Freispruch für Fluchthelfer, Demonstration für Ausgeschaffte, das Ende für rassistische Wandbilder

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Themen

– Sizilien: «Hochzeitsagentur» arrangierte Ehen für Migranten, welche Aufenthaltsgenehmigung brauchten
– Rassistische Häusernamen oder Wandbilder in der Stadt Zürich sollen entfernt oder «kontextualisiert» werden
– 20 Jahre Sans-Papiers-Bewegung bringt keine Verbesserungen
– Bosnien: Noch mehr Polizeirepression gegen Menschen auf der Flucht
– Sexuelle Übergriffe durch kroatische Polizisten
– Fussballclub entlässt Trainer wegen homophoben und anti-migrantischen Aussagen
– Freispruch eines Bauern, der flüchtenden Personen beim Grenzübertritt half
– Demonstration am Berliner Flughafen gegen Abschiebungen nach Afghanistan
– #StopSuizidSonneblick – Proteste vor dem Asyllager in Walzenhausen

Was ist neu?

Sizilien: «Hochzeitsagentur» arrangierte Ehen für Migranten, welche Aufenthaltsgenehmigung brauchten

Die Finanzpolizei hat eine Agentur aufgedeckt, welche Frauen in Geldnot an Migranten vermittelte, damit diese durch eine Heirat legal in Italien bleiben können.
Ermittelt wird gegen drei Personen, unter anderem einen Gemeindepolizisten. Die Hochzeitsagentur hatte ein Geschäft daraus gemacht, alleinstehende Frauen, welche Geld brauchten, zu vermitteln. Diese wurden mit männlichen Migranten verheiratet, welche eine Aufenthaltsgenehmigung in Italien erhalten wollten. Die Ehen sollten jeweils nur so lange dauern, wie es rechtlich nötig ist, um eine «schnelle» Scheidung beantragen zu können. Die Frauen erhielten dafür jeweils 5000 Euro. Insgesamt deckten die Ermittlungsbehörden fünf arrangierte Ehen auf. Auf die Agentur stiessen sie im Zuge der Ermittlungen in einem Fall von Drogenhandel.
Die Migrationspolitik, nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa, führt dazu, dass Menschen arrangierte Ehen eingehen müssen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Für einige ist dies die letzte Chance um das Land, in dem sie leben, nicht verlassen zu müssen. Das kapitalistische Wirtschaftssystem schafft gleichzeitig Armut. Frauen* sind häufiger von Armut betroffen als Männer und arrangierte Ehen gegen Bezahlung für einige der einzige Ausweg, um an Geld zu kommen. Dass Drittparteien mit einem solchen Geschäft Geld verdienen, ist skrupellos. Doch Grenzen und die Profitgier der herrschenden Klassen sind die wahren Ursachen solchen Leids. Nur wenn diese beseitigt sind, ist für alle Menschen ein Leben in Freiheit möglich.
https://www.infomigrants.net/en/post/31338/italian-police-uncover-a-wedding-agency-for-migrants-needing-residency-permits

Rassistische Häusernamen oder Wandbilder in der Stadt Zürich sollen entfernt oder «kontextualisiert» werden

In der Stadt Zürich gibt es im öffentlichen Raum sichtbare Zeichen mit Bezug zu Rassismus und Kolonialismus. Der Stadtrat hat nun entschieden, dass diese Zeitzeichen nach einer Einzelfallprüfung entweder entfernt oder kontextualisiert werden sollen.
In einer Medienmitteilung vom 8. April verspricht die Stadt Zürich, bei den Liegenschaften in städtischem Besitz rassistische Namen oder Inschriften dieses Jahr zu entfernen. Bei Häusern in Privatbesitz, wie u.a. jenes mit dem rassistischen Wandbild, will die Stadt aktiv auf die Eigentümer*innen zugehen. Nach Angaben der Stadt könnten gewisse Objekte aufgrund ihrer Grösse, ihres historischen Kontexts oder anderer Interessen nicht entfernt werden. Diese sollen kontextualisiert, umgestaltet oder künstlerisch erweitert werden.
Auslöser des Entscheides waren die durch das «Kollektiv Vo da» geäusserten Forderungen sowie zahlreiche Meldungen aus der Bevölkerung. In einerm Radiointerview äussert sich das «Kollektiv Vo da» zufrieden: «Wenn in unserer Alltagssprache diskriminierende und abwertende Bezeichnungen als legitim erachtet werden und als normal gelten, dann hat das auch einen Einfluss auf unser Denken und unseren Umgang mit Menschen.»Dass die Stadt Zürich damit keineswegs rassismusfrei wird, zeigte sich bereits in ihrem Umgang mit dem Anliegen. So wurde das Thema bei der Abteilung «Integrationsförderung» angesiedelt. 
https://mirsindvoda.ch/medienmitteilung-schluss-mit-rassismus-im-doerfli/
https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen/2021/april/210408.htmlhttps://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/der-kampf-der-stadt-zuerich-gegen-rassismus?id=11963201

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Was geht ab beim Staat?

20 Jahre Sans-Papiers-Bewegung bringt keine Verbesserungen

Vor 20 Jahren, am 25. April 2001, besetzten Sans-Papiers eine Kirche in Lausanne und forderten öffentlich eine Aufenthaltsbewilligung. 20 Jahre danach hat sich das SRF mit der Frage beschäftigt, wie die Situation der Sans-Papiers heute aussieht.
Alles begann damit, dass vielen ehemaligen Saisoniers aus dem Kosovo die Abschiebung drohte. Sie lebten und arbeiteten schon seit vielen Jahren in der Schweiz, ihre Kinder wuchsen hier auf. Dennoch gab die Schweiz ihnen keine Bewilligung. Die Besetzung in Lausanne war eine Inspiration für tausende Sans-Papiers in der ganzen Schweiz. Weitere Kirchenbesetzungen folgten, es gab Demonstrationen, regelmässige Kundgebungen und die Menschen hatten die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Die Sans-Papiers gingen dabei ein hohes Risiko ein: An allen Veranstaltungen setzten sie sich der Gefahr aus, verhaftet und abgeschoben zu werden. Doch sie hatten den Mut gefasst, ihre Geschichten zu erzählen und die Unterstützung der Bevölkerung war überraschend hoch. Die Hoffnungen der Bewegung waren riesig, doch das Ziel einer kollektiven Regularisierung sollte nicht erreicht werden. Am 10. Dezember 2001 entschied sich das Parlament zur Einzelfalllösung. Es gab zwar Personen, die durch Härtefall-Anträge eine Bewilligung erhielten, viele tauchten jedoch wieder ab oder wurden ausgeschafft.
Nun stellt sich die Frage, wie die Situation der Sans-Papiers in der Schweiz 20 Jahre nach dem Start der Bewegung aussieht. Momentan halten sich zwischen 90`000 und 250`000 Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz auf. Ich schreibe bewusst, dass sich die Menschen in der Schweiz «aufhalten», denn ein Leben kann man das, was diese Menschen hier haben, nicht nennen. Sie üben für Hungerlöhne prekäre Jobs aus, haben keine Chance, sich bei Missachtung der Arbeitsrechte zu wehren und leben in der ständigen Angst, verhaftet und ausgeschafft zu werden. Zwar hätten sie in der Theorie mittlerweile die Möglichkeit, Krankenversicherungen abzuschliessen oder, als Jugendliche, eine Ausbildung zu absolvieren. Jedoch kann das in der Praxis selten umgesetzt werden. Kaum ein Sans-Papiers kann sich eine Krankenkasse leisten und im Falle einer Betreibung würde die Ausschaffung drohen. Auch ein Härtefallgesuch kommt meist nicht in Frage, denn dafür muss alles offengelegt werden und im Falle eines Negativ-Entscheids droht wieder die Ausschaffung. Hier kommt die heuchlerische Migrationspolitik der Schweiz deutlich zum Vorschein: Alle sogenannten Lösungen und Verbesserungen, welche in den letzten 20 Jahren zugelassen wurden, sind in der Praxis kaum umsetzbar. Sie dienen nur dazu, dass die Schweiz sagen kann, sie würde sich kümmern. Doch es wird keine noch so kleine Verbesserung erreicht. Im Gespräch mit dem SRF betont Cornelia Lüthy, Vizedirektorin des Staatssekretariats für Migration (SEM), immer wieder, dass diese Menschen illegal in der Schweiz seien und die Schwarzarbeit unbedingt unterbunden werden müsse. Sans-Papiers sind Menschen, welche in ihren Herkunftsländern vor unmenschlichen Bedingungen fliehen mussten und in der Schweiz nach Schutz und einer sicheren Arbeit suchen. Doch Cornelia Lüthy sieht in ihnen nur Kriminelle, welche unbedingt ausgeschafft werden müssen. Diese Haltung ist nicht erstaunlich und passt sehr gut zur üblichen Verhaltensweise des SEMs. 2001 hat der Schriftsteller Adolf Muschg den Umgang mit den Sans-Papiers in der Schweiz folgendermassen kritisiert: «Mit der einen Hand kassieren wir ihre Dienstleistungen ab, in der anderen Hand halten wir den Knüppel.» Leider trifft diese Aussage immer noch zu – nichts hat sich wirklich geändert.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/20-jahre-sans-papiers-bewegung-schweizer-umgang-mit-sans-papiers-heuchlerisch-oder-angemessen

Was ist aufgefallen?

Bosnien: Noch mehr Polizeirepression gegen Menschen auf der Flucht

Die bosnische Polizei in Bihać kündigte an, verlassene Gebäude und Bauruinen, in denen Menschen auf der Flucht leben, räumen zu wollen. Auch in Velika Kladuša zeigt sie vermehrt Präsenz. Beim Camp Miral am Stadtrand Velika Kladušas soll die Bewegungsfreiheit der Menschen auf der Flucht stark eingeschränkt werden. Dies beschloss die Regierung des Kantons Una-Sana nach einem Treffen mit lokalen Behörden, der International Organisation for Migration (IOM) und dem UNHCR.
An mehreren Orten fanden bereits Razzien und Kontrollen statt. In mindestens zwei Fällen drang eine Spezialeinheit der Polizei nachts in verlassene Gebäude ein, in denen Menschen auf der Flucht leben. Die Personen wurden bedroht und mit Stöcken geschlagen. Danach wurden sie aus ihrer provisorischen Unterkunft vertrieben und leben nun in Zelten im Wald.
Die Repression solle laut Behörden die Verbreitung des Coronavirus verhindern und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken. Doch in der Praxis führt sie dazu, dass den Menschen auf der Flucht zusätzlich zur Polizeigewalt beim Grenzübertritt nach Kroatien nun auch innerhalb von Bosnien Gewalt droht. Gegenüber der bosnischen Bevölkerung verstärkt die Repression den Eindruck, Menschen auf der Flucht seien nicht schutzbedürftig, sondern eine allgemeine Bedrohung. Ausserdem lässt sich dadurch, dass hunderte Menschen im Camp Miral eingepfercht werden, die Ausbreitung des COVID-Virus innnerhalb des Camps nicht wirksam verhindern.
Die Behörden reagieren mit der Repression auch auf einen Konflikt zwischen Menschen auf der Flucht, der am Samstag, den 3. April, eskalierte. Dabei fielen Schüsse, die einen unbeteiligten Schutzsuchenden verletzten. Sein Zustand ist derzeit stabil. Der Vorfall wurde mit der Kamera gefilmt und verbreitete sich schnell über die sozialen Medien. Die Reaktionen waren nicht nur mitfühlend. Mitunter wurden rassistische Aussagen, rechtsorientierte Falschmeldungen und pauschale Wut auf Menschen auf der Flucht verbreitet. Rassistische Bürger*innenwehrgruppen mobilisierten zwei Mal zu Kundgebungen. Doch nur eine kam zustande und war kaum besucht.
Die Regierung verschärft die Repression gegen Menschen auf der Flucht nicht, um Gewalt oder die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Es geht darum, die Menschen auf der Flucht aus den Städten Bihac und Kladuša zu verdrängen, um sie zunehmend im Camp Lipa weit ausserhalb der Städte zusammengepfercht zu isolieren. Das Camp Lipa brannte Ende 2020 nieder, wurde aber wieder neu aufgebaut.
Lipa 2.0 gleicht Moria 2.0. Ein freiwilliges Umsiedeln in das Camp Lipa ist für viele keine Option. Dort herrschen unmenschliche Zustände und ein Leben in Würde ist dort nicht möglich. Nebst der Repression setzt die Regierung deshalb auch andere Druckmittel ein. Zum Einen will sie andere Camps schliessen. Das Camp Miral in Velika Kladuša kündigt seine Schliessung bereits länger an und es kursieren zudem Gerüchte über die Schliessung der anderen beiden Camps im Kanton Una-Sana, in denen Familien und vulnerable Personen untergebracht sind. Zum Anderen haben die Behörden Hunger angeordnet und der International Organisation of Migration (IOM) und ihren Partnerorganisationen verboten, an einzelnen Orten ausserhalb der offiziellen Camps Nahrungsmittel zu verteilen: “IOM and partners were not able to distribute food and non-food items (NFIs) in these particular locations or provide other assistance as needed“, schreibt die IOM in einem ihrer Wochenberichte (deutsch: “Die IOM und ihre Partner*innen waren nicht in der Lage, an diesen besonderen Orten Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter zu verteilen oder andere Hilfe zu leisten”). Solange die europäische Abschottung andauert, wird sich diese Situation weiter zuspitzen.
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=139426611463104&id=101134605292305
https://bih.iom.int/iom-migration-response
https://www.radiovkladusa.ba/velika-kladusa-osmogodisnje-dijete-iz-irana-ranjeno-tokom-obracuna-migranata/?fbclid=IwAR1mSmq4SSxUCggNuQWbIHEgDsC_k-OfdI4XCYPXOI6BI7zU3j3JJ4_LHXE

Sexuelle Übergriffe durch kroatische Polizisten

Die Zeitung Guardian hat mit Hilfe des Danish Refugee Council (DRC) neue Berichte veröffentlicht, in denen zwei Frauen von sexuellen Missbräuchen durch kroatische Grenzpolizisten berichten. In der Vergangenheit wurde schon oft über sexualisierte Gewalt und Übergriffe ausgesagt, die kroatische Regierung weist die Vorfälle jedoch stets zurück.
*Triggerwarnung: Im folgenden Beitrag werden sexualisierte Gewalthandlungen beschrieben, die belastend und retraumatisierend sein können.*
Am 7. April 2021 veröffentlichte die Zeitung Guardian die haarsträubenden Berichte zweier Frauen, welche an der Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien von Polizisten sexuell belästigt wurden.
Der erste Vorfall wurde Anfang Februar 2021 dokumentiert, hat aber bereits am 20. Dezember 2020 stattgefunden. Zum Schutz der betroffenen Frau wurden nicht alle Details veröffentlicht. Die Frau musste mit einem Polizisten im Auto warten, während ihr Mann draussen geschlagen wurde. Er begann ihre Brüste anzufassen, sie zu küssen und fasste ihr schliesslich in die Hose. Vor Angst konnte sie sich nicht wehren, sie war ihm machtlos ausgeliefert. Die Tortur endete erst, als ein anderer Polizist einstieg. Der Täter zog sie daraufhin aus dem Wagen, fing an brutal auf sie einzuschlagen und musste schliesslich von seinem Kollegen gestoppt werden.
Auch der zweite Vorfall, welcher am 15. Februar 2021 stattfand, zeugt von roher Gewalt. Die betroffene Frau war zusammen mit zwei Kindern, welche nicht ihre eigenen waren, und einem älteren Mann unterwegs. Sie versuchten, die Grenze von Bosnien nach Kroatien zu überqueren, wurden jedoch gestoppt. Die Polizisten nahmen ihnen die Telefone und ihr Geld ab und zerrissen ihre Papiere. Als die Frau einem Beamten sagte, sie wolle nicht von ihm durchsucht werden, da sie Muslima sei und es eine Sünde sei, wenn er sie anfasse, meinte der Beamte nur: «Wenn du Muslima bist, wieso bist du nicht in Bosnien bei den Moslems geblieben?» Er entfernte ihr das Kopftuch und durchsuchte sie weiter. Schon jetzt begann er das erste Mal ihre Brüste anzufassen und forderte sie auf, sich auszuziehen, doch sie weigerte sich. Die Gruppe wurde an einen Waldrand gefahren, wo die Beamten die Kinder erst schlugen und ihnen dann befahlen, wegzugehen. Sie zwangen den älteren Mann, sich auszuziehen und auch er musste weggehen. Nun zwangen sie die Frau sich auszuziehen, sie wollte sich wehren, doch es war aussichtslos. Sie gaben ihr eine Decke und fingen dann an, sie erneut anzufassen. Ein Polizist fragte sie, ob sie mit ihm weggehen möchte. Er hielt ihr ein Messer an die Kehle und drohte ihr, er würde sie umbringen, wenn sie jemandem etwas erzähle oder nochmals nach Kroatien käme.

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Diese Geschichten lesen sich wie Albträume und doch sind sie schmerzhaft real. Nebst der hohen Gewalt, die den Alltag auf der Flucht bestimmt, wird die hilflose Lage, in der sich die Menschen befinden, durch Grenzpolizisten schamlos ausgenutzt. Sie wissen, dass die Betroffenen keine Chance haben, sich zu wehren. Sexuelle Missbräuche dienten schon immer als Kriegsstrategie und wie man sieht, wird auch an den Grenzen Europas davon Gebrauch gemacht. Die Berichte machen deutlich, auf welch grausame Art die Polizisten ihre Macht demonstrieren. Sie wollen die Frauen, so wie auch ihre Begleitpersonen, demütigen, indem sie sie «beflecken». Es zeichnet sich ab, wie frauenfeindlich, aber auch wie islamfeindlich die Push-Backs verlaufen. Die kroatische Regierung weist alle Vorwürfe ab und will nichts davon wissen. Doch das mindeste was passieren muss, ist eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Genaue Beschreibungen der Täter liegen vor und es müsste möglich sein, sie zu identifizieren. Der Zeiger steht schon lange auf fünf nach zwölf und doch müssen jeden Tag Menschen an den Grenzen Europas durch die Hölle gehen.
www.infomigrants.net/en/post/31404/truly-horrifying-afghan-woman-accuses-croatian-police-of-sexual-harassment-at-border

Kopf der Woche

Fussballclub entlässt Trainer wegen homophoben und anti-migrantischen Aussagen

Hertha BSC Berlin hat seinen Goalietrainer Zsolt Petry entlassen. Dieser fiel in einem Interview mit einer ungarischen Zeitung durch negative Aussagen betreffend Homosexualität und Migration auf. Ungarns Aussenminister nutzt die Entlassung sogleich für rechte Propaganda.Am Ostermontag erschien in der regierungsnahen ungarischen Tageszeitung «Magyar Nemzet» ein Interview, in dem sich Zsolt Petry abwertend gegenüber Homo-Ehe und Migration nach Europa äusserte. Der 54-jährige Ungar kritisierte unter anderem seinen Landsmann Peter Gulasci, Torhüter beim Bundesligaverein RB Leipzig. Er könnte nicht verstehen, warum sich dieser «für Homosexuelle, Transvestiten und Menschen sonstiger geschlechtlicher Identität» einsetze. Die EU-Migrationspolitik bezeichnete Petry als «moralischen Untergang Europas.» Europa sei ein christlicher Kontinent. «Die Liberalen blasen die Gegenmeinungen auf: Wenn du die Migration nicht gut findest, denn schrecklich viele Kriminelle haben Europa überlaufen – dann werfen sie dir sofort vor, dass du ein Rassist bist», sagte Petry.
Hertha BSC Berlin entliess Petry umgehend, da seine Aussagen nicht mit den Werten des Vereins vereinbar seien. Petry entschuldigte sich in einem Statement anschliessend für einige seiner Aussagen und sagte, dass er weder homophob noch xenophob sei. Der Wochenschau ist aber schleierhaft, wie ein Mensch dann eine Fülle solcher Aussagen tätigen kann. Petry bedient zudem ein bekanntes Muster, indem er die Täter-Opfer-Zuordnung ganz einfach umdreht: Wer sich gegen die Zuwanderung von Kriminellen äussere, werde automatisch von der liberalen Mehrheitsmeinung zum Rassisten gemacht. In welcher Weise er dabei die EU-Migrationspolitik kritisiert, ist fast schon kafkaesk. Die EU zieht genau jene Mauern um Europa hoch, welche sich Petry seinen Aussagen nach offenbar wünscht.Der ungarische Aussenminister Péter Szijjártó von der rechten Fidesz-Partei nutzte den Vorfall sogleich, um Petry ebenfalls als Opfer zu stilisieren. In einem Facebook-Post stellte er die Entlassung und die Untätigkeit der EU in Frage. Das Posting richtete sich an verschiedene EU-Politiker*innen und «jeden anderen liberalen europäischen Politiker, der sich auf skrupellose Aufklärung zum Thema Meinungsfreiheit spezialisiert hat!». Weiter schreibt Szijjártó: «In Deutschland wurde ein Mann entlassen, weil er seine Meinung über Migration und Familie geteilt hat. (…) Wo sind Sie jetzt? Wann werden Sie protestieren?» Er folgt damit dem bekannten Schema, diskriminierende Aussagen mit der Meinungsfreiheit decken zu wollen. Eine Taktik, die auch sein Präsident Orban nur allzu gerne anwendet.https://www.infomigrants.net/en/post/31362/hertha-berlin-sack-goalkeeping-coach-over-homophobic-and-anti-migrant-comments
https://11freunde.de/artikel/weil-uns-diese-werte-wichtig-sind/3601610

https://edition.cnn.com/2021/04/08/football/hungary-zsolt-petry-homophobia-xenophobia-spt-intl/index.html

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Hertha BSC Berlin hat seinen Goalietrainer Zsolt Petry nach rassistischen und homophoben Aussagen freigestellt.

Was war eher gut?

Freispruch eines Bauern, der flüchtenden Personen beim Grenzübertritt half

Das französische Gericht hat Cédric Herrou freigesprochen, der hunderten flüchtenden Personen an der Grenze zu Italien geholfen hat.
Cédric Herrou, Olivenbauer aus Südfrankreich, hatte in seinem umfunktionierten Eier-Lieferwagen rund 200 geflüchteten Personen geholfen, die Grenze zwischen Italien und Frankreich zu überschreiten. Deshalb wurde er 2017 von einem Gericht in Aix-en-Provence zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ein Berufungsgericht sprach ihn später frei, wohingegen erneut Beschwerde eingereicht wurde. Der Entscheid des Kassationsgerichtshofs in Paris bedeutet für Cédric Herrou einen endgültigen Freispruch und das Ende eines langen Rechtsstreits. Und ist zudem ein kleiner Sieg gegen die anhaltende Kriminalisierung der Solidarität.
www.infomigrants.net/en/post/31292/acquittal-of-french-farmer-who-helped-migrants-to-cross-border

Wo gabs Widerstand?

Demonstration am Berliner Flughafen gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Vergangenen Mittwoch demonstrierten um die 500 Personen vor dem Flughafen in Berlin gegen einen geplanten Ausschaffungsflug nach Afghanistan. Einige Protestierende blockierten Zufahrtsstrassen.
Zu den Protesten aufgerufen hatte der Flüchtlingsrat Brandenburg. Hunderte Demonstrant*innen versammelten sich am 7. April am Terminal 5 des Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld, um gegen die geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan zu protestieren. Ein Teil der Demonstrierenden blockierte dabei Zufahrtsstrassen, ein anderer Teil gelangte auf das Betriebsgelände. Der Protest endete gegen 21.45 Uhr, nachdem das Flugzeug mit den abzuschiebenden Personen abgehoben hatte.
Bereits in der Woche zuvor fand in Wien eine Protestaktion gegen eine Sammelausschaffung nach Afghanistan statt. Am 30. März blockierten Aktivist*innen die Autobahn und Zufahrtsstrassen zum Flughafen.
Oft finden Ausschaffungen fern der Öffentlichkeit statt. Umso wichtiger ist es, mit Aktionen wie jenen in Berlin oder Wien Aufmerksamkeit auf diese Praxis zu lenken. Es muss wahrgenommen werden, was hier passiert: Menschen werden gezwungen, in ein Land zurückzukehren, welches unzählige Gefahren bereithält. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist katastrophal. Tagtäglich finden Anschläge statt, bei denen oft auch Zivilist*innen sterben. Europäische Staaten raten von Auslandsreisen nach Afghanistan ab. Auf der Seite des EDA ist in Bezug auf Afghanistan zu lesen: «Die Sicherheit ist nicht gewährleistet: Es besteht das Risiko von schweren Gefechten, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen, Entführungen und gewalttätigen kriminellen Angriffen einschliesslich Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle.»
Für europäische Staatsbürger:innen gibt es Reisewarnungen, für geflüchtete Personen wird das Land als sicher eingestuft – eine widersprüchliche Logik, die einmal mehr offenbart, wie europäische Regierungen gewisse Menschen als Menschen zweiter Klasse behandeln.
www.infomigrants.net/en/post/31389/demonstrators-gather-at-berlin-airport-to-protest-deportation-flight-to-afghanistan

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#StopSuizidSonneblick – Proteste vor dem Asyllager in Walzenhausen

Die migrantische Selbstorganisation ROTA protestierte am Freitag vor dem Asyllager “Sonneblick” im Kanton St. Gallen. Innerhalb weniger Monate war es dort zu drei Suizidversuchen gekommen.
Ein Text von ROTA – Migrantische Selbstorganisation
“Im Asyllager “Sonneblick” im Kanton St. Gallen scheint die Sonne nicht für alle. Denn Fälle von Selbstmordversuchen im idyllischen Walzenhausen häufen sich.
Vor ungefähr sechs Monaten versuchte eine junge Frau Selbstmord zu begehen. Und vor einigen Tagen kam es erneut zu Selbsmordversuchen. Eine Frau aus Eritrea und ein kurdischer Mann aus dem Iran entschieden sich dazu, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Unser iranischer Freund, Gholamreza Moraditofigh, befindet sich in einem kritischen Zustand und liegt derzeit in einem Krankenhaus.
Was ist los im “Sonneblick”?Offensichtlich gibt es hier ein grundlegendes Problem. Und was die verantwortlichen Behörden dazu zu sagen haben, können wir bereits vermuten. Nämlich dass es sich hier um Einzelfälle handelt, die auch einzeln für sich betrachtet werden müssen und dass die Personen wohl aus individuellen Gründen nicht “fit” genug und ausser Stande sind, sich anzupassen und zurechtzufinden.Jedoch wissen wir es besser. Das Asylsystem existiert ja nicht erst seit gestern. Im Kanton St. Gallen herrscht ein Asylsystem, das Menschen aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation diszipliniert. Meist geschieht das durch finanzielle Sanktionen, die dann eingesetzt werden, wenn die Bewohner*innen den festgelegten Tagesplan und die darin vorgeschriebenen Arbeiten unter den festgelegten Arbeitsbedingungen nicht einhalten. Auf diese Weise sollen sie auf “das Leben” vorbereitet werden, was nichts anderes heisst als auf den prekären Arbeitsmarkt. Wir sprechen hier von einer Integrationspolitik, die Menschen in festen Strukturen zur Arbeit zwingt und sie dadurch gleichzeitig daran hindert, Kontakte zu knüpfen. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, wird bestraft, egal welche Folgen das für die Gesundheit und schliesslich das Leben der Bewohner*innen nach sich zieht.Die soziale Isolation im “Sonneblick”, aber auch in allen anderen Lagern hat mit der Pandemie stark zugenommen. Für die Bewohner*innen unterscheidet es sich nicht von einem Gefängnis. Da ihre Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden leiden sie unter ständigem psychischen Druck. “Das Leben” will eben gelernt sein. Da muss man halt durch. Oder anders gesagt herrscht im Sonneblick starke Unterdrückung.Das Asyllager Sonneblick verwandelt sich zunehmend in ein Selbstmordlager. Die Menschen sehen keinen Ausweg mehr und versuchen Selbstmord zu begehen. Diese Bedingungen, die nicht den Menschen- und internationalen Asylrechten entsprechen, müssen abgeschafft werden.”
https://www.facebook.com/Rota.migrant/photos/a.104820391142310/273747090916305/https://www.20min.ch/story/das-asylheim-behandelt-uns-wie-tiere-195385767201

Was steht an?

Tour de Lorraine 21 – Tour Décolonial: Köpfe und Herzen dekolonisieren
30.04.21 – 13.05.21 I Es ist noch unklar, ob die zahlreichen Veranstaltungen vor Ort oder digital durchgeführt werden.
Rassismus und die Nachwirkungen und Kontinuitäten der kolonialen Verstrickungen der Schweiz sind Themen, die nicht erst seit dem Tod von George Floyd akut sind. Mit der 21. Ausgabe der Tour de Lorraine vom 30. April bis 13. Mai 2021 wollen wir sie von vielen Seiten beleuchten und versuchen, gegenzuspielen. Wir erkunden emanzipatorische Kämpfe von früher und heute, und wir hinterfragen weisse Privilegien. Kurz gesagt möchten wir an der Tour décolonial Köpfe und Herzen dekolonisieren und die Welt vom Kopf auf die Füsse stellen.

Geschichte Ver-Lernen
Anmeldeschluss 15.04.21 I Veranstaltung 02. – 09.05.21 I an einem Ort in der Schweiz
Wusstest du, dass ca. 90% der Gebiete ausserhalb von Europa durch europäische Staaten kolonisiert wurden? Der Reichtum europäischer Städte, die stattlichen Häuser, die Industrien, vieles des westlichen Wissens bauen auf diesem geraubten Reichtum und ihrer Kontinuität auf. Um Verantwortung zu übernehmen brauchen wir ein adäquates Bild der letzten 500 Jahre und der Zeit davor. Wir wollen in Gruppen eine Woche lang Geschichte neu erarbeiten. Was wird erzählt? Was wird weggelassen? Wer erzählt? Der Schwerpunkt dieser Woche liegt in “Mittelamerika” sowie der Haitianischen Revolution.
Weitere Infos und Anmeldung bis zum 15.04.21 via GeschichteVerLernen@immerda.ch.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

AfD: die gekaufte Partei
Die Spendenaffäre der AfD ist die gefährlichste Parteispendenaffäre der Republik. Sie ist ein Angriff auf unsere Demokratie. Recherchen zeigen, die AfD war offenbar von Anfang an eine gekaufte Partei. Die zentrale Frage bleibt, wer finanzierte den Aufstieg einer teilweise rechtsextremen Partei in die Parlamente. Unsere Recherchen bringen immer wieder Licht ins Dunkel und könnten auf dem Parteitag der AfD zu hitzigen Debatten führen.
https://www.youtube.com/watch?v=VVTtq4zqmEw

“Tatworte”: Die Sprache der Rechtsextremen
Was verbirgt sich hinter den politischen Choreographien rechtspopulistischer Gruppen? In seinem neuesten Buch “Tatworte“ untersucht Journalist und Autor Michael Kraske Reden, Aussagen und
Posts von einschlägigen Politikern, Aktivisten, Prominenten und Trittbrettfahrern. Er zeigt: Rechte Verschwörungstheorien, völkische Ideologie und anti-demokratische Überzeugungen sind auf dem Vormarsch.
https://www.arte.tv/de/videos/103233-000-A/tatworte-die-sprache-der-rechtsextremen/

Über der Grenze
Europa setzt im Mittelmeer zur Abwehr von Migranten auf eine neue Taktik: Flugzeuge statt Rettungs­schiffe. Recherchen der Republik legen das verdeckte Zusammenspiel des EU-Grenz­schutzes mit der libyschen Küstenwache offen. Eine Geschichte über kaltes Kalkül und Geflüchtete in Lebensgefahr.
https://www.republik.ch/2021/04/10/ueber-der-grenze

Fünf Tage der Wut
Ousmane Sonko und die neue Jugendrevolte im Senegal
https://taz.de/Senegal/!5763219/