Monitoring zu Abschiebungen, Recherche zu Driftbacks, Kriminalisierung nach Pushbacks

Zwei Fotos aus unterschiedlichen Quellen (links: AlarmPhone, rechts: Türkische Küstenwache), die ausgesetzte Rettungsinseln südlich der Insel Lesbos am 9. August 2020 zeigen. (Forensische Architektur/Forensis, 2022)

Was ist neu?

Melilla: Kriminalisierung der Überlebenden

Nach dem Massaker von Melilla am 24. Juni, bei dem nach den Einschätzungen von NGOs mindestens 37 Menschen ums Leben kamen, wurde im nordmarokkanischen Nador nun das Verfahren gegen 33 Menschen eröffnet.

Andrang am Grenzzaun: Bis zu 2.000 Menschen wollten am 24. Juni nach Spanien flüchten.
Andrang am Grenzzaun: Bis zu 2.000 Menschen wollten am 24. Juni nach Spanien flüchten.

An besagtem Datum hatten bis zu 2’000 Menschen versucht, die drei Grenzzäune der spanischen Enklave Melilla zu überqueren. Spanische Beamt*innen führten illegale Push-Backs durch und drängten Menschen, die spanischen Boden erreichten, gewaltvoll zurück über die Grenze. Diese Praxis verwehrte ihnen grundlegende Menschenrechte. Auch Tränengas wurde eingesetzt. In Marokko wurden die Menschen wiederum brutal in Empfang genommen. Die Sektion der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH) veröffentlichte Fotos und Videos, die u.a. Verletzte und vermutlich auch Tote zeigten, die stundenlang von Polizeibeamt*innen umstellt waren und denen somit auch medizinische Versorgung verwehrt war. Die Opfer wurden daraufhin von den marokkanischen Behörden umgehend und ohne Autopsie in Massengräbern verscharrt. Sogar auf die Identifizierung der Toten wurde verzichtet.

Während Proteste in ganz Europa ausbrachen, feierten sowohl die marokkanische als auch die spanische Regierung das gewaltvolle und tödlich endende Vorgehen der Grenzbeamt*innen. Wiederholt fiel das Wort „Menschenhändlermafia“. Diese Erzählung kriminalisiert Menschen auf der Flucht und Regierungen auf der ganzen Welt benutzen sie, um brutale Vorgehensweisen und entmenschlichende Gesetzesentwürfe zu rechtfertigen. Die Folge davon bekommen die Überlebenden des 24. Juni nun am eigenen Leib zu spüren. 33 Menschen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, „die klandestine Ein- und Ausreise von Ausländern nach und aus Marokko begünstigt und organisiert“ zu haben. Ausserdem lauten die weiteren Anklagepunkte des erstinstanzlichen Gerichts „Gewalt und Beleidigungen“ gegen marokkanische Grenzschützer sowie die Organisation eines „bewaffneten Menschenauflaufs“. Seit letztem Montag stehen sie vor Gericht.

Neben den Angeklagten, 29 aus dem Sudan und 4 aus dem Tschad, wurden weitere 32 Personen festgenommen. 28 von ihnen werfen die marokkanischen Behörden sogar eine „regelmässige“ Organisation der Ein- und Ausreise von Menschen vor, also Menschenhandel. Die Eröffnung ihres Verfahrens wurde auf den 28. Juli verschoben. Diese Verdrehung der Tatsachen hat System. Die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht findet überall statt; in Griechenland, Grossbritannien, der Schweiz, Bosnien. In jedem Land, in das Menschen flüchten und an jeder Grenze, die Menschen überqueren, werden diese kriminalisiert und ihre Rechte mit Füssen getreten.

Nach traumatisierenden Fluchterfahrungen, Gewalt von Grenzbeamt*innen und der systematischen Missachtung von Grundrechten drohen geflüchteten Menschen noch jahrelange Gefängnisstrafen. Diese Ungerechtigkeit gilt es vehement zu bekämpfen. Denn daran wird verhandelt, was das Mensch-Sein ausmacht. Und Mensch-Sein darf nicht verhandelbar sein!

https://taz.de/Flucht-in-spanische-Exklave/!5865515/

‘Captain Support’: Neues Netzwerk unterstützt kriminalisierte Boat Driver
Menschen auf der Flucht werden oft verhaftet und inhaftiert, weil sie angeblich oder tatsächlich Boote steuern, die Menschen nach Europa bringen. Sie werden des «Menschenschmuggels» oder der «Erleichterung der illegalen Einreise» beschuldigt und haben oft keinen Zugang zu angemessenem Rechtsbeistand, Informationen über ihre Grundrechte oder irgendeine Form der Unterstützung.

 
Das ‘Captain Support’-Netzwerk ist eine Plattform, die von Aktivist*innen gegründet wurde, um sich mit denjenigen zu solidarisieren, die beschuldigt werden, Boote nach Europa zu fahren und sie mit lokalen Unterstützungsnetzwerken und Anwält*innen zu verbinden. Unterstützung kann aktuell in Griechenland und Italien geleistet werden, für Spanien und Grossbritannien ist sie in Vorbereitung.
Betroffene Personen oder ihre Familien und Freunde können sich an das Netzwerk wenden und um angemessene Rechtshilfe bitten. Denn für das Netzwerk ist klar: «Diese Verhaftungen sind die Konsequenz einer tödlichen und rassistischen europäischen Grenzpolitik. Kapitäne/Bootsfahrer werden als Sündenböcke für Gewalt und Todesfälle an der Grenze eingesetzt: Für diese Gewalt sind jedoch europäische Staaten und ihre Grenzpolitik verantwortlich. Die einzige Lösung dagegen ist die Abschaffung aller Grenzen und die Bewegungsfreiheit für alle!»
In einem ersten Video informiert das Netzwerk über die europäische Praxis, Menschen für die Fahrt mit Booten nach Europa zu kriminalisieren und über die Rechte der Angeklagten und der anderen Passagiere: https://www.youtube.com/watch?v=vQd7WKUdFxs
 
 

Was ist aufgefallen?

Forensic Architecture veröffentlicht Recherchen zu sogenannten Driftbacks in der Ägäis

Während den letzten zwei Jahren hat Forensic Architecture in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen eine breit gefächerte Recherche zur Praxis der sogenannten Driftbacks in der Ägäis angelegt, welche nun veröffentlicht wurde. Um die Praxis zu belegen, wurden tausende von Bildern, GPS-Standorten und Videos gesammelt, welche von Betroffenen produziert und an solidarische Strukturen wie etwa das Alarmphone oder Aegean Boat Report gesendet wurden. Diese wurden in verschiedenen Verfahren verifiziert, geortet und mit Zeitstempeln versehen. Das Resultat ist ein erschlagendes Zeugnis einer Politik, die mit allen Mitteln versucht ihre weisse Vorherrschaft zu bewahren.

Feldarbeit - Antikythera: Eine Gruppe von Asylbewerbern an der Küste der Insel Antikythera am 4. Juli 2021 (rechts) und derselbe Ort, der drei Wochen später von einem FA-Forscher gefilmt wurde. Die Gruppe wurde von der Insel entführt und tauchte später auf Rettungsinseln treibend vor der türkischen Küste von Kuşadası auf. (Forensische Architektur/Forensis, 2022)
Feldarbeit – Antikythera: Eine Gruppe von Asylbewerbern an der Küste der Insel Antikythera am 4. Juli 2021 (rechts) und derselbe Ort, der drei Wochen später von einem FA-Forscher gefilmt wurde. Die Gruppe wurde von der Insel entführt und tauchte später auf Rettungsinseln treibend vor der türkischen Küste von Kuşadası auf. (Forensische Architektur/Forensis, 2022)

Der sogenannte „Driftback“ bezeichnet eine neue Form der Abschiebung an den Aussengrenzen der EU, bei der die Geografie der Agäis genutzt wird, um Menschen auf der Flucht den Zugang zu Asyl gewaltvoll und illegal zu verwehren. Bei dieser Praxis treiben die Menschen nicht einfach – wie die Bezeichnung suggeriert – zurück, sondern sie werden mit Gewalt in diese für sie potenziell tödliche Situation gebracht. Die griechische Küstenwache nutzt die Richtung der Meeresströmungen, um Menschen auf der Flucht zurückzutreiben, ohne selbst in türkische Hoheitsgewässer eindringen zu müssen. Stattdessen benutzen sie natürliche Prozesse und die geografischen Gegebenheiten des Ägäischen Archipels – Strömungen, Wellen, Winde und unbewohnte Felsen – um sich jeglicher Verantwortbarkeit zu entziehen. Dass sich die Akteur*innen der tödlichen Folgen ihres Handelns durchaus bewusst sind und ihre Handlungen einer systematischen, kalkulierten und genuin rassistischen Praxis der Segregation folgen, ist eine evidente Tatsache und muss mit allen Mitteln bekämpft werden.

Seit März 2020 wird diese neue Methode der gewalttätigen und illegalen Abschiebung praktiziert und sie ist bereits zur Routine geworden. Menschen auf der Flucht, welche die Ägäis überqueren, berichten, dass sie in griechischen Hoheitsgewässern abgefangen oder nach ihrer Ankunft an der griechischen Küste verhaftet, geschlagen, ihrer Habseligkeiten beraubt und dann gewaltsam auf Rettungsinseln ohne Motor verladen wurden, um sie zurück zur türkischen Küste treiben zu lassen. Trotz des zunehmenden Drucks aufgrund von Beweisen leugnen die griechischen Behörden bis heute, dass es in der Ägäis zu sogenannten “Driftbacks” kommt. Die Ägäis ist nicht nur ein Brennpunkt staatlicher Gewalt, sondern auch ein Versuchsfeld für Möglichkeiten, diese zu verschleiern. Ganze Seegebiete, militarisierte Inseln und unbewohnte Felsen sind für die Zivilbevölkerung unzugänglich und werden ausschliesslich vom Militär und der Küstenwache befahren und verwaltet.

Die Recherche beweist, dass zwischen dem ersten dokumentierten Fall eines sogenannten Driftbacks am 28. Februar 2020 über einen Zeitraum von zwei Jahren mindestens 27’464 Menschen in der Ägais gewaltvoll ausgesetzt wurden. Wo die EU ihre eigens proklamierten Werte ins Gegenteil verkehrt, ist Frontex nicht weit. Somit erstaunt es nicht, dass die sogenannte europäische Grenz- und Küstenwache in 122 dieser Fälle direkt involviert war. Dazu gehen die Urheber*innen der Recherche davon aus, dass Frontex von weiteren 417 Fällen Kenntnis hatte, da diese in ihren eigenen operativen Archiven kodiert als “Einreiseverhinderungen” getarnt waren. In drei Fällen war ausserdem das deutsche NATO-Kriegsschiff FGS Berlin vor Ort. In 26 Fällen wurden die Menschen von der griechischen Küstenwache direkt ins Meer geworfen, wobei in zwei dieser Fälle die Personen in Handschellen aufgefunden wurden. Ausserdem konnte nachgewiesen werden, dass elf Personen bei einem solchen Driftback ertranken, während mindestens vier weitere der selben Gruppe immer noch vermisst werden.

Diese Zahlen repräsentieren nur einen Bruchteil der Gewalttaten, welche die EU, ihre Agenturen und Verbündeten mit einer immerzu steigenden Brutalität vorantreiben. Die rassistische Abschottungspolitik Europas, bei der die Schweiz unter anderem mit finanziellen Mitteln aktiv mitwirkt, führt dazu, dass Krieg gegen nicht-weisse Menschen auf der Flucht geführt wird. In diesem Krieg entscheiden die Machthaber*innen auf Grund von diskriminierenden Klassifizierungen wie Herkunft und Hautfarbe der flüchtenden Personen, wer als Mensch gilt und wer systematisch entmenschlicht wird. Und wessen Recht zu leben verteidigt und wem das Recht auf Leben abgesprochen wird.

Get angry, get organised!

https://forensic-architecture.org/investigation/drift-backs-in-the-aegean-sea
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165407.eu-aussengrenze-ausgesetzt-und-weggeschaut.html

Was nun?

“Deportation Alarm”: Ein nützliches Tool, um widerständig gegen Abschiebungen aktiv zu werden

Abschiebungen sind für Fluggesellschaften ein Business. Sie verdienen daran teilweise sehr gut, wie durch die Recherche verschiedener Gruppen und Kollektive, die sich gegen Abschiebungen positionieren, bekannt wurde. Eine davon ist die Gruppe «Deportation Alarm» aus Deutschland. Auf der Website werden einerseits geplante Abschiebeflüge aufgelistet, aber auch durchgeführte Abschiebungen analysiert und nach verschiedenen Kriterien kategorisiert.

2021 wurden alleine in Deutschland 5’484 Personen in mindestens 26 Massenabschiebeflügen ausgeschafft. Das Geld für diese brutale und rassistische Praxis kommt entweder direkt vom deutschen Staat oder von Frontex, welche sich immer stärker auch am Abschiebebusiness beteiligt. Insgesamt kosteten die Ausschaffungen in den Charterflügen 22 Mio. Euro. «Deportation Alarm» hat unter anderem die 18 Airlines herausgefiltert, welche diese Abschiebungen für den deutschen Staat durchgeführt und Geld dafür eingesackt haben.
Die Website von Deportation Alarm ist sehr informativ und bringt etwas mehr Licht ins Dunkle der Abschiebungen, welche vom Staat wenn möglich im Versteckten durchgeführt werden. Im Folgenden ein kleiner Überblick über die Website. Es lohnt sich, diese genauer anzuschauen:

Mapping des Abschiebebusiness
Auf folgender Karte ist dargestellt, von welchen Flughäfen Menschen in welche Länder abgeschoben wurden:

Durch Scrollen über die Karte (auf der Website) wird angezeigt, wieviele Menschen davon betroffen waren und welche Airline involviert war. Zum Beispiel schob Deutschland 2021 167 Menschen nach Afghanistan ab, mit der Airline “Privilege Style”. Trotz der Machtübernahme der Taliban 2021 schob Deutschland im Juni 2021 42 Personen von Leipzig-Halle mit der Airline “Wamos Air” nach Afghanistan ab.

Auflistung der Abschiebeflüge
Sämtliche Charter-Abschiebungen von Deutschland werden hier aufgelistet. Angegeben sind das Datum der Abschiebung, der Flughafen, die Anzahl betroffener Personen, die Kosten und die ausführende Airline. Das (F) zeigt an, ob Deutschland dabei von Frontex unterstützt wurde:

Beteiligte Airlines
Ein wichtiger Teil der Website ist die Bekanntmachung der involvierten Airlines. “Deportation Alarm” will die 18 Airlines öffentlich bekannt machen, welche sich an der rassistischen Abschiebepraxis beteiligen und will diese zur Verantwortung ziehen. Sie fordern sie öffentlich dazu auf, sich nicht länger an Abschiebeflügen zu beteiligen.
In der Tabelle werden alle beteiligten Airlines aufgelistet und angegeben, wieviele Ausschaffungsflüge sie durchführten und wieviel Geld Deutschland und Frontex dafür ausgegeben haben.

Zu jeder Airline gibt es ausserdem weiterführende Informationen, welche dazu genutzt werden können, Druck auf diese Airlines auszuüben und sie anzugreifen.

Solche Informationen, wie sie Deportation Alarm zusammenstellt, sind enorm hilfreich. Sie lassen eine*n vorbereiteter auf geplante Abschiebungen reagieren und sie machen die beteiligten Akteur*innen angreifbar, wodurch der Widerstand gegen Abschiebungen erst richtig möglich wird. Leider fehlen diese wichtigen Informationen in anderen Kontexten weitestgehend. Zum Beispiel sind uns keine solchen Recherche- und Analyse-Projekte aus der Schweiz bekannt, was dazu führt, dass hier viel weniger Widerstand gegen Abschiebungen geleistet wird, da schlicht nicht bekannt ist, wann diese stattfinden, wer diese durchführt und welche Flughäfen betroffen sind. Damit wir uns auch hier effektiver gegen die rassistische Praxis von Zwangsausschaffungen stellen können, wären solche Informationen eine ernorme Hilfe.

https://deportationalarm.com

Wo gabs Widerstand?

Gerechtigkeit für Jamilia

Das Komitee «Gerechtigkeit für Jamilia – Gerechtigkeit für Alle» schreibt einen Offenen Brief bezüglich der Verantwortung der Institutionen am Feminizid von Jamilia und richtet sich damit direkt an das Schweizerische Rote Kreuz, den Migrationsdienst Bern und die Kantonspolizei Bern.

Keine einzige weniger - Plakat in Gedenken an Jamilia.
Keine einzige weniger – Plakat in Gedenken an Jamilia.

Im folgenden der offene Brief in voller Länge:

“In der Nacht vom 23. auf den 24. April 2022 wurde Jamilia, eine Frau geflüchetet aus Afghanistan, Mutter von fünf Kinder, in der Asylunterkunft in Büren an der Aare, Kanton Bern, von ihrem Ehemann erstochen. Mehrere Bewohnende der Unterkunft kamen der Frau und den Kindern zu Hilfe, sie konnten die Kinder aus dem kleinen Schlafzimmer, in dem die ganze Familie schlafen musste, retten. Für Jamilia kam leider jede Hilfe zu spät, obwohl die Bewohnenden umgehend den Notruf riefen. Die Asylunterkunft in Büren an der Aare wird vom SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz) geleitet.

An das SRK und den Migrationsdienst Bern

Die Gewalttätigkeit des Mannes war bereits bekannt. Jamilia hat sich diesbezüglich bereits bei der Unterkunftsleitung gemeldet. Obwohl die Unterkunfts-Verantwortlichen wussten, dass der Mann gegen Jamilia und gegen die Kinder Gewalt anwendet, haben sie nichts unternommen. Es wurden keine Massnahmen getroffen um die Frau und die Kinder zu schützen. Die ganze Familie musste sich ein Zimmer teilen. Jamilia wurde nicht ernst genommen und ihr Leben wurde nicht geschützt. Die Bewohnenden ergriffen in der Nacht des Mordes die Initiative und griffen ein. Doch seit dieser Nacht wurden sie nicht mehr über die Situation informiert, weder wo der Mann ist, was mit den Kinder, die sie gerettet haben, passiert ist noch sonst was zur aktuellen Situation.

Dieser Vorfall ist kein Einzelfall. Es fehlt an Schulungen zum Umgang mit patriarchaler Gewalt der Angestellten und der Verantwortlichen in den Asylunterkünften. Es gibt keine Meldestellen für Betroffene von sexistischem und patriarchalem Verhalten der Angestellten. Es gibt keine frauenspezifische Schutz- und Unterstützungangebote in den Asylcamps. Es werden kaum Informationen zu externen Beratungsstellen und Unterstützungsangeboten bereit gestellt.

Wir fragen:

  • Welche Schritte wurden unternommen, sobald bekannt war, dass der Mann gewalttätig ist?
  • Was für Prozesse gibt es für Fälle von patriarchaler Gewalt in einer Asylunterkunft?
  • Inwiefern werden die Angestellten für solche Situationen geschult?
  • Wieso musste die ganze Familie weiterhin in einem Zimmer unterkommen? Wieso wurde die Frau und die Kinder nicht geschützt?
  • Welche Massnahmen werden ergriffen, damit dies der letzte Feminizid in einer Asylunterkunft ist?
  • Wieso wurden die Bewohnenden nicht weiter informiert?

Wir fordern:

  • Sofortige Bereitstellung von Informationen zu externen Unterstützungsangeboten und Anlaufstellen bei patriarchaler Gewalt. In allen Asylunterkünften und in verschiedenen Sprachen.
  • systematische und regelmässige Informationsarbeit durch Fachstellen wie z.B Lantana, FIZ oder Brava
  • Erarbeitung eines Leitfadens und Prozessen für Fälle von patriarchaler Gewalt und Feminiziden
  • aktive Information zum Thema patriarchale Gewalt in den Asylzentren (mindestens Plakate in verschiedenen Sprachen und Kontakte zu Fachstellen, Erarbeitung der Plakate in Absprache mit einer Fachstelle)
  • externe Meldestelle für Beschwerden gegen die Asylleitung und die Angestellten
  • Zugang der Zivilgesellschaft zu den Lagern, zum Beipiel durch die Gruppe ‹Stop Isolation›
  • diese Punkte sollen Bedingungen werden in allen Mandaten zur Arbeit mit Geflüchteten (ORS, Rotes Kreuz etc.)

An die Kantonspolizei Bern

Die Bewohnenden riefen umgehend der Notrufnummer, trotzdem dauerte es mind. 20 Minuten, bis die Polizei eintraf und fast 45 Miunten bis die Ambulanz kam. Als die Polizei ankam wurden erste Hilfe Massnahmen angewedet, der Tod von Jamilia konnte aber nicht mehr verhindert werden. Die Polizei verhielt sich unsensibel, sie führten den Mann vor den Augen der Kinder ab, die dann durch Bewohnende betreut wurden. Der Mann wurde ohne Handschellen abgeführt und konnte dabei seine hässliche Tat noch mit Beschimpfungen gegen Jamilia erklären. Die Polizei machte den Anschein, dass sie Verständnis mit ihm haben.

Noch am selben Morgen wurden die Menschen, die in das Zimmer von Jamilia gingen, auf dem Polizeiposten verhört und Teils DNA-Proben abgenommen, dabei kümmerte sich die Polizei nicht um Übersetzungen, im Gegenteil, sie verhielten sich respektlos und rassistisch gegen die Bewohnende aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse. Später konnte eine Person von ‹Stop Isolation›, die zum Camp fuhr um die Bewohnenden zu unterstützen eine Übersetzung für einen Teil der Bewohnenden gewährleisten.

Das Verhalten der Polizei und die Verspätung, die sie hatten, ist strukturell. Immer wieder werden Menschen in den Asylzentren nicht ernst genommen, rassistische Kontrollen, Opferumkehr und unrespektvoller Umgang stehen an der Tagesordnung.

Wir fragen:

  • Wieso hatten die Polizei und die Ambulanz so lange um an diesen Notfall zu fahren?
  • Wieso kümmert sich die Polizei nicht um Übersetzungen, speziell in einer solch traumatischen, extremen Situation?
  • Wieso wurden die Bewohnenden, die die Kinder retteten und die einzigen waren, die in der Situation handelten, massiv respektlos behandelt?
  • Wieso dauerte die Opfermeldung durch die Polizei bei der Opferhilfe mehrere Tage, wenn nicht Wochen, wodurch eine kompetente Betreuung und Begleitung der Kinder massiv erschwert wurde?
  • Was wird gegen rassistisches und sexistisches Verhalten in der Polizei unternommen?
  • Was wird dagegen unternommen, dass Notfälle von Bewohnenden in Asylunterkünften nicht ernst genommen werden?

Die Asylpolitik ist grundlegend menschenverachtend und rassistisch und setzt Menschen, im speziellen Frauen, trans und queere Menschen, gewaltvollen Situationen aus. Es schützt Menschen mit Gewalterfahrungen nicht, geschlechterspezifische Fluchtgründe werden kaum anerkannt. Es gibt massive strukturelle Probleme im Asylsystem und es wird auf den Schultern der geflüchteten, migrierten Menschen gespart und profitiert. Diese Politik muss enden. Es braucht grundlegende Veränderungen und ein Umdenken. Die Forderungen in diesem Text sind nur ein kleiner Schritt, dieser ist jedoch dringend notwendig und sofort umzusetzten um weiteren Feminiziden und Gewalterfahrungen möglichst vorzubeugen.”

https://ocf-ogf.ch/de/aktuelles/

Was steht an?

 
Demonstration – NoFides
14.08.22 I 15:00 I Schützenmatte Bern
Zum Auftakt der diesjährigen «Fides» werden wir am Sonntag dem 14. August unsere unterschiedlichen Betroffenheiten und unsere Kritik an Staat, Polizei und Militär auf die Strasse tragen. Die Einschränkungen durch die repressiven Staatsorgane in unserem Altag sind massiv und der Erhalt der strukturellen Machtverhältnisse scheint durch den Schutz der besagten Institutionen schwer angreifbar. Doch das hindert uns nicht, den Staat als Institution und seine gewaltausübenden Organe grundlegend zu kritisieren. Und es hindert uns auch nicht daran, uns gegen die Delegitimierung von uns, unseren Gedanken und unserer Kämpfe zu wehren. Kein Staat, keine Polizei und kein Militär dieser Welt kann unsere Ideen von einer repressions- und gewaltfreien Gesellschaft ohne Diskriminierung und Unterdrückung aufhalten.
https://barrikade.info/article/5277

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

bordermonitoring.eu – Update Bulgarien
Bereits seit zehn Jahren dokumentiert der Blog Bordermonitoring Bulgaria die Situation von Geflüchteten in Bulgarien. Der letzte ausführliche Länderbericht erschien im Jahr 2020 unter dem Titel Get out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
https://bordermonitoring.eu/bulgarien/2022/07/update-bulgarien/?fbclid=IwAR2D_sKVgoCGUZ2wOOvI0I9DJyKBSu_P_8XKuNbevuNOPveKy2q_RuDB4ZQ-neue-episo

Häuserbesetzung: Das Kollektiv ist weg, die Enttäuschung bleibt
Das ehemalige Altersheim im Oberen Ried steht wieder leer: Die Polizei hat das Haus geräumt, das vom Kollektiv SoliBielBienne besetzt worden war.
ajour.ch, 15.07.2022, Volltext abrufbar unter https://antira.org/2022/07/16/medienspiegel-15-juli-2022/#more-10400
 
nazifrei.ch – Zwischenbilanz Juli 2022
Ende März ist diese Seite mit der Ankündigung gestartet, jede Woche einen Nazi der Jungen Tat zu outen, bis ihr gesamtes Netzwerk offengelegt ist. Heute sind auf nazifrei.ch 20 Mitglieder und enge Unterstützer:innen verzeichnet. Das entspricht noch nicht dem ganzen Sumpf der Jungen Tat. Aber es ist Zeit für eine Zwischenbilanz.
https://nazifrei.ch/post/zwischenbillanz-juli-22/
 
Im Flüchtlingsgefängnis von Białystok
In Polen werden Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen und ein Recht auf Schutz haben, ebenso inhaftiert wie Menschen, die in ihre Heimat abgeschoben werden sollen. Sie sind oft monatelang hinter Gittern. Meral Zeller und Elisa Rheinheimer von PRO ASYL haben ein solches Gefängnis im Osten des Landes besucht.
https://www.proasyl.de/news/im-fluechtlingsgefaengnis-von-bialystok/