Medienspiegel 17. Oktober 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++DEUTSCHLAND
Wie Theresa Breuer die Luftbrücke Kabul gründete
Die Filmemacherin Theresa Breuer arbeitet gerade in Afghanistan, als sie von der Machtübernahme der Taliban überrascht wird. Kurzerhand gründet sie die Luftbrücke Kabul und rettet über 400 Menschen. „ttt“ ist von Anfang an dabei.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/br/filmemacherin-theresa-breuer-luftbruecke-kabul-102.html


+++POLEN
Demonstranten fordern in Polen Solidarität mit Flüchtlingen
Teilnehmer der Demonstration prangern Deportationen und gewaltsame Rückführungen an. Die polnische Regierung will an der Grenze zu Belarus eine dauerhaften Zaun errichten
https://www.derstandard.at/story/2000130506590/demonstranten-fordern-in-polen-solidaritaet-mit-fluechtlingen?ref=rss


+++ITALIEN
Das Elend hat System
Mafiaorganisationen sind auch an der Ausbeutung von Landarbeiter*innen beteiligt
Obst und Gemüse sollen möglichst billig zu haben sein. Den Preis dafür müssen allzu oft Landarbeiter*innen bezahlen, die für Hungerlöhne schuften. In Italien mischt im System der Ausbeutung auch die Mafia kräftig mit.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157675.mafia-in-italien-das-elend-hat-system.html


+++MITTELMEER
Die Ocean Viking birgt Flüchtlinge im Mittelmeer: Auf Rettungsmission an der tödlichsten Grenze der Welt
Schlagzeilen macht anderes. Doch im Mittelmeer sterben wieder mehr Migranten. Europa ist derweil kaum noch auf dem Meer präsent. Ausser ein paar Idealisten auf Booten, wie der Ocean Viking. Die Reportage.
https://www.blick.ch/ausland/die-ocean-viking-birgt-fluechtlinge-im-mittelmeer-auf-rettungsmission-an-der-toedlichsten-grenze-der-welt-id16911958.html


Sea-Watch rettet 66 Menschen aus Seenot
Das Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ kreuzt vor der Küste Libyens. Bereits am ersten Einsatztag hat die Organisation 66 Personen an Bord genommen, darunter viele Kinder.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-10/sea-watch-seenotrettung-mittelmeer-kueste-libyen-gefluechtete


+++EUROPA
Asylanträge in der EU wegen Afghanistan-Krise deutlich gestiegen
Die Asylzahlen kletterten laut EU-Asylbehörde auf Vor-Corona-Niveau. Europa müsse sich auf mehr einstellen, mahnt die Behörde – tausende Afghanen harren derzeit in Nachbarländern aus
https://www.derstandard.at/story/2000130503104/asylantraege-in-der-eu-wegen-afghanistan-krise-deutlich-gestiegen?ref=rss


+++LIBYEN
NZZ am Sonntag 17.10.2021

Libysche Polizei macht Jagd auf Migranten

Libysche Sicherheitskräfte gehen derzeit äusserst brutal gegen Migranten aus Schwarzafrika vor. Dahinter steckt der Druck aus Europa.

Beat Stauffer, Mohamed Mnassri

Unzählige Afrikaner laufen in diesen Tagen barfuss und mit zerfetzten Kleidern durch die Strassen der libyschen Hauptstadt Tripolis. Sie tragen ihre Habseligkeiten in einem kleinen Bündel, schlafen entlang von Strassen auf Kartons. Einige von ihnen haben die letzten Tage nicht überlebt.

Seit rund zwei Wochen finden in der libyschen Hauptstadt Tripolis Razzien im grossen Stil gegen Migranten aus Ländern südlich der Sahara statt. Sie begannen in Gargaresh, einem Quartier am westlichen Rand der Stadt, in dem schon seit Jahren viele Flüchtlinge und Arbeitsmigranten leben. Sicherheitskräfte drangen in die einfachen Behausungen ein, verhafteten die Bewohner und zerstörten in vielen Fällen das Mobiliar und die wenigen Habseligkeiten der Migranten. Wer sich wehrte, wurde geschlagen und massiv bedroht. Tags darauf fanden ähnliche Razzien auch in anderen Quartieren von Tripolis statt.

Mehrere Flüchtlinge kamen dabei ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Laut dem Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR wurden insgesamt rund 5000 Menschen auf solche Weise deportiert und in verschiedene Haftzentren gebracht. Die libyschen Behörden sprachen von einem «Schlag gegen Menschenhandel, organisierte Kriminalität und Prostitution».

Die berüchtigten staatlichen Haftzentren sind jedoch nicht für die Unterbringung einer so grossen Zahl von Menschen ausgerüstet. Die hygienischen Verhältnisse sind prekär, medizinische Betreuung fehlt gänzlich. Deshalb kam es nach wenigen Tagen zu heftigen Protesten. In zwei Haftzentren gelang den Insassen sogar die Flucht. Wächter schossen auf die Fliehenden, laut dem UNHCR wurden dabei mindestens sieben Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt.

Milizen wechseln die Seite

Nach diesen Ereignissen suchten rund tausend Menschen im Community Day Centre im Quartier Serraj Unterschlupf, einer Einrichtung, die vom UNHCR unterstützt wird. Das Zentrum war völlig überfordert und musste seine Tore schliessen, da die Stimmung aggressiv wurde und zwei Mitarbeiter verletzt wurden. Als die Flüchtlinge daraufhin protestierten und ihre sofortige Evakuation nach Europa forderten, wurden sie von libyschen Sicherheitskräften mit Waffengewalt vertrieben. Dabei wurde ebenfalls ein Mann getötet, ein Flüchtling aus dem Sudan. Laut dem UNHCR wurde der 25-Jährige von maskierten Männern geschlagen und anschliessend erschossen.

Von den insgesamt rund 5000 Internierten sollen laut libyschen Menschenrechtsaktivisten mehr als die Hälfte wieder in Haft sein. Spezielle Sicherheitskräfte machen derzeit Jagd auf die restlichen Geflüchteten, die in der Stadt umherirren.

Nie sei die Situation für Migranten in der libyschen Hauptstadt schlimmer gewesen als heute, sagen Beobachter. Tausende wollten weg aus Libyen, sagt Caroline Gluck, Sprecherin des UNHCR in Tripolis. Insgesamt haben mehr als 42 000 Geflüchtete vom UNHCR einen Ausweis erhalten, der belegen soll, dass sie offiziell als Flüchtlinge registriert sind. Doch in der Praxis hilft das kaum etwas. Die grosse Mehrheit der in den letzten zwei Wochen Verhafteten seien registrierte Flüchtlinge gewesen, erklärt Tarik Lamloum der libyschen Menschenrechtsorganisation Belaady im Gespräch.

Die Chance der registrierten Flüchtlinge, direkt von europäischen Staaten aufgenommen zu werden, ist minim: 2021 konnten nur gerade 224 Personen im Rahmen eines Resettlements in ein aufnahmebereites Land ausgeflogen werden. Insgesamt befinden sich weitere 700 000 Migranten in Libyen, die nicht registriert sind.

Die libyschen Behörden sind nicht nur auf dem Land aktiv, sondern auch auf hoher See. 26 000 Migranten wurden dieses Jahr vom Wasser zurück an Land geführt, fast dreimal so viele wie 2020. In den letzten Wochen war die Zahl der Migranten besonders hoch. Während zuvor die Corona-Pandemie auch die Flüchtlingsbewegung gedrosselt hatte, ist nun eine Art Aufholeffekt zu spüren. Das wird auch gefördert durch Schlepper, die noch ein Geschäft machen wollen, bevor der Winter anfängt. Ein weiterer Grund könnte ein Rückgang bei den Erdöleinnahmen sein. Libysche Behörden bezahlten bis anhin Milizen im Land, damit sie sie bei der Bekämpfung der Migration unterstützen. Diese Milizen scheinen sich nun wieder dem lukrativeren Schleppergeschäft zuzuwenden.

Alternative zu Pushbacks

Dass die libyschen Behörden derart rücksichtslos und brutal vorgehen, ist laut verschiedenen Beobachtern auf den massiven Druck aus Italien zurückzuführen. Das Land versucht, so viele Migranten wie möglich von einer Fahrt übers Mittelmeer abzuhalten. Während Staaten wie Griechenland und Kroatien beschuldigt werden, Migranten auf dem Weg nach Europa zurückzudrängen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen – die Rede ist von «Pushbacks» –, übt Italien Druck auf Libyen und dessen Küstenwache aus.

Die libysche Regierung in Tripolis ist auf Gelder aus Italien und auf dessen Unterstützung im Machtkampf mit General Haftar angewiesen, der im Osten Libyens weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Italien und die EU unterstützen die Küstenwache auch bei der Ausbildung und Ausrüstung. Tripolis ist zudem darauf angewiesen, dass die internationalen Erdölmultis im Land bleiben. Sonst versiegt eine wichtige Geldquelle.

Doch offenbar wird auch noch anders Druck gemacht: In Westlibyen zirkulieren hartnäckige Gerüchte, dass eine italienische Spezialeinheit seit einigen Wochen an der Küste des Landesteils aktiv geworden sind. Laut mehreren lokalen Quellen handelt es sich um eine Einheit von etwa 20 Mann, die in der Nähe der schwer bewachten Raffinerie Mellitah östlich von Tripolis stationiert sind. Die Anlage gehört dem italienischen Energiekonzern Eni. Die Spezialeinheit soll nicht in der Raffinerie tätig sein, sondern mit einem Schnellboot und viel technischem Gerät täglich entlang der libyschen Küste patrouillieren.

Die «Italiener» hätten auch schon mehrfach mit den lokalen Sicherheitskräften in der nahegelegenen Stadt Zuwara Kontakt gehabt. Ein lokaler Journalist berichtet gar von mehreren Drohnenangriffen der italienischen Spezialeinheit auf eine Werft in der Stadt Sabratha. Dort werden Migrantenschiffe repariert. Die italienischen Behörden weisen diese Vorwürfe zurück.
(https://nzzas.nzz.ch/international/libyen-polizei-macht-jagd-auf-migranten-ld.1650749)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„Im Rahmen des #reprenonslaville Wochenende wurde in #Yverdon besetzt. #besetzten #freiraum„
(https://twitter.com/ag_bern/status/1449711059330387968)
-> https://renverse.co/infos-locales/article/quartier-libre-occupations-a-clendy-dessous-3264


Labor-Bivouac : un projet arty-bobo invente le monde de demain chez ceux qui détruisent le monde d’aujourd’hui
Jouxtant la gare de Lausanne, l’énorme complexe de la Rasude est affecté principalement aux services de La Poste. Depuis un an ou plus, y est imaginé et réalisé le projet LABOR, qui se définissait lui-même comme un « méta-chantier artistique ». Un appel à projet était paru sur le site de LABOR. Répondant au doux nom de BIVOUAC, il se pensait à l’international et se destinait aux artistes, aux paysagistes, aux urbanistes.
Qu’est-ce qui était alors attendu d’elles et eux ? Des projets qui « reflètent l’état du monde et la créativité de celles et ceux qui s’activent à le redéfinir ».
https://renverse.co/analyses/article/labor-bivouac-un-projet-arty-bobo-invente-le-monde-de-demain-chez-ceux-qui-3255


Oster-Krawalle in St. Gallen: Zehn Krawallmacher wurden bisher verurteilt
Nach den heftigen Oster-Krawallen in St. Gallen konnten nun zehn beteiligte Personen verurteilt werden. Sie sind zwischen 18 und 30 Jahre alt und hauptsächlich Lehrlinge.
https://www.20min.ch/story/polizei-identifiziert-und-verurteilt-zehn-krawallmacher-358060862362


+++ANTITERRORSTAAT
Rechtsumkehrt! – Bürgerliche schrauben am Terror-Gesetz
Kaum ist die Abstimmung gewonnen, verlangen Sicherheitspolitiker die präventive Verhaftung von Gefährdern. Und befeuern damit alte Ängste.
https://www.blick.ch/politik/rechtsumkehrt-buergerliche-schrauben-am-terror-gesetz-id16914507.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Ein Gespräch mit der Soziologin Elżbieta Korolczuk über die »Anti-Gender-Bewegung« und Rechtspopulismus in Polen und Europa
»Populisten sind Experten darin, per Angst zu regieren«
Zur Strategie ultrakonservativer Bewegungen gehört es, sich von einer sozialen Seite zu präsentieren, sagt Elżbieta Korolczuk, die unter anderem zu Zivilgesellschaft und Gender forscht. Die Rechten machen Liberale, Feministinnen und Schwule für eine von Gier dominierte Welt verantwortlich.
https://jungle.world/artikel/2021/41/populisten-sind-experten-darin-angst-zu-regieren


+++RECHTSEXTREMISMUS
Wie nette Nazimädchen auf Menschenfang gehen
Mit Blümchenkleid, Mohnblumen, netten Landschaftsbildern, Backrezepten und Frisurentipps legen die rechtsradikalen Influencerinnen ihre Ruten aus. Was harmlos scheint, ist gefährliche Menschenfängerei. Eine Recherche.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/br/nette-nazimaedchen-rechtsradikale-influencerinnen-100.html


Techno und Drogen: Die Tanzbrigade, eine ungewöhnliche rechtsextreme Gruppe
Mitglieder der Gruppe sind selten zu erkennen, selbst im Netz halten sie sich betont zurück
https://www.derstandard.at/story/2000130450468/techno-und-drogen-die-tanzbrigade-eine-ungewoehnliche-rechtsextreme-gruppe?ref=rss


Nie wieder Faschismus
200.000 Menschen demonstrieren in Rom nach rechtem Angriff auf Gewerkschaftshaus
Eine Woche nach dem Angriff auf den Sitz der Gewerkschaft CGIL in Rom haben am Samstag Zehntausende Menschen in der italienischen Hauptstadt gegen Faschismus demonstriert und ein Verbot neofaschistischer Gruppen gefordert.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157679.italien-nie-wieder-faschismus.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/412596.faschisten-italien-siamo-tutti-antifascisti.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Politiker wütet gegen Bundesrat: SVP stellt sich nach Skandalrede an Corona-Demo hinter Kantonsrat Beeler
Der Schwyzer SVP-Kantonsrat David Beeler hetzte an der Corona-Demo in Rapperswil gegen den Bundesrat, sprach von einem «Genozid» und verbreitete Verschwörungstheorien. Seine Kantonalpartei findet die Wortwahl teils unglücklich, will ihn aber nicht ausschliessen.
https://www.20min.ch/story/svp-stellt-sich-nach-skandalrede-an-corona-demo-hinter-kantonsrat-beeler-488355341029


Coronavirus: Skeptiker «bekehren» Piks-Willige vor Impfstandorten
Offenbar versuchen Skeptiker, Menschen vor Impfstandorten von der Spritze gegen das Coronavirus abzuhalten. Eigenen Angaben zufolge mit Erfolg.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-bekehren-piks-willige-vor-impfstandorten-66019630



NZZ am Sonntag 17.10.2021

Was den Widerstand vereint

Der Widerstand gegen die Corona-Politik ist heterogen. Was ihn eint? Ein ökologisch-konservatives Weltbild, das in der Schweiz eine Geschichte hat.

Samuel Tanner

Am Mittwoch steht der Bundesrat drinnen, umgeben vom «zertifizierten Volk», wie es draussen heisst. Im Verkehrshaus in Luzern gibt es Grissini und Dank. Vor den Glasscheiben, den Absperrungen und den vollausgerüsteten Polizisten aber stehen die Widerstandsfigur Nicolas A. Rimoldi und fünfzig weitere Leute aus dem Widerstand gegen die Corona-Politik des Bundesrats. Es ist nur ein kleiner Teil einer grossen, seit Monaten aktiven Bewegung.

«Es hätten ruhig etwas mehr sein können», steckt Rimoldi den Journalisten zu, die sehr viele sind an diesem Mittwochmittag. Noch immer ist dieser Widerstand nicht genau ergründet, und unklar, wer sich dahinter verbirgt und wer wieso dazugehört.

Sie sind extra gekommen, um gegen den Bundesrat zu demonstrieren?, frage ich einen älteren Mann aus der Urschweiz, der eine Motorradmontur trägt und einen Helm in der Hand hält.

«Ja, sicher», sagt er, «Journalist?» – NZZ am Sonntag. – «Aha», sagt er, und er und seine Begleiterin lächeln wissend, nicken sich zu. «Die Medien verdrehen alles», sagt er.

Dann reden wir eine Weile, über Wahrheit und Widerstand, manchmal scheint es einen gemeinsamen Boden zu geben, dann öffnet er sich wieder unter uns. Ein nicht untypisches Gespräch in diesem Corona-Herbst 2021. Auch deshalb bleibt bis heute offen, was neben dem Widerstand an sich die gemeinsame Geschichte dieses heterogenen Widerstands ist und welche politische Kraft er entwickeln kann – etwa an der zweiten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz am 28. November.

Der Hang zum Geheimnisvollen

Ein Team der Universität Basel versucht seit Beginn der Proteste eine soziologische Annäherung an die Bewegung. Seine Befragungen zeichnen das Bild eines Durchschnittsdemonstranten, der eher älter ist, der beruflich zu einem erstaunlich hohen Grad selbständig erwerbend ist, der die SVP wählt, der den Medien misstraut, der zudem seinen Kindern nicht beibringt, Autoritäten zu gehorchen, der Impfungen stark ablehnt, der die Alternativmedizin der Schulmedizin gleichsetzen und «zurück zur Natur» will.

Robert Schäfer, einer der Autoren der Studie, sagt: «In den Interviews zeigt sich ein deutlicher Hang zum Verschwörerischen und zum Esoterischen – das Interesse am Geheimnisvollen, am Verborgenen, das nur Eingeweihte erkennen.» Ein Grossteil der Befragten will stärker auf ein «ganzheitliches und spirituelles Denken» setzen.

Rechte und konservative Faktoren mischen sich mit grünen und ökologischen. Laut der ersten Umfrage von Tamedia zur Covid-19-Abstimmung im November ist die Ablehnung innerhalb der SVP mit Abstand am grössten. Dahinter folgt das Elektorat der Grünen.

Die unheimlichen Ökologen

Bevor es die heutige Grüne Partei der Schweiz gab, waren Grüne nicht zwingend links. Valentin Oehen, ein früherer Nationalrat und Präsident der sogenannten Nationalen Aktion gegen Überfremdung, rief schon früh: «Hört auf, die Erde zu ermorden!» Er forderte das Ende eines Wachstumszwangs, ein Verbot des verbleiten Benzins, den Schutz der Landschaft (und den «Kampf gegen die Überfremdung»). Im Jahr 1971 schrieb er, der Mensch sei «als animalisches Wesen ein Teil der Schöpfung, ein Glied einer unendlich natürlichen Ordnung».

Oehen gehörte zu den prägenden Figuren der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen, die ökologische Sorgen mit einer Reduktion der Zuwanderung in die Schweiz und der Weltbevölkerung ganz generell verband. Umbenannt zu Ecopop brachte sie dieses Anliegen im Jahr 2014 zur Abstimmung und verlor deutlich.

Mit am deutlichsten distanzierte sich damals Balthasar Glättli von der Initiative dieser «unheimlichen Ökologen», wie er ein Buch über sie benannte. Glättli ist inzwischen Präsident der Grünen.

Ecopop und seine Initiative waren der Schweizer Bevölkerung zu extrem, aber in heruntergedimmter Form entwickelt die Verbindung von ökologischen und konservativen Elementen immer wieder ihre oppositionelle Kraft. Vielleicht gerade deshalb, weil sie im Parlament nicht abgebildet ist, seit die Grünen klar links positioniert sind und die SVP das Wort grün als Schimpfwort ausspricht.

Die politische Codierung

In der Geschichte standen die beiden Parteien aber immer wieder auf der gleichen Seite, aus unterschiedlichen Motiven. Das prominenteste Beispiel ist die Abstimmung über den EWR, in der die SVP von Christoph Blocher einen neuen Gründungsmythos fand – dabei aber entscheidend unterstützt wurde von Grünen, die zwar nach Europa wollten, aber durch den Haupteingang und nicht durch den Lieferanteneingang (am «unökologischen EWR» störte sie «das Primat der Wirtschaft»).

Die SVP und die Grünen sind zudem jene Parteien, die sich am meisten als Oppositionsparteien verstehen. Und sie eint ein fast spirituelles Verhältnis zum Land (SVP) oder zumindest zur Landschaft (Grüne). Ökologie und Konservatismus bedingen sich teilweise selbst.

Am Anfang der Pandemie war weniger klar als heute, wie die politischen Gräben verlaufen. Die erste Politikerin, die eine Maske trug, war Magdalena Martullo-Blocher von der SVP. Inzwischen gilt die Maske vielen in der SVP als Unterwerfungssymbol. Einer der ersten politischen Impfgegner war Urs Hans, ein grüner Kantonsrat und Biobauer aus Turbenthal. Die Grünen schlossen ihn in den ersten Monaten der Pandemie aus der Partei aus.

Josef Lang, der Historiker und frühere Nationalrat der Grünen, sagt: «Zuerst war die Politisierung der Krise offen, dann fand eine Codierung statt: Der grüne Anteil an Kritikern ist kleiner geworden, der rechte Anteil ist grösser geworden.»

Der Widerstand wanderte im vergangenen Jahr parteipolitisch von links nach rechts, das zeigt auch die soziologische Studie der Universität Basel. Geblieben ist aber seine «ökologisch-konservative Gegenstimmung», wie Josef Lang es nennt. Auf den Strassen vereinen sich antiautoritäre Reflexe gegen die Institutionen des Staates (Schutzmassnahmen), gegen die Institutionen des technischen und medizinischen Fortschritts (Pharmaindustrie), gegen ein ewiges Wachstum und seine Einflüsse auf die natürliche Ordnung.

Kurzum: Ecopop ist eine Art Quersumme jener politischen Empfindungen, die den Widerstand gegen Corona vereinen.

Das ökologisch-konservative Element mag ein verbreitetes Grundgefühl sein, aber seine politische Kraft ist beschränkt. Im Parlament ist es nicht abgebildet, oder höchstens in gelegentlichen Allianzen aus SVP und Grünen – und um daran etwas zu ändern, sind die Widersprüche innerhalb des Widerstands vielleicht doch zu beträchtlich.

Es beginnt damit, so ist es Josef Lang aufgefallen, dass die selbsterklärten Freunde der Verfassung vor allem aus jenen Kantonen in der Deutschschweiz kommen, die die geltende Bundesverfassung ablehnten, als die Schweiz im Jahr 1999 über deren Totalrevision abstimmte.

Am stärksten eint den Widerstand sein Selbstverständnis als Widerstand. Er hat eine grosse Präsenz auf den Strassen der Schweiz, eine Partei und ein Programm hat er nicht.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/corona-was-den-widerstand-vereint-ld.1650733)



Medien-Wissenschaftlerin Lisa Schwaiger über Verschwörungs-Mythen: «Es sind kleine Gruppen, aber sie schreien sehr laut»
Verschwörungsmythen rund um Corona haben Hochkonjunktur. Warum dies die gesellschaftliche Ordnung bedroht, sagt Medienprofi Lisa Schwaiger.
https://www.blick.ch/schweiz/medien-wissenschaftlerin-lisa-schwaiger-ueber-verschwoerungs-mythen-es-sind-kleine-gruppen-aber-sie-schreien-sehr-laut-id16914325.html


Corona-Kundgebungen: Demos in Rapperswil und Baden bleiben (fast) friedlich
Beim ersten Gastspiel der Freiheitstrychler in der Aargauer Stadt nahe der Zürcher Grenze gerieten zu Beginn Demonstranten und Gegendemonstranten aneinander.
https://www.tagesanzeiger.ch/demos-in-rapperswil-und-baden-bleiben-fast-friedlich-211493603732


Coronademos im Aargau: Ausschreitungen gab es bisher nur am 8. Mai in Aarau
Die Kundgebung vom Samstag in Baden mit mehreren hundert Teilnehmenden, war die bisher letzte von insgesamt fünf grösseren Demonstrationen gegen die Coronamassnahmen im Aargau. Das geschah an den anderen, bisherigen Demos im Kanton.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/widerstand-coronademos-im-aargau-ausschreitungen-gab-es-bisher-nur-am-8-mai-in-aarau-ld.2202482


Schweizer protestieren gegen Corona-Politik – Gegendemo in Bern
In einigen Schweizer Städten haben erneut tausende Menschen gegen die Corona-Beschränkungen der Regierung demonstriert. Dabei blieb es aber offenbar weitgehend friedlich. Auch eine Gegendemonstration für mehr Solidarität fand statt.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/schweizer-protestieren-gegen-corona-politik-gegendemo-in-bern,Sm5iooT


+++HISTORY
40 Jahre Einhorn-Besetzung in Luzern: «Problem mit bezahlbarem Wohnraum hat sich zugespitzt»
Eine Gruppe junger Menschen leidet unter Wohnungsnot und kämpft deswegen für günstigere Mieten in der Stadt Luzern: Dazu besetzte Werner Heller im Frühling 1981, also vor 40 Jahren, ein leerstehendes Restaurant an der Luzerner Hertensteinstrasse. Das damalige Problem sei heute noch aktueller denn je.
https://www.zentralplus.ch/problem-mit-bezahlbarem-wohnraum-hat-sich-zugespitzt-2211175/



NZZ am Sonntag 17.10.2021

Das historische Bild: die erste Schweizer Jugendbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg

Jede Woche wählt unsere Redaktion ein geschichtsträchtiges Foto aus. Diese Woche: Bern, 5. November 1956

Thomas Isler

Die Kundgebung auf dem Waisenhausplatz gegen die sowjetische Besatzung Ungarns nahm laut NZZ «einen ruhigen und würdigen Verlauf». Aber die Referenten, so monierte später die Polizei, hätten es am Ende der Veranstaltung unterlassen, die Menge zur ruhigen Heimkehr aufzufordern. Und so zog Berns Jugend los, um vor der sowjetischen Botschaft laut und zornig weiter zu demonstrieren.

Wie das klang, zeigt ein archivierter Radiobericht: «Use mit de Russe! Abfahre! Souhönd! Use, use!» Dazwischen die aufgeregte Stimme des Radioreporters: «Die Wut dieser Buben und Mädchen kennt im Moment keine Grenzen.» Polizisten mit steifen Hüten und Ledermänteln versuchten die Menge zu bändigen, dann wurde Tränengas eingesetzt. Der Reporter beginnt zu husten und sagt: «Ich kann nicht mehr.»

Es war die erste Schweizer Jugendbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine ganze Generation war ergriffen vom Gefühl, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen. Die Jugend sammelte Spenden, betreute ungarische Flüchtlinge, beteiligte sich an Fackelzügen. Der Einsatz für das Gute wurde noch attraktiver, weil es auch etwas Böses zu bekämpfen gab. Das war an diesem Montagabend ganz eindeutig die sowjetische Botschaft in Bern.

Die NZZ notierte tags darauf: «Im Bundeshaus bedauert man ausserordentlich, dass die gestrige Kundgebung in dieser verwerflichen und unwürdigen Weise ausgeartet ist und dass die Masse sich durch einzelne Radaubrüder zu unüberlegten Taten hat hinreissen lassen.» Jugend und Politik. Gewisse Dinge ändern sich nie.
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/das-historische-bilderraetsel-welches-ereignis-loeste-diese-demonstration-aus-ld.1650409)



Use mit de Russe! Ungarn 1956 und die Schweiz
Schweiz, Bern, BE, Zürich, ZH, Ungarn, Budapest: Rückblick auf die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes 1956 durch sowjetische Panzer und die Schweizer Ungarnhilfe als Höhepunkt des Kalten Krieges
https://www.srf.ch/play/tv/spuren-der-zeit/video/use-mit-de-russe-ungarn-1956-und-die-schweiz?urn=urn:srf:video:aaf378bc-69bf-4f44-958f-2068b3b2cf64



«Use mit de Russe!» – Radiobeitrag 1956 Bern Demo inkl. Tränengas:
https://www.srf.ch/audio/srf-school/use-mit-de-russe?uuid=31472761-4b88-4136-9db7-d055f032398d


Lôzane Bouge: eine Demonstration, drei Perspektiven
Früher prägten Pressefotografien das öffentliche Bild beinahe exklusiv. Doch das änderte sich während der Jugendunruhen der 1980er-Jahre im Kampf um öffentlichen Freiraum. Foto- und Videokameras waren an allen drei Fronten dabei: Bei der Presse, den Demonstrierenden und der Polizei.
https://blog.nationalmuseum.ch/2021/10/lozane-bouge-eine-demonstration-drei-perspektiven


Gegen das Fremde – Der lange Schatten des James Schwarzenbach
Wieviel Wandel erträgt die Schweiz? Wie viele Einwanderer? Das Jahr 1970 war der Beginn einer emotionalen, oft aggressiven Debatte, die mit der Abstimmung über die SVP-Initiative gegen die Masseneinwanderung im letzten Februar einen Höhepunkt erreicht hat.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/gegen-das-fremde—der-lange-schatten-des-james-schwarzenbach?urn=urn:srf:video:ae1faadc-0e53-4dc9-8018-bd5c3ffe81a9