Referendum gegen Frontex, Protest gegen Gewalt in Libyen, Europa gegen Einreise von Afghan*innen

Themen
  • Migrant Solidarity Network ergreift Referundum gegen Frontex
  • Tödliche Kooperation von Frontex mit der sog. libyschen Küstenwache
  • Das neue Polizeigesetz zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) soll bereits zum ersten mal verschärft werden
  • Europäische Afghanistanpolitik: Abschotten, abschotten, abschotten
  • Solidarität mit Mimmo Lucano
  • Bern: Mehrere hundert Personen demonstrierten gegen die Gewalt und Folter in Libyen
  • Calais: Migrantischer Protest nach dem Tod von Yasser

Was ist neu?

Migrant Solidarity Network ergreift Referundum gegen Frontex
Das Schweizer Parlament hat entschieden, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex mit 61 Millionen Franken jährlich zu stärken. Mit diesem Geld soll Frontex die europäischen Aussengrenzen noch mehr abschotten und europaweit Sonderflüge für Zwangsausschaffungen beschleunigen. Wir sagen JA zur Bewegungsfreiheit für alle und NEIN zu Frontex. 
 
Frontex schottet Europa gewaltwoll ab und macht Flucht und Migration unsicherer: Mehr Tote im Mittelmeer, mehr Folter in Libyen, mehr illegale Pushbacks, Grenzgewalt und Leid auf der Balkanroute oder in der Ägais. Auch nach der gefahrenvollen Reise und nach teilweise jahrelangem Leben innerhalb von Europa ist für viele die Gefahr nicht vorbei: es droht das Leben in gefängnisähnlichen Camps oder gar die zwangsweise oder „freiwillige“ Rückführung. Frontex spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess der Entrechtung und der Entwürdigung durch Abschiebungen.
Am 1. Oktober hat das Schweizer Parlament entschieden, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex mit 61 Millionen Franken jährlich zu stärken. Mit diesem Geld soll Frontex die europäischen Aussengrenzen noch mehr abschotten und europaweit Sonderflüge für Zwangsausschaffungen beschleunigen. Gegen diesen Beschluss hat das Migrant Solidarity Network das Referendum initiiert.
Das Migrant-Solidarity-Network sucht jetzt dringend 1’000 Menschen, die je 50 Unterschriften sammeln (hier kannst du dich eintragen). Auch Gruppen und Organisationen, die das Referendum gegen Frontex unterstützen wollen sind willkommen, sich zu melden. Für ein Referendum braucht es 50’000 Unterschriften von in der Schweiz stimmberechtigten Personen. Die Unterschriften müssen bis Ende 2021 gesammelt werden.
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/10/13/referendum-gegen-frontex-starten/

https://www.woz.ch/2141/frontex-ausbau/referendum-wird-ergriffen
Tödliche Kooperation von Frontex mit der sog. libyschen Küstenwache
Seit Jahren arbeitet die europäische Grenzschutzagentur Frontex mit der sog. libyschen Küstenwache zusammen, um flüchtende Personen auf dem Weg nach Europa aufzuhalten und zurückzubringen. Mit dieser Kooperation, die aktiv gefördert wird, ist die Grenzschutzagentur und mit ihr die Europäische Union mitverantwortlich für die Misshandlung, Folter und Gewalt, die Menschen in den libyschen Lagern tagtäglich erfahren.

Vor vier Jahren begann Frontex mit dem Aufbau ihrer Luftüberwachung über dem zentralen Mittelmeer. Hunderte Millionen Euro investierte Frontex in Flugzeuge, Kameras und Radargeräte, die dann über dem Mittelmeer und der Balkanroute eingesetzt wurden. Gleichzeitig zog Frontex ihre Schiffe aus dem Mittelmeer ab, um sich so bewusst der Verpflichtung zur Seenotrettung zu entziehen. Nichtsdestotrotz wären auch Pilot*innen, die aus der Luft Menschen in Seenot entdecken, dazu verpflichtet, Unterstützung zu leisten. Die festgelegte Routine verlangt, dass zuerst jene Leitstellen für die Seenotrettung benachrichtigt werden, die für das betroffene Gebiet zuständig sind. Gleichzeitig sollen Schiffe, die sich in der Nähe befinden, über das Schiff in Not informiert werden. Dass Libyen zu dieser Zeit keine maritime Rettungsleitstelle besass, hätte die gewünschte Wirkung der Migrationsabwehr durch den Frontex-Flugdienst also verhindern können. So wurde parallel zum Start der ersten Überwachungsflüge durch Frontex das Innenministerium Italiens im Jahr 2017 beauftragt, in Libyen eine Seenotstelle zur Entgegennahme von Frontex-Meldungen einzurichten, die dann auch eine eigene Seenotrettungszone erhalten sollte. Dafür gab die Kommission zunächst 42 Millionen Euro aus, weitere Beträge in Millionenhöhe folgten.
Inzwischen gilt die Leitstelle für die Seenotrettung (Maritime Rescue Coordination Centre, MRCC) in Libyen als anerkannt, obwohl bekannt ist, dass sie denn verlangten Anforderungen nicht entspricht: Weder ist das MRCC Tag und Nacht erreichbar, die dort abgestellten Mitarbeitenden sprechen mitunter kein Englisch, auch verfügen die Behörden nicht über die nötigen Ambulanzfahrzeuge oder Krankenhausplätze für einen Seenotfall. Das libysche MRCC existiert allenfalls auf dem Papier. Dass Frontex das libysche MRCC trotzdem mit der «Rettung» von gesichteten Booten beauftragt, ist also eine List: Es geht einzig und allein darum, flüchtende Menschen von der Einreise nach Europa abzuhalten.
Da das libysche MRCC auch für Frontex schlecht erreichtbar war, hat sich diese einen kurzen Draht zur sog. libyschen Küstenwache geschaffen. Es ist bekannt, dass die sog. libysche Küstenwache, die grösstenteils aus Milizen besteht, äusserst brutal vorgeht: Menschen ertrinken, es wird auf Seenotretter*innen geschossen (zuletzt ist dies für den 30. Juni dieses Jahres dokumentiert), flüchtende Personen werden nach Libyen zurückgebracht, wo sie Folter, Gewalt, Gefangenschaft erwarten.
Kümmert uns nicht, meint Frontex und gibt der sog. libyschen Küstenwache regelmässig Bescheid, wo Boote mit geflüchteten Menschen aufzufinden sind. Inzwischen sind mehrere Fälle belegt, in denen die sog. libysche Küstenwache durch Frontex-Mitarbeitende per WhatsApp informiert wurde, wenn ein Frontex-Flugzeug Geflüchtete auf hoher See auf dem Weg in die EU entdeckt.
Dass verschiedene Gesetzestexte und Urteile dies verbieten, ist Frontex und der Europäischen Union herzlich egal. Zur Erinnerung: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (der sogenannte «Fall Hirsi») von 2012, die Genfer Flüchtlingskonvention oder die EU-Grundrechtecharta halten fest, dass geflüchtete Personen nicht in Länder zurückgebracht werden dürfen, aus denen sie geflohen sind und in denen ihnen Verfolgung droht. Dabei macht es wenig Unterschied, ob Frontex selbst derartige Pushbacks durchführt oder die libysche Küstenwache damit (als sogenannte Pullbacks) beauftragt.
Erst vor wenigen Tagen bestätigte die im Juni 2020 eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission der UNO die seit langem vermuteten und bekannten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Libysche Staatsangehörige aber vor allem auch Migrant*innen und geflüchtete Personen erleben in Libyen systematische und grausame Gewalt (antira.org/2021/10/10/).
Was für ein brutaler Verein die EU ist, zeigt sich einmal mehr darin, dass sie nach der Veröffentlichung dieses Berichts nichts Besseres zu tun weiss, als die Lieferung von neuen Patrouillenbooten der “P150”-Klasse an die libysche Küstenwache anzukünden.
Frontex übernimmt die Luftabklärung über dem Mittelmeer, informiert die sog. libysche Küstenwache, die die flüchtenden Menschen dann zurück nach Libyen bringt.  Mit dieser Kooperation, die aktiv gefördert wird, ist die Grenzschutzagentur und mit ihr die Europäische Union mitverantwortlich für die Misshandlung, Folter und Gewalt, die Menschen in den libyschen Lagern tattäglich erfahren.
https://netzpolitik.org/2021/whatsapp-nach-libyen-wie-frontex-mit-einer-list-das-voelkerrecht-umgeht/

https://euobserver.com/migration/153180?utm_source=euobs&utm_medium=email

 

Was ist aufgefallen?

Europäische Afghanistanpolitik: Abschotten, abschotten, abschotten

Diese Woche zeigte sich einmal mehr, dass das offizielle Europa mit viel Geld und politischem Aufwand erreichen will, dass Personen, die Afghanistan verlassen wollen, in Afghanistan selbst oder Nachbarstaaten blockiert bleiben.

An einem Treffen der G20-Staats- und Regierungschef*innen sprach die EU 1 Milliarde Euro für Afghanistan und afghanische Geflüchtete in Nachbarstaaten. Humanitäre Hilfe in der Region ist ohne Zweifel nötig, doch diese EU-Hilfe ist an Abschottungsabsichten gekoppelt, was ihr einen deutlich rassistisch-nationalistischen Beigeschmack verschafft. Es braucht nicht nur Geld für humanitäre Hilfe, sondern weiterhin auch sichere und legale Ausreisemöglichkeiten und Migrationsrouten. Allen Afghan*innen, die es wünschen, soll ein rascher Zugang zu fairen Asylverfahren im Staat ihrer Wahl gewährt werden. Menschen, die in Europa Schutz suchen wollen, sollen das dürfen. Sie sollen auch hier bleiben dürfen, wenn sie keine positive Antwort auf ein Asylgesuch erhalten. Abschiebungen nach Afghanistan und sonstwohin sind Folter und gehören abgeschafft.
Alle diese Notwendigkeiten werden von den Staaten in Europa verweigert. In Grossbritannien heisst es in  neuen Leitlinien des Innenministeriums gar, dass von Afghanistanabschiebungen für Betroffene keine “reale Gefahr” ausgehe. So wird dazu beigetragen, dass auch andere nicht-europäische Staaten ihre Grenzen für Migrant*innen aus Afghanistan verschliessen oder sie nur gegen finanzielle Entschädigung öffnen. Für betroffene Personen wird dann die Migration und der Aufbau einer neuen sicheren Lebenssituation verzögert und gefährlicher oder gar verunmöglicht.
Die offizielle Schweiz surft genau auf dieser Welle. Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) sind rund 7’800 Anfragen für humanitäre Visa und Familienzusammenführungen eingegangen. Bisher wurden allerdings nur drei Anfragen positiv beantwortet, schreibt das SEM gegenüber SRF. Rein rechtlich wäre es problemlos möglich, die Visapraxis antirassistischer zu gestalten. Doch das kommt für den Bundesrat und das SEM bisher nicht in Frage. Hässlich ist diese Haltung und widerspricht der Position des UNHCR völlig. Dieses meist zahnlose Organ der UNO fordert „alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren. (…) Aufgrund der Unbeständigkeit der Situation in Afghanistan hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan internationalen Schutz mit der Begründung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsperspektive zu verwehren.“ Auch fordert das UNHCR eindeutig ein Abschiebemoratorium: „Die Hemmung von zwangsweisen Rückführungen stellt eine Mindestanforderung dar, die bestehen bleiben muss, bis sich die Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage in Afghanistan signifikant verbessert haben“.
Eine menschliche Lesart dieser Position würde bedeuten, dass die offizielle Schweiz aktiv wird, um in grosser Zahl Menschen aus Afghanistan aufzunehmen und allen neu ankommenden Afghan*innen Asyl zu gewähren. Auch würde es heissen, dass Gesuche von abgewiesenen Afghan*innen erneut geprüft werden sollten und dass allen bereits anwesenden Afghan*innen mindestens eine vorläufige humanitäre Aufnahme zustehen würde. Genau dies hat das Migrant Solidarity Network am 26. August 2021 vom SEM gefordert. Doch in seiner Antwort an das MSN zeigt sich SEM-Direktor Mario Gattiker nicht bereit, dem UNHCR zu folgen.
Statt allen Afghan*innen, die aktuell ausreisen, den Flüchtlingsstatus zu gewähren, beharrt das SEM darauf, ein klassisches Asylverfahren mit offenem Ausgang durchzuführen. „Bei der Gesuchsbehandlung nimmt das SEM weiterhin den gesetzlichen Auftrag wahr, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen“. Statt die Ausreise aus Afghanistan und die Einreise in die Schweiz sicherzustellen oder zumindest zu erleichtern, beschreibt Gattiker einen mörderischen Hürdenlauf: (1) „Es muss eine unmittelbare, konkrete und ernsthafte Gefährdung nachgewiesen werden. Die Zugehörigkeit zu einer möglicherweise gefährdeten Gruppe genügt nicht“. (2) „Dazu kommt, dass die betroffenen Personen einen engen und aktuellen Bezug zur Schweiz haben müssen.“ (3) „Die Schweiz verfügt über keine Vertretung in Afghanistan. Folglich muss jeder Visumsantrag bei einer schweizer Auslandsvertretung mit Konsularabteilung ausserhalb des afghanischen Staatsgebiet eingereicht werden.“
https://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=612356764

https://mailchi.mp/ecre/ecre-weekly-bulletin-15102021?e=5beae8aa0d

https://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/afghan-asylum-deportation-guidance-afghanistan-home-office-b1933921.html

 

Was geht ab beim Staat?

Das neue Polizeigesetz zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) soll bereits zum ersten Mal verschärft werden

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates hat entschieden, das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) zu verschärfen. Das Gesetz ist gerade mal vier Monate in Kraft – am 13. Juni wurde die (bereits jetzt) enorm restriktive Vorlage von der Stimmbevölkerung angenommen.

Bereits mit der heutigen Ausformulierung des PMT erhält die Polizei weitreichende Möglichkeiten, präventiv gegen Menschen vorzugehen, die sie für gefährlich hält – von Fussfesseln, Wegweisungen und Rayonverboten für Kinder ab zwölf Jahren bis zu Hausarrest für Personen ab fünfzehn Jahren. Nötig sind dafür keine Beweise. Es reicht die Annahme, dass eine Person gefährlich sei. Die Vorstellung hinter dem PMT: Präventive Repression gegen vermeintlich gefährliche Personen sorge für mehr Sicherheit. Einer der zentralen Kritikpunkte ist die schwammige Terrorismusdefinition, welche im PMT enthalten ist. Im neuen Gesetz wird Terror folgendermassen definiert: «Als terroristische Aktivität gelten Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung, die durch die Begehung oder Androhung von schweren Straftaten oder mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt werden sollen.» Durch diese Terrorismusdefinition sollen dabei alle, die «die staatliche Ordnung verändern oder beeinflussen wollen» und dabei «Furcht und Schrecken verbreiten» als potenzielle Gefährder*innen verstanden werden – Journalist*innen, Staatskritiker*innen oder Aktivist*innen können so als Terrorist*innen gelten und von oben genannter Repression betroffen sein.

 
https://www.digitale-gesellschaft.ch/uploads/2020/12/PMT-Nein-sm.png

Das neue Polizeigesetz zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) ist aus antirassistischer Perspektive bedeutsam. Es kriminalisiert nicht alle Menschen gleichermassen, sondern entlang von rassistischen Trennlinien. Es richtet sich gezielt gegen Menschen, die Staaten, ihre Grenzen sowie die Diskurse, Ideologien und Herrschaftsverhältnisse, die sie hervorbringen, radikal ablehnen und bekämpfen. Öffentlich ist meist von Djihadist*innen und Terrorist*innen die Rede, doch auch antirassistisch Aktive könnten als sogenannte „Gefährder*innen“ der weissen, nationalen Ordnung eingestuft werden.
Als wäre das alles nicht genug, soll das Gesetz nun also zum ersten Mal verschärft werden. Neu wird die gesicherte Unterbringung für Gefährder*innen aufgenommen. Mit diesem Instrument können Menschen nach Ablauf ihrer Haftstrafe weiterhin und auf unbestimmte Zeit eingesperrt werden, da sie zuvor als «rückfallgefährdete radikalisierte Person» definiert wurden. Die gesicherte Unterbringung wurde bei der ersten Version des PMT explizit nicht in die Vorlage aufgenommen, da ein juristisches Gutachten zum Schluss gekommen war, eine solche Einbehaltung rückfallgefährdeter radikalisierter Personen im Gefängnis, nachdem diese ihre Strafe verbüsst haben, sei nicht mit der EMRK vereinbar. Nach nur vier Monaten scheint dies das Parlament nun nicht mehr zu interessieren.
Schockierend an der Verschärfung ist nicht nur deren Inhalt, sondern deren Begründung durch das Parlament, welche wie folgt lautet: «Die Kommissionsmehrheit fragt sich, ob mit der gesicherten Unterbringung Angriffe wie jene, die sich kürzlich in Morges oder Lugano ereignet haben, hätten verhindert werden können.» Wir erinnern uns, in Morges wurde vor etwas mehr als einem Monat eine Schwarze Person von einem Polizisten ermordet. Sein Name war Nzoy. Das Parlament stellt nun die ermordete Person als einen Gefährder dar, der präventiv hätte eingesperrt werden müssen. Dies obwohl es null Hinweise darauf gibt, was diese Person mit Terrorismus zu tun gehabt hätte. Doch um solche tragischen Situationen, wie jene in Morges, in Zukunft zu verhindern, müssen wir über das grundsätzliche Problem von Polizeigewalt gegenüber BIPoC* sprechen und nicht noch mehr BIPoC* kriminalisieren, einsperren und als Gewalttäter*innen darstellen. Dies ist einmal mehr eine krasse Verdrehung von Tatsachen, eine krasse Verdrehung der Frage, wer Macht besitzt und wer nicht, wer Gewalt erlebt und wer Gewalt ausübt.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-sik-n-2021-10-12.aspx

Was nun?

Solidarität mit Mimmo Lucano

Nach der Verurteilung des italienischen Bürgermeisters Mimmo Lucano gibt es auf vielen Ebenen Aktionen der Solidarität. Setz auch du dich dafür ein, dass Menschlichkeit kein Verbrechen ist.

Ende September 2021 wurde der ehemalige Bürgermeister von Riace, Domenico ‘Mimmo’ Lucano, in erster Instanz unter anderem wegen “Beihilfe zur illegalen Einwanderung” zu 13 Jahren und 2 Monaten Haft verurteilt. Riace, eine kleine Stadt in Süditalien galt lange als sicherer Hafen und Beispiel für eine offene Gemeinschaft. Die Verteidigung hat direkt Berufung gegen das Urteil eingereicht und eine breite Welle der Solidarität erreichte die Strassen Europas. In über 90 Demonstrationen und Kundgebungen gingen nicht nur in Italien viele Menschen auf die Strasse, um sich mit ‘Mimmo’ Lucano zu solidarisieren und für seine Unschuld zu kämpfen.
 
So kannst du Mimmo Lucano unterstützen:
  • Organisiere deine eigene Kundgebung, Protest- oder Solidarisierungsaktion in deiner Stadt!
  • Neben Abgeordneten des Europaparlaments hat auf zivilgesellschaftlicher Seite Abolish Frontex einen Offenen Brief veröffentlicht, den auch einzelne Gruppen oder Organisationen unterschreiben können.
  • Eine Onlinepetition sammelte bereits über 250’000 Unterschriften und kann hier unterzeichnet werden.
Der Schuldspruch gegen Mimmo Lucano ist ein Angriff auf solidarische Menschen und Strukturen. Er verdeutlicht die Abschottung Europas einmal mehr: Die zunehmende Kriminalisierung von Migration, einem Phänomen, dass so alt ist wie die Menschheit, nimmt derzeit überhand und lässt unschuldige Menschen brutale Repression erfahren. Stellen wir uns auf die Seite der Kriminalisierten.
 
https://anfdeutsch.com/uploads/de/articles/2021/10/20211003-fatyq-dxiactwxd-jpgfd748e-image.jpg
Am Donnerstag 14. Oktober am Mittag versammelten sich mehrere hundert Menschen – vorwiegend aus Eritrea – in Bern auf dem Helvetiaplatz. Sie solidarisierten sich mit Migrant*innen, die derzeit in Libyen extremer Gewalt und Folter ausgesetzt sind.
 

„Stop Killing Refugees in Libya!“ heisst es im Aufruf der eritreischen Community und des Migrant Solidarity Network. Ein kritischer Brief an die libysche Botschaft blieb bisher ohne Antwort. Reden wurden gehalten, um über die Situation zu informieren. Nach dem geplanten Teil der Kundgebung machte sich Wut breit. Die Stadt Bern hatte einmal mehr ausschliesslich eine Kundgebung auf einem unbedeutsamen Platz am Rande des Stadtzentrums bewilligt. Viele Demonstrierende fühlten sich dort ungehört. Es fand deshalb eine Spontandemonstration zur libyschen Botschaft statt. Diese wurde allerdings von der Polizei blockiert. Innert Minuten fuhren zahlreiche Kastenwägen auf und Polizist*innen mit Gummischrot stellten sich den Demonstrierenden in den Weg, bis diese die Demonstration auflösen mussten. Die Polizei hat an diesem Tag mit ihrer Gewalt die Foltercamps in Libyen gestärkt.
In Libyen herrscht derzeit Unruhe und es gibt massive Gewalt gegen Migrant*innen und geflüchtete Personen. Schätzungsweise 42’000 geflüchtete Personen sind dort. Die libyschen Behörden behaupten, dass sie Massnahmen gegen illegale Migration und Drogenhandel ergreifen. Sowohl ein Bericht des UNHCR wie auch zahlreiche kursierende Videos und Fotos zeigen, wie die festgenommenen Menschen geschlagen auf dem Boden sitzen, mit gebeugten Köpfen und gefesselten Händen hinter dem Rücken. Die Razzien haben die Ängste der geflüchteten Personen in Tripolis bestätigt, die jahrelang inhaftiert und/oder ausgebeutet wurden. Die entsetzlichen Bedingungen führten am 8. Oktober 2021 zu einer Flucht von rund 2’000 Gefangenen  aus Al Mabani, bei der sechs geflüchtete Personen erschossen und 24 verletzt wurden. 
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/10/14/bern-mehrere-hundert-personen-demonstrieren-gegen-die-gewalt-und-folter-in-libyen/

 
Calais: Migrantischer Protest nach dem Tod von Yasser
Mehr als 200 Migrant*innen demonstrierten in Calais, um dem jungen Yasser zu gedenken und ihre Lebensbedingungen anzuprangern.
 

Yasser ist gestorben, nachdem er von einem Lastwagen tödlich erfasst wurde. Während mehr als drei Stunden schrien die Demonstrierenden: “Ein Dach für alle!” und “Nein zu Polizeigewalt!” Die Demo wirkt fröhlich und kämpferisch zugleich. Eine inspirierende empowernde Antwort auf all die Dramen im Ärmelkanal, die gewalttätigen Angriffe durch Polizei oder Faschos, die entwürdigenden, harten Lebensbedingungen im Jungle von Calais, die diskriminierende Entrechtung durch das europäische Grenz- und Asylregime.
https://www.nordlittoral.fr/126919/article/2021-10-08/plus-de-200-refugies-marchent-dans-calais-pour-rendre-hommage-au-jeune-yasser-et

Was steht an?

Reissen wir die Grenzzäune nieder!
18.Oktober 2021 I 18:30 I Inseliquai Luzern I Finissage zur  Installation über das Desinteresse Zentralschweizer Gemeinden und die Festung Europa

Denn: Grenzen töten! Grenzen verursachen unfassbares Leid, ob im Mittelmeer, in den Wäldern von Bosnien oder in Moria auf Lesbos. Wir fordern: kein Mensch ist illegal, Abolish Frontex, Grenzen auf! Und fangen Morgen (Montag) in Luzern damit an: 18:30 Uhr, Inseli, Luzern. Mitbringen: Bolzenschneider & weiteres Werkzeug, Stirntaschenlampe.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus – Chronologie
Mit dem neuen Bundesgesetz über Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sollen die präventiven Kompetenzen des Bundesamtes für Polizei massiv ausgebaut werden. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Begriffe und polizeilichen Handlungsspielräume gefährden die Grund- und Menschenrechte der Schweizer Bevölkerung. Im Folgenden bietet humanrights.ch einen chronologischen Überblick über die wichtigsten Etappen der Erarbeitung des Bundesgesetzes über Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/initiativen-parlament/bundesgesetze-zur-terrorbekaempfung/polizeiliche-massnahmen-chronologie/?force=1

Migration: Durch den tödlichen Dschungel in die USA
Der Darién-Wald zwischen Panama und Kolumbien wird zum Massengrab der Migranten. Einer, der ihn überlebt hat, berichtet von Vergewaltigungen und Überfällen.
https://www.derstandard.at/story/2000130383786/migration-durch-den-toedlichen-dschungel-in-die-usa?ref=rss
 
Greece: At Nea Kavala camp, ‘a concrete wall blocks the view and cuts out the sound’
In northern Greece, not far from the Greek-Macedonian border, the Nea Kavala migrant camp houses 1,200 people. It is one of the largest in the region. Isolated, not served by public transport, and now surrounded by a huge concrete wall, the camp is an “open-air prison” for its occupants.
https://www.infomigrants.net/en/post/35627/greece-at-nea-kavala-camp-a-concrete-wall-blocks-the-view-and-cuts-out-the-sound