Belarus schaut an Grenze weg, Litauen rüstet Grenze auf, Grossbritannien verschiebt Grenze ins Meer

https://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/e/ea8d137f8fccd3d6e79b45c5ff53d591v1_max_720x405_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2.jpg?key=c6a6ad

Themen:

  • Ein weiterer Mensch beging aufgrund der Brutalität des europäischen Migrationsregimes Suizid
  • Britische Regierung geht mit neuem Gesetz gegen Asylsuchende vor
  • Litauen rüstet Grenze zu Belarus auf und führt Massenverhaftungen Geflüchteter ein
  • Zahl der Toten auf dem Mittelmeer hat sich verdoppelt
  • Postulat fordert Untersuchung der Zustände im Bundesasylzentrum Zürich
  • Deutschland wird Istanbul-Konvention gegenüber Migrant*innen nicht gerecht
  • Libysche Hafenstadt droht Migrant*innen mit Wegweisung
  • Arbeitszugang für asylsuchende Personen in Österreich wiederhergestellt
  • Utopia56 sucht Freiwillige in Nordfrankreich
  • Petition «Armut ist kein Verbrechen» unterstützen
  • No-Lager Aktionswoche in Deutschland

Protest gegen miese Arbeitsbedingungen in der Reinungsbranche

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Was ist neu?

Ein weiterer Mensch beging aufgrund der Brutalität des europäischen Migrationsregimes Suizid

Vergangenes Wochenende hat sich der 22-jährige Hamid im Schistou-Lager in Athen das Leben genommen. Die Menschen im Lager haben als Reaktion darauf versucht zu protestieren, wurden aber von der Lagerverwaltung aufgehalten.

https://miro.medium.com/max/1400/0*uQES4BphOvP864_k
Im Schistou-Camp wurde kein Protest zugelassen.

Hamid beging Suizid aus Angst vor der Abschiebung zurück in die Türkei, nachdem er drei negative Asylentscheide erhalten hatte. Parwana Amiri, eine Aktivistin, die sich derzeit im Lager aufhält, berichtete, dass die Menschen im Lager Schistou anschliessend für fairere Asylverfahren protestieren wollten, aber nicht durften. Sie seien aber immer noch dabei, Druck auf den Chef des Asyllagers aufzubauen.
Der Fall schien das Interesse der Medien wenig bis gar nicht zu wecken, obwohl immer wieder berichtet wird, dass die Bedingungen in griechischen Lagern (wie auch in vielen anderen europäischen Asyllagern) zu psychischen Problemen wie Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen und Selbstverletzungen führen. Bereits im Dezember 2020 stellte das International Rescue Committee fest, dass eine von fünf Personen, die in ihrem Programm für psychische Gesundheit teilnehmen, bereits versucht hat, sich das Leben zu nehmen und eine von drei Personen von Suizidgedanken berichtete.
Seit 2018 berichtet auch Ärzte ohne Grenzen über eine steigende Zahl von Suizidgedanken und -versuchen. Dies betrifft auch die Kinder in den Lagern. “Wir sehen weiterhin Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, depressive Symptome, Psychosen, Selbstverletzungen und Suizidgedanken” – sagte Thanasis Chirvatidis, MSF-Kinderpsychologe, der auf der Insel Lesbos arbeitet. Bei Gruppenangeboten zur psychischen Gesundheit von Kindern (im Alter von sechs bis 18 Jahren) zwischen Februar und Juni dieses Jahres beobachteten die Teams von Ärzte ohne Grenzen, dass fast ein Viertel der Kinder sich selbst verletzte, einen Suizidversuch unternahm oder Suizidgedanken hatte. Andere Kinder leiden unter Panikattacken, Angstzuständen, aggressiven Ausbrüchen, ständigen Albträumen oder werden stumm.
Anfang des Jahres wurde ein Fall publik, in dem eine schwangere Frau auf Lesbos einen Suizidversuch unternahm, nachdem ihr ein Flug nach Deutschland verweigert wurde. Später wurde sie wegen Brandstiftung und Zerstörung von öffentlichem Eigentum angeklagt. Einen Monat später kam es nach dem Tod eines 24-Jährigen zu Protesten in einer Abschiebehaftanstalt bei Athen. Ein kurdischer Mann, der einen Asylantrag gestellt hatte, nahm sich das Leben, nachdem seine Haft verlängert worden war.
Für die Behörden ist es keine Neuigkeit, dass das Leben unter Lagerbedingungen psychische Gesundheitskrisen verursacht, die zu Suizid führen können. Trotzdem werden immer noch Menschen gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen zu leben. Ihre Stimmen werden überhört oder sie werden zum Schweigen gebracht. Ihre Proteste werden – wie auch in diesem Fall – gewaltvoll verhindert, und sie werden selbst für das Elend des Lagerlebens verantwortlich gemacht.
https://medium.com/are-you-syrious/ays-daily-digest-12-7-21-people-in-schistou-camp-denied-protesting-after-the-recent-suicide-f0d79e2727ae

Britische Regierung geht mit neuem Gesetz gegen Asylsuchende vor

Die Verschärfungen führen zu einer Kriminalisierung Asylsuchender und erschweren für viele Geflüchtete das Stellen eines Asylgesuchs massiv. Neu sollen Asylsuchende auch ausser Landes untergebracht werden können.
Die britische Innenministerin Priti Patel hat einen neuen Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht, welcher das Asylrecht für viele Migrant*innen faktisch ausser Kraft setzen würde. Grossbritannien will künftig Visa für Länder blockieren, die sich weigern, Asylsuchende zurückzunehmen. Asylanträge von Menschen aus Staaten, welche mit der britischen Regierung nicht kooperieren und keine Rücknahmeabkommen abschliessen, sollen nicht mehr behandelt werden. Es ist davon auszugehen, dass Länder wie der Irak, Iran, Eritrea oder der Sudan eine solche Kooperation ablehnen. Durch den Austritt Grossbritanniens aus der EU ist auch die Drittstaatenregelung weggebrochen. Sogenannte sichere Herkunftsländer in der EU sind dadurch nicht mehr verpflichtet, geflüchtete Menschen zurückzunehmen, die auf dem Weg zur britischen Insel durch ihr Territorium gereist sind.

Es ist eine von zahlreichen Verschärfungen, mit denen die konservative Rechtsregierung gegen Migrant*innen vorgehen möchte. Asylsuchende sollen künftig während des Asylverfahrens abgeschoben und offshore untergebracht werden. The Guardian zitierte aus geleakten Berichten des Innenministeriums. Demnach sollen Pazifikinseln, ausser Betrieb stehende Bohrinseln oder nicht mehr aktive Fähren als Lager in Betracht gezogen werden. Damit folgt die britische Regierung dem Beispiel Dänemarks. Die dänische Regierung handelt derzeit mit afrikanischen Staaten Deals zur Einrichtung von Asylcamps für Menschen aus, welche auf dänischem Boden Asylanträge stellen. (Wir berichteten in der Wochenschau vom 7. Juni, https://antira.org/2021/06/07).

Des weiteren sollen das Recht auf Familiennachzug verschärft und der Zugang zu Sozialleistungen eingeschränkt werden. Wer wegen Menschenschmuggels angeklagt wird, soll als Höchststrafe eine lebenslange Haftstrafe erhalten können. Geflüchtete, welche illegal ins Land gelangen, sollen unabhängig ihres Fluchtgrundes sanktioniert werden und ihr Recht auf Asyl verlieren. Eine Analyse von Daten des Innenministeriums durch den Flüchtlingsrat legt nahe, dass 9000 Menschen, die nach den derzeitigen Regeln als Flüchtlinge akzeptiert würden, aufgrund ihrer Ankunftsart unter der neuen Gesetzeslage nicht mehr in Grossbritannien aufgenommen werden würden.

Allein im Juni dieses Jahres sind 2000 geflüchtete Menschen an der britischen Küste gelandet. 2021 haben bereits 6000 Menschen die gefährliche Überfahrt von Frankreich nach Grossbritannien geschafft. Laut einem Bericht der BBC vom 29. Juni führen die britischen zusammen mit den französischen Sicherheitsbehörden nun zunehmend Pushbacks durch. Von Frankreich aus startende Schlauchboote werden zurückgedrängt, um sie daran zu hindern, in britische Hoheitsgewässer zu gelangen.

Mit dem neuen Gesetz setzt die britische Regierung ihren knallharten Kurs gegenüber Migrant*innen fort, mit dem sie bereits im Wahlkampf 2019 Stimmung machte. Dabei bedienen sich Premierminister Boris Johnson und Innenministerin Patel dem üblichen Narrativ: Unterbindung von Schmugglertätigkeiten, Bekämpfung krimineller Gangs, Sicherung der Aussengrenzen. Dabei zielen ihre Gesetze bewusst auf die schwächsten und verletzlichsten Menschen. Die Aushöhlung des Asylrechts bekämpft keine Fluchtursachen.

Mit ihrer ausländerfeindlichen Rhetorik schürt die britische Regierung seit Jahren Hass und Rassismus. Und verhält sich dabei heuchlerisch wie nie zuvor. Nach den rassistischen Anfeindungen gegenüber drei Schwarzen Fussballnationalspielern nach dem verlorenen EM-Final zeigten sich Johnson und Patel «angewidert» und empört. Dabei haben sie genau solchem Verhalten den Boden bereitet, indem sie zum Beispiel die Solidaritätsbekundungen des Nationalteams mit der Black-Lives-Matter-Bewegung verhöhnten. Das Fussball-Beispiel mag sehr oberflächlich wirken. Doch es zeigt, wie scheinheilig und spalterisch diese Regierung agiert und den tief verwurzelten Rassismus einer Gesellschaft für ihre machtpolitischen Interessen missbraucht.

https://img.zeit.de/politik/ausland/2021-07/migration-grossbritannien-asylrecht-abschiebungen-strafen-bild-2/wide__820x461__desktop
Ein Schlauchboot am Strand von Dover. Von Frankreich aus sind allein im Juni 2000 Menschen an der britischen Küste gelandet.

https://www.jungewelt.de/artikel/406034.abschottungskurs-in-uk-feindbild-fl%C3%BCchtling.html
https://www.theguardian.com/politics/2021/jul/06/uk-to-block-visas-from-countries-refusing-to-take-back-undocumented-migrants
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/migration-grossbritannien-asylrecht-abschiebungen-strafen
https://www.dailymail.co.uk/news/article-9754377/Migrants-cross-Channel-small-boats-face-arrest.html?ns_mchannel=rss&ns_campaign=1490&ito=1490

Litauen rüstet Grenze zu Belarus auf und führt Massenverhaftungen Geflüchteter ein

Belarus setzt geflüchtete Menschen als Druckmittel gegen die EU ein. Litauen rüstet darum seine Grenze auf und erlässt schärfere Gesetze gegen illegal Eingereiste. Und natürlich ist auch Frontex wieder mit von der Partie.

Der belarussische Diktator Viktor Lukaschenko folgt dem Beispiel seines türkischen Kollegen Erdogan und setzt geflüchtete Menschen bewusst als Druckmittel gegen die EU ein. Seit mehreren Wochen hat Belarus die Grenzkontrollen zum Nachbarland Litauen teilweise ausgesetzt und lässt geflüchtete Menschen, vor allem aus dem Irak, die Grenze passieren. Litauens Regierung gilt als eine der schärfsten Kritikerinnen der autokratischen Regierung in Minsk. Unter anderem floh die belarussische Oppositionspolitikerin Sviatlana Tsikhanouskaya letztes Jahr nach den Wahlen und lebt seitdem in Litauen.

Aufgrund neuer EU-Sanktionen gegenüber Belarus, hat sich das Verhältnis in den letzten Monaten weiter angespannt. Lukaschenko versucht dabei gar nicht erst, sein Vorgehen zu vertuschen oder zu verheimlichen. Menschen seien auf ihrem Weg aus Kriegsgebieten in das «warme und komfortable Europa» und Deutschland würde Arbeitskräfte brauchen. Darum werde er niemanden aufhalten. Seinen eigenen Staat kann Lukaschenko mit diesen Worten auch kaum gemeint haben. Seine rechtskonservative Regierung führt selber einen Krieg gegen Oppositionelle und die freie Presse, Berichte von Folter und Misshandlungen durch belarussische Sicherheitskräfte sind an der Tagesordnung.

Die litauische Regierung hat bereits früh die Unterstützung durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex angefordert und auch erhalten. Nun hat das Parlament zudem mehrere Gesetzesänderungen beschlossen, um Asylprüfungsverfahren zu beschleunigen und die Freizügigkeit von Migrant*innen einzuschränken. Diese dürfen nach einer illegalen Einreise nun für mehr als sechs Monate in Haft genommen werden. Ausserdem will Litauen seine 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus mit einer «physischen Barriere» verstärken. Ein solches Vorgehen hatte die Premierministerin Ingrida Shimonyte vor wenigen Wochen noch als «Zeitverschwendung» bezeichnet. Ob folgende Aussagen von Frontex-Direktor Fabrice Legeri etwas mit dem schnellen Stimmungswandel zu tun haben könnten, ist nicht ausgeschlossen. «Wir sind bereit, unsere Unterstützung zu verstärken und mehr Beamte und Ausrüstung des Europäischen Stehenden Korps einzusetzen. Wir beschleunigen und verstärken, was bereits geplant war. (…) Die litauische Grenze ist unsere gemeinsame Aussengrenze und Frontex ist bereit zu helfen, wo es nötig ist.» Lukaschenkos Grenzpolitik scheint Frontex in ihren Plänen also geradezu in die Hände zu spielen.

In den Strom der Heuchelei reiht sich auch der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, nahtlos ein: «Schon wieder spielt jemand in inakzeptabler Weise mit Menschenleben», liess er verlauten. Dabei ist die EU mit ihrer Migrationspolitik hauptverantwortlich für das Sterben im Mittelmeer und die Gewalt an den EU-Aussengrenzen. Geflüchtete Menschen als Druckmittel einzusetzen, mag verwerflich sein. Und Lukaschenko ist ein skrupelloser Diktator. Die Reaktionen der litauischen Regierung, der EU und Frontex zeigen aber vor allem, dass es in Europa beim Thema Migration aktuell nur eine Stossrichtung zu geben scheint: Grenzen dicht, aufrüsten, abschieben. Die Antira-Wochenschau verfolgt eine intersektionale Kritik von Unterdrückungsverhältnissen. Rassismus sollte nie als ein isoliertes Phänomen betrachtet werden. Und wenn geflüchtete Menschen zum Spielball von Machtinteressen werden, gibt es nie eine «gute» Seite.

https://pbs.twimg.com/media/E5T9nIYXMAMhMoE?format=jpg&name=small
In diesem Zeltdorf des litauischen Militärs sollen die ankommenden Geflüchteten untergebracht werden.

https://www.spiegel.de/ausland/litauen-frontex-entsendet-beamte-an-die-grenze-zu-belarus-a-d4f467f3-7306-4246-be8c-cf031fe9b647#ref=rss
https://www.infomigrants.net/en/post/33425/frontex-bolsters-lithuania-belarus-border-as-irregular-crossings-spike
https://www.deutschlandfunk.de/litauen-schaerfere-asylgesetze-gegen-illegale-migration.1939.de.html?drn%3Anews_id=1280243https://www.dw.com/en/lithuania-to-build-wall-along-belarus-border/a-58194710
https://www.dw.com/en/eu-border-agency-frontex-vows-additional-support-for-lithuania-amid-migrant-crisis/a-58227983
https://www.spiegel.de/ausland/grenze-zu-belarus-litauens-parlament-stimmt-massenverhaftungen-von-fluechtlingen-zu-a-85b0618c-1047-429b-b5ae-73235489c401

Zahl der Toten auf dem Mittelmeer hat sich verdoppelt

Immer mehr Menschen begeben sich auf die Flucht nach Europa. Sie erfahren dabei Gewalt durch das europäische Grenzregime, werden zurückgeschleppt oder verlieren ihr Leben. Die Reaktionen: Italien verstärkt die Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache. Die Schweiz sieht keinen Handlungsbedarf.

Die Zahl der Toten auf den Meeresrouten nach Europa hat sich im ersten Halbjahr 2021 auf 1’146 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Die meisten starben auf dem zentralen Mittelmeer, aber auch die Route zu den Kanarischen Inseln hat hunderte Todesopfer gefordert. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Allein im Juni blieb das Schicksal von über 600 Menschen, die sich auf das Mittelmeer begaben, ungewiss: «Sie könnten angekommen, aber auch ertrunken sein», schreibt Borderline Europe.

Einige Meldungen der letzten zwei Wochen:

  • «Vor Tunesien sind 49 Leichen geborgen worden, nachdem zwischen Mittwoch und Sonntag insgesamt vier Boote mit Migrant*innen aus Ländern südlich der Sahara in der Nähe der Küstenstadt Sfax gesunken waren.» Tunesische Fischer haben die meisten der Leichen entdeckt und an Land gebracht, viele werden noch vermisst. 84 Menschen überlebten und wurden nach Tunesien gebracht.
  • «Libysche Sicherheitsquellen berichteten, dass mindestens ein Dutzend Menschen am Sonntag auf See ums Leben kamen, als ein Schlauchboot vor der Stadt Melitah, hundert Kilometer westlich von Tripolis, sank.»
  • «Die maltesischen Streitkräfte haben 81 Migranten gerettet, die in einem Boot im maltesischen Such- und Rettungsgebiet gestrandet waren, darunter drei, die tot aufgefunden wurden.» Sea Watch und Alarmphone werfen den maltesischen Behörden vor, mindestens ein Schiff in der Nähe angewiesen zu haben, nicht einzugreifen, und selbst erst nach stundenlanger Verzögerung gehandelt zu haben.
  • «Die 572 Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffs Ocean Viking können nach drei Tagen Unsicherheit in Italien an Land gehen.» Die Crew hatte in etwas mehr als 72 Stunden ohne jegliche Unterstützung der zuständigen Behörden 572 Menschen von sechs in Seenot geratenen Booten im zentralen Mittelmeer gerettet.

«Es ist leicht, sich in den einzelnen Geschichten zu verlieren, aber jede Ankunft und jeder Schiffbruch ist Teil einer größeren Geschichte, der Geschichte einer europäischen Grenzpolitik, die es Menschen erlaubt, an ihren Mauern Schiffbruch zu erleiden», fasst AYS die Meldungen zusammen. Die europäischen Staaten sind für das Sterben auf dem Mittelmeer mitverantwortlich. Sie haben ihre Rettungsmissionen eingestellt und investieren weiter in Abschottung und die Auslagerung der Grenzen. Derweil werden zivile Organisationen daran gehindert, Menschen zu retten. Die meisten Rettungsschiffe werden mit bürokratischen Argumenten von den italienischen Behörden festgehalten, darunter seit Juni auch die Sea-Eye 4 von United4Rescue und die Geo Barents von Ärzte ohne Grenzen.

Rückführungen und Gewalt durch die sogenannte libysche Küstenwache

Laut Zahlen des IOM haben sich im ersten Halbjahr 2020 fast 76’000 Menschen auf die Flucht über das Mittelmeer begeben. Die Hälfte von ihnen wurde von nordafrikanischen Küstenwachen direkt wieder abgefangen. Allein im Juni wurden beispielsweise 5’071 Menschen nach Libyen zurückgebracht, im gesamten Jahr waren es bereits mehr als 15’700.

Ende Juni hatte die Seabird dokumentiert, wie die sogenannte libysche Küstenwache Schüsse auf ein Boot mit Migrant*innen abgab und mehrfach versuchte, es zu rammen. Besonders heikel für die EU: Das ganze geschah in der maltesischen Seenotrettungszone (SAR-Zone), in der die sogenannte lybische Küstenwache gar nicht hätte agieren dürfen. Laut Sea Watch ist das kein Einzelfall, sondern es komme zu systematischen Angriffen auf Boote: «Die sogenannte libysche Küstenwache schiesst auf Boote und verhindert, dass Menschen gerettet werden. Leute stürzen ins Meer, weil die Küstenwache die Boote zu Manövern zwingt, bei denen dann Menschen über Bord gehen.»

Italien weitet Finanzierung aus

Während die sizilianische Staatsanwaltschaft nun nicht darum herum kommt, im gut dokumentierten Fall in der maltesischen SAR-Zone Ermittlungen gegen die libyschen Beamt*innen einzuleiten, wird die libysche Küstenwache fleissig weiter in ihrer Arbeit unterstützt. Im Rahmen eines Abkommens mit Libyen erklärte sich Italien bereit, die libysche Küstenwache auszubilden, auszurüsten und zu finanzieren. Dabei stellte es auch das Patrouillenboot Ras Jadir zur Verfügung, von dem aus nun die Schüsse abgegeben wurden. Gerade hat das italienische Parlament das fünfte Jahr in Folge die Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache bestätigt und weitere Schulungen und finanziellen Leistungen zugesagt (Gesamtbudget seit 2017: 32,6 Mio Euro).

SEM sieht keinen Handlungsbedarf
Wie reagiert die Schweiz auf die steigenden Todeszahlen im Mittelmeer? Daniel Jositsch von der SP fordert die Wiederaufnahme des Botschaftsasyls, sodass Menschen auf der Flucht den Weg über das Mittelmeer vermeiden könnten. Die Antwort des SEM: Das könne man nicht machen, da auch kein anderer europäischer Staat diese Möglichkeit biete. Da lässt man lieber zehn Menschen pro Tag auf dem Meer sterben. Der Gegenvorschlag der SVP gleicht dem der anderen rechten Parteien in Europa und ist rechtlich höchst fragwürdig. Sie schlägt die Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten vor. Allerdings gibt es bisher kein Land, dass diese Aufgabe freiwillig übernehmen will – nur eine Frage des Geldes, meint dazu die SVP. Dabei ist die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz weiterhin auf einem historischen Tief. Im Jahr 2020 stellten lediglich 11’000 Menschen ein Asylgesuch, 3’000 weniger als im Vorjahr.

https://i.guim.co.uk/img/media/59c36dcf32db1345e204da9dd99829d5775b188e/0_276_4337_2604/master/4337.jpg?width=620&quality=85&auto=format&fit=max&s=baf20a4ff7613bece3ff21a4138bfe84
Ein Luftbild der libyschen Küstenwache in der Nähe eines Migrant*innenbootes in der Rettungszone von Malta am 30. Juni.

https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/umgang-mit-migranten-spaltet-die-schweizer-politik?urn=urn:srf:video:a6870c65-db46-4027-a9b1-801d9fee95fb
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/Central%20Med%20Info%20Juni%202021.pdf
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-07/flucht-mittelmeer-migration-europa-un-tod-menschenrechte
https://medium.com/are-you-syrious/ays-daily-digest-07-07-21-rescues-and-arrivals-at-sea-the-context-behind-the-numbers-c6495c53a576https://www.deutschlandfunk.de/sea-watch-organisation-spricht-von-systematischen-angriffen.1939.de.html?drn%3Anews_id=1279416
https://www.theguardian.com/global-development/2021/jul/05/italy-to-investigate-libyan-coastguard-for-attempted-shipwreck-of-migrant-boat
https://www.volksblatt.li/nachrichten/International/Politik/sda/6342001/sea-watch-eu-hat-mit-libyen-abwehr-von-fluchtlingen-outgesourct
https://timesofmalta.com/articles/view/three-people-found-dead-as-afm-rescues-84-migrants-at-sea.886564
https://taz.de/Migration-nach-Europa/!5780315/
https://www.infomigrants.net/en/post/33414/dozens-of-corpses-found-off-tunisia-after-several-shipwrecks
https://www.swissinfo.ch/spa/crisis-migratoria-mediterr%C3%A1neo_al-menos-20-muertos-en-dos-naufragios-frente-a-las-costas-de-libia-y-t%C3%BAnez/46778514
https://www.deutschlandfunk.de/italien-kuestenwache-rettet-rund-100-migranten-aus-seenot.1939.de.html?drn%3Anews_id=1280083

Was geht ab beim Staat?

Postulat fordert Untersuchung der Zustände im Bundesasylzentrum Zürich

Das Bundesasylzentrum in Zürich steht schon lange in der Kritik. AL und Grüne fordern nun eine Neuverhandlung der Verträge.

Auch in der parlamentarischen Politik wird endlich Kritik an den Zuständen in den Bundesasylzentren (BAZ) geäussert. Die Fraktionen der AL und der Grünen haben am 7. Juli ein entsprechendes Postulat im Zürcher Gemeinderat eingereicht. Darin kritisierten sie die Unterbringung der Menschen im BAZ auf dem Duttweilerareal. Die Lebensbedingungen seien restriktiv und nicht menschenwürdig. Immer wieder kam es deshalb zu Selbstverletzungen und Schlägereien. Die Vertragsverhältnisse zwischen dem Bund und der Stadt Zürich einerseits, sowie der gewinnorientierten Asylorganisation Zürich (AOZ) andererseits sollen aufgekündigt und neu verhandelt werden. Sollte nach der Neuverhandlung keine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet sein, müsse das BAZ geschlossen werden. Schliesslich sei während der Stadtzürcher Abstimmung im Jahr 2017 das Versprechen gegeben worden, asylsuchende Menschen sollten unter humanen und guten sozialen Bedingungen untergebracht werden. Doch dieses Versprechen wurde nicht eingelöst.

Das liegt unter anderem an der Verteilung von Verantwortung und der Intransparenz, die damit einhergeht. Die verschiedenen Akteur*innen schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. “Auf Kritik und Verbesserungsvorschläge reagiere der Stadtrat immer mit dem Hinweis, dass der Bund die Regeln definiere”, sagt AL-Gemeinderat Willi Wottreng. Und es sei hierbei egal, wer formell welche Aufgaben und Kompetenzen habe. Die Stadt Zürich mietet das Areal vom Bund, die AOZ ist für die sogenannte Betreuung zuständig. Mit ihrer mangelhaften Betreuung – und auf dem Rücken von Asylsuchenden Menschen – verdient die AOZ jährlich 300 Millionen Franken. Zusätzlich lagert der Bund die Verantwortung an sogenannte Sicherheitsfirmen aus, in diesem Fall die Protectas. Und dass es immer wieder und systematisch zu gewaltvollen Übergriffen durch solche Sicherheitsbeamt*innen in Asyllagern kommt, ist mittlerweile gut dokumentiert (siehe https://3rgg.ch/securitas-gewalt-im-lager-basel/). Es bleibt abzuwarten, wie der Gemeinderat auf die Forderungen reagiert. Bis dahin heisst es weiterhin: Get organised! Auf den Strassen, in den Quartieren, in den Asyllagern.
https://www.tagesanzeiger.ch/linksparteien-wollen-vertraege-zum-bundesasylzentrum-aufloesen-498520454605

Was ist aufgefallen?

Deutschland wird Istanbul-Konvention gegenüber Migrant*innen nicht gerecht

Vor zwei Jahren hat sich Deutschland mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet, Frauen und Mädchen vor allen Formen der Gewalt zu schützen. Dies gilt auch für Migrantinnen. Nun hat PRO ASYL gemeinsam mit verschiedenen Flüchtlingsräten und der Universität Göttingen einen Bericht zur Umsetzung der Konvention herausgegeben.

Der entstandene Schattenbericht wurde nach den Praxiserfahrungen von 65 Frauenberatungsstellen, Psychosozialen Beratungsstellen und Institutionen der Geflüchtetenarbeit in allen Bundesländern Deutschlands erstellt. Der Bericht umfasst 56 Seiten mit einer genauen Analyse und konkreten Verbesserungsvorschlägen. Es wird sehr klar aufgezeigt, dass Deutschland Frauen und Mädchen im Asylverfahren nicht ausreichend schützt und somit der Istanbul-Konvention nicht gerecht wird.

Die Probleme beginnen bereits bei der Ankunft in Deutschland. Asylsuchende müssen für eine meist sehr lange Zeit in Sammelunterkünften leben. Besonders für Frauen ist dies kein geeigneter Ort. Sie können erlebte Gewalt schlecht verarbeiten und sind dauernd erneuter Gewalt und Übergriffen durch (Sicherheits-) Personal und männliche Bewohnende ausgesetzt. Es gibt kaum Privatsphäre und sie stehen ständig unter Kontrolle.

Im Asylverfahren wird die geschlechtsspezifische Verfolgung und erlebte Gewalt oft nicht berücksichtigt. Vor allem Frauen aus den Herkunftsländern Somalia, Syrien, Afghanistan, Nigeria und Eritrea sind von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. So werden Genitalbeschneidungen, häusliche Gewalt, Ermordung, Entführung, straffreie Vergewaltigung oder Vergewaltigung als Kriegswaffe im Asylverfahren nicht beachtet oder als „private Lebensführung“ eingestuft. Die Frauen werden ausserdem kaum ermutigt, von erfahrener Gewalt zu berichten und werden unzureichend über ihre Rechte aufgeklärt.

Frauen und Mädchen, welche von Gewalt betroffen sind, hätten laut der Istanbul-Konvention das Recht auf umfängliche medizinische sowie psychosoziale Versorgung und Therapie. Dieser Zugang wird ihnen jedoch meist verwehrt. Ausserdem sind medizinische und psychosoziale Dienste schlecht auf Migrantinnen eingestellt. Es mangelt am nötigen Wissen und an Dolmetscher*innen. Für die Verarbeitung der erlebten Gewalt ist der Zugang zu Therapien in der Muttersprache essenziell. Wenn dieser Zugang verwehrt wird, hat das schwere Folgen für die Betroffenen.

All diese Mängel im Asylverfahren werden schon seit langer Zeit von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, von den verantwortlichen Stellen jedoch vehement bestritten und ignoriert. Der Schattenbericht zeigt die Probleme erneut auf und enthält konkrete Lösungsvorschläge. Die verantwortlichen Stellen müssten sich somit noch nicht einmal eigene Lösungen überlegen, sondern die bereits vorhandenen Vorschläge einfach umsetzen. Solange die Bereitschaft für eine Änderung nicht da ist, nützt jeder Schattenbericht leider nichts.

https://www.proasyl.de/news/istanbul-konvention-umsetzen-schutz-vor-gewalt-auch-fuer-gefluechtete-frauen-und-maedchen/

Libysche Hafenstadt droht Migrant*innen mit Wegweisung

Die libysche Hafenstadt Zouara will alle Migrant*innen der Stadt verweisen, die sich nicht regularisieren lassen. Dabei wollen die wenigsten Menschen auf der Flucht in Libyen bleiben, sondern passieren die Stadt als Transit nach Europa.
Am 1. Juli tauchten an den Fassaden von Gebäuden, die insbesondere von Migrant*innen aus Subsahara-Staaten aufgesucht werden, Plakate mit der Aufforderung auf, den eigenen Aufenthaltsstatus innerhalb von zehn Tagen zu klären oder die Stadt freiwillig zu verlassen. Danach wolle man mit einem «umfangreichen Sicherheitsplan» reagieren. Wie dieser aussehen wird, dazu schweigt die Stadtregierung.
Begründet wird der Vorstoss mit der «erhöhten Kriminalitätsrate» von Migrant*innen. Dabei sind es insbesondere Menschen auf der Flucht, die im ganzen Land immer wieder von Milizen und der Polizei angegriffen werden. Menschen in Zouara berichten davon, dass auf offener Strasse auf sie geschossen worden sei, dass sie von der Polizei verprügelt, verschleppt und in der Wüste wieder ausgesetzt oder von der lokalen Bevölkerung angegriffen wurden. Zwei Dinge fallen am Vorstoss der Stadtregierung besonders auf: Erstens sind Migrationsfragen auch in Libyen nicht Sache der Kommunen und die Stadtregierung ist nicht in der rechtlichen Position, Migrant*innen mit der Wegweisung zu bedrohen. Zweitens ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Stadtregierung Migrant*innen, die sich bei ihr melden, einen Aufenthaltstitel vergeben wird. Menschen vor Ort berichten, dass ihnen kein Fall bekannt ist, in dem jemand offiziell registriert wurde, dass die Stadtregierung aber gern Geld in Empfang nimmt für Termine, die dann nicht stattfinden. Insgesamt bedeutet die Ankündigung eine weitere starke Verunsicherung für die geflüchteten Menschen in der Stadt, deren Lebensbedingungen ohnehin äusserst prekär sind.

https://gw.infomigrants.net/media/resize/my_image_big/c25a4adbdd82ee4c5cb53d4cd853a8e7c676e87e.jpeg
Dieses Dokument wurde an Gebäuden in Zouara, Libyen, angebracht.

https://www.infomigrants.net/en/post/33525/libya-port-city-of-zouara-threatens-to-expel-migrants

Was war eher gut?

Arbeitszugang für asylsuchende Personen in Österreich wiederhergestellt

In Österreich hebt der Verfassungsgerichtshof zwei Erlässe auf, die Asylsuchenden den Zugang zu Arbeit und Lehre verwehrten.
Der Entscheid des höchsten Gerichts Österreichs geht auf eine asylsuchende Person zurück, welche im Jahr 2019 eine Lehre als Spengler beginnen wollte. Nachdem sein Antrag von den zuständigen Behörden, dem Arbeitsmarktservice (AMS), sowie dem Bundesverwaltungsgericht abgelehnt wurde, wandte sich der Betroffene mit seiner Anwältin an das Verfassungsgericht. Die Richter*innen folgten dem Antrag, die Erlässe zu prüfen. Konkret geht es dabei um zwei Erlässe von früheren Arbeitsministern aus den Jahren 2004 und 2018. Ersterer besagt, dass asylsuchende Personen nur als Erntehelfer*innen oder Saisonarbeiter*innen arbeiten dürfen. Letzterer verbot den Beginn einer Lehre für Personen im Asylverfahren. Diese zwei Erlässe verpflichteten die AMS-Büros, die Anträge von asylsuchenden Personen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung stets abzulehnen. Mit dem Entscheid des Verfassungsgerichtes gelten für Asylsuchende nun jene Regeln, die auch für andere migrierte Personen aus Nicht-EU-Staaten gelten: Das AMS-Büro muss in jedem Fall prüfen, ob für den Job eine Person mit Österreichischer oder EU-Staatsbürger*innenschaft gefunden werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, darf die asylsuchende Person die Arbeitsstelle annehmen. Eine gleichberechtigte Behandlung ist dies aber noch lange nicht. Denn es gelten weiterhin diskriminierende Bestimmungen. Zum Beispiel muss sich die Person seit mindestens 3 Monaten im Asylverfahren befinden und es darf bisher kein Verstoss gegen das Ausländer*innenbeschäftigungsgesetz erfolgt sein.
https://www.derstandard.at/story/2000128174346/jobzugang-fuer-asylwerber-hoechstgericht-hebt-einschraenkungen-auf?amplified=True

Was nun?

Utopia56 sucht Freiwillige in Nordfrankreich

Das Team von Utopia 56 ist in Grande-Synthe in der Nähe von Dunkerque aktiv. Dort (über-)leben mehrere hundert Menschen in den Wäldern, in der Hoffnung nach Grossbritannien zu gelangen. Die Gruppe unterstützt mit Wasser, erster Hilfe, Material für Unterkünfte und Strom und versucht den Menschen zu helfen, zu ihren Rechten zu kommen. Wer volljährig ist, etwas englisch spricht und für mindestens drei Wochen vor Ort bleiben kann, möchte sich via utopia56gs.benevolat@gmail.com melden.
http://www.utopia56.com/en/grande-synthe

Petition «Armut ist kein Verbrechen» unterstützen

Aus dem Petitionstext: «Armut kann uns alle treffen. Gerade die Coronakrise hat das eindrücklich gezeigt. Das Recht auf Unterstützung in Not ist ein Grundrecht, das in unserer Verfassung verankert ist und für alle gilt. Wirklich? Über zwei Millionen Menschen ohne Schweizer Pass wohnen und arbeiten hier und bezahlen Steuern, viele von ihnen sind hier geboren oder als Kind in die Schweiz gekommen. Beziehen sie unverschuldet Sozialhilfe, können sie selbst nach vielen Jahren aus der Schweiz weggewiesen werden.»

Mit dem Inkrafttreten des neuen Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) im Januar 2019 gilt dies sogar für Menschen, die seit mehr als 15 Jahren in der Schweiz leben. Zwar hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Weisung herausgegeben, dass Sozialhilfebezug wegen der Coronasituation nicht gemäss AIG bestraft werden soll. Doch die Auslegung der Weisung liegt bei den Kantonen. Und einige haben diese Weisung bereits missachtet. Dieser Umstand führt auch dazu, dass viele Menschen aus Angst vor einer Abschiebung sich trotz einer unverschuldeten Notsituation nicht bei den Behörden melden. Was wiederum schwerwiegende Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen und deren Familien haben kann.

Unterstützt die Petition und macht euer Umfeld auf die Lage aufmerksam.

https://poverty-is-not-a-crime.chhttps://www.caferevolution.ch/mudza


Wo gabs Widerstand?
No-Lager Aktionswoche in Deutschland

Vom 19. bis 27. Juni haben im Rahmen der No-Lager Aktionswoche verschiedenste Aktionen in Aachen, Wuppertal, Essen, Münster, Siegen, Düsseldorf und Köln stattgefunden: Von Kundgebungen und Mahnwachen über eine Ausstellung und ein Webinar bis hin zu Demos und einem Informationsrundgang gab es verschiedenste Möglichkeiten, aktiv und laut zu werden und sich über die Situation in Lagern zu informieren. Ziel der Aktionswoche war es, zu einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Aufnahme und menschenwürdige Unterbringung beizutragen, Solidarität mit Menschen in Lagern zu zeigen und antirassistische Akteur*innen zu vernetzen.
Lager an Aussengrenzen und innerhalb der EU haben alle die gleiche Funktion: Sie sind ein Mittel dafür, Menschen die Flucht nach Europa zu erschweren; sie sollen Migration «steuerbar» und «verwaltbar» machen, weiter zur Abschottung beitragen, die Bewohner*innen isolieren und durch unmenschliche Zustände abschrecken. Diese Funktion erfüllen Lager in Deutschland und der Schweiz, an den EU-Aussengrenzen, in Griechenland, auf der «Balkanroute» und in Libyen.
Klar ist, dass die unmenschliche Situation in den Lagern politisch gewollt ist, daher braucht es politischen Druck dagegen! Die Entrechtung und tagtäglichen unmenschlichen Situationen sind keine Summe von Einzelschicksalen, sondern es sind strukturelle Ursachen, die zu dieser inhumanen Situation führen.

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https://no-lager.eu/

Protest gegen miese Arbeitsbedingungen in der Reinungsbranche

In Solothurn sind am 10. Juli rund 80 Demonstrant*innen gegen die Arbeitsbedingungen der Enzler Reinigungen AG auf die Strasse gegangen. Auch rassistische Strukturen manifestieren sich in der Reinigungsbranche.

Das multi-nationale Unternehmen Biogen Inc. unterhält an ihrem Standort in Luterbach, Solothurn, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Das wird anhand der Forderungen deutlich, welche die unter der Enzler Reinigungen AG angestellten Reiniger*innen in einer Resolution gemeinsam mit den Gewerkschaften FAU und IWW veröffentlichten. In dieser fordern sie unter anderem den Zugang zu den gleichen Toiletten, Wasserstellen und zur gleichen Cafeteria wie die übrigen Angestellten von Biogen. Zudem verlangen sie einen höheren Monatslohn und Zuschläge für Sonntagsarbeit. Auch der Arbeitsschutz soll auf mehreren Ebenen gewährleistet werden: Einerseits soll die 42-Stunden-Woche eingehalten und die Ruhezeiten verlängert werden. Zudem bedarf es eines längerfristigen Arbeitsplanes. Zurzeit müssen die Reiniger*innen auf Abruf bereit stehen, die Ruhezeiten zwischen den Schichten belaufen sich häufig auf nicht mehr als acht Stunden. Andererseits müssen die Reiniger*innen vor den Chemikalien geschützt werden, mit welchen sie aufgrund des Bedarfs nach Spezialreinigungen in der Biotechnologie-Branche in Kontakt kommen. Während des Einsatzes spezieller Reinigungsmittel kam es aufgrund nicht bereitgestellter Schutzausrüstung immer wieder zu Verätzungen von Haut und Atemwegen. In dem Aufruf zur Demo war auch von ‚Union Busting‘ die Rede: Nachdem sich ein Gewerkschaftsvertreter wegen eines homophoben Angriffs gegen einen Enzler-Arbeiter Ende Juni an die Medien gewandt hatte, wurde er unterdessen suspendiert. Die Enzler AG behauptet, sie setze sich „stets bedingungslos für die Einhaltung von GAV, Arbeitsgesetz und Arbeitssicherheit ein.“ Der mit der Unia-Gewerkschaft abgeschlossene Grundarbeitsvertrag (GAV) ist jedoch mangelhaft. Und die ersten Arbeiter*innen der Enzler AG wurden bereits vorgeladen und schriftlich verwarnt.
Das steht in krassem Widerspruch zu den Behauptungen, welche die Enzler AG aufstellt. Also solidarisieren wir uns mit den Arbeiter*innen der Enzler AG und allen prekarisierten Arbeiter*innen in der Reinigungsbranche!

https://daslamm.ch/reinigerinnen-bei-enzler-es-wird-sich-nichts-veraendern-ohne-streik/
https://www.telem1.ch/aktuell/arbeiter-zweiter-klasse-das-putzpersonal-der-luterbacher-firma-biogen-fuehlt-sich-benachteiligt-142876464
https://barrikade.info/article/4648
https://www.woz.ch/2128/arbeitskampf-in-luterbach/nur-acht-kleinere-unfaelle

Was steht an?
Summer at Sur*Tu Basel

18. Juli – 8. August I Freiburgerstrasse 36, Basel

Jeden Tag:
ab 16 Uhr – zusammen kochen
17 Uhr – Sport und Chillen
18:30 Uhr Abendessen
ab 20 Uhr – offenes Abendprogramm

Sommerfeste am 24. und 31. Juli.

https://www.facebook.com/AnDerLichtung/


Aktivistisches Camp zu Mehrsprachigkeit, Intersektionalität und Dolmetschen/-technik

24.-29.08.21 I Dijon, Frankreich und online
Selbstorganisiertes Camp mit Inhalten zu Fragen beim aktivistischen Dolmetschen, Dolmetschtechnik für Lautsprachen, Sprache und Macht, Zugänglichkeit von Veranstaltungen, Ethik beim Dolmetschen, intersektionale Kämpfe und vieles mehr! Alle wichtigen Informationen (Selbstorganisierung, Programm, Logistik & Hygienekonzept) in der Camp-Info Broschüre. Einige Workshops und die beiden politischen Diskussionen werden gestreamt oderfinden online statt.
https://files.netzguerilla.net/index.php/s/WmYBQb8tZPdAdDs

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Black Genocide
Racism in the world towards Black people has led to genocide against many indigenous populations. Examples include atrocities committed by Imperial Germany in Namibia and those by white police and lynch mobs against African Americans in the USA. Black genocide is characterised as the humiliation and mistreatment of Black people by both the Western and Arabic world based on historical prejudices, Transatlantic and Trans-Saharan slave trade.
https://www.mixcloud.com/latitudeonair/black-genocide/

EU border agency ‘has failed to protect asylum seekers’ rights’
Author of European parliament report says Frontex agency’s director should resign or be sackedhttps://www.theguardian.com/world/2021/jul/15/eu-border-agency-has-failed-to-protect-asylum-seekers-rights

Subkutan Talk: Frontex abschaffenFrontex ist die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache. Sie wird stark kritisiert, Menschenrechte zu verletzten. Illegales und gewaltsames Zurückdrängen von Menschen an den Grenzen (Push-Backs) und heimliche Treffen mit der Waffenlobby machten Schlagzeilen. Trotzdem soll Frontex rasant ausgebaut werden, 2027 erhält Frontex das 10fache des aktuellen Budgets: 5,6 Milliarden Euro, 10.000 eigene Grenzbeamte. Auch die Schweiz ist personell und finanziell beteiligt. Dagegen hat sich die Kampagne Abolish Frontex (dt.: Frontex Abschaffen) gegründet. Sie fordert u.a. ein Ende der Militarisierung von Grenzen, den sofortigen Stopp von Abschiebungen und der Überwachung von Menschen on the move, Bewegungsfreiheit für alle sowie eine Verantwortungsübernahme für die (neo-)koloniale Schuld der beteiligten Länder. Marta Krämer hat Moses Ferry von Abolish Frontex im Subkutan Talk zu den Forderungen sowie Visionen interviewt.
https://rabe.ch/2021/06/30/frontex-abschaffen/

Schwere Menschenrechtsverletzungen in Haftzentren für Geflüchtete
Männer, Frauen und Kinder, die bei der Überquerung des Mittelmeers aufgegriffen und unter Zwang in libysche Haftzentren zurückgebracht werden, sind dort schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Amnesty International legt neue Beweise vor, die die verheerenden Folgen der Zusammenarbeit Europas mit Libyen im Bereich der Migration verdeutlichen.
https://www.amnesty.ch/fr/pays/moyen-orient-afrique-du-nord/libye/docs/2021/libye-effroyables-violations-detention-role-honteux-europe-renvois-forces/210713_libye.pdf

Erfahrungsberichte von Arbeitsmigrantinnen aus SenegalEin Interview mit Fambaye Ndoye über die Wege von Frauen und ihre Erfahrungen mit Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeithttps://www.fes.de/themenportal-flucht-migration-integration/artikelseite-flucht-migration-integration/erfahrungsberichte-von-arbeitsmigrantinnen-aus-senegal

Flüchtlingsparlament
Vox Mundi hat über das Flüchtlingsparlament mit drei Gäste gesprochen:Roksan Kasem vorsitzende der Kommission AbgewieseneChian Delbar Teilnehmende an der Kommission MinimalstandardShishai Haile Vorsitzender der Kommission Bildung und der Kommission Gesundheithttps://rabe.ch/2021/07/07/fluechtlingsparlament-2/

Rassismus: Polizeibeamte als Teil eines Mobs und ein Auskunftsersuchen
Zwei Polizeihauptkommissare waren Teil der Gruppe, die am 12. Juni eine halbe Stunde lang einen Antifaschisten mit lettischer Staatsangehörigkeit durch den Stühlinger hetzte. Einer der beiden war ganz offenbar Hauptakteur der Hetzjagd. Mittlerweile räumt auch die Freiburger Polizei ein, dass dieser Polizeihauptkommissar „Ausländer raus“ schrie. Radio Dreyeckland war das erste Medium, das herausfand, dass nicht nur ein, sondern zwei hochrangige Freiburger Polizisten Teil der Gruppe waren. Wir sehen weiterhin großen Aufklärungsbedarf.https://rdl.de/beitrag/m-gliche-rassistische-strukturen-der-freiburger-polizei-beleuchten

Brutal und an der Waffe ausgebildetRecherche beleuchtet Neonazinetzwerk der »Hammerskins«. Scharfe Kritik an Sicherheitsbehörden
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1154438.hammerskins-brutal-und-an-der-waffe-ausgebildet.html
Rassistischer Anschlag in München – Eine Neue Art des Terrors
Am 22. Juli 2016 sind neun Menschen wegen eines rassistischen Terror-Anschlags in unserer Heimatstadt München ums Leben gekommen. Wir rekonstrieren, was an diesem Tag genau passiert ist und welche drastischen Folgen der Anschlag hatte. Außerdem lernen wie die Hinterbliebenen der Opfer besser kennen und erfahren ihre Geschichten.
https://www.funk.net/channel/kanackische-welle-12221/rassistischer-anschlag-in-muenchen-eine-neue-art-des-terrors-teil-1-1755120