Medienspiegel 31. Mai 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SOLOTHURN
Nach Negativschlagzeilen durch renitente Asylsuchende: «Wir hatten das Problem nicht im Griff»
Die Gemeindeversammlung von Deitingen nahm Kenntnis von der Rechnung und vom ruhigeren Betrieb im nahen Bundesasylzentrum.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/lebern-bucheggberg-wasseramt/deitingen-nach-negativschlagzeilen-durch-renitente-asylsuchende-wir-hatten-das-problem-nicht-im-griff-ld.2144362


+++SCHWEDEN
Schwedens Asylpolitik: Junge Migranten, eine ungenutzte Ressource
Schweden hat seine Asylpolitik seit 2015 stetig verschärft. Vor allem für junge Geflüchtete sind die Auswirkungen dramatisch: Selbst wenn sie mittlerweile fließend Schwedisch sprechen und kurz vor dem Abitur stehen, droht ihnen die Abschiebung, sofern sie innerhalb von sechs Monaten keine Arbeit finden. So sind diese Jugendlichen einem unerträglichen Druck ausgesetzt, denn die Jugendarbeitslosigkeit in Schweden liegt durch die Corona-Pandemie bei 24 Prozent.
https://www.arte.tv/de/videos/104099-000-A/schwedens-asylpolitik-junge-migranten-eine-ungenutzte-ressource/


+++GASSE
Ist betteln ein Menschenrecht?
Seit das Bettelverbot in Basel aufgehoben wurde, kommen viele Menschen aus Osteuropa in die Stadt, um zu betteln. Nun steht eine weitgehende Einschränkung des Bettelns zur Diskussion. Doch darf man Menschen in Not verbieten, um Hilfe zu bitten? Eine Frage, die nicht nur Basel betrifft.
https://www.srf.ch/audio/kontext/ist-betteln-ein-menschenrecht?id=11991332



(…)

Wie es zum Projekt «Agora» kam

Erstmals mit der Einführung der erweiterten Personenfreizügigkeit mit der EU ab dem Jahr 2002 stellte Alexander Ott, Leiter der Fremdenpolizei, in der Stadt Bern eine Zunahme von ausländischen Bettlergruppen fest. «Es waren unter anderem viele allein reisende Minderjährige, die bettelten. Wir mussten aktiv werden», sagt er. Otts Abteilung lancierte daraufhin eine aufwendige Überwachung der Bettelnden. Zudem versuchte er, mit Betroffenen in Kontakt zu treten. Er sagt: «Wir brauchten viel Zeit und Durchhaltewillen, um das System der Bettler zu verstehen.» So gibt es etwa die Bettler auf der Strasse sowie die sogenannten Läufer, welche das Geld dann an sich nehmen.

«Hinter vielen Bettlern aus Osteuropa entdecken wir ausbeuterische Strukturen», sagt Ott. Im Jahr 2008 wurde darum das Projekt «Agora» ins Leben gerufen. Die Berner Fremdenpolizei weitete die Kontrollen aus und befragte die angehaltenen ausländischen Bettler hinsichtlich möglicher Ausbeutungen. «Wir verfolgen eine Doppelstrategie, welche sowohl den Opferschutz als auch die Täterverfolgung beinhaltet», sagt Ott.

Dazu gehörte die Vernetzung mit Partnerorganisationen und Behörden wie dem Staatssekretariat für Migration oder dem Bundesamt für Polizei. Zudem tauschte Ott sich mit Experten in anderen Ländern aus, etwa in Österreich, aber auch mit den Auslandsvertretungen der Herkunftsländer, um die Täter zurückzuführen.

Diese koordinierte Vorgehensweise habe dazu geführt, dass die Bundeshauptstadt bei den organisierten Banden immer unattraktiver geworden sei. So habe die Anzahl Bettler aus Osteuropa stetig abgenommen. In der Stadt Bern ist Betteln zwar nicht verboten, doch verfügt jemand nicht über eine Aufenthaltsbewilligung, so wird er oder sie ins Herkunftsland zurückgeführt. (rag)
(https://www.bernerzeitung.ch/wie-elena-l-sich-aus-einem-bettlerclan-befreien-konnte-868125122373)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
-> https://www.20min.ch/story/16-berner-hausbesetzern-wird-der-prozess-gemacht-211924083295
-> https://twitter.com/ag_bern
-> https://twitter.com/AntifaZH161/status/1399304370580246528
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/292187416-berner-hausbesetzer-und-krawallmacher-vor-gericht
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/solidaritats-aktion-vor-prozess-gegen-berner-hausbesetzer-65936233
-> https://www.20min.ch/story/wir-haben-situationen-erlebt-in-denen-einem-nicht-mehr-wohl-ist-481777265380
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/prozessauftakt-gegen-effy29-hausbesetzer-aus-solidaritaet-besetzt-das-kollektiv-mamat-ein-haus-in-der-matte-142175736
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/prozess-gegen-16-hausbesetzer-in-bern?urn=urn:srf:video:8eed663d-80af-445b-8ddf-6348b4f2e94f



derbund.ch 31.05.2021

Hausbesetzung «Effy 29»: Zu Prozessbeginn reden verletzte Polizisten

Die angeklagten Berner Hausbesetzer verhalten sich im Gerichtssaal ruhig, doch ihre Unterstützer draussen machen mit Aktionen von sich reden.

Markus Dütschler

Lange war unsicher, ob die Mitglieder des Hausbesetzerkollektivs am Prozess am Regionalgericht Bern-Mittelland teilnehmen würden. Verpflichtet dazu sind sie nämlich einzig für die Phase, in der sie selber befragt werden – und beim Urteil. Dieses wird aber erst am 17. Juni verkündet.

Doch sie waren da, zusammen mit ihren Anwälten. Es brauchte darum den altehrwürdigen Assisensaal im Berner Amthaus, um den 50 Personen Corona-konform Platz zu bieten. Vorgeworfen wird den Beschuldigten Hausfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte.

Zu Verhandlungsbeginn am Montag kamen die Beschuldigten noch nicht zu Wort. Doch eine friedliche Gipfeli-Ess-Demonstration von Unterstützern in der Nähe des Gerichtsgebäudes sollte das Augenmerk auf das Gerichtsverfahren richten. Denn nach Überzeugung der Beschuldigten und der Besetzerszene ist dieses eine politische Abrechnung. Ein Zurückschlagen des Repressionsapparats gegen kreative Menschen, die sich im leer stehenden Gebäude an der Effingerstrasse 29 im Berner Monbijouquartier vorübergehend ein Stück Freiraum genommen hatten.

Ihren «Kampf» verdeutlichte die Szene, indem rund ums Wochenende leer stehende Liegenschaften im Raum Bern und ein leeres Haus in der Matte kurzzeitig besetzt wurden – stets mit Hinweis auf das Gerichtsverfahren.

Gewaltsamer «Widerstand»

Die Gruppe Oh du Fröhliche war am 6. Dezember 2016 in die Liegenschaft eingedrungen, die dem Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) gehört. Eine legale Zwischennutzung kam aber nicht zustande. Das BBL drang schliesslich mit einem Räumungsbegehren vor Gericht durch.

Am 22. Februar 2017 setzte die Polizei dem Treiben von «Effy 29» ein Ende. Das Kollektiv hatte sich auf diesen Tag vorbereitet, indem es sich verbarrikadierte, um ein Eindringen von Polizeikräften zu verhindern. Zudem sahen sich die Beamten während des Einsatzes mit einem Hagel von Feuerwerk, Farbkübeln, Ziegelsteinen und weiteren Gegenständen konfrontiert. Sogar eine Tür wurde auf sie heruntergeworfen. Mehrere Beamte wurden dabei verletzt.

Am Montag schilderten drei Polizisten und ein Feuerwehrmann vor Gericht jene dramatischen Stunden. «So etwas habe ich in 38 Berufsjahren nicht erlebt», sagte ein Feuerwehrmann. Ähnlich äusserten sich die drei Polizisten.

Wegen der Feuerwerkskörper erlitten zwei Polizisten und der Feuerwehrmann einen Tinnitus. Dieser ständige Ton im Kopf sei störend, behindere einen bei Gesprächen oder beim Einschlafen. Auf Heilung könnten sie nicht hoffen, sagten sie.

Im Verhör der Anwälte

Die Pflichtverteidiger bekamen Gelegenheit, die Beamten zu befragen, die sich im Kielwasser der Staatsanwaltschaft als Privatkläger konstituiert haben. Zeitweise schien es, als sässen Polizei und Feuerwehr auf der Anklagebank.

Gefragt wurde nach der Art des Reizstoffs und Gummischrots. Wo, wann und wie diese Mittel verschossen worden seien. Und ob es keinen Dialogversuch oder ein letztes Ultimatum gegeben habe. Man ahnte, dass die Anwältinnen und Anwälte nach einem Fehler suchen, einem unsachgemässen Vorgehen oder einer Widerhandlung gegen ein Dienstreglement.

Manche Fragen waren nicht auf der Flughöhe eines Polizisten, der einen Einsatzbefehl bekommt und diesen ausführt. Die Befragten sagten darum mehrfach, spezifische Informationen müssten sich die Anwälte beim Kommando besorgen. Darauf wurden manche der 16 Advokaten ungehalten. Not amused war auch Einzelrichterin Bettina Bochsler, die das komplexe Verfahren mit eiserner Hand zusammenhielt. Als ein Polizist erst nach dringlicher Nachfrage einräumte, er wisse dieses Detail nicht, rief Bochsler entnervt aus: «Dann sagen Sie das doch, Heimatstärne.»

Die Beamten sind demnach zur Aussage verpflichtet, dürften aber sagen, wenn sie etwas nicht wissen oder sich nicht mehr erinnern können. Immerhin liegen die Ereignisse über vier Jahre zurück.

Am Dienstag kommen die Ersten aus der Gruppe der Beschuldigten zu Wort. Ob sie reden werden, ist ungewiss. Offenbar hatten sie sich im Ermittlungsverfahren kaum vernehmen lassen.
(https://www.derbund.ch/zu-prozessbeginn-reden-verletzte-polizisten-211559382659)




bernerzeitung.ch 31.05.2021

16 Hausbesetzer vor Gericht: Verteidigung löchert Polizisten mit Fragen zur Räumung

Die Räumung eines besetzten Hauses an der Effingerstrasse eskalierte vor gut vier Jahren. Zu Prozessbeginn nahm die Verteidigung drei Polizisten in die Mangel.

Hans Ulrich Schaad

Knapp 100 Fläschchen Mineralwasser standen vor dem Assisensaal für alle Beteiligten bereit. Mit oder ohne Kohlensäure. Diese Getränke könnten auch sinnbildlich für den Prozessauftakt zur Hausräumung an der Effingerstrasse im Februar 2017 stehen. Ein stilles Wasser für den Vormittag, der geprägt war von Verfahrensfragen und Pausen. Am Nachmittag dafür ein Mineralwasser mit umso mehr Kohlensäure, das bisweilen zu überschäumen drohte.

Vier Frauen und zwölf Männer müssen sich seit Montag vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten. Sie hatten als linksautonomes Kollektiv «Oh du Fröhliche» vor gut vier Jahren die Liegenschaft an der Effingerstrasse 29 besetzt und sich gewaltsam gegen die Räumung durch die Polizei gewehrt. Den Beschuldigten wird Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamten sowie Hausfriedensbruch vorgeworfen.

Vier Besetzer sollen bis zu ein Jahr ins Gefängnis

Weil die Staatsanwaltschaft auf eine Teilnahme am Prozess verzichtet, hat sie die Strafanträge in der Anklageschrift formuliert. Bei sieben Beschuldigten fordert sie bedingte Geldstrafen von 180 Tagessätzen, in einem Fall nur 175 Tagessätze. Neun Personen sollen unbedingte Strafen erhalten. Fünfmal eine Geldstrafe zwischen 230 und 270 Tagessätzen. Vier Männer sollen ins Gefängnis, die Dauer variiert zwischen neuneinhalb und zwölf Monaten.

Nach dem ereignislosen Morgen nahm die Verhandlung am Nachmittag Fahrt auf. Auf dem Programm stand die Befragung der vier Privatkläger: drei Polizisten und ein Berufsfeuerwehrmann. Sie wurden beim Einsatz verletzt, drei von ihnen erlitten einen Tinnitus, nachdem Böller in ihrer unmittelbaren Nähe explodiert waren. Sie leiden noch unter den Folgen, haben ein konstantes Pfeifen im Ohr.

Massiver Widerstand kam sofort

Die Privatkläger schilderten unisono, wie gewaltbereit die Besetzerinnen und Besetzer auf die Räumung reagiert hatten. Kaum waren sie ins Treppenhaus, das verbarrikadiert war, eingedrungen, wurden sie mit allerlei Gegenständen beworfen, Feuerwerk flog in ihre Richtung. Auch aus den Fenstern flogen zahlreiche Gegenstände in Richtung der Einsatzkräfte.

«Dieser massive Widerstand war nicht erwartet worden», sagte einer der Polizisten. «Der Einsatz bleibt in Erinnerung. Er war gefährlich.» Der mittlerweile pensionierte Feuerwehrmann erklärte, eine solche Gewaltbereitschaft habe er in seinen 38 Berufsjahren sonst nie erlebt.

Polizeieinsatz wird hinterfragt

Die Verteidigerinnen und Verteidiger nahmen vor allem zwei Polizisten regelrecht in die Mangel. Man hätte bisweilen meinen können, dass die Polizisten auf der Anklagebank sitzen. Eine wichtige Frage drehte sich um die Einsatzdoktrin generell bei Hausräumungen. Ob die Polizei den Dialog mit dem Besetzerkollektiv gesucht habe. Ein Gespräch sei gar nicht möglich gewesen, sagte einer der Polizisten. Schon beim Betreten des Hauses seien sie massiv bedrängt worden. Ob es vor dem Einsatzbefehl Gespräche gegeben habe, konnte er nicht sagen.

Als es um Fragen zur polizeilichen Taktik, den genauen Befehl oder die Namen der Verantwortlichen des Einsatzes ging, versuchte besonders ein Polizist immer wieder auszuweichen. Doch die Gerichtspräsidentin wies ihn mit überaus deutlichen Worten darauf hin, dass er Aussagen machen müsse. Was er dann auch tat, wenn auch nicht viel sagend.

Ein dritter Themenkomplex, auf den die Verteidigung immer wieder zurückkam, waren die Einsatzmittel der Polizei. War das Ganze verhältnismässig? Wann, wo und von wem wurde Gummischrot abgefeuert, wann und wo setzten die Polizistinnen und Polizisten Reizstoffe ein? Dabei ging es auch um technische Angaben zum Mehrzweckwerfer. Die Polizisten konnten dazu nur Aussagen zu sich und ihrer Gruppe machen, jedoch nicht allgemein. Eine Aufstellung in den Akten listet aber detailliert auf, welche Mittel die Polizei eingesetzt hat. Vor allem Gummischrot und Reizstoffe.

Der Prozess geht am Dienstag weiter mit der Befragung der Beschuldigten. Spannend wird sein, ob die sechzehn Männer und Frauen Aussagen machen werden. Vor der Staatsanwaltschaft haben praktisch alle ihre Aussage verweigert.

Das Urteil soll am 17. Juni eröffnet werden.



Ein kostspieliger Prozess

Die Gerichtsverhandlung gegen das Kollektiv «Oh du Fröhliche» ist mit 16 Beschuldigten und 4 Privatklägern ein Prozess, wie ihn Bern noch kaum je gesehen hat. Und sie ist ein teurer Prozess. Alle Beschuldigten und die Privatkläger sind mit einem eigenen Anwalt erschienen. Gut 50 Personen nahmen am Montagmorgen im grossen Assisensaal des Berner Amthauses Platz.

Bei einem Stundenansatz von 200 Franken für amtliche Verteidigerinnen und Verteidiger läppert sich über die Tage eine ansehnliche Summe zusammen. Sind alle Anwälte anwesend, belaufen sich allein deren Honorare auf mindestens 4000 Franken in der Stunde. Obwohl in den kommenden Tagen nicht immer alle anwesend sein werden, kommt bis zum Schluss allein für die Gerichtsverhandlung mindestens ein tiefer sechsstelliger Betrag für Anwaltshonorare zusammen. Dagegen wirken die Untersuchungskosten von 22’800 Franken geradezu bescheiden. Bei einer Verurteilung müssen die Beschuldigten diese Kosten tragen, bei Freisprüchen der Kanton Bern. (hus)
(https://www.bernerzeitung.ch/verteidigung-loechert-polizisten-mit-fragen-zur-raeumung-242264485750)



bernerzeitung.ch 31.05.2021

Hausbesetzer vor Gericht: Anklage fordert Geld- und Freiheitsstrafen

Seit Montagmorgen läuft in Bern die Gerichtsverhandlung gegen 16 Personen, die 2017 ein Haus an der Effingerstrasse in Bern besetzt hatten.

Jürg Spori, Martin Bürki, Michael Bucher

12:50 Uhr
Langwierige Gerichtsverhandlung

Einzelrichterin Bettina Bochsler nahm die Gerichtsverhandlung vor vollen Rängen im geräumigen Assisensaal auf. Administratives nahm einen Gutteil des Vormittags in Beschlag, denn Termine von Anwälten, Klägern und Angeschuldigten wollten mit dem Verhandlungsplan des Gerichts in Einklang gebracht werden.

Vor der Mittagspause traten zwei Polizisten als Zeugen der Geschehnisse auf. Ihre Befragung trug aber nichts Wesentliches mehr zum Sachverhalt bei. Beide bestätigten im Grundsatz das, was sie seinerzeit in ihren Rapporten vermerkt hatten.

Der Prozess ist auf rund drei Wochen angesetzt. Das Urteil wird am 17. Juni fallen. Offen ist, ob sich die Angeklagten zu den ihnen gemachten Vorwürfen äussern werden. Von ihnen kam am Montagvormittag noch niemand zu Wort. (SDA)

09:55 Uhr
Anklageschrift

Die Besetzerinnen und Besetzer der Liegenschaft an der Berner Effingerstrasse wollten mit ihrer Aktion mehr Freiräume in der Stadt schaffen. Gegen das Eindringen der Polizei bei der Räumung des Hauses setzten sie sich laut Anklageschrift heftig zur Wehr.

Als die Polizei um 7.50 Uhr die Liegenschaft betreten wollte, warfen die Mitglieder des Besetzerkollektivs Ziegelsteine, Farbbeutel, Kehrichteimer und Geschirr gegen die anrückende Polizei. Das Treppenhaus war verbarrikadiert. Teilweise waren die Metallbarrikaden mit dem Treppengeländer verschweisst.

Die Einsatzkräfte wurden mit Farbe, Schaum- und Staubfeuerlöschern besprüht. Die Besetzerinnen und Besetzer zielten auch mit Feuerwerkskörpern laut Anklage gezielt gegen die Einsatzkräfte. Eine Rakete traf des Glas der Schutzmaske eines Polizisten auf Augenhöhe.

Eine weitere Feuerwerksbatterien explodierten unmittelbar vor zwei weiteren Polizisten. Aus dem vierten oder 5. Obergeschoss warfen Besetzende derweil unter anderem eine Zimmertüre aus Holz nach draussen, die nur wenige Meter neben einer Gruppe Polizisten zerbarst. Die Polizei ihrerseits setzte unter anderem Gummischrot ein.

Die Anklage verlangt für die 16 Angeschuldigten teilweise bedingte Geldstrafen zwischen 175 und 270 Tagessätzen. In einigen Fällen werden Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr gefordert. Zu Prozessbeginn am Montagmorgen ging es vor dem Berner Regionalgericht zunächst um Verfahrensfragen. (SDA)

09:05 Uhr
Der Prozess kann beginnen

Gegen 9 Uhr befinden sich alle Angeklagten im Innern des Amthauses, die Gerichtsverhandlung kann beginnen. Die Gruppe auf dem Kleeplatz ist auf noch etwa ein Dutzend Personen geschrumpft. Auch die Zahl der Polizisten, die den Eingang des Amthauses bewachen, nimmt ab.

08:45 Uhr
Situation am Morgen

Während die Polizei schon am Montagmorgen beim Amthaus verstärkt Stellung bezieht, um mögliche Störenfriede abzuschrecken, versammeln sich rund 60 Sympathisantinnen und Sympathisanten der Berner Hausbesetzerszene am Kleeplatz, unweit entfernt vom Eingang des Amthauses. An einem «Morgentisch» verteilen sie Kaffee, die Anwälte beraten sich mit ihren Klientinnen und Klienten. Vereinzelt wurden Knallpetarden gezündet, vereinzelt sind Transparente aufgehängt worden.

Der Prozess

Nach über vier Jahren beginnt am heutigen Montag am Regionalgericht Bern-Mittelland der Prozess gegen die «Effi 29»-Leute. 16 Personen sind angeklagt. Gegen zwei Beschuldigte wurde laut Gericht das Verfahren wegen unbekannten Aufenthalts sistiert, eine weitere Person ist mittlerweile verstorben.

Unmittelbar nach der Räumung hatte die Staatsanwaltschaft noch wegen Gefährdung des Lebens und Landfriedensbruchs ermittelt. Doch diese Vorwürfe liessen sich offenbar nicht erhärten beziehungsweise einzelnen Beschuldigten zuordnen. So sind die 16 Personen «nur» wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte und Hausfriedensbruch angeklagt.

Was die Grösse angeht, ist es ein beispielloses Verfahren. Noch nie gab es in einem Prozess so viele Beschuldigte wegen Gewalt gegen Polizisten. Nebst den Einvernahmen der Besetzer, die laut Gerichtsschreiber alle einen eigenen Anwalt haben, werden auch drei Polizisten und ein Mitglied der Feuerwehr als Privatkläger aussagen. Erst nach über zwei Wochen, am 17. Juni, werden die Urteile gefällt. (mib)

Proteste angekündigt

Für die Zeit während des Prozesses kündigt die Anarchistische Gruppe Bern «Aktionen in der ganzen Stadt» an. So ruft sie etwa zu einer Art Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude am Morgen des ersten Prozesstages auf sowie zu einer Solidaritätskundgebung am nächsten Donnerstagabend. Sie spricht von einem «politischen Prozess», bei dem an den 16 Beschuldigten ein «Exempel von oben» statuiert werden soll.

Bereits die Räumung im 2017 hatte heftige Proteste zur Folge. Gleich drei Kundgebungen fanden in den Folgetagen statt. Bei jener am Abend nach der Räumung kam es zu massiven Sachbeschädigungen – allen voran in der Länggasse. Der Schaden betrug mehrere Zehntausend Franken. (mib)

Was geschehen war

Am Morgen des 22. Februar 2017 fuhr die Kantonspolizei bei der Effingerstrasse 29 auf, um ein besetztes Gebäude zu räumen. Ein Kollektiv namens «Oh du Fröhliche» hatte rund drei Monate zuvor die leer stehende Liegenschaft gegenüber dem Kocherpark in Beschlag genommen. Die Eigentümerin, das Bundesamt für Bauten und Logistik, verlangte die Räumung.

Normalerweise sind bei einer Räumung kaum mehr Besetzerinnen und Besetzer vor Ort. Nicht so dieses Mal. Es befanden sich nicht nur etliche Leute im Gebäude, auch bescherten sie den Polizisten einen ungemütlichen Empfang. Die Besetzer warfen mit Feuerwerkskörpern und Mobiliar nach den Polizisten. Diese antworteten mit Gummischrot. Laut Polizei waren im Treppenhaus mehrere Barrikaden errichtet worden, gar von «Sprengfallen» war die Rede.

Die Polizei wurde sichtlich überrascht von der massiven Gegenwehr. Rund acht Stunden dauerte die «Strassenschlacht». Beeinträchtigt wurde der Polizeieinsatz auch, weil immer mehr Sympathisanten der Besetzer den Schauplatz aufsuchten und ihren Protest kundtaten. Die Protestgruppe schwoll zeitweise auf 50 Personen an, die Polizei fuhr zur Abschreckung sogar mit einem Wasserwerfer auf.

19 Personen wurden bei der Räumung festgenommen. Laut Polizei waren zwei Drittel von ihnen vorbestraft, eine Person gar polizeilich ausgeschrieben. Ihnen allen wurde eine DNA-Probe entnommen. (mib)
(https://www.bernerzeitung.ch/viel-polizei-rund-um-das-berner-amthaus-378970075932)



derbund.ch 31.05.2021

Hausbesetzende vor Gericht: Ein Prozess auf unsicheren Füssen

Der Prozess zur Effingerstrasse-Besetzung von 2017 hat begonnen. Zuvor haben Unterstützende der Angeklagten beim Gerichtsgebäude demonstriert.

Markus Dütschler, Sarah Buser, Calum MacKenzie

Gesittet und in aller Ruhe hat am Montag in Bern der Prozess gegen 16 Personen begonnen, die sich als Hausbesetzerkollektiv gewaltsam der polizeilichen Räumung der Liegenschaft an der Effingerstrasse 29 in Bern widersetzt hatten. Damit hatten nicht alle gerechnet.

Kurz vor Prozessbeginn hatten etwa 50 Demonstrierende bei der Busstation am Bollwerk aus Protest gegen den aus ihrer Sicht politischen Prozess Gipfeli verspeist, beobachtet von einigen Polizistinnen und Polizisten. Unter ihnen waren auch die Angeklagten und ihre Anwältinnen und Anwälte. Als sich diese auf den Weg zum Gericht machten, applaudierte die Menge. Die Uniformierten kontrollierten ausserdem nach einer Namensliste genauestens den Zutritt zum Gebäude.

Der Prozess ruft auch weitere Protestaktionen hervor: Am Wochenende und am Montag sind im Raum Bern mehrere Gebäude besetzt worden. In den Augen der Aktivistengruppen hinter den Besetzungen steht der Effingerstrasse-Prozess für ein Trend der letzten Jahre: Freiräume seien rarer, Mieten höher und behördliches Vorgehen gegen Besetzende strikter geworden.

16 Beschuldigte

Den Mitgliedern des Kollektivs mit dem Eigennamen «Oh du Fröhliche» wirft die Staatsanwaltschaft Hausfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte anlässlich der Räumung vom 22. Februar 2017 vor. Die Besetzergruppe hatte unter anderem Feuerwerkskörper gegen die anrückende Polizei verschossen.

Da die mögliche Strafhöhe im Falle eines Schuldspruchs eine gewisse Grenze nicht überschreitet, wird ein solcher Fall einzelrichterlich und nicht von einem Dreier- oder Fünfergremium beurteilt. Solche Prozesse finden im Amthaus üblicherweise in einem Audienzlokal statt, in dem etwa ein Dutzend Personen Platz finden.
Dieses Verfahren findet jedoch im majestätisch anmutenden Assisensaal statt. Zum einen gilt es die Corona-Abstände einzuhalten. Zum anderen wird jeder der 16 Beschuldigten von einem Anwalt vertreten. Als Einzelrichterin Bettina Bochsler zu Beginn die formelle Routinefrage stellte, ob es Vorfragen gebe, frass dies glatt eine Stunde.

Es ist bei Gerichtsverfahren stets ein «Meccano», alle Termine der Beteiligten zu koordinieren. Zu Beginn sagte eine Rechtsvertreterin, sie habe an einem bestimmten Verhandlungstag einen nicht verschiebbaren Impftermin, weshalb sie um eine Planänderung bitte. Andere erkundigten sich, ob ihr Mandant vielleicht schon am Morgen statt am Nachmittag befragt werden könnte. Oder sie erkundigten sich, ob es irgendwo zusätzliche Steckdosen gebe, an denen sie ihre Laptops anschliessen könnten.

Wegen der Pausen, in denen der Saal gelüftet wurde, reichte es am Vormittag nur für die Einvernahme zweier Polizisten. Diese berichteten, dass sie den Auftrag hatten, die besetzte Liegenschaft im Monbijouquartier zu beobachten. Dabei sei eine Person herausgekommen, worauf die Beamten deren Identität kontrollierten.
Da noch nicht klar ist, ob sich die Beschuldigten überhaupt zu den Vorwürfen äussern werden, ist das Prozessprogramm auf unsicheren Füssen. Falls sie schweigen, könnte die nächste Person befragt werden, auch wenn sie laut Fahrplan erst später dran wäre. Sofern sie rechtzeitig im Gerichtssaal anwesend ist. Sonst käme es wieder zu Verhandlungspausen. Ein ausserkantonaler Anwalt meinte im Korridor scherzhaft zu einem Berufskollegen, da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Kanton Bern so viel Geld aus dem Finanzausgleich erhalte.

Am Montagnachmittag, nachdem wieder alle Prozessteilnehmer die Sicherheitsschleuse passiert haben werden, werden die Privatkläger aussagen, Angehörige von Polizei und Feuerwehr. Sie waren am Räumungstag verletzt worden. Im Falle eines Schuldspruchs könnten sie gegen die Verursacher auch zivilrechtlich vorgehen und Schadenersatz verlangen. Dabei geht es auch oft um Versicherungsfragen.
Das Urteil wird laut Verhandlungsplan am 17. Juni verkündet.
(https://www.derbund.ch/protest-mit-gipfeli-polizeiaufgebot-886449866421)



Der Leerstand war von kurzer Dauer
An der Wasserwerkgasse 17 hängen wieder Transparente an der Fassade und das Innere der Liegenschaft ist erneut belebt. Ein Kollektiv bekennt sich zur Besetzung und erklärt, das Haus für alle öffnen zu wollen.
http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3931/Der-Leerstand-war-von-kurzer-Dauer.htm
-> Communiqué Besetzung: https://barrikade.info/article/4523
-> Video Besetzung: https://vimeo.com/556823560
-> https://www.derbund.ch/weiteres-gebaeude-in-bern-besetzt-939655598206
-> https://www.bernerzeitung.ch/kollektiv-besetz-haus-in-der-matte-982072553932
-> https://twitter.com/ag_bern
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/blick-in-die-bauernseele?id=11994755 (ab 00:40)
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/prozessauftakt-gegen-effy29-hausbesetzer-aus-solidaritaet-besetzt-das-kollektiv-mamat-ein-haus-in-der-matte-142175736



derbund.ch 31.05.2021

Leer stehende Häuser in Bern: Besetzer halten Behörden und Eigentümer auf Trab

Aktivisten haben in den letzten Tagen mehrere Besetzungen vorgetäuscht und ein Haus tatsächlich besetzt. Die Häuser stehen teilweise schon lange leer. Ist die Kritik also berechtigt?

Noah Fend, Sarah Buser, Maurin Baumann

Polizeiboot, Drohne, Kastenwagen und Einsatzkräfte: Im Berner Mattequartier spielte sich am Montag eine Szene ab, die es in fast identischer Form bereits Mitte März gegeben hatte. In der Wasserwerkgasse haben Aktivistinnen und Aktivisten ein Haus der städtischen Energie Wasser Bern (EWB) besetzt. Am 18. März war es zur polizeilichen Räumung gekommen. Am Montag verliessen sechs Personen unter Androhung einer erneuten Räumung das Gebäude freiwillig.

Die Besetzung der Wasserwerkgasse 17 ist in Bern derzeit kein Einzelfall: Wegen des anlaufenden Prozesses gegen die Besetzerinnen und Besetzer des «Effy 29» ist die Szene in Aufruhr. Erst am Sonntag lenkten sie mit fünf Scheinbesetzungen die Aufmerksamkeit auf das Gerichtsverfahren. In einem Schreiben monierten sie, dass die Häuser teilweise seit mehreren Jahren leer stehen. Mit den Scheinbesetzungen protestieren sie gegen Wohnungsknappheit und zu hohe Mieten. Stattdessen fordern sie mehr «lebendige und freie Räume».

Einige der nun scheinbesetzten Gebäude sind in der Vergangenheit bereits einmal besetzt worden – und stehen zum Teil noch heute leer. Die Rede ist neben dem eingangs erwähnten Haus in der Matte etwa vom ehemaligen Altersheim in Zollikofen, dem Swisscom-Hochhaus und dem früheren Fabrikool-Gebäude in der Länggasse. Warum ist das so? Und ist das ein Problem?

Wenig transparente Gründe

Mitte März gab die EWB an, das besetzte Gebäude im Mattequartier werde für eine schulische Nutzung zur Verfügung gestellt – und liess es polizeilich räumen. Die Besetzerinnen und Besetzer kritisieren nun in einem Video-Statement, bezüglich einer schulischen Nutzung sei bisher nichts geschehen.

In Zollikofen wurde das leer stehende Altersheim im Herbst 2019 besetzt und ebenfalls polizeilich geräumt. Das Gebäude sollte damals von der Gemeinde Zollikofen in den Besitz der Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB) übergehen. Diese will dort bis 2023 insgesamt 63 Wohnungen bauen. Der Kaufvertrag verbot eine Übergangsnutzung. Nach der Räumung entschied sich die Gemeinde wegen des «baulichen Zustands des Gebäudes» auch gegen eine Zwischennutzung. Die Baubewilligung für das Vorhaben der GVB ist aber erst seit Januar 2021 rechtskräftig. Inzwischen sind erste Bauarbeiten im Gang, wie Stefan Lucy, Leiter Immobilien bei der GVB, auf Anfrage sagt.

Die frühere Schreinerei auf dem Von-Roll-Areal, die zwischenzeitlich vom Kollektiv Fabrikool zwischengenutzt worden war, hat sich seit der Räumung durch die Polizei im Mai 2019 äusserlich kaum verändert. Das Gebäude steht hinter einem Schutzzaun und wird überwacht. Wo die neuen Besitzer mit ihrem Projekt stehen, ist nicht klar. Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.

Auch im früheren Swisscom-Hochhaus gab es eine Zwischennutzung. Diese wurde letzten Herbst nach zweieinhalb Jahren regulär beendet. «Das Gebäude stand kaum je leer und wurde auch nie besetzt», sagt Dierk Harte, Vertreter der Genfer Immobilienfirma Reinvest Capital. Kurz nach dem Ende der Zwischennutzung hätten Rückbauarbeiten begonnen. «Seit Dezember ist das Gebäude ohne Wasser und ohne Strom, also nicht mehr bewohnbar», sagt Harte. Dann gab es Verzögerungen beim Vertragsabschluss mit dem Generalbauunternehmer. Dieser soll aber noch diese Woche erfolgen.

Räumung als Ultima Ratio

Leerstand nach polizeilich geräumten Besetzungen: Für den Berner Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) ist das ein Problem: «Solange es andere Möglichkeiten und kein unmittelbar beginnendes Bauprojekt, einen Abbruch oder eine andere Nutzung gibt, sind polizeiliche Räumungen von besetzten Häusern möglichst zu vermeiden», sagt er. Die Besetzerinnen und Besetzer hätten berechtigte Anliegen. «Leerraum übergangsmässig zu nutzen, ist ein Potenzial, keine Gefahr.»

Die Ursachen dafür, dass in Bern trotzdem immer wieder Gebäude länger ungenutzt bleiben, sieht er unter anderem in der fehlenden Erfahrung. «Viele haben wohl Angst, dass die Zwischennutzenden nicht mehr gehen wollen.» Seit 2015 sorgt eine städtische Koordinationsstelle dafür, dass Gebäude im Besitz der Stadt für Zwischennutzungen zur Verfügung gestellt werden. Auch private Hauseigentümer könnten dort leer stehende Räumlichkeiten anbieten. Aktiv geplante Zwischennutzungen wären für Aebersold die beste Lösung. Das wird aber nur selten gemacht. «Wir können Private für vertragliche Zwischennutzungen sensibilisieren, aber als Stadt haben wir sonst keine Handhabung, Leerstand in privatem Besitz zu vermeiden», sagt Aebersold.
(https://www.derbund.ch/besetzer-halten-behoerden-und-eigentuemer-auf-trab-721868637892)



Stadt erntet wegen Velo-Bewegung «critical mass» scharfe Kritik
Am Freitagabend haben tausende Velofahrerinnen und Velofahrer bei einem Demonstrationsumzug den Verkehr in der Zürcher Innenstadt lahmgelegt. Nun hagelt es Kritik gegen die Stadt: Eine solch grosse Menschenansammlung braucht eine Erlaubnis und muss bewilligt sein, so die Bürgerlichen. Weil hinter der Velo-Bewegung «critical mass» jedoch keine Organisation steht, scheint eine Bewilligung nicht ganz einfach.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/stadt-erntet-wegen-velo-bewegung-critical-mass-scharfe-kritik-142175384


+++BIG BROTHER
Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte kritisiert die Gastro-Contact-Tracing-App «SocialPass». Beim Restaurant-Besuch werden die Kontaktdaten der Gäste mit der App «SocialPass» erfasst. Die Daten dienen im Rahmen der Durchführung des «Contact Tracing». Der Datenschutzbeauftragte weist nun aber auf erhebliche Mängel und Sicherheitslücken in der App hin und fordert die privaten Betreiber auf, insbesondere den Zugriff von kantonalen Gesundheitsbehörden auf die erfassten Daten zu beschränken. Denn damit würden fast beliebige personenbezogene Abfragen seitens der Behörden ermöglicht. Den App-Betreibern wird wird bis Ende Juni eine Frist gesetzt, um zu diesen Empfehlungen Stellung zu nehmen.
https://www.nzz.ch/schweiz/coronavirus-in-der-schweiz-die-neusten-entwicklungen-ld.1542664
-> https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83750.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/edob-kritisiert-mangelnden-datenschutz-einer-contact-tracing-app-65937895


Die Story im Ersten: China
Überwachungsstaat oder Zukunftslabor?
China baut ein digitales Überwachungssystem auf, das Kritiker als „das ehrgeizigste orwellsche Vorhaben der Menschheitsgeschichte“ bezeichnen. Dabei entsteht eine „schöne neue Welt“, in der sich die Bürger Annehmlichkeiten, Vergnügungen, Konsum und damit fast unmerklich auch der totalen Kontrolle hingeben.
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/china-ueberwachungsstaat-oder-zukunftslabor-100.html


+++ANTITERRORSTAAT
Abstimmungskontroverse zum Terrorismus-Gesetz
Bei der Abstimmungs-Vorlage vom 13. Juni über präventive polizeiliche Massnahmen gegen den Terrorismus gehen die Meinungen auseinander.
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/abstimmungskontroverse-zum-terrorismus-gesetz?id=11994503



baslerzeitung.ch 31.05.2021

Ex-Kommandant kritisiert Terrorgesetz: Nach falschen Likes im Visier der Terror-Fahnder

Die Schweiz stimmt bald über neue Massnahmen im Kampf gegen den Terrorismus ab. Der frühere Basler Polizeikommandant Markus Mohler bezeichnet das geplante Gesetz als verfassungswidrig. Er ist damit nicht allein.

Daniel Wahl

Das Fazit des früheren Basler Polizeikommandanten und Juristen Markus Mohler zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) ist schlimm: Das Gesetzeskonstrukt erfüllt die Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit nicht. Gar mehrfach verstösst es gegen die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Das neue Gesetz missachtet die Unschuldsvermutung und gewährleistet die Verfahrensgrundrechte nicht. Schwerwiegend ist für den Juristen und früheren Lehrbeauftragten mit langjähriger Praxiserfahrung auch: Das Gesetz taugt nicht dazu, wofür es bestimmt ist – nämlich Attentate zu verhindern.

Diese zusammenfassende Kritik am neuen Gesetzestext, der am 13. Juni den Schweizern und Schweizerinnen zur Abstimmung vorliegt, untermauerte Markus Mohler in einer mehrteiligen wissenschaftlichen Expertise mit unzähligen Fussnoten, die er im rechtswissenschaftlichen Verlag Sui Generis publiziert hat und die dort validiert worden ist. Eilends, fast in letzter Sekunde, hat er sich zu dieser Expertise entschlossen. Dies, nachdem er sich mit dem Zürcher Rechtswissenschaftler Nils Melzer – der Diplomat und Autor ist im November 2016 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zum Sonderberichterstatter über Folter ernannt worden – ausgetauscht hatte. «Mein rechtsstaatliches Gewissen hat sich geregt», sagt Mohler zu seinem Entschluss.

Für wirkungsvolle Kriminalitätsbekämpfung

Die Kritik ist umso erstaunlicher, als der bürgerliche Markus Mohler alles andere als dafür bekannt ist, der Polizei die Mittel zu streichen oder den Gesetzen Zähne zu ziehen, um Gesetzesbrechern das Leben zu erleichtern und den Juristen die Arbeit zu erschweren. Im Gegenteil: Mohler berät Polizeikorps bei Polizeigesetzrevisionen, praxistaugliche Gesetzestexte rechtsstaatlich korrekt zu formulieren.

«Ein Grund, diese Kritiken zu schreiben, liegt darin, dass ich als Rechtswissenschaftler in der Schweiz auch lange praktische Erfahrung habe und weiss, was funktioniert und was nicht», sagt Mohler – als einer der Einzigen der Schweiz, wie die BaZ weiss.

Mit der Materie – dem komplexen Zusammenspiel von Völkerrecht, Verfassungs-, Straf-, Strafprozess-, Polizei- und allgemeinem Verwaltungsrecht – begann sich Mohler eingehend zu befassen, als er hörte, dass fünf UNO-Sonderberichterstatter beim Bundesrat vorstellig geworden waren und dort ihre Bedenken zum PMT deponiert und das neue Gesetz als völkerrechtswidrig bezeichnet hatten. Dies wurde von der Europaratskommissarin für Menschenrechte und in einem offenen Brief von über 60 Rechtsdozenten als «rechtsstaatlich unhaltbar» kritisiert.

«Ohne auf die Argumente auch nur im Geringsten einzugehen, wurden die Einwände der Sonderberichterstatter mit der Behauptung ‹Wir betrachten es als EMRK-konform› abgetan», sagt Mohler. Und im Abstimmungsbüchlein des Bundes findet sich kein Hinweis auf diese Interventionen. In vier Kantonen laufen unter anderem deswegen Abstimmungsbeschwerden.

Mohlers Kritik setzt zunächst auf Verfassungsebene an – dort, wo definiert ist, wofür dem Bund und wofür den Kantonen die Gesetzgebungskompetenzen zukommen. Weil die Polizeihoheit den Kantonen obliegt, habe der Bund für den Erlass von Polizeigesetzen – mit wenigen Ausnahmen – keine Kompetenz. Der Hinweis ist tiefergreifend, als es zunächst auf dem Papier erscheint.

Demnach müssten die Kantone die personellen Mittel zur Überwachung der vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) verfügten Massnahmen bereitstellen. «Doch die Kantone haben die personellen Mittel zur Überwachung von Gefährdern überhaupt nicht – also erfüllt das Gesetz seinen Zweck nicht», sagt Mohler, was einer «Verletzung der staatlichen Schutzpflicht» gleichkomme.

Die Folge dieser nicht stringenten Aufgabendefinition sind Ungereimtheiten bei Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen: «Wenn es dennoch zu einem Attentat kommt, haftet der Tatortkanton und nicht der Bund gegenüber den Opfern der Hinterbliebenen», sagt Mohler.

Fehlende Definition

Die grösste Schwäche ist laut Mohlers Einschätzung, dass der verwendete Begriff zur Verhinderung «terroristischer Aktivitäten» nicht völkerrechtskonform definiert ist. Er sei diffus und unvollständig, weil es sich nach allen völkerrechtlichen Konventionen zur Bekämpfung von Terrorismus immer um Gewaltstraftaten handle. Der Begriff «Gewalt» werde im neuen Gesetz aber bewusst vermieden. So komme es, dass letztlich ein falscher Like in den sozialen Medien, ein zufälliges Verlinken im Internet oder eine Verwandtschaft, etwa ein Cousin zweiten Grades, reiche, um als Gefährder eingestuft zu werden und in den Fokus der Terrorismusfahnder zu geraten.

Solche vagen Hinweise genügten aber rechtsstaatlich nicht, um daraus bereits eine Gefährdung abzuleiten und gleichzeitig die vorgesehenen Massnahmen zu ergreifen wie Kontaktverbote, Rayonverbote oder Hausarrest. «Kommt hinzu», sagt Mohler mit Verweis auf ein Attentat in Dresden, wo der islamistische Täter zwischen zwei Deeskalierungsgesprächen einen Mordanschlag verübt hatte, «dass solche Interventionen noch nie einen Menschen daran gehindert haben, eine Gewaltstraftat zu tun, wenn dieser es will.»

Mohler: «Ich bin für eine wirkungsvolle Terrorismusbekämpfung, aber mit diesem Gesetz gelingt dies nicht; es wird vom Rechtsstaatlichen her richtig ungemütlich in der Schweiz.»
(https://www.bazonline.ch/nach-falschen-likes-im-visier-der-terror-fahnder-582616310506)


+++POLICE BE
Regierungsratsantwort auf Motion 274-2020 Imboden (Bern, Grüne) Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit von Untersuchungen im Zusammenhang mit der Polizei stärken.
https://www.rr.be.ch/rr/de/index/rrbonline/rrbonline/suche_rrb/beschluesse-detailseite.gid-6daeca73bbbd448da06df3bd6fc69a7c.html


+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Schweizer Sozialpolitik gegen Arme, griechische Mauern gegen Geflüchtete, italienische Hotline gegen Migration
https://antira.org/2021/05/31/schweizer-sozialpolitik-gegen-arme-griechische-mauern-gegen-gefluechtete-italienische-hotline-gegen-migration/


Antiasiatischer Rassismus seit Corona »So einen Hass, den habe ich vorher noch nicht erlebt«
Wegen zunehmender Angriffe auf asiatisch aussehende Menschen hat der US-Kongress jüngst ein Gesetz zu ihrem Schutz verabschiedet. Auch hierzulande berichten Betroffene von einer neuen Schärfe der Anfeindungen.
https://www.spiegel.de/psychologie/anti-asiatischer-rassismus-seit-corona-so-einen-hass-den-habe-ich-vorher-noch-nicht-erlebt-a-72c0c433-d34b-4253-ad7d-8e09457d10c6


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Sektenmitglieder trällern mit Xavier Naidoo gegen Corona-Massnahmen – das steckt dahinter
Sänger Xavier Naidoo und der Schweizer Sekten-Gründer Ivo Sasek sind Brüder im Geiste: Der eine warnt vor «DNA-verändernder Zwangsimpfung» und «allumfassender Weltdiktatur», der andere sieht hinter Fridays for Future den Antichrist.
https://www.watson.ch/!291950193


Die Mini-Coronademo löst riesigen Polizeieinsatz aus – Kosten noch unbekannt
Hunderte Polizistinnen und Polizisten des Nordwestschweizer Konkordats im Einsatz in Solothurn: Eine richtige Kundgebung blieb aus.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/solothurn-die-mini-coronademo-loest-riesigen-polizeieinsatz-aus-kosten-noch-unbekannt-ld.2144037


Freie Fahrt für freie Covid-Gefährder?
Sie wollen sich nicht impfen lassen – und doch überall dabei sein können: Extreme Impf-Verweigerer erinnern an die Auto-Partei.
https://www.infosperber.ch/gesundheit/public-health/freie-fahrt-fuer-freie-covid-gefaehrder/


«Ist HIV eine Erfindung der Pharmaindustrie?»
Lara* ist verzweifelt, weil ihr Bruder seine HIV-Medikamente abgesetzt hat. Er glaubt, dass HIV und Aids «Verschwörungen der Pharmaindustrie» sind. Stimmt das? Die Aids-Hilfe klärt auf.
https://www.20min.ch/story/ist-hiv-eine-erfindung-der-pharmaindustrie-366149989911


+++HISTORY
Namibia: Herero und Nama fordern Nachverhandlung von Reparationszahlungen
Deutschland erkennt die kolonialen Verbrechen in Namibia als Völkermord an – und will auch Wiedergutmachungen zahlen. Den geplanten Betrag lehnen einige Volksgruppen ab.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-05/namibia-voelkermord-herero-nama-ablehnung-versoehnung-abkommen-deutschland
-> https://www.jungewelt.de/artikel/403872.imperialismus-inakzeptabel-kritik-an-brd-abkommen-mit-namibia.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152652.steuervermeidung-volksgruppen-in-namibia-lehnen-aussoehnungsabkommen-mit-deutschland-ab.html


100 Jahre nach dem Massaker von Tulsa: Aus dem Trauma soll eine Touristenattraktion werden
In der Nacht auf den 1. Juni 1921 verwüstete ein rassistischer Mob ein Schwarzes Viertel in Tulsa, Oklahoma. Mindestens 300 Menschen starben. Das prägt die Stadt bis heute. AktivistInnen wie Chief Egunwale Amusan engagieren sich dafür, dass es nicht nur beim Erinnern bleibt.
https://www.woz.ch/2121/100-jahre-nach-dem-massaker-von-tulsa/aus-dem-trauma-soll-eine-touristenattraktion-werden


Massaker von Tulsa: Die Wunden sind immer noch tief – Echo der Zeit
Vor 100 Jahren hat sich in Tulsa, Oklahoma, das wohl blutigste Massaker der USA an Schwarzen ereignet. Auslöser war das Gerücht über einen sexuellen Übergriff eines Schwarzen auf eine weisse Frau. Ein weisser Mob griff das schwarze Geschäftsviertel Tulsas an, ermordete Hunderte und zerstörte das Viertel. Erst kürzlich fand eine Aufarbeitung statt.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/massaker-von-tulsa-die-wunden-sind-immer-noch-tief?id=a8ba5e64-2dd6-49fe-b833-689b713e0982
-> https://www.srf.ch/news/international/rassistische-gewalt-in-den-usa-die-usa-gedenken-des-massakers-an-afroamerikanern-in-tulsa


Sonderausstellung zum Thema Verdingkinder in Chur – Schweiz Aktuell
Verdingt, entmündigt: Bis in die 1970er-Jahre waren in der Schweiz zehntausende Kinder, Jugendliche und Erwachsene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen betroffen. «Vom Glück vergessen. Fürsorgerische Zwangsmassnahmen in Graubünden» heisst eine Sonderausstellung im Rhätischen Museum Chur.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/sonderausstellung-zum-thema-verdingkinder-in-chur?urn=urn:srf:video:46a6edba-5f06-4d09-8d77-9accef8bbed9


«Hexen» verbrannt und Homosexuelle hingerichtet: Wo in Luzern einst Hunderte hingerichtet wurden, entsteht ein Mahnmal
Was heute als beliebtes Fotosujet für Touristinnen dient und wo Autos parkiert werden, wurde früher gefoltert und Hunderte von Menschen wurden auf brutalste Weise hingerichtet. Der Luzerner Stadtrat will nun prüfen, mit Gedenktafeln und einem Mahnzeichen an das Luzern zu Zeiten des Ancien Régime zu erinnern – abseits der Postkartenidylle.
https://www.zentralplus.ch/wo-in-luzern-eins-hunderte-hingerichtet-wurden-soll-es-bald-ein-mahnmal-geben-2100237/
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/sp-fordert-ein-mahnmal-fuer-die-hexenverbrennung-142175299