Schweizer Sozialpolitik gegen Arme, griechische Mauern gegen Geflüchtete, italienische Hotline gegen Migration

Griechenland baut drei Meter hohe Betonmauern um Asylcamps – finanziert von der EU
Griechenland baut drei Meter hohe Betonmauern um Asylcamps – finanziert von der EU

Themen
  • Standbericht 2021 zeigt Mangel an Halteplätzen für Fahrende in der Schweiz
  • Schweizer Sozialpolitik: Im Kampf gegen die Armen, nicht die Armut
  • Neue Hotline zwischen Tunis und Rom zur besseren „Migrationskontrolle“
  • Griechenland zieht Mauern um Asylcamps hoch – die EU bezahlt
  • Studie zu Racial Profiling in Österreich belegt strukturellen Rassismus
  • Bleiberecht für Ibrahim – Petition eingereicht

 

Was ist neu?

 
Standbericht 2021 zeigt Mangel an Halteplätzen für Fahrende in der Schweiz

Mindestens 80 Halteplätze müssten geschaffen werden, doch in der Politik wird sich die Verantwortung gegenseitig zugeschoben. Und die rassistische Medienberichterstattung trägt ihren Teil dazu bei.

Im letzten Monat hat die „Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende“ den Standbericht 2021 herausgebracht: ‚Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz. Aktuelle Ausgangslage und künftiger Handlungsbedarf‘.
Seit dem Jahr 2000 bringt die Stiftung alle fünf Jahre einen Bericht heraus. Mit dem ernüchternden Ergebnis, dass sich in den letzten fünf Jahren fast nichts zum Wohle von Jenischen, Sinti*ze und Rom*nja in der Schweiz getan hat. Nach wie vor herrscht ein grosser Mangel an Halteplätzen.
Die Stiftung unterscheidet hierbei zwischen Standplätzen, welche feste Wohnsitze oder Winterquartiere für Schweizer Fahrende sind, sowie Durchgangsplätzen, welche vor allem über kürzere Zeiträume während der Reisezeit von Februar bis Oktober genutzt werden. Auch von Spontanhalten ist die Rede, welche für die fahrende Bevölkerung von hoher Bedeutung sind. Diese werden laut Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende zur Zeit erschwert bis fast verunmöglicht und sollten unbürokratischer und praktikabler gestaltet werden. Des Weiteren zählt die Stiftung Transitplätze auf, welche für ausländische Fahrende angedacht sind.
Die Unterscheidung von Schweizer und ausländischen Fahrenden zeigt, wie tief Nationalismus verwurzelt ist. Und wie die fahrende Lebensweise von Nationalgrenzen eingeschränkt wird. Die doppelte Diskriminierung, die hierbei entsteht, zeigen auch Umfragen des Bundesamts für Statistik, in welchen rund zwei Drittel der Befragten angaben, die Einrichtung von Stand- und Durchgangsplätzen für Schweizer Jenische und Sinti*ze zu befürworten, aber nur knapp die Hälfte die Einrichtung von Transitplätzen für ausländische Rom*nja. Das hat schwerwiegende Folgen: Diverse Gemeinden gaben an, dass sie den Zugang von ausländischen Fahrenden auf ihren Stand- und Durchgangsplätzen untersagt haben.
Dass durch die fehlenden Halteplätze ein enormer Konkurrenzdruck entsteht, der immer wieder zu Konflikten führt, wird im Standbericht benannt, bleibt aber in der Medienberichterstattung fast unerwähnt.
In der Schweiz leben Schätzungen zufolge 2’000 – 5’000 Fahrende, zu Reisezeiten deutlich mehr. Und der Bedarf an Halteplätzen ist nur zu 30 – 50 Prozent gedeckt. So fehlen mindestens 80 Stand-, Durchgangs- und Transitplätze.
Und das, obwohl europäisches und Schweizer Recht vorsehen, dass Jenische, Sinti*ze und Rom*nja sowohl eine schützenswerte nationale Minderheit sind, als auch die fahrende Lebensweise gewährleistet werden muss. So heisst es in dem Standbericht u.a.: „Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist das Leben im Wohnwagen ein zentrales Element der Identität der Fahrenden. Es besteht somit ein Recht auf die fahrende Lebensweise.“ Und auch das Schweizer Recht sieht z.B. einen Schutz vor kultureller Assimilation vor. Die Schweiz wurde von internationalen Menschenrechtsorganen immer wieder für die mangelhafte Umsetzung dieser Pflichten gerügt.
Dass Vorurteile ein grosses Problem bei der Schaffung von ausreichenden Halteplätzen sind, zeigt auch folgende Aussage aus dem Standbericht: „Die Ergebnisse aus den Gesprächen und Umfragen bei den kantonalen und kommunalen Behörden für den Standbericht weisen darauf hin, dass Vorurteile und die fehlende Akzeptanz der fahrenden Jenischen, Sinti und Roma ein grosses Hindernis bei der Planung von Halteplätzen sind.“
Und so ziehen sich auch durch die momentane Berichterstattung zum Standbericht 2021 rassistische Denkmuster. In einem Bericht des SRF beispielsweise wird Fahrenden selber keine Stimme gegeben. Es fallen tatsächlich Wörter wie ‚wild und illegal‘ und die Aussage, dass sich Fahrende ‚anständiger‘ benehmen sollten.
Die Plätze werden hauptsächlich als Last dargestellt und als Leidtragende der Situation nur die Gemeinden, Behörden und die Bevölkerung vor Ort. Eine äusserst einseitige Darstellung der Situation, von Vorurteilen durchzogen.
Simon Röthlisberger von der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende stellt angesichts dieser Aussagen berechtigterweise die Frage: „Welche Interessen werden hier höher gewichtet? Der Schutz einer nationalen Minderheit oder andere Interessen? Das Bauen von Wohnraum oder das Ansiedeln von Industrie?“
In der Praxis wird die Verantwortung zwischen den Ebenen Gemeinde, Kanton und Bund hin und her geschoben. Und eine weitere beliebte Strategie von Politiker*innen, die auf die fehlenden Halteplätze angesprochen werden, lautet Deflexion, nach dem Motto: „Wir können schliesslich nicht alleine die Verantwortung für alle übernehmen. Also machen wir lieber einfach gar nichts.“
Oder Hirt Kocher von der SP, der einmal mehr zeigt, wie rechts seine Partei ist und dass ihn politische und rechtliche Richtlinien zur Gewährleistung von der fahrenden Lebensweise in der Schweiz wenig interessieren: Er reichte eine Interpellation ein, bei der er forderte, die Polizei solle proaktiv gegen Fahrende vorgehen, mehr Wegweisungen erteilen und Bussen verteilen, sowie Strassensperren einrichten, um Fahrende an der Weiterfahrt zu hindern.

Fahrende beim Werkhof-Gelände in Biel im Sommer 2020
Fahrende beim Werkhof-Gelände in Biel im Sommer 2020
https://www.stiftung-fahrende.ch/admin/data/files/section_asset/file/179/standbericht-2021-halteplatze-fur-fahrende-jenische-sinti-und-roma-in-der-schweiz.pdf?lm=1621448008

Was geht ab beim Staat?

Schweizer Sozialpolitik: Im Kampf gegen die Armen, nicht die Armut
Das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland hat eine Beschwerde gutgeheissen, die die Kürzung der Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene durch den Berner Regierungsrat als unzulässig bezeichnet. Gleichzeitig verschärft sich der Druck auf Sozialhilfebezieher*innen, insbesondere jene ohne Schweizer Pass, stetig.
 
Die Kürzungsverfügung des Regierungsrates stammte aus der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion von Pierre Alain Schnegg (SVP). Diese setzte den Grundbedarf für eine fünfköpfige Familie von vorläufig aufgenommenen Personen von 2’364 auf 1’684 Franken herunter. Mit Unterstützung von Avenirsociale, dem Berufsverband für die soziale Arbeit, reichte die betroffene Familie Beschwerde ein. Diese wurde nun gutgeheissen: Der Regierungsrat müsse sich bei der Festlegung der Höhe der Sozialleistungen an gesetzliche Rahmenbedingungen halten – und diese Kürzung widerspreche dem im Sozialhilfegesetz verankerten Gleichbehandlungsverbot. Dieses Urteil betrifft einen Einzelfall, nichtsdestotrotz soll es wegweisend sein für vorläufig aufgenommene Personen, schreibt Avenirsociale.
Der Druck auf Sozialhilfebezieher*innen hat in den letzten Jahren stark zugenommen – die Schweiz befindet sich im Kampf gegen die Armen, nicht die Armut. Insbesondere die zunehmende Verknüpfung von Sozial- und Migrationspolitik ist dabei verheerend. Marianne Hochuli von der Caritas meint dazu: «Zwei politische Felder, die von der Sache her nichts miteinander zu tun haben, nämlich die Unterstützung von Bedürftigen und das Recht auf Aufenthalt in der Schweiz, werden seit Jahren rechtlich immer stärker miteinander in Verbindung gebracht.»
Während gegenüber Bürger*innen aus EU- und EFTA-Staaten nur wenige Einschränkungen möglich sind, liegt der Fokus umso mehr auf jenen, die von ausserhalb Europas kommen.Beispielhaft für diese Entwicklung ist das 2019 in Kraft getretene «Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG)». Dieses sieht vor, dass Menschen ohne Schweizer Pass, welche über längere Zeit finanzielle Unterstützung erhalten, ausgewiesen werden können, wie wir berichteten (antira.org/2020/04/06). Diese Menschen leben so in einem anhaltenden Zustand der Unsicherheit. Viele hält das Gesetz davon ab, Sozialhilfe zu beatragen, was sie noch weiter in die Armut treibt (antira.org/2021/05/17).
Die Auswirkungen dieser stetigen Verschärfungen zeigen sich auch in der Situation von vorläufig aufgenommenen Menschen. Im Kanton Zürich beispielsweise wurde 2017 einem Gesetz zugestimmt, welches vorläufig aufgenommenen Personen keine Sozialhilfe mehr zuspricht, sondern eine sogenannte Asylvorsorge. Diese liegt rund 30 Prozent unter den von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS vorgegebenen Empfehlungen.
271’400 Personen waren 2019 auf Sozialhilfe angewiesen. Rund 60’000 von ihnen stammen aus Drittstaaten und verfügen über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung. Weitere 40’000 Personen haben eine vorläufige Aufnahme erhalten. Der Druck auf dieses eine Prozent der Bevölkerung wurde in den letzten Jahren aber massiv erhöht. Währenddessen besitzt in der Schweiz das reichste Prozent der Menschen 40 Prozent des gesamten Vermögens.
 

https://www.derbund.ch/sozialhilfekuerzungen-fuer-vorlaeufig-aufgenommene-unzulaessig-328356658908
https://folio.nzz.ch/sites/default/files/wohlstandweltweit.pdf

Was ist aufgefallen?

Neue Hotline zwischen Tunis und Rom zur besseren „Migrationskontrolle“
Bei einem Besuch in Tunesien sagten Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese und die EU Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, der tunesischen Regierung Finanzhilfen zu. Im Gegenzug soll noch mehr getan werden, um Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten.
 
Zu den besprochenen Massnahmen gehört die Einrichtung einer „Hotline“, über die Informationen zu illegalisierten Ausreisen aus Tunesien an die italienischen Behörden weitergegeben werden. Die Finanzhilfen sollen die durch die Coronapandemie belastete Wirtschaft unterstützen und damit auch Arbeitsplätze und Perspektiven für junge Menschen im Land schaffen, sagte Johansson. Für gut qualifizierte Menschen sei man dann durchaus bereit, legale Einreise- und eben Arbeitsmöglichkeiten in Europa zu schaffen.
Das Abkommen wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Die NGO „Tunesisches Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte“ prangert an, dass Tunesien die Polizeiarbeit für Europa auf dem Mittelmeer mache – und dass ohne die Beachtung der Menschenrechte und eigener Interessen. Dazu gehören auch die massenhaften Zwangsabschiebungen aus Europa, für die die tunesischen Behörden zwischen August und Dezember 2020 51 nicht angemeldete Flüge mit 1.703 ankommenden Menschen abwickeln mussten. Das Land lasse sich unter Druck setzen und vernachlässige dabei die Bemühungen, die zur Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Stabilität im Land nötig wären. Und sie vernachlässige auch die Menschenrechte, zum Beispiel durch fehlende Rettungskapazitäten für Menschen auf der Flucht: „Was die koordinierte und beschleunigte tunesisch-italienische Zusammenarbeit bei der Überwachung und Prävention mit fortschrittlichen Technologien, die Geschwindigkeit bei der Identifizierung von Migrant*innen und die Zwangsrückführungen angeht, verschwindet diese Effizienz bei der Suche nach vermissten Personen und der Bereitstellung von Antworten für Dutzende von Müttern, die auf Antworten warten über das Schicksal ihrer Kinder.“
Tunesien macht sich mitverantwortlich für die tausenden Toten auf dem Mittelmeer.
Das EU-Parlament kritisiert vor allem die fehlende Transparenz informeller Abkommen der EU mit Nicht-EU-Staaten. Es stimmte mehrheitlich einem Bericht zu, dass die EU-Kommission und einige EU-Länder informelle Vereinbarungen zur Rückführung von Migrant*innen überstrapazierten. Diese Informalität mache die Inhalte intransparent und lasse keine demokratische Kontrolle zu. Der parlamentarische Lösungsansatz ist leider keine Richtungsänderung in der Migrationspolitik, sondern eine Formalisierung dieser Abkommen. So wolle man die Erfüllung menschenrechtlicher Verpflichtungen, eine bessere Überwachung sowie wirksame Kontrollmechanismen garantieren. Deutlich wird in dem Bericht auch, dass die EU keine Ahnung hat, wie viel Geld für die Externalisierung der Aussengrenzen tatsächlich in Nicht-EU-Länder fliesst.
Während nun munter weiter über Details einer schmutzigen Abschottungspolitik debattiert wird, lesen wir täglich die Berichte über gesunkenen Boote, ertrunkene Menschen, vermisste Personen, und diese, die es irgendwie geschafft haben, in Europa anzukommen – um nun in europäischen Lagern weiter auf eine Perspektive zu hoffen.
 
Griechenland zieht Mauern um Asylcamps hoch – die EU bezahlt

Mit Betonmauern und Drohnenüberwachung lässt die griechische Regierung Asylcamps immer mehr zu Gefängnissen werden. Und während die EU die Mauern mitfinanziert, agiert die Regierungspartei Nea Dimokratia immer autoritärer.

Um das Camp Ritsona bei Athen wurden bereits drei Meter hohe Betonmauern hochgezogen. Insgesamt 25 Asylcamps auf dem griechischen Festland sollen mit Mauern umgeben werden. Regierung und Sicherheitsbehörden sagen, dass die Mauern zum Schutz der Bewohner*innen dienen. Welch blanker Hohn. Denn geplant sind weitere Massnahmen wie die Luftüberwachung durch Drohnen, magnetische Tore mit integrierten Wärmebildkameras, Röntgengeräte und Sicherheitskameras an den Ein- und Ausgängen in insgesamt 39 Camps, berichtet aljazeera.com. Die Camps werden damit trotz offener Tore immer mehr zu Gefängnissen. Petra Molnar vom Refugee Law Lab think-tank sagt gegenüber aljazeera.com zu diesem gefährlichen globalen Trend, den industriellen Grenzkomplex durch invasive Überwachungstechnologien und physische Mauern zu stärken: «Autonome Technologien wie Drohnen schaffen auch ein Panoptikum der Überwachung, wobei sich das Migrationsmanagement zunehmend technologischen Lösungen zuwendet, statt humanen Antworten, die die Komplexität der Migrationsreisen von Menschen anerkennen.»
Damit führt die griechische Regierungspartei Neo Dimokratia ihren Feldzug gegen Migrant*innen ungeniert weiter fort. Die seit 2019 amtierende Regierung versuchte bereits, die offenen und provisorischen Geflüchtetencamps auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos durch geschlossene Einrichtungen zu ersetzen. Dort stiess sie aber auf den Widerstand der Inselbewohner*innen. Unter dem Slogan «Rettet unsere Inseln» bildete sich eine reaktionäre Protestbewegung, welche den Bau der geschlossenen Camps aktiv bekämpfte. Rechte Politiker*innen vertraten sogar die abstruse Meinung, dass die Bevölkerung mehr unter den Asylgefängnissen zu leiden habe, als die Migrant*innen selbst.
Finanziert werden die neuen Sicherheitsmassnahmen zu 75% vom Europäischen Fonds für innere Sicherheit. Alleine die Mauern kosten 28.4 Millionen Euro, welche zum grössten Teil von der Europäischen Kommission bezahlt werden. Anstatt sichere Fluchtwege zu schaffen und Geld in die medizinische und psychologische Betreuung von Geflüchteten in den Camps zu investieren, hilft die EU wieder einmal mit, Migrant*innen einzusperren. Wirklich überraschen kann dies allerdings nicht. Nach der Schliessung der türkisch-griechischen Grenze zu Beginn des letzten Jahres sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wörtlich: «Ich bedanke mich bei Griechenland dafür, dass es unser europäischer Schutzschild ist.»
Die neusten Massnahmen bei der Abschottung von Migrant*innen reihen sich in eine generelle autoritäre Entwicklung in Griechenland ein. Die Neo Dimokratia hat sich nicht nur geflüchtete Menschen, sondern alles, was nicht ihrer rechten Ideologie entspricht, auf die Feindesliste geschrieben (siehe dazu den lesenswerten Artikel jungle.world/artikel/2021/20/die-autoritaere-transformation). Es gilt wie so oft zu wiederholen, dass die reichen europäischen Staaten mit ihrer Austeritätspolitik und der Abgabe jeglicher Verantwortung im Migrationsbereich an die EU-Aussengrenzen diese Situation aktiv mitverursacht haben. Neben der Unterstützung und Stärkung von antiautoritären und antirassistischen Strukturen in Ländern wie Griechenland bedarf es darum weiterhin des Kampfes gegen die migrationsfeindliche Politik der EU und ihrer Verbündeten.

Die Tore einiger Camps werden am Abend geschlossen, so dass die Menschen das Camp nicht verlassen können.
Die Tore einiger Camps werden am Abend geschlossen, so dass die Menschen das Camp nicht verlassen können.

https://www.aljazeera.com/news/2021/5/25/concrete-walls-and-drones-greek-plans-for-refugee-camps-decried
https://jungle.world/artikel/2021/20/die-autoritaere-transformation

Studie zu Racial Profiling in Österreich belegt strukturellen Rassismus

Die EU-Grundrechteagentur (FRA) hat in Österreich eine Studie zu Racial Profiling gemacht. Dabei wurde festgestellt, dass die Rate von Racial Profiling in Österreich vergleichsweise hoch ist. 

Die Anzahl an Personenkontrollen im Allgemeinen und an Personenkontrollen aufgrund von rassistischen Vorurteilen unterscheidet sich immens. Im Jahr 2019 hat die EU-Grundrechteagentur eine zwölfmonatige Studie zu Racial Profilig gemacht und die Ergebnisse nun veröffentlicht. Rund 25% der Befragten gaben an, im Jahr 2019 von der Polizei angehalten worden zu sein. In der EU weisen nur Estland (24%) und Irland (21%) ähnlich hohe Raten auf.
Von diesen 25% waren 49% BIPoC (Black Indigeneous and People of Color). Das ist eine starke Abweichung von der Repräsentation von BIPoC in der österreichischen Bevölkerung, weshalb es naheliegend ist, dass sie hauptsächlich aufgrund von rassistischen Zuschreibungen kontrolliert wurden. Die Personen werden vor allem angehalten, wenn sie zu Fuss unterwegs sind und der Anteil der kontrollierten Männer* ist höher als der der Frauen*. 76% der Befragten gaben an, dass sie während der Kontrolle oder Durchsuchung ‚respektvoll‘ von der Polizei behandelt worden sind. Was auch immer das im Zusammenhang mit einer Personenkontrolle bedeuten soll – insbesondere dann, wenn die Kontrolle auf rassistischen Zuschreibungen und der Unterstellung von Straftaten beruht, was per se respektlos ist.
Dass eine solche Studie überhaupt durchgeführt wurde, ist sehr erstaunlich. Viele Länder weigern sich, Studien zu strukturellem Rassismus in der Polizei und vor allem spezifisch zu Racial Profiling zu machen. Lieber leugnen sie dessen Existenz. In Österreich wurde hiermit also ein erster Schritt gemacht. Leider ist es mit einer Studie allein aber nicht getan. Sie hat lediglich bewiesen, dass Polizeibeamt*innen in Österreich, genau wie Polizeibeamt*innen im Rest Europas, Menschen diskriminieren und sie aufgrund rassistischer Vorurteile überdurchschnittlich oft kontrollieren. Nun haben sie die Verantwortung, diese Strukturen zu verändern.

https://www.derstandard.at/story/2000126886206/studie-polizei-in-oesterreich-haelt-schwarze-ueberproportional-oft-an

Wo gabs Widerstand?

Bleiberecht für Ibrahim – Petition eingereicht

Die Petition „Ich möchte hier bleiben!“ von Ibrahim A. ist beendet. Über 1200 Unterschriften sind zusammengekommen.  Am vergangenen Dienstag kochte Ibrahim und Freund*innen im Kocherpark für die Unterstützenden und am Mittwoch überreichte er die Petition persönlich an die Baselbieter Regierung und das Migrationsamt. Die Petition ist Ibrahims letzte Chance, den SEM-Entscheid juristisch anzufechten. Die Behörden müssen diese nun behandeln und Ibrahim in den nächsten Wochen den definitiven Entscheid mitteilen.

Ibrahim mit seinen Unterstützer*innen im St. Johanns-Park in Basel
Ibrahim mit seinen Unterstützer*innen im St. Johanns-Park in Basel.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Queere Geflüchtete in der Schweiz
Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit vier bis sechs Prozent aller Asylgesuche aufgrund der sexuellen Orientierung und / oder der Geschlechtsidentität gestellt werden. Das Schweizer Asylsystem ist jedoch kaum für Menschen ausgelegt, die der LGBTIQ-Community angehören. Denn Queersein alleine gilt in der Schweiz nicht als Asylgrund, auch wenn die Gesetze und der gesellschaftliche Diskurs im Herkunftsland der asylsuchenden Person homo- oder transphob sind. Asylsuchende müssen nämlich in ihrem Verfahren beweisen können, dass sie persönlich in ihrer Heimat angegangen wurden.
https://rabe.ch/2021/05/25/queere-gefluechtete-in-der-schwei/
 
George Floyd nach helvetischer Art
Mike Ben Peter stirbt in Lausanne, nachdem sechs Polizisten minutenlang auf ihn knien. Drei Jahre später ist der Fall noch immer ungeklärt. Warum in der Schweiz der Schwarze Mann Angst hat vor der Polizei. «Reise in Schwarz-Weiss», Folge 1.
https://www.republik.ch/2021/05/25/george-floyd-nach-schweizer-art
 
Remo Gysin, Jacques Picard: «Das Erinnern weist in die Gegenwart»
Das Schicksal von hunderten von Schweiz Opfern des Nationalsozialismus soll nicht vergessen gehen. Organisationen fordern nun vom Bundesrat ein Memorial. Der Historiker Jacques Picard und der Präsident der Auslandschweizer-Organisation Remo Gysin sind Gäste im Tagesgespräch.
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/remo-gysin-jacques-picard-das-erinnern-weist-in-die-gegenwart?id=11990765
 
Frankreich: Verbote und Wahlkampf
In Frankreich wurden im Jahr 2020 die „Grauen Wölfe“ („Loups Gris“) und die „Identitären Bewegung“ („génération identitaire“) verboten.
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/frankreich-verbote-und-wahlkampf
 
Spaces of Detention at the Greek-Turkish Land Border
Blog der Uni Oxford zu „Border Criminologies“
https://www.law.ox.ac.uk/research-subject-groups/centre-criminology/centreborder-criminologies/blog/2021/05/spaces-detention