KillErdogan, NoFrontex, 500K

In Bern wurden kistenweise Unterschriften gegen Frontex eingereicht
  • GB: Asylcamps auf Militärgeländen, illegale Altersbeurteilungen, militärische Überwachung des Ärmelkanals 
  • Unterlassene Seenotrettung endet auch diese Woche im Tod von dutzenden Menschen
  • Bern: Das neue Asylgesetz führt in die Katastrophe
  • Start des «Kill Erdogan»-Prozesses
  • Wie der deutsche Staat die Ausschaffung von queeren Menschen rechtfertigt
  • Vergleich: Regularisierung von Sans-Papiers in Irland und in der Schweiz
  • Studie zu Umweltrassismus veröffentlicht: eine Zusammenfassung
  • Kopf der Woche: Fabrice Leggeri
  • Geschafft: Über 62’000 Unterschriften gegen Frontex gesammelt
  • Auch geschafft: Kampagne 500k hat eine halbe Million Franken gesammelt
  • Afghanistan: Jetzt Asylfolgegesuche einreichen
  • Menschen auf der Flucht im bosnischen Winter unterstützen
  • Solidarische Stimmen erkämpfen Bleibrecht einer Familie im Tessin
  • Neue wochenschau-Kategorie: Was schreiben andere?

Was ist neu?

GB: Asylcamps auf Militärgeländen, illegale Altersbeurteilungen, militärische Überwachung des Ärmelkanals 

Die neuesten Veränderungen in der britischen Migrationspolitik sind ein peinlicher Versuch vom britischen Premierminister Boris Johnson und der Innenministerin Priti Patel, an der Macht zu bleiben. Ein Machtkampf, ausgetragen auf dem Rücken von Menschen auf der Flucht.

1. Es sollen bis zu 30’000 Menschen in vorübergehenden Asylcamps auf britischem Militärgelände untergebracht werden. Diese neuen Camps seien vor allem günstiger als die bisherigen Unterkünfte und sollen auch eine abschreckende Wirkung auf Menschen auf der Flucht ausüben. Des Weiteren nehmen die Pläne, Asyllager in Ruanda, Nigeria und Off-Shore zu bauen, sodass Menschen dort auf ihren Asylbescheid aus Grossbritannien warten, mehr und mehr Form an. Diese Externalisierung der Grenze und des Asylprozesses ist eine gefährliche und weit verbreitete Entwicklung in der rassistischen europäischen Migrationspolitik.
2. Auch, dass das Militär in Zukunft für den Ärmelkanal zuständig sein wird, ist eine weitere machoide Geste der britischen Regierung und sendet deutliche Signale. Zwar behauptet ein Sprecher der Marine, dass sie die von der Regierung vorgesehene ‚Pushback Policy‘ nicht durchführen werde, da solche Zurückdrängungsmanöver illegal seien, aber wie man z.B. an der griechischen Küstenwache sieht, spiegeln die Worte von Pressesprecher*innen nicht unbedingt die Praxis auf See wieder. Die britische Regierung hat sich zwar auch gegen den Einsatz von Schallwaffen entschieden, die gegen Menschen auf der Flucht bei der Überquerung des Ärmelkanals eingesetzt hätten werden sollen und die z.B. Reaktionen wie Erbrechen hervorrufen können, aber alleine, dass sie den Einsatz dieser Waffen in Betracht gezogen haben, macht die Position der Regierung einmal mehr deutlich. Ausserdem wurde dem Einsatz von Überwachungsdrohnen über dem Ärmelkanal stattgegeben.
3. Eine weitere menschenverachtende Praxis der britischen Regierung für Menschen, die sich ins Asylverfahren begeben, wurde letzte Woche vom High Court (Hohes Gericht in Grossbritannien) für rechtswidrig erklärt: Die Altersbeurteilung von jungen Menschen auf der Flucht. Diese erfolgte nämlich meistens direkt nach deren Ankunft und dauerte höchstens eine Stunde. Zudem wurden die Menschen für die Beurteilung in Gewahrsam genommen und es stand ihnen keine geeignete Person bei, die sie dabei unterstützen konnte. Der Richter urteilte, es fehle „an wesentlichen Schutzmassnahmen.“ Immer wieder kam es zu Fehleinschätzungen der Minderjährigen und sie mussten sich Zimmer und sogar Betten mit Erwachsenen teilen. Auch wenn wir von antira.org der Meinung sind, dass Menschen unabhängig von ihrem Alter ein Recht auf Asyl haben, sind die Folgen dieser Altersbeurteilungen trotzdem gravierend.
4. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund des ersten Todesopfers im Ärmelkanal im Jahr 2022. Ein junger Sudanese starb bei der Überfahrt von Frankreich nach Grossbritannien, vor der Küste von Berck im französischen Departement Pas-de-Calais. Die restlichen 32 Menschen an Bord des Bootes wurden in einem Zustand der Unterkühlung zurück nach Frankreich gebracht.

https://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/asylum-age-assessments-children-home-office-high-court-uk-b1996272.html
https://www.dailymail.co.uk/news/article-10420327/Army-build-camps-house-30-000-migrants-MoD-stop-releasing-daily-crossing-figures.html?ito=social-twitter_dailymailUK
https://www.theguardian.com/world/2022/jan/17/military-to-be-used-to-stem-channel-crossings-as-johnson-seeks-to-stay-pm
https://www.rainews.it/articoli/2022/01/nuovo-dramma-nella-manica-muore-migrante-di-20-anni-ebfada0f-e2f1-4f81-9786-13ca7a437140.html

Unterlassene Seenotrettung endet auch diese Woche im Tod von dutzenden Menschen

Einmal mehr haben die europäischen Behörden diese Woche in mindestens zwei Seenotfällen die Hilfeleistung verweigert oder an die libysche Küstenwache delegiert. Dies führte zum Tod unzähliger Menschen, viele werden weiterhin vermisst.

Bild: “Heute Morgen entdeckten wir ein leeres Boot. Was mit den Passagieren passiert ist, bleibt unbekannt. So sieht die europäische Außengrenze aus.” (MV Louise Michel)

Das zivile Seenotrettungboot MV Louise Michel wurde letzte Woche via Alarmphone über ein Boot in Seenot im Mittelmeer alarmiert. Als die Louise Michel dort ankam, war die sog. libysche Küstenwache bereits dabei, das Boot anzugreifen: Sie fingen es ab und wollten die Menschen zurück nach Libyen schleppen. Als eine Person ins Wasser sprang, eröffnete die sogenannte libysche Küstenwache das Feuer. Es bleibt unklar, ob die Person getroffen wurde. Zuvor hatte die Crew der Louise Michel bereits ein leeres Boot entdeckt, von welchem ebenfalls unbekannt ist, wo sich die Menschen befinden. Was wir aber wissen: Die EU hat diese sogenannte libysche Küstenwache finanziert und ausgebildet. Sie hat sie mit Material ausgestattet und sie hat ihr damit indirekt den Auftrag gegeben, genau solche Manöver durchzuführen. So auch letzten Monat wieder. Italien hat mit Unterstützung der EU mobile Überwachungstechniken im Wert von 61 Millionen Euro an die sog. libysche Küstenwache verschenkt (s. https://antira.org/2021/12/19/libysche-kuestenwache-baut-aus-daenemark-lagert-aus-bern-zahlt-aus/). Damit kann diese noch effektiver solche brutalen Manöver ausüben, direkt finanziert und unterstützt von der EU. Es ist nicht das erste Mal, dass Schüsse wie diese von der libyschen Küstenwache beobachtet werden.
In einem weiteren Seenotfall sind vor der marokkanischen Küste mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen. Ihr Tod ist politisch gewollt oder wird von der EU jedenfalls kaltblütig in Kauf genommen, um ihre Abschottungsstrategie zu fahren. Denn obwohl der Seenotfall bereits seit den frühen Morgenstunden am Sonntag bekannt war, und die marokkanischen Behörden seit 6:30 Uhr die letzte Position des Bootes kannten, wurde erst um die Mittagszeit eine Rettung eingeleitet. Erst um 18:00 Uhr  wurden die wenigen Überlebenden gerettet. Unte den 43 Toten seien drei Babys gewesen.

https://www.facebook.com/646977102422556/posts/1381329188987340/?d=nhttps://www.facebook.com/638992883139565/posts/1559558557749655/?d=nhttps://www.europapress.es/sociedad/noticia-naufragio-aguas-marroquies-deja-dos-muertos-mas-40-personas-desaparecidas-20220117092819.htmlhttps://www.elperiodico.com/es/sociedad/20220116/rescatadas-docena-personas-patera-rumbo-cadiz-13105451?fbclid=IwAR3dk-ApLwEGYq-Ku0fm7d-Q_xU-3-vmuB14sqt8vu_Rh0yBQgH8BiGVVLohttps://www.facebook.com/646977102422556/posts/1382083718911887/?d=n

Was geht ab beim Staat?

Bern: Das neue Asylgesetz führt in die Katastrophe

Das neue Asylgesetz im Kanton Bern soll geflüchtete Menschen effizienter verwalten. Fehlende Übersetzer*innen, keine Sprachkurse und unbezahlte Rechnungen sind die Folgen. Und die profitorientierte ORS verdient weiterhin am Schicksal der Geflüchteten.

Bild: Bereits in der Vergangenheit gab es Proteste gegen die ORS #ShutDownORS

Im Juli 2020 traten für anerkannte Geflüchtete im Kanton Bern neue Regeln in Kraft. Die «Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs» ist eine Katastrophe. Neu hat die gewinnorientierte ORS Service AG einen Grossteil der Aufträge erhalten, die früher Organisationen wie die Heilsarmee oder Caritas ausführten. Die ORS steht seit Jahren in der Kritik für die miserablen Zustände, welche in den von ihr betreuten Asylunterkünften herrschen. Mit der Kampagne #ShutDownORS wurde in der Vergangenheit bereits versucht, die Behörden dazu zu bringen, Verträge mit der ORS aufzulösen. Doch im Neoliberalismus ist selbst die Unterbringung und Betreuung von geflüchteten Menschen zu einem Markt geworden, mit dem sich Rendite erzielen lässt.

Durch die Neustrukturierung haben auch diverse, von Geflüchteten und Asylorganisationen sehr geschätzte, Beschäftigungsprogramme und Brückenangebote ihre Aufträge verloren. Diese verbanden oft die Integration in den Arbeitsmarkt mit dem Erlernen der Sprache in einem praktischen Umfeld und boten zudem die Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Dass solche Programme nicht mehr berücksichtigt werden, ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Staat, in diesem Falle der Kanton Bern, geflüchtete Menschen gar nicht umfänglich integrieren möchte, solange noch die Möglichkeit besteht, dass diese keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Die Berner Zeitung hat mit zwei Gruppen geflüchteter Menschen im Emmental und Oberaargau Interviews geführt. Drei Probleme treten besonders hervor. Zum ersten fehlen qualifizierte Dolmetscher*innen, welche bei Behördenterminen, Bewerbungen und Gesprächen mit der ORS übersetzen. Zweitens bleiben viele Menschen auf Rechnungen für Arbeitsmaterialien, private Sprachkurse oder ÖV-Tickets sitzen, welche die ORS nicht übernimmt. Und drittens fehlen kostenlose Sprachkurse. Die Neustrukturierung sieht in der Theorie vor, dass Geflüchtete in ihrem früheren Berufsfeld arbeiten sollen. In der Praxis ist dies aber utopisch, wenn Diplome aus den Heimatländern nicht anerkannt werden und die Menschen gar keine Chance erhalten, die Sprache richtig zu lernen.

Das Ganze ist ein Teufelskreis, der am Ende nur Verlierer*innen hervorbringen wird. Der Spardruck und die Quotenvorgaben von oben führt zu schlechteren und zu wenig an die individuellen Bedürfnisse angepassten Angeboten für die Geflüchteten. Der Kanton Bern gibt vor, dass 50% der erwachsenen Geflüchteten innert sieben Jahren nach der Einreise «nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt integriert» sein müssen. Die regionalen Partner sind so gezwungen, möglichst viele Personen schnell in den Arbeitsmarkt zu pressen. Doch ohne die nötigen Sprachkurse und gezielte Betreuung finden die meisten, wenn überhaupt, nur Billiglohnjobs im Reinigungsbereich. Und wer langfristig Sozialhilfe bezieht, schwebt in dauernder Gefahr, ausgewiesen zu werden.

Die Neustrukturierung im Kanton Bern zeigt auch das Zusammenspiel von Rassismus und Kapitalismus in seiner besten Form: Wer zu viel kostet und der Wirtschaft zu wenig Ertrag bringt, ist der oder die schlechte Ausländer*in. Im Emmental wie im Oberaargau versuchen sich die Betroffenen zu wehren. Sie machen ihre Lage publik, schreiben Briefe an das kantonale Amt für Integration und Soziales. Dass zivilgesellschaftliche Angebote für das Versagen des Staates und der Kantone in die Bresche springen, ist kurzfristig für die Betroffenen oft die einzige Hilfe. Doch dabei darf es nicht bleiben. Umso wichtiger ist es darum, die Strukturen in den Blick zu nehmen und das ausbeuterische, kapitalistische, neoliberale und rassistische System in seiner Gesamtheit zu bekämpfen.

Start des «Kill Erdogan»-Prozesses

Diese Woche begann in Bern, nunmehr fünf Jahre nach dem fraglichen Ereignis, der sogenannte «Kill Erdogan»-Prozess. Anstatt jedoch – wie geplant – innert zwei Tagen mit einem erstinstanzlichen Urteil zu enden, konnte bis zum Ende des zweiten Prozesstages am Mittwoch 19. Januar 2022 erst das Beweismittelverfahren abgeschlossen werden. Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie die Urteilseröffnung werden am 2. und 9. März 2022 erwartet.

Das Kill-Erdogan-Transparent wurde 2017 bei einer Demonstration in Bern gegen die Politik Erdogans mitgeführt. Kurz nach der Demonstration ging das Bild des Transparentes mit dem Spruch «Kill Erdogan with his own weapons» um die Welt und wurde in den türkischen Medien aufgegriffen. Erdogan nutzte das Banner in seinem Wahlkampf und forderte die Schweiz auf, Schuldige zu finden und diese zu internieren. Es gab mehrmalige Telefonate zwischen dem türkischen und dem schweizer Botschafter und auch das EDA (Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten) brachte sich ein und führte Telefonate mit der Berner Staatsanwaltschaft. Am 18. und 19. Januar fand nun der Prozess gegen die vier angeklagten Personen statt.
Die Verwendung dieses Prozesses als Propagandamittel für die türkische Regierung wurde bereits am ersten Verhandlungstag klar sichtbar. Das Gericht hatte über einen Antrag der Verteidigung zum Ausschluss eines Mitarbeiters der Nachrichtenagentur Anadolu zu befinden, einem Propaganda-Blatt von Erdogans Partei AKP. Der angebliche Journalist bezeichnete die Angeklagten als Terrorist*innen und forderte ihre «Internierung». Das Gericht vertagte die Entscheidung; verwarnten ihn zwar, schloss ihn jedoch nicht aus – ein Ausschluss hätte vermutlich die Spannungen mit der Türkei wieder verschärft.
Der zweite Verhandlungstag begann mit der Befragung einer, durch die Verteidigung aufgebotene, Zeugnisperson. Die Person erzählte vor dem Gericht von ihren Erfahrungen mit der türkischen Regierung. Sie ist eine Überlebende des Suruc-Attentates, einem Bombenattentat in der kurdischen Stadt Suruc in der Türkei im Jahr 2015. Bei diesem Attentat wurden die Rettungskräfte durch die türkische Polizei behindert und es starben über 30, mehrheitlich jugendliche Menschen. Erschwert wurde diese Einvernahme dadurch, dass sich der beigezogene Übersetzer der Zeugnisperson gegenüber eher herablassend verhielt und deren Aussagen oft verkürzt oder gar inkorrekt übersetzte. Erst als die Zeugnisperson sich dagegen wehrte, gab sich der Übersetzer mehr Mühe.
Den beschuldigten Personen war es in erster Linie ein Anliegen, auf den politischen Kontext aufmerksam zu machen und sie verweigerten Aussagen zu den konkreten Vorwürfen. Die erste angeklagte Person erwähnte dabei vor allem das völkermörderische Verhalten der faschistischen türkischen Regierung – etwa durch den Angriffskrieg in Nordsyrien, Giftgaseinsätze auch gegen die Zivilbevölkerung, die jahrzehntelange Inhaftierung vermeintlicher politischer Gegner*innen oder die Unterdrückung der kurdischen Sprache sowie weitere Formen der ethnischen Säuberung – und widmete den Ermordeten dieser Politik eine Schweigeminute, der alle Angeklagten, Besuchenden und einige Journalist*innen folgten. Ausserdem verwies die beschuldigte Person darauf, dass die Schweiz als wichtiger Investor in der Türkei ein grosses Interesse an einer guten Beziehung zu deren Regierung hat und dafür die Augen vor jeglichen Verbrechen verschliesse. Eine weitere Person fokussierte auf die sexistische und frauenfeindliche Politik der AKP – etwa durch Kündigung der Istanbul-Konvention, die Senkung des Heiratsalters oder die Entkriminalisierung von Vergewaltigungen – während eine weitere angeklagte Person versuchte, anhand des Bauprojekts für den Istanbul-Kanal auf die klimaschädlichen Auswirkungen der türkischen Politik einzugehen. Der Richter reagierte jedoch zunehmend ungehalten und begann die Angeklagten immer häufiger zu unterbrechen. Dies endete erst, als die Verteidigung bei der letzten Einvernahme darauf hinwies, dass sich die angeklagte Person gerade zu Punkten äussere, die sich auf konkrete Aktenstücke beziehen und dies deshalb nicht als sachfremd abgebrochen werden könne. Das Beweisverfahren endete schliesslich wieder mit der Frage nach der Einmischung der türkischen Regierung in dieses Verfahren. Die Angeklagten machten darauf aufmerksam, dass Polizei und Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren kaum Interesse an diesem Prozess zeigten und nur aufgrund politischen Druckes überhaupt vor Gericht stünden.
Trotz den Versuchen des Richters, die politische Ebene des Prozesses auszublenden und als isolierte Frage zu betrachten, liessen sich die Angeklagten und deren Verteidigung nicht beeindrucken und konnten den Inhalt der Verhandlung bisher weitestgehend dominieren. Am 2. März wird es mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung weitergehen und das Urteil wird am 9. März erwartet. Auch bei diesen Verhandlungstagen kann wieder mit einem Rahmenprogramm gerechnet werden, bei dem die Politik der Türkei, die Verwicklungen der Schweiz und der Widerstand gegen den türkischen Faschismus aufgegriffen und kritisiert werden. Auf der Webseite killerdoganprozess.ch wird laufend informiert.

https://killerdoganprozess.ch/https://www.lora.ch/aktuell/907-kill-erdogan-prozesshttps://www.megafon.ch/aktuelles/ein-prozess-auf-druck-der-tuerkischen-regierung/

Was ist aufgefallen?

Wie der deutsche Staat die Ausschaffung von queeren Menschen rechtfertigt

Immer wieder werden queere Menschen mit Verweis auf die Möglichkeit eines ungeouteten, und damit vermeintlich sicheren, Lebens abgeschoben. Eine Praxis, die gegen geltende Rechtsprechung verstösst und die Queerfeindlichkeit des rassistischen Asylsystems aufs Neue aufzeigt.

Die Genfer Flüchtlingskonvention hält fest, dass alle, «die aufgrund ihrer [race], Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe begründete Furcht vor Verfolgung haben», als geflüchtete Person geschützt werden müssen. Sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sind ein gemeinsames Merkmal einer solchen «bestimmten sozialen Gruppe». Die Genfer Flüchtlingskonvention hält also fest: Queere Menschen haben ein Bleiberecht.
Dass es in der Realität wieder einmal anders aussieht, zeigt sich tagtäglich am Umgang des deutschen Staates mit queeren Geflüchteten und aktuell an der Kritik des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). Immer wieder werden queere Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben, wo ihnen Verfolgung und Gewalt droht. Um die Ausschaffungen zu rechtfertigen – in einer staatlichen Logik, grundsätzlich sind Ausschaffungen nie gerechtfertigt – argumentieren die Behörden, dass queere Menschen ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in ihren Heimatländern heimlich ausleben könnten und dann nicht verfolgt würden.
Diese Praxis wäre nach heutigem Rechtsstand nicht erlaubt: Der Europäische Gerichtshof hat bereits 2013 entschieden, dass von Geflüchteten nicht erwartet werden könne, dass sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung üben, um eine Verfolgung zu vermeiden.
Trotzdem liegen dem LSVD 70 negative Asylentscheide vor, bei denen das Gericht ein ungeoutetes Leben zur Grundlage genommen hat, um die Verfolgungswahrscheinlichkeit bei Rückkehr zu beurteilen. 2021 wurden diese dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Überprüfung vorgelegt.
Es sind nicht nur die Asylentscheide, bei denen queere Personen zusätzliche Unterdrückung erfahren. Auch die vorangehenden Interviews und Befragungen funktionieren rassistisch und queerfeindlich. So müssen queere Personen ihre sexuelle Orientierung bzw. geschlechtliche Identität glaubhaft vortragen. Richter*innen und Behörden entscheiden darüber, wie queere Menschen zu sein haben und urteilen nach ihren stereotypen Vorstellungen.

https://www.lsvd.de/de/ct/6009-Asylrecht-Bei-homo-und-bisexuellen-Gefluechteten-darf-nicht-von-diskretem-Leben-ausgegangen-werden
https://www.queer.de/detail.php?article_id=40943

Vergleich: Regularisierung von Sans-Papiers in Irland und in der Schweiz

Ab Ende Januar bis Ende Juli 2022 können Sans-Papiers in Irland eine Regularisierung beantragen. Wie so oft gibt es aber Kriterien, die erfüllt sein müssen. Im Vergleich zur Schweiz sind diese weniger ausschliessend. Ein Vergleich.

Bild: 2008 haben rund 150 Sans-Papiers die Predigerkirche in Zürich besetzt, um die kollektive Regularisierung zu fordern.
 

Im Vergleich zur Härtefallpraxis der Schweiz sind die Kriterien, die Menschen in Irland erfüllen müssen, weniger strikt. Verlangt wird (1) ein illegalisierter Aufenthalt von mindestens vier Jahren bzw. drei Jahren für Familien mit Kindern. In der Schweiz sind es 10 Jahre und etwas weniger für Familien mit Kindern. (2) In Irland können alle Sans-Papiers eine Regularisierung beantragen. In der Schweiz gibt es nur Härtefalllösungen für Sans-Papiers, die sich entweder all die Jahre in Asylcamps aus Sicht der Behörden “verfügbar” zeigten, um abgeschoben zu werden oder Sans-Papiers, die nie Asyl beantragt haben. Untergetauchte abgewiesene Asylsuchende haben in der Schweiz grundsätzlich keine Chance auf eine Härtefallregularisierung. (3) In der Schweiz werden Härtefallgesuche nur geprüft, wenn die Sans-Papiers einen gültigen Pass des Herkunftsstaats vorlegen. Das ist für viele unmöglich oder zu riskant. In Irland akzeptieren die Behörden Kopien oder Originale eines Reisepasses, Reisedokuments, Führerscheins usw. und dies unabhängig davon, ob das Dokument noch gültig ist oder abgelaufen. (4) In der Schweiz werden für die Härtefallgesuche noch Stellengarantien, Sprachkenntnisse eines gewissen Niveus und die Integration in die Dominanzgesellschaft verlangt. Darauf wird in Irland verzichtet. Zudem müssen Sans-Papiers auch nicht nachweisen, dass sie über ein bestimmtes Einkommen oder Ersparnisse verfügen und schuldenfrei sind.

In der Schweiz fanden fast nie grössere Regularisierungsprogramme statt. Das letzte bildete die „Humanitäre Aktion 2000“ vor über zwanzig Jahren. Dieses Frühjahr wird im Parlament jedoch eine Motion der Mitte-Fraktion behandelt. Vorgeschlagen wird, abgewiesene Personen aus sogenannten „altrechtlichen Asylverfahren“ zu regularisieren. Personen also, die vor der Einführung der beschleunigten Asylverfahren in den Bundesasylcamps abgewiesen wurden. Das sind Personen, die ihre Asylanträge vor dem 28. Februar 2019 eingereicht haben. 2019 betraf dies gemäss SEM über 3’000 Personen.

Regularisierungsprogramme wie in Irland dürften es leichter machen, auch in der Schweiz vermehrt kollektive Regularisierungen durchzusetzten.

https://www.infomigrants.net/en/post/36989/ireland-new-scheme-to-regularize-undocumented-migrantshttps://www.citizensinformation.ie/en/moving_country/moving_to_ireland/rights_of_residence_in_ireland/permission_to_remain_for_undocumented_noneea_nationals_in_ireland.htmlhttps://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2000/2000-03-010.htmlhttps://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20213187

Studie zu Umweltrassismus veröffentlicht: eine Zusammenfassung

Im November 2021 wurde die Kurzstudie ‘Der Elefant im Raum – Umweltrassismus in Deutschland’ von Imeh Ituen und Lisa Tatu Hey veröffentlicht. Der Begriff Umweltrassismus wurde erstmals 1994 vom Soziologen und Aktivisten Robert Bullard als «jede Politik, Praxis oder Richtlinie, die (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) Einzelpersonen, Gruppen oder Gemeinschaften aufgrund von ‹race› oder Hautfarbe benachteiligt» definiert. Die Umweltgerechtigkeitsbewegung hatte seinen Ursprung aber schon früher: Spätestens Anfang der 80er-Jahre in den USA, als die Schwarze Bevölkerung in Afton, North Carolina, jahrelang gegen den Bau einer Giftmülldeponie protestierte, die dann trotzdem gebaut wurde. Und das vor dem Hintergrund, dass dem vorangegangenen Protest der weissen Bevölkerung gegen den Bau der Deponie in einer mehrheitlich weissen Nachbarschaft stattgegeben worden war und diese Auslagerung erst hervorgerufen hatte.

Bild: Protest gegen die PCB-Deponie in Afton, North Carolina, September 1982.
 
 
 


Die Studie von Ituen und Hey beschäftigt sich also mit der ungleichen Verteilung von Umweltgütern (z.B. Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung) und der ungleichen Aussetzung gegenüber Umweltbelastungen aufgrund von Rassismus bzw. der mit Rassismus einhergehenden Verdrängung in Gegenden mit hoher Umweltbelastung. Ituen und Hey benennen auch die fehlenden Studien zu Umweltrassimus und die lückenhafte Datenerhebung dazu in Europa. Gerade den Faktor, dass sich Umweltungerechtigkeit in europäischer Forschung vor allem auf Einkommensungleichheiten konzentriert und weniger auf Aspekte wie Rassismuserfahrung und Migrationsgeschichte, heben sie hervor. Obwohl sie auch betonen: „Unterdrückungsdimensionen wie Rassismus und Klassismus überschneiden sich häufig und verstärken somit die ungleiche Verteilung von Umweltrisiken und -gütern zu Lasten mehrfach marginalisierter Bevölkerungsgruppen.“
Erhöhte Umweltbelastung im Arbeits- und Wohnumfeld ist nach wie vor einer der Gründe für die Unterschiede in der durchschnittlichen Lebenserwartung von weissen und Schwarzen Menschen. So wird in der Publikation z.B. eine Studie erwähnt, wonach der Anteil von Menschen mit Rassismuserfahrung und Migrationsgeschichte in einem Wohnviertel jene Variable ist, welche die grösste Vorhersagekraft für die Nähe zu toxischen Stoffen darstellt.
Zwei Studien über die Lebensbedingungen von Sinti*zze und Rom*nja in Europa heben dies besonders hervor: ‘Pushed to the Wastelands – Environmental Racism against Roma Communities in Central and Eastern Europe’ zeigt auf, dass Umweltrassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja ein strukturelles und weit verbreitetes Problem ist. Mehrere Beispiele werden genannt, in denen deutsche Städte Grundstücke an Sinti*zze und Rom*nja vergaben, welche ehemalige Mülldeponien oder Industriegrundstücke waren und die dementsprechend mit toxischen Substanzen verseucht waren. Und dabei wurde dieses Problem bereits in den 80ern aus der Community heraus benannt. Romani Rose erwähnte in einer Publikation des ‚Zentralrats Deutscher Sinti und Roma‘ über die Wohnungspolitik in Darmstadt, die Verdrängung von Sinti*zze und Rom*nja an den Stadtrand «neben Müllkippe, Kläranlage, Rattenlöcher und Autobahnzubringer». Einhergehend mit den rassistischen Strukturen wurde ihm jedoch kaum Gehör geschenkt.
Und zusätzlich zu der bereits vorherrschenden Umweltungerechtigkeit benennen Ituen und Hey den Klimawandel als sog. ‘Bedrohungsmultiplikator’, da er laut Weltklimarat (IPCC) Personen, «die sozial, wirtschaftlich, kulturell, politisch, institutionell oder anderweitig marginalisiert sind, besonders vulnerabel (…)» macht.
BIPoC-Gruppen wie Klima del Sol, Mavun, Bloque Latinamericano und Black Earth betrachten die Umwelt- und Klimakrise im Zusammenhang von Kolonialität, (Umwelt-) Rassismus und anderen Unterdrückungsdimensionen holistisch. Und diese Betrachtungsweise muss von Forschung, Stadtplanung, Politik und Zivilgesellschaft übernommen werden. Umweltgerechtigkeit jetzt!

 

Kopf der Woche

Fabrice Leggeri

Das griechische Migrationsministerium möchte Frontexdirektor Fabrice Leggeri für seine “Verdienste” bei der “Bewältigung der Migrationskrise” ehren. Das ist eine entlarvende Entscheidung der griechischen Regierung, denn Leggeri hat die Abgeordneten in der Frontex-Untersuchungsgruppe mehrfach belogen und die Untersuchung von schweren Menschenrechtsverletzungen verhindert. Er kriegt den Preis wohl vor allem dafür, dass er eine umfassende Untersuchung der griechischen Pushbacks verhinderte.

Bild: Frontex Direktor Fabrice Leggeri will von illegalen Pushbacks nichts gewusst haben.

Denn das EU-Parlament hat in ihrer Untersuchung klar festgestellt, dass Frontex es versäumt hat, Hinweise auf mögliche Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die EU-Grenzschutzagentur hat Beweise dafür “übersehen”, dass Migrant*innen an den EU-Grenzen illegal abgewiesen werden – ein Versäumnis, das Migrant*innen zukünftigen Verletzungen ihrer Grundrechte aussetzt, so ein Bericht des Europäischen Parlaments. Solche Pushbacks fanden auch an der griechischen EU-Aussengrenze statt, insbesondere am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros (die Wochenschau berichtete mehrmals darüber).
Der Bericht äussert sich auch besorgt über die, wie er es nennt, “mangelnde Kooperation” von Leggeri, “um die Einhaltung” der Verordnung der Agentur zu gewährleisten, “was zu erheblichen Verzögerungen bei deren Umsetzung führte”. Diese neue Verordnung sollte eigentlich gewährleisten, dass die Grenzschutzagentur und deren Aktivitäten endlich stärker kontrolliert werden. Doch Leggeri und seine Behörde scheissen weiterhin auf alle Regeln, agieren völlig intransparent, begehen selber Menschenrechtsverletzungen und schauen sehr gerne weg, wenn der Grenzschutz der einzelnen EU-Staaten Geflüchtete misshandelt und mit Gewalt über die Grenze zurückdrängt.
Von uns kriegt Leggeri zwar keinen Preis. Dafür ernennen wir ihr zum wiederholten Male zu unserem Kopf der Woche.

https://www.politico.eu/newsletter/brussels-playbook/eu-us-energy-council-scoop-macrons-domestic-drama-greece-honors-frontex/https://www.politico.eu/article/europe-migration-frontex-pushbacks-illegal-parliament-report/

Was war eher gut?

Geschafft: Über 62’000 Unterschriften gegen Frontex gesammelt

«Wer es ernst meint mit Schutz für Flüchtende, muss den Frontex-Ausbau stoppen. Wenn im dicht überwachten Mittelmeer Flüchtende ertrinken, dann ist es kein Unglück, sondern Mord,» sagt Malek Ossi vom Referendumskomitee NoFrontex. Den Sammelnden ist es in letzter Minute gelungen, das Referendum am Donnerstag einzureichen.

Einreichung der NoFrontex Referendum Unteschriftskisten bei der Bundeskanzlei. © Manu Friederich

Vom Referendumskomitee NoFrontex:
“Für das Referendum wurde unter schwierigen Bedingungen gesammelt: Die Corona-Pandemie spitzte sich zu, die winterliche Kälte hielt Menschen von öffentlichen Räumen fern und die Basisorganisationen, die das Referendum trugen, hatten nicht die gleichen Ressourcen zur Verfügung wie grosse Organisationen und Parteien.
Vor Jahresende schlug das Referendumskomitee NoFrontex Alarm. Es kam zu einem solidarischen Schlussspurt, an dem sich Tausende aus der ganzen Schweiz beteiligten. Zahlreiche Menschen sammelten nochmals auf der Strasse, mobilisierten Freund*innen und gingen bei den Nachbar*innen mit dem Unterschriftenbogen vorbei.
Gewalt, Elend und Tod an den Aussengrenzen Europas beenden
An den Aussengrenzen des Schengenraums werden die Menschenrechte von Flüchtenden aufs Gröbste missachtet. Flüchtende werden geprügelt und abgeschoben. Zehntausende ertrinken, erfrieren oder erliegen Verletzungen und Krankheiten. Fundamentale Grundrechte werden verwehrt. Als europäische Grenz- und Küstenwache ist Frontex mitverantwortlich. Die Vorwürfe gegen Frontex wiegen schwer: Intransparenz, Wegschauen und Beteiligung bei Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem will das Parlament die jährlichen Beitragszahlungen an Frontex mehr als vervierfachen. Das Referendum will dies verhindern.
Kein Geld für Menschenrechtsverletzungen
Die Schweiz finanziert die zunehmende Abschottung Europas mit: Der Schweizer Beitrag an Frontex würde bis 2027 von heute 14 Millionen auf 61 Millionen Franken pro Jahr steigen. Zudem würde sich das Schweizer Grenzwachkorps vermehrt an bewaffneten Frontex-Einsätzen im Ausland beteiligen. Als Nicht-EU-Staat hat die Schweiz bei der Ausgestaltung von Frontex kein Stimmrecht, bezahlt aber einen überproportionalen Anteil des Frontex-Budgets.
NoFrontex empfiehlt am 15. Mai 2022: JA zur Bewegungsfreiheit und NEIN zum Ausbau von Frontex.”
https://rabe.ch/2022/01/20/frontex-referendum-kommt-zustande/
https://www.blick.ch/politik/frontex-referendum-mit-rund-62000-unterschriften-eingereicht-gegen-aufruestung-an-eu-aussengrenze-id17164330.html
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/uber-62000-referendumsunterschriften-gegen-frontex-finanzierung-66090296
https://www.srf.ch/news/schweiz/gute-chancen-fuer-referendum-komitee-reicht-unterschriften-gegen-frontex-finanzierung-ein

Geschafft: Kampagne 500k hat eine halbe Million Franken gesammelt

Von 500k.ch
“Eine der grössten Solidaritätskampagnen neigt sich dem Ende zu. Das Ziel, eine halbe Million Schweizer Franken zu sammeln, um die Bussen der Angeklagten zahlen zu können, wäre ohne Euch nie erreicht worden! Nur dank Euch haben wir gemeinsam, als antifaschistische und antirassistische Bewegung, der staatlichen Repression Paroli bieten können. Wir haben gezeigt, dass der Kampf gegen Repression und Rechts, sowie die Solidarität mit den Menschen, die sich diesem annehmen, keine Grenzen kennt.
Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam sind wir Antifa.”
https://www.500k.ch/

 

Was nun?

Afghanistan: Jetzt Asylfolgegesuche einreichen

Afghanische Geflüchtete erhalten ab jetzt mindestens einen F-Ausweis. Das Staatssekretariat für Migration verändert die Praxis. Nun heisst es: Leave no one behind. Diese guten Informationen sollen an alle Afghan*innen, die in Nothilfecamps wohnen, gestreut werden. Damit alle, die dies wollen, ein Asylfolgegesuch stellen können.

Bild: Demo gegen die Taliban und für die Solidarität mit geflüchteten Afghan*innen

Schutz für alle, die aus Afghanistan fliehen! Endlich akzeptiert auch das Staatssekretariat für Migration diese Minimalforderung. Seit dem 13. Januar 2022 gelten in der Schweiz neue Regeln für Asylsuchende aus Afghanistan: Wer neu ankommt, erhält mindestens eine vorläufige Aufnahme (F-Ausweis). Abgewiesene Afghan*innen, die aktuell in der Nothilfe isoliert werden, müssen ein Folgeasylgesuch einreichen, um den Ausweis F zu erhalten, sonst bleiben sie in der Nothilfe. Das SEM verzichtet leider auf eine einfache und schnelle Lösung. LLeider schliesst das SEM hingegen Afghan*innen, die eine lange Gefängnisstrafe absassen, vom Schutz aus und bestraft sie doppelt. Nach der abgesessenen Haftstrafe erhalten sie keine vorläufige Aufnahme, sondern werden weiterhin in der Nothilfe isoliert.

In einem Brief an die Kantone schreibt das SEM: „Aufgrund der Lage in Afghanistan und weil nach wie vor nicht mit einer baldigen Wiederaufnahme von Rückführungen gerechnet werden kann, passt das SEM seine Praxis betreffend weggewiesenen afghanischen Staatsangehörigen an. Liegt ein Folgegesuch vor oder ist der Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig, ordnet das SEM grundsätzlich eine vorläufige Aufnahme an. Ausgenommen davon sind erheblich straffällige Personen (Strafe ein Jahr oder mehr oder Landesverweis) oder Personen, die eine Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung der Schweiz darstellen.

https://migrant-solidarity-network.ch/2022/01/23/erfolg-afghanische-gefluechtete-erhalten-ab-jetzt-mindestens-einen-f-ausweis/https://migrant-solidarity-network.ch/2021/08/17/gegen-die-taliban-sein-heisst-auch-solidaritaet-mit-gefluechteten-afghaninnen/

Menschen auf der Flucht im bosnischen Winter unterstützen

Von No Name Kitchen
“In den letzten Nächten erreichte die Temperatur in Velika Kladuša einen Tiefstwert von -6 Grad Celsius. In diesen Tagen ist Holz das wertvollste Gut. Holz und Schlafsäcke. Familien, Freund*innen, aber auch Fremde versammeln sich am Feuer, um die Wärme zu geniessen und sich auf den langen und kalten Weg vorzubereiten, der vor ihnen liegt.
Es ist wichtig, das Feuer die ganze Nacht brennen zu lassen, damit die einzigen Schuhe und Socken, die sie besitzen, eine Chance haben, zu trocknen. Aber immer noch sehen wir Menschen ohne richtiges Schuhwerk, die mit Flipflops und Socken durch den Schnee laufen. Helfen Sie uns, Menschen zu unterstützen, die unter den harten Bedingungen des Winters unterwegs sind. Auf der Seite der Menschen, auf der Seite von NNK!”
Link zum Spenden: https://linktr.ee/nonamekitchen

https://www.facebook.com/NoNameKitchenBelgrade/posts/1399990890399191

Wo gabs Widerstand?

Solidarische Stimmen erkämpfen Bleibrecht einer Familie im Tessin

Nach zehn Jahren in der Schweiz soll eine Familie aus dem Tessin ausgeschafft werden. Dank breiter Unterstützung spricht ihnen der Kanton eine Aufenthaltsbewilligung aus – die das SEM jedoch nicht anerkennen muss.

Die Familie um die 19-jährige India stammt aus dem Grenzgebiet zwischen Äthiopien und Eritrea und gilt ohne Papiere als staatenlos. Die Behörden wollen sie nach Äthiopien, ein aus ihrer Sicht «sicheres Herkunftsland» ausweisen. Seit langem erhält die Familie breite Unterstützung. Initiiert wurde sie von einer Lehrerin Indias, die zusammen mit Mitschüler*innen und Bewohner*innen des Ortes über 2’000 Stimmen für ein Bleiberecht der Familie sammelte. In einem dringenden Appell forderten daraufhin auch Politiker*innen und Prominente, dass die Familie die Schweiz nicht verlassen müsse. Und hatten damit Erfolg. Der Kanton Tessin gewährt der Familie, die sie als ‘gut integriert’ beschreibt, nun eine Aufenthaltsbewilligung. Allerdings: Die endgültige Entscheidung hängt vom SEM ab, das den Willen des Kantons nicht berücksichtigen muss.
Viele Menschen, die ihr Asylgesuch vor dem 28. Februar 2019 und damit im alten Verfahren eingereicht haben, ergeht es ähnlich wie der nun betroffenen Familie. Die Bearbeitung des Asylgesuchs zog oder zieht sich über Jahre hin. In dieser Zeit kommen die Menschen in der Schweiz an, können ein neues soziales Umfeld und eine Perspektive für sich aufbauen – immer unter den Beschränkungen der Nothilfe. Dagegen gibt es Widerstand. Eine Motion im Nationalrat fordert eine einmalige Regularisierung für Menschen aus dem altrechtlichen Asylverfahren. Sie kann via Petition unterstützt werden: https://act.campax.org/petitions/gegen-legales-unrecht-und-fur-ein-humanes-verfahren-fur-menschen-aus-altrechtlichen-asylverfahren.

Gleichzeitig zeigt das Beispiel Indias auf, wie wichtig eine solidarische Unterstützung aus dem Umfeld für die betroffenen Menschen ist und wie wirkungsvoll sie sein kann. Neben der Aussicht, vielleicht doch noch ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu erhalten, erhielt India auch eine Stimme in der Öffentlichkeit. Im RSI-Interview antwortet sie auf die Frage, ob das Tessin ihre Heimat sei: «Einerseits ja, denn hier bin ich aufgewachsen und hier habe ich in den letzten zehn Jahren gelernt zu leben. Aber andererseits haben mir all diese Einschränkungen, die sie mir auferlegt haben, nicht die Möglichkeit gegeben, mich hier wirklich zu Hause zu fühlen, denn die Auflagen, wohin ich mich bewegen konnte, die Dinge, die ich tun konnte, die Dinge, die ich nicht tun konnte, all das hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich nicht willkommen war. Obwohl meine Freunde, meine Nachbarn und alle um mich herum versuchten, mir zu sagen, dass du hier bist und einer von uns bist, schränkten all diese Dinge meine Sichtweise ein. Aber mit all den Menschen, die ich um mich herum hatte, dank all derer, die versuchten, mir die schönen Seiten dieser Welt zu zeigen, fühle ich mich jetzt dank all dieser Menschen zu Hause.»

Sie gibt somit einer breiten Öffentlichkeit einen Einblick in die Lebensrealität von Migrant*innen in der Schweiz und die persönlichen Auswirkungen einer unfairen Asylpolitik.

https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/tessin-nach-zehn-jahren-warten-protest-gegen-abschiebung-aethiopisch-eritreischer-familie-ld.2236519https://www.rsi.ch/news/ticino-e-grigioni-e-insubria/India-s%C3%AC-a-permanenza-in-Ticino-15023892.htmlhttps://www.tio.ch/ticino/attualita/1560235/permesso-casi-famiglia-caso-india-sem-rigore-cantone-preavvisohttps://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20213187

Was schreiben andere?

In dieser neuen Kategorie wollen wir euch in Zukunft Texte und Artikel von Aktivist*innen, Migrant*innen, People on the Move, etc. präsentieren, die wir für sehr lesenswert halten und die eine breitere Reichweite erlangen sollten. Wir möchten hier schlicht unverändert Worte wiedergeben und mit euch teilen, welche überall auf der Welt verfasst wurden.

Was geschieht in Kasachstan?

Eine (geflüchtete) Aktivistin berichtet über ihren Herkunftsstaat
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ttps://migrant-solidarity-network.ch/2022/01/18/was-geschieht-in-kasachstan/

Beitrag von No Name Kitchen zum Tod von Iljaz

We are very sad to communicate the death of Ijaz, whom at only 24 years, passed away a few weeks ago. His friends ask us to amplify their voices and tell his story based on the testimony of those who went on “game” with him. “Game” is the term the people on the move use to refer to the attempt to reach some countries in Europe by crossing forests and rivers, due to the lack of safe and legal pathways.
https://www.facebook.com/309778972753727/posts/1401219976942949/?d=n

 

The border killed Fathallah Belafhail

On Sunday, January 2, 2022, a body was recovered in the Freney basin, downstream of Modane. The body belongs to Fathallah Belafhail, a 31 years old Moroccan guy, arrived in France, through Italy, between December 29 and January 1. He has not been identified yet. No Italian newspaper reported this news and the local French press just wrote few lines about this.
https://www.passamontagna.info/?p=3170&lang=en

Was steht an?

Soirée discuss’ – Angle d’attaque : Luttes et solidarités aux frontières franco-italiennes

26.01.22 I 19:00 Uhr I La Coutellerie Fribourg

Anfang Januar wurde Zakaria in den französisch-italienischen Bergen zwischen Oulx und Briançon tot aufgefunden. Dies ist die letzte Katastrophe in einer Reihe von Gräueltaten, die sich seit über fünf Jahren Tag für Tag in diesen Bergen ereignen, die zu einem Durchgangsort für Zehntausende von Menschen im Exil geworden sind, wo Touristen und Waren arrogant zirkulieren. Eine Unterstützungsbewegung versucht, dem entgegenzuwirken: Besetzungen, Demonstrationen, logistische Unterstützung, Marodeure, … trotz immer stärkerer Repressionen, die bis zur Auslieferung und Inhaftierung reichen. Dies ist der Fall des 62-jährigen Emilio, der wegen Gewalt gegen einen 41 Jahre jüngeren Polizisten angeklagt ist und seit eineinhalb Monaten in Aix-en-Provence inhaftiert ist. Drei Genossinnen, die in diesen Kampf involviert sind, werden uns von diesen Geschichten und Situationen an verschiedenen Orten in der Schweiz berichten. Komm, damit die Solidarität lebt!

https://www.facebook.com/events/625967238656139?ref=newsfeed

Kino: The Game – Spiel zwischen Leben und Tod

30.01.22 I 16:00 Uhr I Kino Reitschule

Dokumentarfilm von Manuela Federl (D 2020, 90 Minuten) über die Situation geflüchteter Menschen an der bosnisch-kroatischen Grenze. Ab 14h Crêpes, Bücherflohmi, Glühwein. Mit anschliessender Podiumsdiskussion. Kollekte/ Spendensammlung für das Legal Centre Lesvos.

https://www.openeyes.ch/single-post/the-game-spiel-zwischen-leben-und-tod

Demo: Gemeinsam kämpfen – antifaschistisch und revolutionär

12.02.22 I 16:00 Uhr I De Wette Park Basel

Wir leben in einer Zeit von schweren Krisen. In diesem Kontext findet ein Rechtsruck statt: Regierungen werden autoritärer und die Justiz repressiver. In der Bevölkerung breitet sich rechtsradikales Gedankengut aus. Beziehen wir Stellung dagegen. Lasst uns die antifaschistische Bewegung stärken und aufbauen! Denn wir brauchen sie jetzt dringend. 

https://baselnazifrei.info/blog/demoaufruf-gemeinsam-kampfen-antifaschistisch-und-revolutionar

Lotte Winterkino: Entkolonisieren

13.02.22 I 16:00 Uhr I Rosststall Luzern
16:00 Uhr Teil eins „Lehrjahre“ und Teil zwei „Befreiung“
18:30 Uhr Suppe am Feuer
19:30 Uhr Teil drei „Die Welt gehört uns“

Arte 2019/2020. Eine Dokumentationsreihe (3x 55′) von Karim Miské und Marc Ball gesprochen von Reda Kateb. Originalsprache mit deutschen Untertiteln.

https://lotte-bibliothek.org/?page_id=905

 

Lotte Winterkino: 1804 – The hidden history of Haiti

14.02.22 I 19:30 I Rosststall Luzern

1804: The Hidden History of Haiti is a documentary film about the untold history of the Haitian Revolution. Produced by Tariq Nasheed, 1804 goes in-depth about the four principal players who were instrumental in Haiti’s independence: Makandal, Dutty Bookman, Toussaint Louvature, and Jean-Jacques Dessalines. This documentary give a competing look into the strategies, the motivation and the mindset that led to Haiti being the only enslaved population who successfully overthrew their oppressors.

https://lotte-bibliothek.org/?page_id=905

 

Demo: 2 Jahre Hanau
19.02.22 | 18:00 Uhr | Marktplatz Basel

“Wir fordern Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen! Erinnern heisst Kämpfen”, heisst es im Aufruf zur bewilligten Demonstration, organisiert von unterschiedlichen migrantischen Organisationen.

“Am 19. Februar 2022 jährt sich das rassistische Attentat von Hanau zum zweiten Mal. 9 migrantischen Menschen wurden von einem Rechtsterroristen gezielt ermordet, da sie nicht in sein rechtsextreme Weltbild passen. Heute wissen wir, dass eine rassistische Polizeipraxis den Notausgang der Arena-Bar zusperren liess, 13 rechtsextreme SEK-Beamte im Einsatz waren und die Angehörigen und Überlebenden seither Schikane, Demütigung und Kriminalisierung ausgesetzt sind. Institutioneller Rassismus so weit das Auge reicht. Es ist Zeit uns zu wehren. Lasst uns daher treffen in Gedenken an Ferhat, Said Nesar, Hamza, Vili, Mercedes, Kaloyan, Fatih, Sedat und Gökhan.”

19feb-hanau.org

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Surprise Talk: Somalia

Es war im August 2020, kurz nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan, als sich eine somalische Surprise-Verkäuferin an uns wandte. Ihre Sorge war, dass in ihrer Heimat die Macht der islamistischen Terrormiliz al-Shabaab durch den Erfolg der Taliban befeuert werden würde. Zumal ein Umbruch bevorsteht: Das Mandat der Friedenstruppen der Afrikanischen Union AMISOM soll Ende März 2022 ablaufen, die Sicherheitskontrolle soll ganz an somalische Sicherheitsorgane übergeben werden. Viele Surprise-Verkäufer*innen stammen aus Somalia. Wir wollten ihre Einschätzung erfahren und von ihren Ängsten und Hoffnungen hören. Als Stimmungsbild der politischen Lage in ihrer Heimat. Und um eine Ahnung davon zu vermitteln, was ihr Leben prägt. Co-Redaktionsleiterin Sara Winter Sayilir berichtet von ihren Eindrücken aus den Gesprächen.

https://player.fm/series/surprise-talk/somalia

Untersuchungsausschuss Neukölln Komplex: AfD sorgt für Komplexe

Beschuldigter Tilo P. im Neukölln Komplex war Kreisvorstand in der AfD und es gibt mehr Verbindungen. Ließe sich die AfD aus dem Ausschuss ausgrenzen?
https://taz.de/Untersuchungsausschuss-Neukoelln-Komplex/!5826103/

Rechte Gefühle oder wie digitaler Faschismus funktioniert

Bewaffnete im Kapitol, militante Corona-Leugner und Onkel Walters Telegram-Gruppe: Wieso driften Menschen nach rechts ab? Der Zündfunk Generator beschäftigt sich mit den Strategien der Neuen Rechten, die im digitalen Zeitalter auf Gefühle setzt.

https://www.br.de/mediathek/podcast/zuendfunk-generator/rechte-gefuehle-oder-wie-digitaler-faschismus-funktioniert/1846880

“Clankriminalität”: eine rassistische Erfindung, die Menschen ausgrenzt

Mohammed Chahrour engagiert sich für die Initiative “Kein Generalverdacht” aus Berlin Neukölln. Das Bündnis setzt sich ein gegen rassistische Diskriminierung durch das Konstrukt der “Clankriminalität” und Sigmatisierung durch Großrazzien in Shishabars und anderen migrantisch geprägten Geschäften.

https://podcast.dissenspodcast.de/158-rassismus