-di-ragusahttps://www.fanpage.it/politica/inchiesta-mare-jonio-mediterranea-non-ci-sono-prove-e-non-hanno-trovato-soldi-non-ci-fermeranno/https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/crew-iuventa-seenotrettung-italien-anklage-prozess-jugend-rettet
Golf von Aden: Schmuggler werfen Migrant*innen über Bord
Mindestens 20 Migrant*innen starben am Mittwoch, nachdem Schmuggler sie während einer Fahrt von Dschibuti in den Jemen über Bord geworfen hatten, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Es ist der dritte derartige Vorfall im Golf von Aden innerhalb von sechs Monaten.
Das Boot startete am Mittwoch von Dschibuti mit 200 Migrant*innen an Bord, darunter Kinder unter 18 Jahren. Nach einer halben Stunde Fahrt warfen Schmuggler mindestens 80 Personen mit der Begründung über Bord, das Boot sei überladen. Bis zum 4. März 21 wurden fünf Körper geborgen. 14 Überlebende wurden zurück nach Dschibuti gebracht.
Der Vorfall vom letzten Mittwoch ist kein Einzelfall. Bereits im Oktober wurde von zwei ähnlichen Fällen berichtet, bei denen Schmuggler etwa 50 Personen über Bord warfen. Davon sind mindestens acht Personen ertrunken. Schon 2017 und 2018 ertranken insgesamt circa 80 Menschen, weil sie von Schmugglern vom Boot gezwungen wurden.
Dschibuti liegt am Golf von Aden und grenzt an Eritrea, Äthiopien und Somalia. Die Strecke vom Osten Afrikas in den Jemen ist eine beliebte Route bei Migrant*innen aus Somalia und Äthiopien, welche versuchen, in die Golf-Länder zu gelangen, um dort Arbeit zu finden. Gleichzeitig flüchten viele Menschen aus dem Jemen vor dem Bürgerkrieg in die entgegengesetzte Richtung.
https://www.infomigrants.net/en/post/30634/horn-of-africa-at-least-20-migrants-dead-after-smugglers-push-them-overboard
https://www.iom.int/news/50-somali-ethiopian-migrants-deliberately-drowned-smugglers-yemen
Was ist aufgefallen?
Frontex’ stille Skandale
Obwohl die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex und ihr Chef Fabrice Leggeri seit Monaten in der Kritik stehen, werden keine Konsequenzen gezogen. Vielmehr erweitern sich Frontex’ Kompetenzen weiterhin.
Eine Arbeitsgruppe des Frontex-Verwaltungsausschusses hat einen Untersuchungsbericht vorgelegt. In diesem wird erneut deutlich, dass die illegalen Push-Backs in der Ägäis detailliert von Frontex dokumentiert sind. Zudem versuchten Frontex-Mitglieder aktiv Berichte über Push-Backs zu verhindern. So wurde z.B. die Meldung einer schwedischen Crew erschwert.
Die Forderungen, die aus diesem Bericht hervorgehen sind jedoch alles andere als deutlich. Das liegt vor allem daran, dass die Kontrollinstanz hauptsächlich Frontex-intern verblieb und durch diesen Interessenskonflikt vollkommen unzulänglich und letztlich unbrauchbar ist. Die schwammigen Erklärungen der griechischen Küstenwache zu den Push-Backs werden tatsächlich ernst genommen. Teile der griechischen Regierung schrieben sogar an dem Report mit. Diese wiederholte Bestätigung von alten Enthüllungen löst aber kaum einen Skandal aus. Im Gegenteil: Nachdem 2019 bereits mehrere EU-finanzierte Deportations-Programme unter Frontex’ Kontrolle gerieten (European Return and Reintegration Network (ERRIN), Forced Return Monitoring program (FReMIII), EU Return Liaison Officers), würden sich laut eines EU-Dokuments von Oktober 2020 18 Mitgliedsstaaten Frontex’ Beteiligung an Abschiebungen von unbegleiteten Minderjährigen wünschen. Frontex hat dazu bereits einen Workshop gegeben und ein weiterer war für Ende 2020 geplant. Auch Frontex’ Versuch, geltendes Recht zu umgehen, um sich Waffen zu beschaffen (Frontex hat keine Befugnis, Waffen zu tragen), stösst auf wenig Widerstand. In einem Brief an die EU-Kommission lässt Leggeri durchblicken, Waffen unter dem Begriff „technische Ausrüstung“ kaufen zu wollen. Bereits die Anwendung nicht-tödlicher Waffen durch Frontex ist rechtlich problematisch. Das scheint Leggeri aber genauso wenig zu kümmern. Aus dem selben Brief geht hervor, er habe bereits 975 Gummischlagstöcke für 14.995 Euro, 700 Teleskop-Schlagstöcke für 43.400 Euro, 3800 Einheiten Tränengas für 50.290 Euro und 300 schusssichere Westen für 80.292 Euro beschafft. Und die EU-Kommission stellt sich hinter ihn. Sie liess durch eine Sprecherin verlauten, Frontex dürfe technische Ausrüstung besorgen und anwenden. Lassen wir diese Skandale nicht still und heimlich geschehen. Die Bürokratisierung durch die EU verlangsamt den Prozess und macht diesen immer unübersichtlicher. So kann sich Leggeri durch die verwaschenen Formulierungen der offensichtlichen Rechtsbrüche und der damit einhergehenden Verschleierung zur Hintertür hinausschleichen. Sorgen wir dafür, dass dies unter Buhrufen und Pfiffen passiert.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/frontex-skandal-um-griechische-pushbacks-freispruch-verweigert-a-c0b046cf-56e6-4594-87e1-b7153d462e7f
https://www.tagesspiegel.de/politik/linken-politiker-ueber-eu-grenzschutz-unglaublich-schwer-frontex-skandale-zum-skandal-zu-machen/26965942.html
https://www.statewatch.org/news/2021/february/eu-states-keen-for-frontex-assistance-in-deporting-unaccompanied-children/
https://www.politico.eu/article/european-commission-vice-president-margaritis-schinas-defends-frontex-migration-asylum-strategy/?utm_source=RSS_Feed&utm_medium=RSS&utm_campaign=RSS_Syndication
https://www.spiegel.de/politik/ausland/frontex-fabrice-leggeri-will-mit-trick-waffen-fuer-die-grenzschutzbehoerde-beschaffen-a-7437577c-0002-0001-0000-000175912886?utm_source=dlvr.it&utm_medium=[facebook]&utm_campaign=[spontop]#ref=rss
Offizielle Schweiz verkennt ihre Verantwortung für (Frontex-)Pushbacks
Obwohl sie bei Frontex seit Jahren mitmischt, tut die offizielle Schweiz so, als wäre sie für illegale Pushbacks an den EU-Aussengrenzen nicht mitverantwortlich. Gleichzeitig bleibt sie auch Rechenschaft schuldig für Pushbacks, die Menschen an der Schweizer Landesgrenze erleben mussten.
Christian Bock, der Chef der Schweizer Zollverwaltung (EZV), traf letzte Woche den Frontex-Chef Fabrice Leggeri in Basel. Die Schweiz ist sei 2011 finanziell und personell an Frontex beteilligt. Nicht weniger als 1415 Einsatztage arbeiten Schweizer Grenzbehörden für Frontex. Auch an den umstrittenen Operationen an den Schengen-Aussengrenzen, wo Frontex Pushbacks durchführt, waren Schweizer Grenzwächter*innen im Einsatz. Im Moment arbeiten zwei Personen in Griechenland an der Grenze zu Albanien, eine Person in Bulgarien an der Grenze zur Türkei sowie eine Person in Kroatien an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina für Frontex. Dennoch kommunizierte Christian Bock so, als wären Frontex und ihre Pushbacks für die offizielle Schweiz etwas Äusseres und nicht etwas, für was die Schweiz mitverantwortlich ist: „Die Grundrechte müssen bei allen Einsätzen von Frontex ausnahmslos eingehalten werden. Insbesondere muss für schutzbedürftige Personen jederzeit die Möglichkeit bestehen, ein Asylgesuch einzureichen“, heisst es in der Medienmitteilung der EZV. Ob es während der Operationen mit Schweizer Personal auch zu Grundrechtsverletzungen kam thematisierte Bock genauso wenig wie die Fragen, ob nicht auch die Schweiz selber Puskbacks durchführt.
Die von der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) veröffentlichten Jahreszahlen werfen zumindest Fragen auf. Im vergangenen Jahr seien insgesamt 4796 Menschen an Behörden von anderen Staaten „übergeben“ worden. Handelt es sich dabei um Ausschaffungen von Menschen, deren Asylgesuch geprüft und/oder deren Bleiberecht abgelehnt wurde oder um Menschen, die vom Grenzwachkorps als illegal eingestuft und über die Grenze zurückgedrängt werden, obwohl sie ein Asylgesuch stellen möchten? Zweiteres wäre ein Pushback. Seit Jahren berichten geflüchtete Menschen davon, dass an der Schweizer Grenzen der Zugang zum Asylsystem verwehrt wird und sie wieder abgedrängt werden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82549.html
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/65526.pdf
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82538.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82538.html
Prozesse zur Verteilung geflüchteter Menschen in Europa sind intransparent und diskriminierend
Ein Bericht von Borderline-Europe beschäftigt sich mit den Relocation-Prozessen für aus Seenot gerettete Menschen. Er zeigt auf, wie migrierende Menschen kriminalisiert und in intransparenten Prozessen entmenschlicht werden, wie ihre Erfahrungen nicht anerkannt und ihre Bedürfnisse, beispielsweise bei der Wahl des Ziellandes, nicht berücksichtigt werden. Eine jahrelange „Lotterie vom Meer zu den Hotspots und zurück in die Unsicherheit“.
Die Studie „EU ad-hoc-relocation“ beschäftigt sich mit den Prozessen der Relocation, der Umsiedlung von in Europa ankommenden Menschen vom Ankunfts- in andere EU-Länder. Relocation ist seit 2015 ein Bestandteil europäischer Asylabkommen und wurde 2020 im New Pact of Migration nochmals als „solidarische Lösung“ bestätigt.
Speziell geht es im Bericht um den Umgang mit Menschen, die aus Seenot gerettet wurden. Seit 2018 kam es zu einer Politik der geschlossenen Häfen. Italien und Malta weigerten sich, Schiffe mit geretteten Menschen an Bord an ihren Häfen anlegen zu lassen. Sie begründeten dies unter anderem mit ihrer Benachteiligung im Dublin-System, das die Erstankunftsländer für die Asylverfahren der Menschen verantwortlich macht. Die geschlossenen Häfen führten zu oft wochenlangen Standoffs der Rettungsschiffe auf dem Meer. Dies bedeutete einerseits untragbare Zustände für die Menschen, die gerade eine lebensgefährliche Flucht hinter sich hatten. Andererseits mussten um jedes einzelne Schiff Verhandlungen auf europäischer Ebene geführt und Einzelfalllösungen gefunden werden. 2019 entstand dann mit dem Malta-Abkommen eine „vorübergehende Notlösung“, in der sich einige europäische Länder auf eine freiwillige Aufnahme einigten. Das Malta-Abkommen sollte einen Solidaritätsmechanismus schaffen, der eine zügige Ausschiffung und Verteilung der Menschen ermöglicht. Allerdings legte das Abkommen weder verbindliche Prozesse fest, noch definierte es Kriterien zur Auswahl der Personen für Relocations.
Erstidentifikation und Sicherheitsprüfung in Hotspots
Die erste Unterbringung aus Seenot geretteter Menschen erfolgt in einem Hotspot, einer gefängnisähnlichen Sammelunterkunft mit katastrophalen Lebensbedingungen. Dort erfolgt die Erstidentifikation, Registrierung und die Abnahme der Fingerabdrücke. Eine Sicherheitsabfrage in den europäischen Datenbanken soll sicherstellen, dass die geflüchteten Menschen keine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ sind. Im Hotspot werden in einem ersten Interview u.a. Fragen zur Herkunft, zum Familienstand, der Ethnie, Religion und Staatsbürgerschaft gestellt. Auch Fragen zum Gesundheitszustand kommen vor, allerdings folgt darauf oftmals kein Zugang zu benötigter medizinischer oder psychologischer Betreuung. Diese erste Inhaftierung dauert bis zu 30 Tagen an, in denen Mobiltelefone konfisziert sind und die Menschen keine Informationen oder Rechtsberatung erhalten. NGOs und Presse ist der Zugang zu den Hotspots verboten. Die gefängnisähnlichen Strukturen sind bezeichnend für die Kriminalisierung der Migration.
Empfehlungslisten zur Relocation
In der zweiten Phase des Relocation-Prozesses wird, noch immer im Ankunftsland, ein Interview durch die EU-Agentur EASO (European Asylum Support Office) durchgeführt. Hier werden bereits Fragen behandelt, die für die Bewertung eines Asylgesuchs relevant sein können. Dazu erhalten die betroffenen Menschen allerdings keine Informationen. Sie erhalten ebenfalls keinerlei Dokumente, mit denen sie ihren aktuellen Rechtsstatus nachweisen könnten. Der Mangel an Transparenz und Informationen lässt viele Betroffene zweifeln, ob es überhaupt zu einer Relocation kommen wird. Nach der Anhörung stellt EASO eine Liste zusammen, in der die Asylsuchenden den Mitgliedsstaaten zugeordnet werden. Es können dann auch Interviews durch Delegationen der Aufnahmestaaten folgen. Diese Interviews verzögern die Relocation, insbesondere nach Deutschland, um bis zu neun Monate. Das Ziel des Malta-Abkommens, aus Seenot gerettete Menschen nach ihrer Ausschiffung innerhalb von vier Wochen in ein Aufnahmeland zu vermitteln, wird klar nicht erreicht.
Die Kriterien, nach denen die Menschen kategorisiert und zugeordnet werden, umfassen unter anderem eine Bewertung der Vulnerabilität, familiäre Bindungen und sogenannte „kulturelle Zusammenhänge“. Insbesondere, was die benannten kulturellen Bindungen beinhalten sollen, bleibt unklar und ermöglicht es, dass Menschen aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit diskriminiert werden. Von Betroffenen wurde berichtet, dass sie als Muslime in diesen Interviews beispielsweise gefragt wurden, ob sie ihrer Liebespartnerin den Hijab aufzwingen würden oder wie sie reagieren würden wenn einer ihrer Verwandten kurz davor stünde, einen Terroranschlag zu verüben.
Keine einheitlichen Asylverfahren
Das weitere Vorgehen in den aufnehmenden Ländern unterscheidet sich dann stark voneinander. Portugal vertraute meist der EASO-Liste und nahm die empfohlenen Migrant*innen auf, ohne eigene Interviews in Italien zu führen. Ihre Asylanträge werden dann in Portugal geprüft. Frankreich führt seine Asylanhörungen direkt in Italien durch und lehnt alle Menschen der EASO-Liste ab, die es als nicht-schutzbedürftig einstuft. Diese Vermischung des Relocation- und des Asylprozesses nimmt den betroffenen Menschen die Möglichkeit eines ordentlichen Asylverfahrens in Frankreich mit seinen rechtlichen Rekursmitteln. Deutschland hingegen befragte Asylsuchende in Italien, um dann nach der Umsiedlung alle Interviews für das Asylgesuch noch einmal erneut zu führen. Grundsätzlich wurden in Deutschland die meisten Asylgesuche dann abgelehnt, da das Land eine sehr fragwürdige Definition des Begriffs „sicheres Herkunftsland“ vertritt und vielen Menschen nach der traumatischen Flucht und den aufreibenden Prozessen in Europa nun die Abschiebung droht.
Die willkürlichen Handhabungen der einzelnen Länder sind für die asylsuchenden Menschen nachteilig. Sie haben keinen klaren Überblick über den Prozess und erleben starke Unterschiede sogar innerhalb der Gruppe an Menschen, mit der gemeinsam sie an Land kamen. Auch entstand der Eindruck, dass die Asylverfahren der einzelnen Länder unterschiedlich gut und fair sind. Wenn kein Land bereit ist, die Menschen aufzunehmen, fällt die Verantwortung wieder auf Malta oder Italien zurück.
Relocation als Lotterie
„Wir hörten die Geschichten von 45 Menschen, die entweder noch auf ihre Umsiedlung aus Italien oder Malta warten, in Italien oder Malta abgelehnt wurden oder bereits nach Deutschland überführt wurden, nachdem sie im zentralen Mittelmeer gerettet wurden. Dabei wurden ein paar Dinge sehr deutlich: Die Relocation-Verfahren sowohl in Italien als auch in Malta sind in höchstem Masse intransparent. Weder werden die Betroffenen über die einzelnen Schritte des Verfahrens und die voraussichtliche Dauer informiert, noch sind die Kriterien für die Auswahl transparent oder in einem Standardverfahren definiert. Dies führt zu dem Eindruck, einer höchst willkürlichen Lotterie ausgeliefert zu sein.“
Bleiberecht für alle
Aus dem Bericht werden fünf zentrale Forderungen abgeleitet:
- „Sofortige Transparenz über Relocation-Verfahren: Jede Person, die in EUrope ankommt, muss darüber informiert werden, was Relocation bedeutet, einschliesslich des Interviewprozesses, der Überstellung in ein anderes Land und des Asylverfahrens.
- Keine Diskriminierung von Personen, die Schutz in der EU suchen und keine Kriminalisierung von Migration.
- Keine Inhaftierung oder übermässige Wartezeiten in Hotspot-Einrichtungen nach der Ankunft in EUropa. Der sofortige Zugang zu Rechtsbeistand und wirksamer rechtlicher Unterstützung sowie medizinischer Schutz müssen gewährleistet sein.
- Eine Garantie für eine sichere Überfahrt innerhalb der EU in das Ankunftsland, in dem die Person einen Asylantrag stellen möchte.
- Das Bleiberecht für alle. Dies beinhaltet eine Garantie und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen für alle Menschen, die auf ihrem Weg nach EUropa unmenschliche und erniedrigende Behandlung erfahren haben, unabhängig von der Situation in ihrem Herkunftsland.“
Der vollständige Bericht
EU ad hoc relocation – A Lottery from the Sea to the hotspots and back to unsafetyhttps://eu-relocation-watch.info/
Gemeinden kehren ORS den Rücken
Immer mehr Gemeinden wollen im Asylwesen nicht mehr mit der Firma ORS zusammenarbeiten und übernehmen die Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen selbst. Für eine wirkliche Verbesserung braucht es aber einen generellen Philosophie-Wechsel.
In Basel-Land gibt es nur noch wenige Gemeinden, die weiterhin mit der Firma ORS zusammenarbeiten. In den letzten anderthalb Jahren haben 14, vor allem kleinere Gemeinden, ihre Verträge mit der international tätigen Firma gekündet oder sie wurden seitens der ORS aufgelöst. Offiziell werden seitens der Gemeinden meist finanzielle Gründe genannt. So hätten kleine Gemeinden laut neuen Vertragsbedingungen die Unterkünfte zukünftig selber organisieren müssen. Die ORS hätte nur noch die Betreuung übernommen. Oder wie es bei der ORS heisst: Den Gemeinden wurde ein Basisangebot unterbreitet, alle Zusatzleistungen kosten extra. Damit verschärft die ORS ihren knallharten marktwirtschaftlichen Kurs, in dem Kosten ausgelagert und Gewinne maximiert werden sollen. Dass es dabei um das Leben von Menschen geht, hat in ihrer Firmenphilosophie nur als Marketingslogan platz. In Baselland arbeiten einige Gemeinden neu mit der lokalen Firma Convalere AG mit Sitz in Pratteln zusammen. Doch auch hier bleibt das Grundproblem bestehen, dass eine private Firma, welche die Renditeansprüche ihrer Shareholder befriedigen soll, Aufgaben im Sozialbereich übernimmt.
Nicht nur in Basel-Land geraten die ORS und andere private Anbieter aber immer mehr unter Druck. Immer mehr Gemeinden machen die Auslagerung im Asylwesen rückgängig und übernehmen Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen wieder komplett selber. Wie das online-Portal watson.ch berichtet, geben viele Gemeinden neben finanziellen Überlegungen auch eine „Qualitätssteigerung“ als Gründe für diesen Schritt an. Die privaten Anbieter erhalten von den Gemeinden eine Fallpauschale pro Person, welche sie betreuen. Einen Anreiz, diesen Menschen ein möglichst unabhängiges und freies Leben zu ermöglichen, besteht darum nicht. Im Gegenteil. Gemäss Bundesstatistik sind denn auch 86,6 Prozent der Asylsuchenden nach sieben Jahren sozialhilfeabhängig. Gleichzeitig hat alleine die ORS im Jahr 2019 bei einem Umsatz von 87.8 Millionen Franken einen Gewinn von 1.3 Millionen Franken erwirtschaftet.
Dass die Gemeinden das Heft des Handelns wieder vermehrt selber in die Hand nehmen, ist auf den ersten Blick erfreulich. Dadurch kann eine grössere Nähe zwischen den Menschen geschaffen werden. Und anstatt privaten Firmen Rendite zu ermöglichen, kann mehr Geld in Agog*innen, interne Sprachlehrer*innen oder Sozialarbeiter*innen investiert werden. Doch ein grosser Haken bleibt: Es geht weiterhin nur ums Geld. Denn für die Gemeinden ist die (wirtschaftliche) Integration geflüchteter Menschen vor allem wichtig, damit diese nicht in die Sozialhilfe geraten und weitere Kosten verursachen. Natürlich soll allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen. Doch solange es nur um eine Integration in den Arbeitsmarkt und nicht eine Inklusion in die Gesellschaft geht, werden geflüchtete Menschen weiterhin ausschliesslich als Kostenfaktor behandelt und bewertet. Um unserer Verantwortung diesen Menschen gegenüber gerecht zu werden, braucht es eine andere, antikapitalistische Philosophie.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ueber-1-000-fcb-fans-demonstrieren-gegen-absetzung-von-stocker?id=11941720 (Ab Minute 2:02)
Antisemitisches Zoombombing an der Uni Basel
Ende Februar haben sich bei einer an zukünftig Studierende gerichte Zoom-Präsentation über die Jüdischen Studien Antisemit*innen eingeklickt, ihren Bildschrim freigegeben und Hitlerreden, Wehrmachtsfilme und Naziaufmärsche gezeigt. In seinem Jahresbericht 2020, der letzte Woche herausgekommen ist, verzeichnet der Schweizerische Israelitische Gemeindebund 485 antisemitische Vorfälle im Internet im vergangenen Jahr.
Zoombombing ist seit der Coronasituation eine Methode, die auch Rassist*innen, Faschist*innen und Maskulinisten an verschiedensten Gelegenheiten anwenden. So war es auch zuletzt im Januar in der Schweiz beim vom BFS organisierten „Anderen Davos“, bei dem sich mehrere Zoombombers in die Schlussveranstaltung, an der mehrere POC Redner*innen teilnahmen, einwählten, Bilder von einem Penis teilten und das N-Wort dutzende Male wiederholten.
Wie kann mensch sich gegen Zoombombing schützen? Auf dem Blog „Lehre:Digital: Ratgeber:in, Anleitungen und Tutorials für Lehre in digitalen Räumen“ findet mensch einige erste Ratschläge:
Was nun?
Das SEM hat per Sonderflug nach Nigeria ausschaffen lassen
Trotz Corona: Am 11. oder 12. Februar startete in Genf ein Sonderflug nach Lagos in Nigeria. Auf diesem Flug wurden etwa 6 Personen durch etwa 30 Beamt*innen – ob Polizei oder private Sicherheitskräfte ist leider nicht bekannt – gewaltsam abgeschoben. Von mindestens einer Person ist bekannt, dass sie Fuss- und Handfesseln tragen musste, wie auch einen Helm. Bei dem Flugzeug handelte sich um eine gecharterte Maschine. Wer weiss mehr über den Flug? Wer hat Kontakt mit den betroffenen Personen? Wie geht es ihnen?
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/03/05/das-sem-hat-per-sonderflug-nach-nigeria-ausschaffen-lassen/
Gewalt bei Fahrkartenkontrollen nicht hinnehmen
In Berlin machen Aktivist*innen mit einer Petition und dem Hashtag #BVGWeilWirUnsFürchten darauf aufmerksam, dass Menschen ohne gültigen Fahrausweis neben einer Busse von 60€ oftmals Gewalt und Diskriminierung durch Fahrkartenkontrolleur*innen erfahren. Das Thema verdient auch in der Schweiz Aufmerksamkeit.
Die Berliner Verkehrsbetriebe stellen sich gern als weltoffenes und kundenfreundliches Unternehmen dar und werben aktuell mit Slogan „Weil wir Euch lieben“. Im Alltag ist davon leider nicht viel zu spüren. Aktivist*innen von „Black Womxn Matter Deutschland“ fragen nun öffentlich: „Wie passen Belästigung, Diskriminierung oder seelische und körperliche Gewalt zum „Weil wir dich lieben“ Marketing-Selbstverständnis der BVG? Fahrscheinkontrolleure und Sicherheitspersonal verbreiten Angst und Schrecken in öffentlichen Verkehrsmitteln unserer Stadt. Rassistische Diskriminierung, Diskriminierung auf Basis des Alters, des sozialen Standes und des Geschlechts, Anzüglichkeiten, Erniedrigungen bis hin zur körperlichen Gewalt – all das im Namen eines fehlenden Fahrscheins? Grundrechte gelten auch für Personen ohne gültiges Ticket. Es reicht!“
Sie dokumentieren Fälle der Gewalt und Erniedrigung und machen klar, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem handelt. Dazu gehören auch fehlende Öffentlichkeit, die meist ergebnislosen Beschwerdeverfahren und Gegenanzeigen des (Un-)Sicherheitspersonals gegen Beschwerdeführer*innen. Das Unternehmen verweigert Auskünfte, die für mehr Transparenz sorgen könnten. Die Petition fand innerhalb kürzester Zeit bereits 30.000 Unterstützer*innen. Sie fordern unter anderem eine parlamentarische Aufarbeitung und die Gründung einer Kommission zur Aufklärung systematischer Diskriminierung und Gewalt durch Sicherheitspersonal im Öffentlichen Nahverkehr Berlin, die eingehende Prüfung des Kontrollpersonals von Fremdfirmen auf systematisches Versagen hin, verpflichtende Awareness-Schulungen und das Verbot sogenannter Fang- oder Bonus-Prämien und stattdessen besseren Lohn für Kontrollpersonal.
Auch in der Schweiz liessen sich nahezu täglich Fälle dokumentieren, beispielsweise von selektiven Kontrollen aufgrund des Aussehens, Gewalt gegenüber (vermeintlichen) Schwarzfahrer*innen oder Beleidigungen. Von weissen Männern, die einem Schweizer aufgrund seiner Hautfarbe nicht zutrauen, deutsch zu sprechen oder sich ein Ticket leisten zu können. Von aggressivem Auftreten, das vom Buschauffeur gedeckt wird, da man ja nicht wisse, was die armen Kontrolleure heute alles schon erlebt hätten. Von Verkehrsbetrieben, die auf ihren Überwachungskameras keine Handgreiflichkeiten sehen könnten. Seien wir bei Kontrollen also wachsam und solidarisch, konfrontieren wir Akteur*innen direkt und dokumentieren und veröffentlichen wir übergriffiges Verhalten.
https://www.change.org/p/abgeordnetenhaus-von-berlin-stoppt-diskriminierung-und-gewalt-durch-kontrolleure-der-bvg-bvgweilwirdichf%C3%BCrchten
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1149078.diskriminierung-angst-in-der-u-bahn.html?sstr=Julia%7CTrippo
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/petition-in-berlin-gestartet-protest-gegen-gewalt-durch-bvg-kontrolleure-li.144252
Was steht an?
What future for the Black Lives Matter movement? Conversation with Patrisse Cullors
11.03.21 I 20:00 I online
The acquittal of Trayvon Martin’s murderer in the summer of 2013 set social networks ablaze. The #BlackLivesMatter hashtag appeared in the wake of the event and rapidly became the banner of a movement that spread like wildfire and the influence of which has been growing ever since: it is estimated that between 15 and 26 million Americans took part in demonstrations against police violence and institutional racism across the country in 2020.
https://fifdh.org/en/talks/grands-rendez-vous/quel-avenir-pour-le-mouvement-black-lives-matter-rencontre-avec-patrisse-cullors
Community Safety in der Praxis – Wie schaffen wir ein neues Verständnis von Sicherheit ohne Polizei?
08.05.21 I 15:00 I Reitschule Bern, Frauenraum
Die Polizei Dein Freund und Helfer? Für viele Menschen eine Illusion, wie sie am eigenen Leib erfahren mussten! In diesem Workshop möchten wir daher, anstatt über Forderungen zu einzelnen Reformen der Polizei zu sprechen, zusammen diskutieren, wie wir die Polizei ersetzen können. Gemeinsam wollen wir folgende Fragen aufwerfen: Wie schaffen wir eine Kultur der Unterstützung und Verantwortlichkeit (accountability), mit der wir Ursachen der Gewalt angehen und Sicherheit für alle schaffen können? Wie können wir vielfältige Verletzlichkeiten (vulnerabilities) und intersektionale Ausschluss-, Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen als Formen der Unsicherheit fassen. Wie unterstützen wir den Heilungsprozess von denen, die Gewalt erleben mussten ohne weiteren Schaden anzurichten? Wie halten wir die Widersprüchlichkeiten aus, dass Menschen oft gleichzeitig Überlebende und Täter von Gewalt sind, und suchen gleichzeitig nach der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit und einem Ende struktureller Gewalt? Und schliesslich, was hiesse Sicherheit für uns, wenn nicht der Schutz von Eigentum an erster Stelle steht.
Anmeldung: racial.profiling.switzerland@gmail.com
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
«Scheiss Jude!» – So erleben junge jüdische Schweizer Antisemitismus
Antisemitismus ist in der Schweiz aktueller denn je – verschuldet durch Verschwörungstheorien rund um Corona. Drei jüdische Schweizer erzählen im Video von antisemitischen Beschimpfungen.
https://www.watson.ch/!551584683
Bundesasylzentren: Asylsuchende müssen besser vor Gewalt geschützt werden!
Seit Jahren weisen Organisationen aus dem Asyl- und Migrationsbereich auf die Missstände in den Bundesasylzentren (BAZ) hin. Der neue Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) bestätigt diese Vorwürfe: Im Rahmen der zunehmend privatisierten Betreuung und Aufsicht kommt es zu Gewalt gegenüber den Asylsuchenden. Zudem bestehen Defizite bei der Konfliktbewältigung und der Bearbeitung von Beschwerden. Die Gewalt in den Unterkünften ist inakzeptabel und muss unverzüglich unterbunden werden.
https://www.humanrights.ch/de/ueber-uns/bundesasylzentren-asylsuchende-gewalt
«Pushbacks sind zur Normalität geworden»
Hope Barker sagt von sich, sie könnte ewig reden, wenn es um Pushbacks am Fluss Evros geht. In Thessaloniki unterhielten wir uns mit der Menschenrechtsaktivistin über Gewalt an Europas Aussengrenzen und wie sie dagegen ankämpft.
https://www.studizytig.ch/ausgaben/ausgabe-23/pushbacks-sind-zur-normalitaet-geworden/
„Wird die AfD nur aus Protest gewählt?“ und „Nehmen uns die Ausländer*innen die Arbeitsplätze weg?“
Die Gruppen gegen Kapital und Nation beschäftigen sich gerade schwerpunktmäßig mit der AfD und ähnlichen radikalen Nationalist*innen sowie mit den Reaktionen auf den Rechtsruck.
https://barrikade.info/article/4239
https://barrikade.info/article/4219
Bellingcat – Truth in a Post-Truth World
Bahnbrechende Enthüllungen und wegweisender Investigativ-Journalismus: Das internationale Recherchenetzwerk Bellingcat wertet Fotos und Videos aus dem Internet aus, um komplexe politische Ereignisse in aller Welt aufzuklären. Gründer ist der britische Netzaktivist Eliott Higgins. Fesselnder Dokumentarfilm von Hans Pool, der 2019 mit dem Emmy Award ausgezeichnet wurde.
https://www.arte.tv/de/videos/098117-000-A/bellingcat-truth-in-a-post-truth-world/
Glossar
Intersektionalität
Der Begriff Intersektionalität (1989 von Kimberlé Crenshaw eingeführt) veranschaulicht, dass sich Formen der Unterdrückung und Benachteiligung nicht einfach aneinanderreihen lassen, sondern in ihren Verschränkungen und Wechselwirkungen Bedeutung bekommen. Kategorien wie Geschlecht, ‚Rasse‘, Alter, Klasse, Ability oder Sexualität wirken nicht allein, sondern vor allem im Zusammenspiel mit den anderen. Die intersektionale Perspektive erlaubt, vielfältige Ungleichheits- und Unterdrückungsverhältnisse miteinzubeziehen, die über eine Kategorie allein nicht erklärt werden können.
(von: https://www.gwi-boell.de/de/intersektionalitaet)
Heteronormativität
„Der Begriff benennt Heterosexualität als Norm der Geschlechterverhältnisse. (…) Die Heteronormativität drängt die Menschen in die Form zweier körperlich und sozial klar voneinander unterschiedener Geschlechter, deren sexuelles Verlangen ausschließlich auf das jeweils andere gerichtet ist. (…) Was ihr nicht entspricht, wird diskriminiert, verfolgt oder ausgelöscht (…) Heteronormativität (erzeugt) den Druck, sich selbst über eine geschlechtlich und sexuell bestimmte Identität zu verstehen, wobei die Vielfalt möglicher Identitäten hierarchisch angeordnet ist und im Zentrum der Norm die kohärenten heterosexuellen Geschlechter Mann und Frau stehen. Zugleich reguliert Heteronormativität die Wissensproduktion, strukturiert Diskurse, leitet politisches Handeln, bestimmt über die Verteilung von Ressourcen und fungiert als Zuweisungsmodus in der Arbeitsteilung. “
(zitiert nach Peter Wagenknecht auf: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-90274-6_2)
„Analysiert wird, wie Heterosexualität in die soziale Textur unserer Gesellschaft, in Geschlechterkonzeptionen und in kulturelle Vorstellungen von Körper, Familie, Individualität, Nation, in die Trennung von privat/öffentlich eingewoben ist, ohne selbst als soziale Textur bzw. als produktive Matrix von Geschlechterverhältnissen, Körper, Familie, Nation sichtbar zu sein.“
(zitiert nach Sabine Hark auf: https://gender-glossar.de/h/item/55-heteronormativitaet)
Neokolonialismus
1963 benannte der erste Ministerpräsident Ghanas, Kwame Nkrumah, Neokolonialismus, indem er »vor den sehr realen Gefahren einer Rückkehr des Kolonialismus in versteckter Form« warnte.
„Unter dem Terminus ›Neokolonialismus‹ sind zwei Ebenen zu unterscheiden: ein Zustand, der von massiver Benachteiligung einheimischer Bevölkerungen zugunsten ausländischer Investoren gekennzeichnet ist, und eine Politik, die auf die Aufrechterhaltung von Abhängigkeitsverhältnissen abzielt. Im ersten Fall geht es um die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, im zweiten darüber hinaus um die Kontrolle über die politischen Entwicklungen und die Machtpositionen im internationalen Kontext.“
(aus D. Göttsche et al. (Hrsg.), Handbuch Postkolonialismus und Literatur)
Eurozentrismus
Der Begriff des Eurozentrismus stützt sich auf eine Weltsicht, die weitestgehend durch europäische Werte und Traditionen geprägt ist und wurde. Er steht für eine Einstellung, die Europa unhinterfragt in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellt. Ausgehend von der Annahme, dass die kulturellen und politischen Systeme Europas das ideale Modell darstellen, wird Europa als Maßstab gesellschaftlicher Analysen und politischer Praxis betrachtet. Die europäische Geschichte und Gesellschaftsentwicklung wird als Norm verstanden, die erfüllt oder von der abgewichen wird. Die westlichen Kulturen dienen als Bewertungsmaßstab und haben im Laufe der Kolonialisierung ihre Wertvorstellungen global durchgesetzt und expandiert.
Im eurozentristischen Denken, bleiben die Denkweisen und Philosophien der nicht europäischen Kulturen häufig unbeachtet und werden abgewertet oder negiert.
(von https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/eurozentrismus/2242 und http://wikifarm.phil.hhu.de/transkulturalitaet/index.php/Eurozentrismus)
Genderstern (*)
Das Genderstrenchen verweist auf den Konstruktionscharakter von Geschlecht. So bezieht sich der Begriff Frauen* beispielsweise auf alle Personen, welche sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren oder sichtbar gemacht sehen.
Weiter wird mit dem Gendersternchen signalisiert, dass im genannten Beispiel nicht nur cis-Frauen gemeint sind. Somit wird gleichzeitig die geschlechtliche Binarität hinterfragt und der Versuch unternommen, Menschen, welche sich dieser nicht zugehörig fühlen, miteinzubeziehen.