Letzten Montag wurde der aus dem Senegal stammende Mohamed bei einem Polizeieinsatz getötet. Immer wieder sterben geflüchtete Menschen bei Polizeieinsätzen, während die rassistisch motivierte Gewalt allgemein zunimmt.
Der 16-jährige Mohamed war am letzten Montag in einer Jugendeinrichtung in Dortmund mit einem Messer gesichtet worden. Was er ursprünglich mit dem Messer vorhatte, ob er sich selbst oder auch andere verletzen wollte, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar. Ein Betreuer verständigte daraufhin die Polizei. Diese war mit elf Beamt*innen vor Ort und setzte zuerst Reizgas und Elektroschocker ein. Anschliessend feuerte ein Polizist mit einer Maschinenpistole sechs Schüsse auf den Jugendlichen ab. Die Polizist*innen befanden sich zum Tatzeitpunkt ausserhalb des Innenhofes und waren durch einen 1.70 Meter hohen Zaun von Mohamed getrennt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen gegen den Polizisten. Insgesamt tötete die Polizei innerhalb einer Woche allein in Nordrheinwestfalen drei Menschen bei Einsätzen.
People of Colour sind in Deutschland wie in vielen anderen europäischen Ländern überdurchschnittlich von Polizeigewalt betroffen. Und immer wieder werden Geflüchtete in Deutschland bei Polizeieinsätzen verletzt oder getötet. Das dokumentiert die in Berlin ansässige „Antirassistische Initiative“ seit 1993 jedes Jahr im Report „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“. Dessen neueste, 29. Ausgabe ist nun erschienen. Sie umfasst viele Fälle, die entweder nie besonders bekannt wurden oder längst vergessen sind.
Rassistisch motivierte Polizeigewalt ist an sich problematisch genug. Verstärkt wird das Problem aber zusätzlich dadurch, dass die Polizei eigentlich den Auftrag hätte, Menschen vor gewalttätigen Übergriffen durch andere zu schützen. Und genau diesen sind Asylsuchende in Deutschland immer häufiger ausgesetzt. Pro Tag werden durchschnittlich zwei asylsuchende Menschen attackiert. Alleine im ersten Halbjahr 2022 waren es insgesamt 424 solcher überwiegend rechtsmotivierten Straftaten. 86 Opfer, unter ihnen drei Kinder, wurden bei Angriffen verletzt. Dazu kommen 43 Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte.
Die Zunahme von rassistischer Gewalt ist nicht nur in Deutschland zu beobachten. Und von der Polizei und anderen „Sicherheitsorganen“ ist bei diesem Problem keine Hilfe zu erwarten. Denn diese sind oft selbst von strukturellem Rassismus dominiert. Es bleibt also an der Zivilgesellschaft hängen, sich vehement gegen rassistisch motivierte Gewalt zu stellen.
Rassistisches Grenzregime fordert vier Tote am Evros und dutzende auf dem Mittelmeer
Seit Mitte Juli sitzt eine Gruppe schutzsuchender Menschen auf einer Insel mitten im Grenzfluss Evros fest. Die griechischen Behörden weigern sich in einem politischen Kräftemessen mit den türkischen Behörden und unter Missachtung der Forderungen nach der Einhaltung der Menschenrechte, zu handeln. Dadurch sind mittlerweile vier Menschen am Evros ums Leben gekommen.
Am Samstag dem 19. Juli 2022 wurde die griechische Menschenrechtsorganisation HumanRights360 auf die Existenz einer Gruppe von grösstenteils aus Syrien kommenden Schutzsuchenden aufmerksam gemacht, welche sich auf einer Insel in der Mitte des Grenzflusses Evros in einer mehr als alarmierenden Notlage befinden. Obwohl HumanRights360 und der Griechische Flüchtlingsrat bereits einen Tag später beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Antrag auf einstweilige Massnahmen gestellt haben und die griechischen Behörden aufgefordert wurden, sofortige, dem EU-Flüchtlingsrecht entsprechende Massnahmen einzuleiten, hält die Situation bis zum heutigen Tag an. Dieser Notlage liegt eine derart menschenverachtende Brutalität zugrunde, welche so nur das europäische Grenzregime und dessen mörderische Politik pro- und reproduzieren kann. Dass es sich bei der anhaltenden Situation um ein geopolitisches Kräftemessen der griechischen und türkischen Behörden handelt, bei welchem Menschen auf der Flucht zu Figuren in einem politischen Machtspiel instrumentalisiert werden, ist evident. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind mindestens vier Menschen der Gruppe, welche mehrmals gewaltsam aufgesplittert, auf verschiedene Inseln verteilt, hin- und zurückgeschoben wurden, gestorben. Es handelt sich um drei Männer und ein fünfjähriges Mädchen. Ein weiteres Mädchen ist in akuter Lebensgefahr. Viele weitere sind in einem höchst kritischen Zustand und benötigen sofortige Hilfe!
Wie die betroffenen Personen über WhatsApp-Nachrichten berichten, sind sie beim Betreten des griechischen Festlandes von den griechischen Behörden aufgegriffen und gezwungen worden, sich auszuziehen. Danach wurden sie unter Anwendung von massiver Gewalt auf die Insel zurückgedrängt. Dort mussten sie mehrere Tage ohne Zugang zu sauberem Wasser und Nahrung, Schutz vor Tieren und unter extremen Wetterbedingungen ausharren, obwohl die zuständigen Behörden zu diesem Zeitpunkt bereits vollste Kenntnis über die höchst prekäre Lage der Schutzsuchenden hatten. Nach 12 Tagen auf der Insel meldete die Gruppe, dass sie, obwohl sich die Menschen nachweislich auf griechischem Gebiet befanden und ihre Absicht internationalen Schutz zu beantragen bei den griechischen Behörden bekundet hatten, in die Türkei zurückgeschoben wurden. Nachdem sie dort in einer Militärkaserne festgehalten wurden, wurden sie zum Fluss gebracht, um sie mit vorgehaltener Waffe erneut über den Evros auf die Insel zu zwingen. Dort verharren sie unter widrigsten Umständen bis heute. Während sich die Staaten streiten, wer die Verantwortung trägt, wird die Not für die Menschen jeden Tag grösser.
Ob die Insel nun in der Türkei oder in Griechenland liegt, ist nicht die Frage. Es geht darum, ob diese Staaten die Kontrolle über die Situation haben. Die Kontrolle kann extraterritorial sein und durch das Bewusstsein des Risikos und die angemessene Kapazität zu reagieren nachgewiesen werden. Griechenland hat beides. Wenn die Insel, wie Mitarakis behauptet, kein souveränes griechisches Territorium ist, wie kommt es dann, dass Mitarakis entscheidet, ob das UNHCR interveniert oder nicht? Man kann nicht beides haben. Ob die Menschen auf griechischem Territorium oder an der Grenze zu diesem sind, spielt im Bezug auf die rechtlichen Verpflichtungen keine Rolle: Nach dem EU-Flüchtlingsrecht muss jedem Drittstaatsangehörigen, der in einem der Mitgliedstaaten internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status gewährt und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sichergestellt werden. Nach den Menschenrechtsgesetzen muss einem Menschen geholfen werden, wenn dieser in Lebensgefahr ist.
Seit 2019 kommt es in der Region Evros immer wieder zu Vorfällen, an denen Schutzsuchende vom türkischen Militär unter Anwendung von Gewalt auf die Inseln gedrängt, oder von den griechischen Grenzbehörden – ebenso unter Anwendung von Gewalt – auf die Insel zurückgedrängt und dort auf grausame Art und Weise ihrem Schicksal überlassen werden. Die Todesfälle im Zusammenhang mit Inselrückstössen häufen sich. Die Insel ist in einer hochmilitarisierten Grenzzone, zu welcher weder Rechtsanwält*innen noch Menschenrechtsorganisationen oder Journalist*innen Zugang haben. Infolgedessen haben zivilgesellschaftliche, emanzipatorische Strukturen in Griechenland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einstweilige Massnahmen beantragt, die von den griechischen Behörden verlangen, sofortige Search & Rescue-Massnahmen für die Gruppen einzuleiten und ihnen den Zugang zu einem rechtmässigen Asylverfahren zu gewähren. Seit März 2022 hat der Gerichtshof diesbezüglich einstweilige Anordnungen erlassen.
Die Liste mit den Fakten ist lang, die verlogenen Rechtfertigungen demnach ebenfalls: Trotz einer Anhörung im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments, bei der der griechische Minister für Migration Mitarakis die Fragen der Europaabgeordneten zu diesem Thema beantwortete, trotz der Berichte von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche vehement auf die unhaltbaren Zustände hinweisen, trotz des Treffens mit EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, die die griechischen Behörden darauf hinwies, dass EU-Mittel „an die korrekte Anwendung der EU-Grundrechte geknüpft sind und korrekt angewandt werden müssen“ und trotz der Tatsache, dass die daraus resultierenden gerichtlichen Anordnungen unverzüglich an die zuständigen Behörden weitergeleitet wurden, geschah und geschieht: nichts.
In der letzten Woche kam es zu mindestens zwei weiteren von der EU forcierten sogenannten Unglücken: Vor der Küste Algeriens wurden 6 Leichen angespült, nachdem das Boot, welches circa 20 Menschen an Bord hatte, gesunken ist. Ausserdem ist in der Nähe der griechischen Ferieninsel Rhodos ein Boot mit ungefähr 80 Schutzsuchenden verunglückt, welche nach Italien zu gelangen versuchten. In den darüber berichtenden Medien heisst es immer wieder „einige konnten gerettet werden, einige werden noch vermisst“. Doch was keine*r schreibt ist, dass die Vermissten mit fast absoluter Sicherheit tot sind. Ausserdem sind sie nicht mit ihrem Boot – wie es in den Nachrichten immer wieder verharmlosend heisst – verunglückt. Die Wahrheit, welche für alle Menschen auf der Flucht Realität ist, ist: Sie wurden mit Gewalt in das sogenannte Unglück gezwungen. Für die systematische Gewalt und den Tod dieser Menschen gibt es keine Rechtfertigung. Und lediglich die von dieser rassistischen und klassistischen Gewalt Betroffenen und die solidarischen Menschen, die gemeinsam Tag für Tag für die Beendigung dieser mörderischen Politik kämpfen, sind aufrichtig im Stande zu sagen: Wir vermissen sie.
In einer Whatsapp-Nachricht schreibt eine der Personen, die auf der Insel festsitzt mit dem Namen Baida: “A girl died. A child. She’s dead. I can do nothing, no one hears our voices.” (deutsch: „Ein Mädchen ist gestorben. Ein Kind. Sie ist tot. Ich kann nichts tun, niemand hört unsere Stimmen.“) Wir hören sie, die Stimmen. Und wir müssen und werden sie solange verstärken, bis das rassistische Morden ein Ende hat.
EU einigt sich auf «freiwilligen Solidaritätsmechanismus» zur Entlastung der Mittelmeerstaaten
Im Juni haben sich die europäischen Staaten erstmals auf einen «Solidaritätsmechanismus» geeinigt, um die Mittelmeeranrainer durch die freiwillige Aufnahme von Migrant*innen zu entlasten. Solidarität bleibt dabei ein grosses Wort, ermöglicht das Abkommen doch vor allem das Freikaufen von der Verantwortung und hält weiterhin das Hauptaugenmerk auf der tödlichen Abschottungspolitik.
Italien fordert seit Jahren Unterstützung von der EU bei der Aufnahme der tausenden Menschen, die es trotz Abschottung, Pushbacks und fehlender staatlicher Seenotrettungsprogramme ins Land schaffen. Am 10. Juni einigten sich 21 EU-Mitgliedsstaaten auf einen Mechanismus, der Länder wie Italien, in denen die meisten Migrant*innen in Europa ankommen, entlasten soll. Dies kann in Form der Aufnahme von Menschen geschehen oder aber: durch die Unterstützung durch Geld- und Sachleistungen. Bis Ende Juli haben sich lediglich 13 der Länder bereit erklärt, insgesamt 8’000 Menschen aufzunehmen, 3’500 davon durch Deutschland. Allein im Juli 22 kamen circa 13’000 Menschen an den Küsten Italiens an. Im gleichen Monat stieg die Zahl der Toten und Vermissten im zentralen Mittelmeer massiv an, trotz der kontinuierlichen Überwachung durch die EU-Grenzagentur Frontex. So kostete das europäische Grenzregime im Juli in 38 bestätigten Fällen 86 Menschen das Leben, 152 werden vermisst.
Es wäre ein wichtiger Schritt, dass sich die europäischen Staaten gemeinsam für die ankommenden Menschen verantwortlich fühlen. Davon sind sie jedoch weit entfernt. Einigkeit besteht darin, dass man «die Aussengrenzen schützen» und «illegale Migration» bekämpfen müsse. Dabei sind die EU-Staaten für einen grossen Teil der Migrationsbewegung mitverantwortlich, sei es durch Umweltzerstörungen, wirtschaftliche Ausbeutung, Waffenlieferungen in Konfliktgebiete und so weiter. Gleichzeitig konstruiert man sich das Problem der illegalen Einreise selbst, indem man legale Möglichkeiten blockiert. Es dann als Erfolg zu feiern, einige Überlebende in Europa umzuverteilen, ist zynisch. Aus diesen Überlebenden wählen die aufnehmenden Staaten auch noch nach ihren Kriterien aus, wen sie besonders schützenswert finden. Oder wahrscheinlicher: Wen sie für nützlich und im europäischen Arbeitsmarkt integrierbar halten. So war in der vergangenen Woche eine französische Delegation in der süditalienischen Stadt Bari, um Migrant*innen für die Umsiedlung auszuwählen. Deutschland plant dies für August.
Neben dem «Solidaritätsmechanismus» wurde beschlossen, die Eurodac-Datenbank zu modernisieren. Sie soll den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, den Weg von Asylsuchenden und sich «illegal aufhältigen Personen» innerhalb der Europäischen Union besser nachzuverfolgen. Sie enthält die Fingerabdrücke aller in den EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Ländern registrierten «irregulären» Migrant*innen. Eine neue Screening-Verordnung sieht zudem verstärkte Kontrollen an den Aussengrenzen vor. Das Screening umfasst Identifizierungs- und Sicherheitskontrollen, aber auch Gesundheitskontrollen und Prüfungen der Schutzbedürftigkeit. Die nationalen Behörden sollen Personen dafür bis zu fünf Tagen festhalten können, bevor sie an die zuständigen Asylbehörden weitergeleitet oder direkt wieder abgeschoben werden. Natürlich sollen dabei die Menschenrechte gewahrt werden. Wie gut das an den Aussengrenzen funktioniert, wissen wir ja.
Marokko verurteilt Überlebende des Massakers von Melilla
Im marokkanischen Nador wurden 14 Überlebende des Massakers von Melilla am 24. Juni zu acht Monaten Haft verurteilt. Bei einem versuchten Grenzübertritt nach Melilla hatten sich etwa 2’000 Menschen beteiligt, dutzende kamen ums Leben. Von den beteiligten Beamt*innen wurde auch sieben Wochen nach dem Massaker niemand auch nur angeklagt.
Das erstinstanzliche Gericht in Nador, in der Nähe des Grenzübergangs zwischen Nordmarokko und der spanischen Enklave Melilla, verurteilte am 4. August weitere 14 subsaharische Migranten wegen Gewalt, Ungehorsam und Beleidigung von Beamt*innen zu acht Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Am 18. Juli waren am gleichen Gericht bereits 33 Personen zu 11 Monaten Gefängnis wegen „Ungehorsams“, der „bewaffneten Versammlung“, der „Gewalt gegen Beamte“ und der „illegalen Einreise in marokkanisches Gebiet“ verklagt worden. Insgesamt wurde gegen 65 Migranten aus subsaharischen Ländern Anklage erhoben, gegen 28 von ihnen zusätzlich zu den genannten Punkten wegen «Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande».
Nun ist der ausführliche Bericht «Das Gemetzel an der Grenze zwischen Nador und Melilla, 24. Juni 2022» erschienen. Darin beschreibt das Menschenrechtskollektiv Caminanda Fronteras ausführlich die Umstände, die zu den Ereignissen führten und rekonstruiert aus Zeug*innenaussagen den Tag des Massakers.
Laut diesem Bericht ging dem Massaker am Grenzzaun eine zweimonatige Repression voraus. Bereits seit Mai dieses Jahres wurden die Lager in den Wäldern um Melilla zwei- bis dreimal pro Woche Ziel militärischer Übergriffe. Jeweils in den früher Morgenstunden umstellten Gruppen von Soldaten die Lager der Migrant*innen und überrumpelten die Menschen noch im Schlaf. Bei diesen Razzien kam es jeweils zu erheblicher körperlicher und psychischer Gewalt, dem Einsatz von Gas von Hubschraubern aus und der kompletten Zerstörung der behelfsmässigen Unterkünfte und spärlichen Besitztümer.
Weiter heisst es: «Dieses Vorgehen spitzte sich weiter zu und wurde zunehmend unerträglich. Am 7. Juni gab es eine grössere Razzia mit mehr Hubschraubern und mehr Gas als üblich. Bei dieser Razzia wurden vier sudanesische Geflüchtete schwer verletzt: „They broke their bodies“, in den Worten von Zeugen. Die Tatsache, dass die Migrant*innen in der Überzahl sind, ist ihr einziger Schutz. Sie werden nicht alle auf einmal verletzt und/oder festgenommen. Am Montag der Woche, in der sich das Blutbad an der Grenze zwischen Nador und Melilla ereignete, umstellten etwa 500 Soldaten das Flüchtlingslager. Erneut wurden die Migranten mit Gas angegriffen und Dutzende von ihnen wurden verwundet. Am Dienstag liessen die Angriffe nach, doch am Mittwoch und Donnerstag nahmen sie wieder zu. Von den frühen Morgenstunden bis zum Abend jagten die Soldaten die Flüchtlinge aus dem Lager. Während der Razzia am 23. Juni brach in den Wäldern ein Feuer aus, das Menschen und Umwelt gefährdete. An diesem Tag wurde eine klare Botschaft ausgesandt: Die Migrant*innen hatten 24 Stunden Zeit, das Gebiet zu verlassen, sonst würde die nächste Razzia noch brutaler ausfallen. Am Freitag, dem 24. Juni, drohte ein weiterer Angriff. Mit schwindenden Kräften und in der Hoffnung, der Gewalt zu entkommen, beschlossen die Menschen im Lager, in Richtung Grenzzaun zu fliehen. Die Razzia hatte früh am Morgen begonnen.»
Was dann am Grenzzaun geschah, haben wir in schockierenden Bildern und Videos gesehen. Das Ausmass der Brutalität und Gleichgültigkeit führte zu europaweiten Protesten auf den Strassen. Etwa 2’000 Menschen erreichten den Grenzzaun und versuchten, ihn zu überwinden und auf spanisches Hoheitsgebiet zu gelangen. Dabei wurden sie auf beiden Seiten von Soldaten eingekesselt. Marokkanische Beamte drangen auch nach Melilla vor und drängten von dort dutzende Menschen, die den Zaun überwunden hatten, unter den Augen der spanischen Beamt*innen nach Marokko zurück.
Menschen, die zu Boden fielen, erhielten weder von den spanischen noch den marokkanischen Grenzbeamt*innen Hilfe. Tote, verwundete und erschöpfte Menschen wurden bis zu acht Stunden lang unter der prallen Sonne auf dem Boden liegen gelassen und Soldaten schlugen sie immer wieder willkürlich zusammen. Das Gebiet um die Grenze war übersät mit leidenden, leblosen Körpern, bis Busse und ein paar Krankenwagen eintrafen. Was in den Krankenhäusern geschah, hielt das Innenministerium unter Verschluss. Weder sozialen Organisationen noch Familienangehörigen wurde der Kontakt zu den Opfern erlaubt.
Angehörigen wurde nicht gestattet, die Toten zu identifizieren. Es ist unklar, ob Autopsien durchgeführt wurden, um die Todesursachen zu klären. Deshalb wurden nicht nur das Recht auf Leben, sondern auch die Rechte der Verstorbenen und ihrer Familien verletzt: Das Recht, identifiziert zu werden, über die wahren Todesursachen informiert zu werden und ein würdiges Begräbnis zu erhalten.
Die Zahl der Todesopfer ist nach wie vor unbekannt. Nach Zeugenaussagen, die Caminanda Fronteras gesammelt hat, ist die Zahl der Toten 62. Sie bestätigen den Tod von 37 Menschen am Tag des Gemetzels und drei weitere Todesfälle, die zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund der am 24. Juni zugefügten Verletzungen auftraten. Nach der sicheren Zählung der Organisation starben durch das Massaker vom 24. Juni also 40 Menschen. 80 % der etwa 2’000 Migrant*innen erlitten Verletzungen.
Anhand von Zeug*innenaussagen wurde eine Reihe verschiedener Ursachen für Todesfälle und Verletzungen ermittelt. In einigen Fällen trafen mehrere dieser Ursachen auf einmal zu:
Erstickung durch Gas
Quetschungen durch Sturz auf den Boden
Quetschungen durch Stiefel der Soldaten
Schläge mit traditionellen und elektrischen Schlagstöcken
Schussverletzungen
Verweigerte medizinische Hilfe und Versorgung
Zwangsweise Transporte von Verletzten
Abschiebung von Verwundeten aus Melilla, ohne medizinische Behandlung
Die offizielle Zahlen der Behörden sprechen noch immer von 23 Toten, 76 verletzten Migrant*innen und 140 verletzten Grenzbeamten. 65 Überlebende wurden mittlerweile angeklagt und sitzen in Gewahrsam. Einigen von ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft. Die anderen wurden innerhalb des Landes zwangsumgesiedelt, ihres gesamten Besitzes beraubt und sich selbst überlassen. Dabei kam es auch zu einer Abschiebung von 132 Menschen ins unwirtliche Grenzgebiet zu Algerien.
Am 20. Juli veröffentlichte die marokkanische Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) eine 21-seitige Untersuchung, in der sie zu dem Schluss kam, dass das Massaker von Melilla ein „Liebesbeweis“ der marokkanischen an die spanische Regierung war. Die Gewalt der marokkanischen Behörden war von dem Wunsch motiviert, ihren spanischen Partner*innen zu zeigen, „wie weit sie gehen können, um die Migrationsströme zu stoppen, wenn die beiden [Madrid und Rabat] Partner sind“, heisst es in der Untersuchung.
Der Bericht beschreibt unter anderem, dass die Migrant*innen eine Stunde lang vom Wald bis zum Grenzzaun gelaufen sind. Eine Stunde lang, in der die Grenzbeamten die Menschen hätten aufhalten können. Offensichtlich haben sie aber die Szenen am Grenzzaun gewollt. Eine weitere Inszenierung der Migration als Bedrohung und des Grenzschutzes als Notwendigkeit. Eine weitere politische Instrumentalisierung von geflüchteten Menschen. Einmal mehr eine mediale Darstellung der Menschen hauptsächlich als anonyme, bedrohliche Masse.
Dabei berichten seit Jahren migrantische Communities selbst von ihren Erlebnissen an den Grenzen, vernetzen und unterstützen sich, organisieren sich gegen die staatliche Gewalt und fordern ihre Menschenrechte ein. So berichtet ein Überlebender der sudanesischen Community:
„Die Hilfskräfte schlugen mich mit einem Knüppel und nannten mich einen dreckigen N*. Sie trampelten mit ihren Stiefeln auf mir herum und ich spürte, wie meine Knochen brechen. Ich habe die Leichen der Menschen gesehen, die gestorben sind. Es waren etwa 30. Sie riefen einen Krankenwagen, um uns abzutransportieren und die Leichen wurden in denselben Krankenwagen gelegt. Wir kamen im Krankenhaus an und sie liessn uns alle auf dem Boden liegen, sowohl die Toten als auch die Verletzten. Mein Freund lag vier Tage lang im Koma, bevor er wieder aufwachte. Er war von einer Kugel in den Kopf getroffen worden. Die Soldaten haben uns getötet, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich bin am Leben. Gott hat mich am Leben erhalten, aber ich habe fünf Freunde verloren. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen sterben sehen.“
Ein Jahr Grenzgewalt an polnisch-belarussischer Grenze
Pushbacks, Militär- und Polizeiaufgebote in Grenzregionen, Todesfälle – was im europäischen Migrationsregime zum Alltag geworden ist, eskalierte vor gut einem Jahr auch an der polnisch-belarussischen Grenze. Ein Rückblick.
Durch das politische Kalkül des belarussischen Diktators Lukaschenko, der seine Grenzen öffnete, um die EU unter Druck zu setzen, damit diese wirtschaftliche Sanktionen gegen Belarus aufhebt, wurde das polnisch-belarussische Grenzgebiet vor gut einem Jahr zu einem weiteren Schauplatz der rassistischen, menschenfeindlichen Migrationspolitik der EU. Mit Zäunen und bewaffneten Polizist*innen wurde und wird die Festung Europa verteidigt und Menschenrechte verletzt: 23 Todesfälle aus dem Grenzgebiet sind offiziell dokumentiert, humanitäre Organisationen meldeten Ende Juni 2022 187 Fälle von Vermissten. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein.
8. August 2021: Die polnischen Grenzbeamt*innen hindern einige dutzend migrierende und flüchtende Menschen beim Ort Usnarz Górny am Grenzübertritt. Für mehrere Wochen werden sie festgehalten. Trotz Fieber und Erkrankungen wird nicht einmal ein Krankenwagen durchgelassen.
September 2021: Die polnische Regierung errichtet entlang der über 400 Kilometer langen Grenze zu Belarus eine knapp 200 Ortschaften umfassende Sperrzone. Medien und Hilfsorganisationen wird der Zutritt verwehrt.
Januar 2022: Die polnische Regierung beginnt mit dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Belarus. Bis Juli dauerte der Bau, die Sperrzone wurde inzwischen auf 200 Meter entlang der Grenzmauer beschränkt. Dass die Mauer People on the Move nicht am Übertritt hindert, ist bekannt. Stattdessen kommt es oft zu Brüchen und Verletzungen.
März 2022: Täglich überqueren tausende ukrainische Geflüchtete die Grenzen zu Polen. Der Fokus verschiebt sich, Grenzen sind offen und die Solidarität gross. Gleichzeitig werden einige hundert Kilometer weiter nördlich an der Grenze zu Belarus Menschen nach wie vor gewaltvoll am Übertritt gehindert, solidarische Strukturen kriminalisiert, migrierende und flüchtende Menschen in gefängnisähnliche Lager gesteckt.
Und heute? Die Grenzmauer steht, die Sperrzone ist kleiner, aber nach wie vor vorhanden. Solidarische Strukturen erfahren nach wie vor Repression. Und es gilt nach wie vor: Mauern und vermeintlich geschlossene Fluchtwege verhindern Migration nicht, sie machen den Weg unsicher und tödlich.
Blockchain für Geflüchte: Warum mit Technologie keine politischen Probleme gelöst werden
Die Hochschule Luzern beteiligt sich an einem internationalen Forschungsprojekt, dass Menschen auf der Flucht beim Schutz ihrer Vermögenswerte in der Heimat helfen soll. Dabei soll die Blockchain-Technologie helfen. Doch wesentliche Überlegungen ausserhalb der digitalen Welt gehen komplett vergessen.
Die Blockchain Technologie ist zum neuen Heilsversprechen der digitalen Welt geworden. Und dies nicht nur im Bereich der Cryptowährungen. Mit der Blockchain sollen Informationen sicher dokumentiert, einsehbar und nicht veränderbar gemacht werden. Eine dezentrale Vertrauenstechnologie ohne zentrale Speicherung und die Abhängigkeit von bestehenden Institutionen. Auch im Bereich Migration und Flucht soll die Blockchain Probleme lösen und geflüchteten Menschen das Leben erleichtern. So klingt es zumindest, wenn mensch sich die Ergebnisse des diesjährigen «Blockchain@UBC Summer Institute» anschaut. Das «Summer School» Angebot wurde gemeinsam von der kanadischen University of British Columbia (UBC) sowie von der Hochschule Luzern – Informatik (HSLU-I) durchgeführt.
Die HSLU beschreibt auf ihrer Website das Potenzial der Blockchain folgendermassen: «Sie kann das Wichtigste sichern, das Vertriebene oder Geflüchtete nebst ihren Liebsten in der Heimat zurücklassen: Häuser, Grundstücke und weitere Vermögenswerte. Für Flüchtlinge ist es äusserst wichtig, dass sie ihre Ausweise, Eigentumsurkunden und andere Eigentumsdokumente sichern können.» Dieser Satz ist schon mal höchst unglücklich formuliert, stellt er doch materielle Werte auf die gleiche Stufe wie die Gesundheit und das Leben von geliebten Menschen. Politische Komponenten werden derweil komplett ausgeblendet. In einem Interview auf der HSLU-Website beschreiben eine Professorin der UBC und ein Blockchain-Experte der HSLU-I die Forschungsprojekte der Teilnehmenden als «Nahe an der Realität von Flüchtlingen». Dies mag vielleicht für die fiktiven Szenarien der Fluchtgeschichten stimmen. Ein dokumentierter Anspruch auf einen materiellen Wert ist aber völlig nutzlos, wenn die Herrschaftsverhältnisse es nicht zulassen, diesen geltend zu machen. Und in welchen Situationen sich geflüchtete Menschen in ihren Ankunftsländern befinden, wird ebenfalls völlig ausser Acht gelassen.
Was nützt es denn einem geflüchteten Arzt oder einer vertriebenen Ingenieurin, wenn er oder sie seine ganze akademische Karriere auf der Blockchain gespeichert hat, diese Diplome in Europa aber nicht anerkannt werden? Wer setzt gegenüber der Taliban die Eigentumsrechte einer geflüchteten Ortskraft an einem Stück Land in Kabul um? Natürlich ist es für geflüchtete Menschen ein Problem, wenn sie keine Möglichkeiten besitzen, wichtige Dokumente und Ausweise zu sichern und auf der Flucht mitzunehmen. Und der Anspruch auf ein Stück Land zur Bewirtschaftung stellt für viele Bauernfamilien auf der ganzen Welt die wirtschaftliche Lebensgrundlage dar. Doch wird mit der Blockchain wieder einmal versucht, ein gesellschaftspolitisches Problem, das auf Herrschafts- und Machtverhältnissen und diversen Formen struktureller Diskriminierung beruht, alleine mit einer digitalen Lösung beseitigen zu wollen. Es ist ein Irrglaube, dass technologische Innovationen, so gut sie auch gemeint und konzipiert sind, unabhängig von politischen Machtverhältnissen funktionieren. Weil geflüchtete Menschen Institutionen wie dem Roten Kreuz oder der UNO nicht mehr vertrauen, sollen sie ihr Vertrauen stattdessen in Algorithmen und Datenblöcke auf einer digitalen Kette legen? Wenn du als Sans-Papiers wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt wirst oder zwar mit Pass aber der „falschen“ Staatszugehörigkeit und einem sogenannten Rücknahmeabkommen abgeschoben wirst: Eine technologische Lösung kann keine falschen politischen Entscheidungen verhindern.
Doch nicht nur die akademische Welt, auch Migrationsämter sind längst auf den Blockchain-Zug aufgesprungen. In Deutschland will das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Kommunikationsprobleme mit der Blockchain lösen. Anstatt Informationen zwischen verschiedenen Behörden und Ämtern per Fax und Telefon auszutauschen, sollen die persönlichen Daten von geflüchteten Menschen zukünftig auf eine Blockchain geschrieben werden. Also nur die Metadaten. Denn der Datenschutz soll natürlich gewährleistet sein. Ein juristisches Gutachten hat bereits 2019 festgehalten, dass der Datenaustausch per Blockchain ein «beachtliches Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen» darstellt.
Auch in anderen Ländern wie Finnland oder Jordanien wird die Blockchain im Bereich Migration verwendet, hier um geflüchteten Menschen Zahlungsvorgänge zu ermöglichen, die ihnen sonst aufgrund ihres Aufenthaltstatus verwehrt würden. Doch um die Erfassung der Transaktionsdaten kommen die Menschen dennoch nicht herum. Die Blockchain kann also durchaus positiv genutzt werden und ist nicht per se das Problem. Doch sie löst alleine auch keine bestehenden Probleme. Weder technologische noch politische.
Macht uns eine Militär- und Polizeiübung wirklich sicher?
Ein Redebeitrag zur Demo „NoFides“ am 14.08.22 in Bern
Für den «Krisenfall» wollen sie üben, eine «lang anhaltende terroristische Bedrohung» bewältigen. Militär und Polizei Hand in Hand – gegen die Gefahr von Aussen, gegen Terror. Für unsere Sicherheit, für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung. Wir fragen uns: Wem gilt die Sicherheit von Polizei&Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Schweizer Staat? Und wem gilt sie nicht?
Ihre Sicherheit gilt nicht für migrierende und flüchtende Menschen. Für People on the Move bedeutet ihre Sicherheit: Stacheldraht, Schlagstöcke, Sterbenlassen.
«Keine Experimente mit unserer Sicherheit» – so stand es diesen Frühling auf blauen Abstimmungsplakaten, ein rotes JA ZU FRONTEX in Grossbuchstaben. Bundesrat, Operation Libero und Parteien von da bis dort redeten von Sicherheit und fordern auch heute: Mauern bauen, Stacheldraht auf Grenzzäune setzen, Grenzbeamt*innen Waffen in die Hände drücken. Sie reden von Sicherheit und schliessen die Türen, schotten ab, lassen sterben.
Es ist ihre Sicherheit, die Fluchtrouten schliesst. Es ist ihre Sicherheit, die erfrieren, ertrinken, sterben lässt. Abschottung, Pushbacks, Grenzgewalt – das bedeutet ihre Sicherheit für migrierende und flüchtende Menschen.
Für wen ihre Sicherheit auch nicht gilt: Oury Jalloh. George Floyd. Breonna Taylor. Walter Scott. Michael Brown. Amad Ahmad. Hervé Mandundu. Eric Garner. Claudio. Mike. Nzoy. Die Liste ist endlos.
Wo war eure Sicherheit, als Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau verbrannte? Wo war eure Sicherheit, als Breonna Taylor die Kugel aus der Waffe der Polizist*innen trafen? Heisst Sicherheit für euch, auf einem Bahngleis in Morges erschossen zu werden?
Eine Erinnerung zwischendurch: Gegen rassistische Polizeigewalt. Für Gerechtigkeit für Nzoy und alle Ermordeten – gehen wir am 3. September gemeinsam in Zürich auf die Strasse.
Ihre Sicherheit – sie gilt auch nicht für die Betroffenen von Patriarchaler Gewalt. Weltweit werden täglich 137 Frauen/FLINTA-Personen von männlichen Familienangehörigen oder (Ex-) Partnern ermordet. In der Schweiz wird alle zwei Wochen ein Femizid begangen. Jede Woche überlebt eine FLINTA-Person einen Tötungsversuch. Wir FLINTAs werden ermordet, einfach weil wir FLINTAs sind.
Was ist die Antwort des Staates auf unsere fehlende Sicherheit? Eine Militär- und Polizeiübung? Kommt Kameraden, lasst uns fünf Tage lang Terror spielen.
Was ist die Antwort des Staates auf diese patriarchale Gewalt? Kommt Kameraden, verteidigen wir uns gegen eine vermeintliche «Gefahr von Aussen», dem «anonymen bösen Feind». Und ignorieren weiterhin, dass unserer Gesellschaft in sich rassistisch, patriarchal, ableistisch, homo- und transfeindlich ist. Dass unsere Gesellschaft so viel alltägliche Gewalt produziert.
Die Sicherheit von Polizei & Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie macht uns nicht sicher. Sie macht das Gegenteil: Sie gefährdet Menschen. Ihre Sicherheit ist lediglich ein Sichern von Machtsystemen, unterdrückenden Strukturen und Privilegien.
Wir fragen uns: Was macht uns wirklich sicher? Ist es eine Militär- und Polizeiübung, die uns sicher macht, während Temperaturen und Meeresspiegel steigen?
Ausgetrocknete Böden, zerstörte Lebensgrundlagen, Vertreibungen: Die Klimakrise birgt enormes Konfliktpotenzial. An alle Sicherheitspolitiker und -direktorinnen: Das sollte euch mal interessieren. Anstatt absurde Polizeiübungen abzuhalten, kümmert euch stattdessen um die Bekämpfung der Klimakrise!
Anstatt absurde Militärübungen abzuhalten, erinnert euch stattdessen daran: Militär und Krieg gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen und Umweltkatastrophen.
Was macht uns wirklich sicher? Militarisierung, Aufrüstung, Waffen? Es ist ermüdend. Dass wir es immer wieder sagen müssen: Waffen schaffen keine Sicherheit. Waffen verbreiten Angst, zerstören und töten. Militarisierung und Aufrüstung sind keine Antwort auf Krieg und globale Krisen.
Was macht uns wirklich sicher? Ihre Sicherheit macht es nicht. Ihr Gerede von «Vorbereitung auf den Ausnahmezustand» macht uns nicht sicher. Ihre Militär- und Polizeiübung – auch die macht uns nicht sicher.
Für eine tatsächliche Sicherheit braucht es Solidarität. Kollektivität anstatt Vereinzelnung. Gemeinsame Verantwortung anstatt Kontrolle.
Es braucht sichere Fluchtrouten, ein freies und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen hier.
Für kollektive Sicherheit braucht es Massnahmen zur Bekämpfung patriarchaler und rassistischer Gewalt und Strukturen. Ohne dabei zu vergessen: Die einzig nachhaltige Prävention ist die antirassistische und feministische Weltrevolution.
Für kollektive Sicherheit braucht es Geld für die Bekämpfung der Klimakrise, Geld für Care-Arbeit, Geld für das Gesundheits- und Bildungswesen. Anstatt für Militär und Polizei.
Die kontrollierende Sicherheit von Polizei & Armee, vom Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, vom Staat & Co. – sie ist vieles. Sie ist rassistisch, sie ist patriarchal. Sie fördert Aufrüstung und Militarisierung und sie heizt die Klimakrise an. Doch eines ist ihre Sicherheit nicht: Sie ist nicht fähig, Antworten auf die zahlreichen herrschenden Krisen zu finden. Das müssen wir schon selbst tun. Danke für euren Widerstand.
Vor ein paar Tagen hat eine Gruppe von Menschen aus dem No Border-Camp eine kleine Aktion vor dem Café Nationale Nederlanden neben dem Rotterdamer Hauptbahnhof durchgeführt. Nationale Nederlanden ist eine niederländische Versicherungs- und Investmentgesellschaft und der zweitgrösste Aktionär des polnischen Bauunternehmens Budimex. Letzteres hat die Mauer an der Grenze zwischen Polen und Weissrussland gebaut. Mit einem Anteil von fast 10 % an Budimex ist Nationale Nederlanden ein grosser Profiteur der Gewalt an dieser Grenze.
Infoveranstaltung Justice for Nzoy 17. August | 18:00 | Indu BEIZ | Unterlachenstrasse 33 | Luzern Knapp ein Jahr nach dem rassistischen Polizeimord an Nzoy in Morges (VD) erzählen Angehörige von Nzoy und Mitglieder des Bündnis Justice4Nzoy von Nzoy, berichten über den Fall und informieren über Polizeigewalt und Racial Profiling in der Schweiz. Anschliessend gibt es in der Indu BEIZ Fluchtsalat.
Ein Jahr ist vergangen seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Seit dem Rückzug der westlichen Armeen stehen Terror, Gewalt und Armut auf der Tagesordnung, 20 Jahre NATO-Militäreinsatz in Afghanistan haben Zerstörung und Leid hinterlassen. Wir demonstrieren gegen dieses terroristische Regime und für ein sicheres Bleiberecht aller Afghan*innen in der Schweiz. Lass uns gemeinsam gegen diese Zustände eine Stimme erheben!
„Balkanroute“: Racial Profiling und Polizeigewalt gegen die soziale Bewegung der Migration Mo. 15. August 2022, 19 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
Critical Mass (Velodemo) Di. 16 August 2022, 19 Uhr Thunplatz, Bern Wir nehmen uns mit unseren Velos, Rollerblades, Trottinets und sonstigen Lieblingsfahrzeugen die Strasse. Mit dem Fahrtwind in den Haaren bringen wir Leben und vielleicht ein bisschen Verkehrschaos in die Strassen des Botschaftsviertel – und drüber hinaus, schliesslich sind wir schnell und wendig.
Räuber*innen & Poli Spiel Do. 18. August 2022, 19 Uhr Falkenplatz , Bern Bringt lustige Gadgets für einen dynamischen Verlauf des Abends
Neues Polizeigesetz des Kanton Bern Mi. 17. August 2022, 19:30 Uhr Kino Reitschule, Bern
»Gefährliche Geschichtsfälschung« Die Wissenschaftlerin Dana Mahr erhält Drohungen, weil sie über trans Menschen im NS aufklärt Wurden trans Menschen vom NS-Regime verfolgt? Darüber ist auf Twitter ein Streit entbrannt. Wissenschaftler*innen klären auf – und erhalten Hass und Hetze online und analog. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166014.lgbtqia-gefaehrliche-geschichtsfaelschung.html