Medienspiegel 18. Oktober 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Keine Hinweise auf systematische Gewalt in den Bundesasylzentren
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Rechte von Asylsuchenden in den Bundesasylzentren systematisch missachtet werden. Die Grund- und Menschenrechte werden grundsätzlich eingehalten. Zu diesem Schluss kommt Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer, der im Auftrag des Staatssekretariates für Migration (SEM) untersucht hat, ob Mitarbeitende der Sicherheitsdienste unverhältnismässigen Zwang anwenden. Dies trifft in einzelnen untersuchten Fällen zu, bei denen eine Strafuntersuchung eingeleitet worden ist. In seinem Bericht empfiehlt Oberholzer dem SEM unter anderem, die Ausbildung des Sicherheitspersonals zu überprüfen und zu verbessern sowie Schlüsselpositionen in diesem Bereich mit eigenen Mitarbeitenden zu besetzen.
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/sem/medien/mm.msg-id-85485.html
-> Schlussbericht: https://www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/asyl/verfahren/ber-oberholzer-sicherheit-baz-d.pdf
-> https://www.derbund.ch/keine-systematische-missachtung-der-rechte-von-asylsuchenden-978703487445
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/untersuchungsbericht-des-sem-keine-hinweise-auf-systematische-gewalt-in-bundesasylzentren
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/keine-systematische-gewalt-in-bundesasylzentren?partId=12074505
-> Tagesschau am Mittag: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/mittagsausgabe?urn=urn:srf:video:eda3fa69-a0bd-4e52-bef5-40c53f7dae8c
-> https://www.blick.ch/politik/medienkonferenz-um-10-uhr-laesst-der-bund-asylsuchende-misshandeln-id16916492.html
-> https://www.20min.ch/story/ueben-schweizer-asylzentren-gewalt-gegen-asylsuchende-aus-519229439396
-> https://www.watson.ch/!231113851
-> https://www.nzz.ch/schweiz/gewalt-in-bundesasylzentren-untersuchung-bestaetigt-drei-faelle-ld.1650839
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/alt-bundesrichter-findet-keine-hinweise-auf-systematische-gewalt-in-asylzentren-ld.2202730
-> https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2021/amnesty-international-fordert-weitergehende-schritte-gegen-gewalt-in-bundesasylzentren
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/neues-aue-fast-fertig?id=12074544 (ab 03:08)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/bericht-analysiert-gewaltvorfaelle-im-asylzentrum-altstaetten?id=12074520 (ab 02:18)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/spatenstich-fuer-ausbau-bahnstrecke-basel-weil?id=12074637 (ab 10:55)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-friedhof-bietet-mensch-tier-graeber-an?id=12074649
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/untersuchungsbericht-entlastet-bundesasylzentren?partId=12074670
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/untersuchungsbericht-zu-gewalt-in-bundesasylzentren?urn=urn:srf:video:218e97d6-4fc7-4437-bc54-b9d118cadd7d
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nach-vorwuerfen-in-bundesasylzentren-untersuchung-bestaetigt-einzelne-faelle-von-gewalt-144070511
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/gewaltvorwuerfe-in-asylzentren-keine-hinweise-auf-systematische-gewalt-144070762
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/amnesty-sfh-und-unhcr-verlangen-beschwerdestelle-in-asylzentren-00167454/
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/bericht-zum-sicherheitspersonal-in-bundesasylzentren?urn=urn:srf:video:61320933-0a43-485c-a553-1a69caae422a
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bericht-zu-bundesasylzentren-bundesamt-fuer-migration-wird-entlastet-muss-aber-ueber-die-buecher
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/asyl-gewalt-in-bundesasylzentren-alt-bundesrichter-taxiert-foltervorwurf-als-irrefuehrend-und-falsch-ld.2203082
-> https://www.aargauerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/alt-bundesrichter-findet-keine-hinweise-auf-systematische-gewalt-in-asylzentren-ld.2202730
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/kommentar-missstaende-in-bundesasylzentren-ueberzogene-vorwuerfe-ld.2203112



Amnesty International fordert weitergehende Schritte gegen Gewalt in Bundesasylzentren
Amnesty International begrüsst die Empfehlungen von Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer, den Schutz von Asylsuchenden vor Gewalt in den Bundesasylzentren zu verbessern, fordert jedoch weitergehende Massnahmen, um Übergriffe in Zukunft zu verhindern. Die Menschenrechtsorganisation hält an den Einschätzungen in ihrem Bericht vom Mai 2021 fest, dass die von ihr dokumentierten Vorfälle dermassen schwer waren, dass umfangreiche Veränderungen im Betrieb und der Aufsicht der Bundesasylzentren nötig sind.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2021/amnesty-international-fordert-weitergehende-schritte-gegen-gewalt-in-bundesasylzentren


Gewaltvorfälle BAZ: Bericht Oberholzer erachtet Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private als problematisch
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst die Erkenntnis aus dem Bericht des ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer, dass keine systematischen Gewaltvorfälle in den Bundesasylzentren festzustellen sind. Es besteht jedoch Handlungsbedarf bei den Schwachstellen der heutigen Organisationsstrukturen. Insbesondere rät Altbundesrichter Oberholzer davon ab, heikle Sicherheitsaufgaben vollständig an private Sicherheitsfirmen auszulagern. Die SFH unterstützt diese Empfehlung und fordert das Staatssekretariat für Migration (SEM) diesbezüglich auf, mehr Verantwortung zu übernehmen.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/gewaltvorfaelle-baz


UNHCR fordert schnelle Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle
Vorfälle in den Bundesasylzentren (BAZ): UNHCR Schweiz begrüsst die Empfehlungen im Untersuchungsbericht von Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer und fordert schnelle Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle.
https://www.unhcr.org/dach/ch-de/70203-unhcr-fordert-schnelle-einrichtung-einer-unabhangigen-beschwerdestelle.html



(FB Solidarité sans frontières)
Oberholzer Bericht: Eine nicht-Lösung als Lösung

Das SEM hat heute Morgen eine Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung des Oberholzer-Berichts einberufen, benannt nach dem ehemaligen Bundesrichter, der mit einer externen Untersuchung verschiedener Gewaltvorfälle in Bundesasyllager beauftragt war. « Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen – setzen wir Polizeibeamte anstelle der Securitas ein und alles wird besser », sagt Oberholzer sinngemäß.

Eine nicht-systemische Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Gewalt nicht systemisch ist Angesichts der angewandten Methodik sind die Schlussfolgerungen nicht sehr überraschend. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie realitätsnah oder unterstützenswert sind. In sechs der sieben vom ehemaligen Richter untersuchten Fälle waren Beschwerden eingereicht worden. Der siebte Fall war weithin bekannt, so dass es für das SEM schwierig war, ihn zu ignorieren. Diese sieben Fälle sind nicht repräsentativ. Sie sind eher die Spitze des Eisbergs. Sie sagen nichts über andere Fälle von Gewalt aus, über die keine Beschwerden oder Medienberichte eingegangen sind. Die unabhängigen Berichte und Zeugenaussagen von Asylsuchenden zeigen in eine andere Richtung. Sie zeugen von einer Realität, in der die Menschen zögern, Beschwerden einzureichen – weil sie ihre Rechte nicht kennen, weil sie eingeschüchtert sind oder weil sie negative Auswirkungen auf ihren Asylantrag fürchten. Manchmal werden Personen auch in ein anderes Zentrum verlegt oder zurückgeschickt, bevor sie sich wehren können.

Eine Lösung, die wie das Problem aussieht

Es ist klar, dass die Bundesasyllager Orte von Spannungen sind. Im Gegensatz zu Richter Oberholzer glauben wir aber nicht, dass dies an den “verschiedenen Kulturen” liegt, die sich dort vermischen, sondern am gefängnisähnlichen Charakter der Bundeslager: Stacheldraht, Personenkontrollen und stichprobenartige Durchsuchungen, Verbot der Mitnahme von Lebensmitteln, auch von Babynahrung, usw. Viele Aussagen von Menschen, die dort gelebt haben, unterstreichen dasselbe: asylsuchende Menschen haben von Anfang an das Gefühl, dass sie als Kriminelle betrachtet werden. Die Aussagen des Sicherheitspersonals stützen dieses Phänomen: In Trainings werden Asylsuchende als gefährlich und unberechenbar dargestellt. Die Securitas-Ausbildung nun durch eine Polizeiausbildung zu ersetzen, löst das Problem nicht, denn Repression hat noch nie zu einem friedlichen Zusammenleben beigetragen.

Die Fälle von Gewalt in den Bundesasyllagern verdeutlichen nur ein breiteres Phänomen: Das Schweizer Asylsystem will eher abschrecken als schützen. Solange die Zentren als Orte der Ausgrenzung und nicht der Aufnahme konzipiert sind, wird es immer Gewalt geben – egal unter wessen Kontrolle.
(https://www.facebook.com/sosf.fanpage/photos/a.409266884587/10159560959309588/)



KKPS: Polizeiaufgaben in Asylzentren erfordern grössere Bestände
Falls das Polizeiaufgebot in Asylzentren grösser werden soll, müsste es allgemein mehr Polizisten geben, so die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten.
https://www.nau.ch/news/schweiz/kkps-polizeiaufgaben-in-asylzentren-erfordern-grossere-bestande-66025265



derbund.ch 18.10.2021

Gewalt in BundesasylzentrenSicherheitsleute sind ihrer Aufgabe nicht gewachsen

Eine externe Untersuchung kommt zum Schluss, dass in den Bundesasylzentren vor allem Staatspersonal arbeiten sollte. Das Staatssekretariat für Migration will Massnahmen prüfen.

Alessandra Paone

Seit Jahren ist Gewalt in den Bundesasylzentren ein Thema, und seit Jahren kritisieren Politik und Menschenrechtsorganisationen die mangelnde Ausbildung der Sicherheitsleute. Diese seien den oft sehr komplexen Situationen nicht gewachsen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat die Mandate für die Sicherheitsdienstleistungen in den Bundesasylzentren an die privaten Unternehmen Protectas, Securitas und die Verkehrsüberwachung Schweiz vergeben.

Viele Asylsuchende haben Schlimmes erlebt, sind traumatisiert, unsicher, perspektivlos. Einige reagieren mit Wut und Verzweiflung. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern mit teils unterschiedlichen Religionen, Kulturen und Sprachen und müssen an einem fremden, unpersönlichen Ort auf engem Raum miteinander klarkommen.

Staatspersonal statt privater Firmen

Es sei wichtig, dass das SEM in den Bundesasylzentren nicht allgemeines Sicherheitspersonal einsetze, «das man genauso gut bei Anlässen oder an einem Fussballspiel antreffen könnte», sagte SP-Nationalrätin Samira Marti im Mai im Gespräch mit dieser Zeitung. Gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Fabian Molina forderte sie, die Sicherheitsdienste nicht mehr auszulagern. Das Personal solle analog zu den Gefängnissen staatlich sein. Die beiden Politiker brachten ihr Anliegen direkt in die Kommission ein: Marti ist Mitglied der Staatspolitischen Kommission, Molina gehört der Geschäftsprüfungskommission (GPK) an.

Ein Bericht von Niklaus Oberholzer stützt nun diese Forderung. Das SEM beauftragte den früheren Bundesrichter im Frühling, die von Medien und Menschenrechtsorganisationen erhobenen Gewaltvorwürfe zu untersuchen. (Lesen Sie dazu: Bund überrascht mit Kehrtwende) Oberholzer stellt die Ausgliederung der staatlichen Sicherheitsaufgaben an private Dienstleistungserbringer stark infrage. Deren Geschäftsfeld sei nicht auf die Betreuung vulnerabler Personen, sondern auf den Personenschutz, die Objektbewachung und den Ordnungsdienst ausgerichtet, sagt er am Montag vor den Medien. Und überhaupt: «Sicherheit und Ordnung sind primär die Aufgaben staatlicher Organe.»

Er schlägt deshalb vor, die eigentlichen Schlüsselpositionen in den Zentren – jedenfalls im Bereich der Sicherheit – mit Angestellten des Bundes oder allenfalls der Kantone zu besetzen. Nur sie wären dann etwa befugt zu entscheiden, ob und wann eine asylsuchende Person in einen sogenannten Besinnungsraum komme.

SEM will nicht ganzes Personal ersetzen

Diese Räume waren bei den erhobenen Gewaltvorwürfen immer wieder ein Thema. Asylsuchende schilderten, wie sie wegen «Kleinigkeiten» nächtelang im «Silo» oder in der «Zelle» verbringen mussten. Besinnungsräume sind kleine, fensterlose, verriegelte Zimmer mit einer Matratze. Asylsuchende dürfen in Konfliktsituationen maximal zwei Stunden darin festgehalten werden, bis die Polizei eintrifft. Und nur wenn sie oder das Sicherheitspersonal sich in Gefahr befinden. Es stelle sich die rechtspolitische Frage, wer eine solche Zwangsmassnahme anordnen dürfe, sagt Oberholzer.

Er empfiehlt ausserdem, auch an den Logen der Zentren SEM-Mitarbeiter oder Polizistinnen einzusetzen. Im Idealfall wären diese auch für die Rapporte zuständig. Dem Personal der privaten Sicherheitsfirmen käme nur noch eine unterstützende Funktion zu. Damit würde nicht nur das in der Verfassung verankerte staatliche Gewaltmonopol gestärkt, sondern es könnten damit zugleich die systemischen Schwachstellen der heutigen Organisationsstrukturen beseitigt werden.

«Wir nehmen die Empfehlungen sehr ernst», sagt SEM-Chef Mario Gattiker. Und betont, dass das SEM schon früh begonnen habe, die Probleme anzugehen – noch bevor Oberholzer mit der Untersuchung beauftragt worden sei. «Wir sind dran!» Er lässt aber durchblicken, dass er es nicht für realistisch halte, das ganze Sicherheitspersonal durch eigene Leute zu ersetzen. Mit der Vergabe der Mandate an Externe sei man flexibler, etwa wenn die Zahl der Asylsuchenden wie 2015 plötzlich zunehme.

Doch genau dieses Argument will Fabian Molina nicht gelten lassen. «Das SEM kann doch sehr gut bei Bedarf externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzen», sagt er. Für den SP-Nationalrat sind die Erkenntnisse aus dem Bericht «besorgniserregend». Es stehe schwarz auf weiss geschrieben, dass das eingesetzte Sicherheitspersonal nicht kompetent genug und masslos überfordert sei. «Schlimm ist, dass das schon lange bekannt ist, das SEM aber nie etwas dagegen unternommen hat.»

Parlament untersucht ebenfalls

Die Gewaltvorwürfe werden auch von der GPK des Nationalrats untersucht. Das SEM wird also vielleicht noch dieses Jahr mit dem nächsten Bericht konfrontiert sein – und mit verbindlicheren Empfehlungen.

Für die privaten Sicherheitsfirmen dürften Oberholzers Fazit und der angekündigte GPK-Bericht Folgen haben. Schon im Frühling liess das SEM bei einer internen Untersuchung 14 Sicherheitspersonen suspendieren. «Natürlich werden wir den Bericht analysieren», sagt Securitas-Sprecher Urs Stalder. Mehr will und darf er aber nicht sagen. Das SEM sei Auftraggeber und trage die Verantwortung.

Amnesty International gehen die von Oberholzer vorgeschlagenen Massnahmen zu wenig weit. Die Menschenrechtsorganisation verlangt unter anderem einen effektiven Schutz für Whistleblowerinnen und Whistleblower, die Missstände in den Zentren melden. Zusammen mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge fordert sie eine unabhängige Beschwerdestelle. Amnesty hält zudem an ihren Einschätzungen fest, dass die Gewalt durch Sicherheitspersonal gegen Asylsuchende teilweise an Folter reicht.
(https://www.derbund.ch/sicherheitsleute-sind-ihrer-aufgabe-nicht-gewachsen-314250742880)



nzz.ch 18.10.2021

Streit um Handy und Maske – Untersuchung bestätigt Fälle von unangemessener Gewalt in Asylzentren

Gemäss einem externen Bericht missachten die Behörden die Rechte der Asylsuchenden in den Bundeszentren zwar nicht systematisch. Banale Dispute führten in Einzelfällen aber zu rechtswidrigen Interventionen. Die privaten Sicherheitsdienste geraten dadurch in die Kritik.

Tobias Gafafer, Frank Sieber

Die Vorwürfe gegen Sicherheitsdienste in Bundesasylzentren waren happig. Diverse Medien berichteten im Frühjahr über Vorfälle, die den Umgang mit Asylbewerbern in schlechtem Licht erscheinen liessen. Kurz darauf legte Amnesty International mit einen Bericht nach, der sich weitgehend auf dieselben Vorfälle bezog. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) sprach von «schweren Misshandlungen» und stellte sogar den Vorwurf der Folter in den Raum.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) reagierte und beauftragte den Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer mit einer Untersuchung, deren Ergebnisse nun vorliegen. Oberholzer untersuchte sieben Fälle in den Bundesasylzentren Boudry, Basel und Altstätten in St. Gallen, in denen unverhältnismässiger Zwang gegen Asylsuchende ausgeübt worden sein soll. In fünf dieser Fälle laufen schon länger Strafuntersuchungen – einen weiteren Fall hat die Staatsanwaltschaft nicht weiterverfolgt. Diese Untersuchungen zeigten, dass der Rechtsschutz funktioniere, sagte Oberholzer am Montag vor den Medien.

Oberholzer kommt in seinem über hundertseitigen Bericht zum Schluss, es gebe keine Hinweise auf eine systematische Missachtung der Rechte von Asylsuchenden oder eine generelle Voreingenommenheit beim Personal. «Der teilweise vermittelte Eindruck, in den Bundesasylzentren werde gefoltert, ist falsch», sagte er. Oberholzer stellt jedoch auch fest, dass das Verhalten der Sicherheitsdienste in drei der sieben Fälle unverhältnismässig und grundsätzlich auch rechtswidrig gewesen sei.

Teilweise sei die Reaktion in keinem Verhältnis zum Anlass gestanden, sagte er. Zwei der Einsätze hatten zur Folge, dass der Notfalldienst gerufen werden musste. In Boudry führte ein eher banaler Vorfall zur Eskalation. Eine Asylbewerberin aus Osteuropa intervenierte beim Sicherheitsdienst wegen eines Handys, das ein Kind einem anderen Asylsuchenden ausgeliehen, aber von diesem nicht zurückerhalten haben soll.

Es kam zu mehreren Disputen, in deren Folge beide Asylsuchenden in einen zellenähnlichen «Besinnungsraum» gebracht wurden. In diesen können Bewohner der Bundeszentren maximal zwei Stunden festgehalten werden, bis die Polizei eintrifft. Mit einem besonneneren Vorgehen hätte der Schritt wohl vermieden werden können, schreibt Oberholzer.

Spitaleinweisung nach Maskenstreit

In einem weiteren Fall in Altstätten war der Auslöser, der zur Intervention des Sicherheitsdienstes führte, ebenfalls eher banaler Natur. Ein minderjähriger Asylbewerber aus Afrika kehrte ohne Maske ins Bundesasylzentrum zurück, nachdem er zu später Stunde eine Zigarette geraucht hatte. Er soll sich nicht zum ersten Mal nicht an die Corona-Regel gehalten haben und musste die Nacht im Eingangsbereich verbringen.

Der Asylbewerber soll massiven Übergriffen des Sicherheitspersonals ausgesetzt gewesen sein. In der Folge musste er wegen seiner Verletzungen im Kinderspital St. Gallen behandelt werden. Das Missverhältnis zwischen dem Anlass und den schwerwiegenden Folgen der Intervention deute auf eine unangemessene Gewaltanwendung hin, schreibt Oberholzer.

In einem weiteren Fall aus Basel bezweifelt Oberholzer, dass die Reaktion des Sicherheitspersonals angemessen war. Der Asylbewerber sei zwar stark alkoholisiert und aggressiv gewesen, weshalb eine Intervention nötig gewesen sei, schreibt er. Die Situation sei aber derart ausser Kontrolle geraten, dass es Zweifel gebe, ob die Reaktion adäquat gewesen sei.

In den drei anderen untersuchten Fällen taxierte Oberholzer die Zwangsmassnahmen dagegen als gerechtfertigt. Es habe sich um stark alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Asylsuchende gehandelt, die sich aggressiv verhalten hätten. «Der Einsatz des Sicherheitsdienstes war nötig, um den Schutz der Bewohner und des Personals zu gewährleisten», sagte Oberholzer. Er stellte die Vorkommnisse in Relation zur Zahl der rund 2300 Asylsuchenden in den Bundeszentren und der rund 700 Mitarbeitenden im Sicherheitsdienst.

Umstrittene Rolle privater Sicherheitsdienstleister

Obwohl Oberholzer keine Hinweise auf systematische Missbräuche gefunden hat, macht er Empfehlungen für Verbesserungen. So schlägt er vor, die Aus- und Weiterbildung für die Sicherheitsdienste zu überprüfen und anzupassen. Zudem stellt Oberholzer die Grundsatzfrage, wieweit die Sicherheit an Private ausgegliedert werden soll. Der Bund, der im Asylwesen seit 2019 eine stärkere Rolle spielt, hat diese Aufgabe an Unternehmen wie die Securitas oder die Protectas ausgelagert.

Konkret empfiehlt Oberholzer zu prüfen, ob das SEM die Schlüsselpositionen in den Bundesasylzentren mit polizeilich ausgebildeten eigenen Mitarbeitern besetzen könnte. Dies hätte höhere Kosten zur Folge, sagte er. Die Ausgaben für das Asylwesen sind in den letzten Jahren bereits stark gestiegen.

Weiter verweist Oberholzer auf die ungenügende rechtliche Grundlage für die Anwendung von Zwang gegen Asylsuchende. Er empfiehlt, disziplinarische Massnahmen präziser zu regeln und die Abläufe bei der Rapportierung von Vorfällen zu verbessern. In Boudry soll das Sicherheitspersonal gemäss der «Rundschau» von SRF Rapporte manipuliert haben. Eine vollständige Nullfehlerkultur sei nicht möglich, sagte Oberholzer. Doch das SEM müsse aus Fehlern lernen.

In den Bundesasylzentren sind Asylbewerber unterschiedlicher Herkunft in beengten Verhältnissen untergebracht. Dies kann zu schwierigen Situationen führen. Namentlich inner- und ausserhalb des Zentrums in Boudry sorgten im Sommer des letzten Jahres Asylsuchende aus Algerien für Probleme. Der Bund hat reagiert und im Februar das besondere Zentrum in Les Verrières wiedereröffnet. In diesem werden renitente Asylbewerber untergebracht, die den Betrieb stören. Dies sollte die regulären Unterkünfte zumindest teilweise entlasten.

Konflikte seien nicht zu vermeiden, sagte der SEM-Direktor Mario Gattiker vor den Medien. Asylsuchende hätten aber ein Recht, korrekt behandelt zu werden, auch wenn sie sich in den Bundeszentren nicht an die Regeln hielten. Als Sofortmassnahme kündigte das SEM an, eine Regelung zu den «Besinnungsräumen» zu erlassen. Sie dürften ausschliesslich in Notsituationen Verwendung finden. Das SEM will die Ausgestaltung der Disziplinarmassnahmen und den Einsatz der «Besinnungsräume» generell überprüfen.

Mit einem Pilotprojekt möchte Gattiker zudem prüfen, ob eine niederschwellige Anlaufstelle geschaffen werden soll, an die sich Asylsuchende im Konfliktfall wenden können. Der Staatssekretär will auch abklären, ob es mehr eigene Angestellte braucht. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Schwankungen der Asylzahlen ohne privates Personal nicht bewältigt werden könnten.

Amnesty hält am Folterverdacht fest

Amnesty begrüsste die Empfehlungen Oberholzers in einer Stellungnahme. Die Massnahmen gehen der Organisation allerdings zu wenig weit. Sie verlangt einen effektiven Schutz für Whistleblower, die Missstände in den Zentren melden. Es brauche einen wirklich unabhängigen Beschwerdemechanismus für die Opfer von Gewalt. Zudem sollten Behördenvertreter bestimmt werden, die spezifisch für die Überwachung und Durchsetzung der Menschenrechte in den Bundesasylzentren verantwortlich seien.

Ausserdem hält die NGO an ihrer früheren Einschätzung fest, dass die Gewaltanwendung in einzelnen Fällen bis zu Folter reichen könnte. Oberholzer stütze sich auf Berichte, die vor ihren eigenen Recherchen veröffentlicht worden seien und weder den gesamten Zeitraum noch alle von Amnesty aufgedeckten Fälle umfassten.

Oberholzer sagte vor den Medien, er habe von den Behörden Einsicht in alle Akten erhalten. Zudem führte er Gespräche mit den Verfassern des Berichts von Amnesty, dem Verantwortlichen der Protectas und ehemaligen Mitarbeitern des Sicherheitspersonals. Wegen des Quellenschutzes erhielt er keinen Zugang zu den Tonaufnahmen, die Medien zugespielt worden waren. Die Berichterstattung habe – soweit ersichtlich – aber weitgehend auf den Recherchen von Amnesty beruht, schreibt Oberholzer.
(https://www.nzz.ch/schweiz/untersuchung-bestaetigt-faelle-von-unangemessener-gewalt-in-asylzentren-ld.1650839)



Referendum gegen den Ausbau von Frontex
Mehrfach dokumentierte Push-Backs, kaum Kontrolle von aussen: Trotz schwerwiegenden Vorwürfen erhöht die Schweiz ihren Beitrag an die Frontex. Während der letzten Session entschied das Parlament, dass in den kommenden Jahren je bis zu 61 Millionen Franken an die europäische Grenzschutzagentur fliessen sollen.
Dabei stellte im März dieses Jahres sogar die eidgenössische Zollverwaltung Frontex-Chef Fabrice Leggeri zur Rede und mahnte im Gespräch zur Einhaltung von Grundrechten.
Trotz dem Schweigen der parlamentarischen Linken gibt es nun Widerstand gegen den Ausbau der Frontex-Finanzierung. Am vergangenen Donnerstag teilte das Migrant-Solidarity-Network mit, dass es ein Referendum lanciert.
Die Frist endet am 20. Januar, das Migrant Solidarity Network MSN will mit der Unterschriften-Sammlung anfangen, sobald die Bundeskanzlei die Unterschriftenbogen abgesegnet hat.
https://rabe.ch/2021/10/18/referendum-gegen-den-ausbau-von-frontex/


Was tun gegen moderne Arbeitssklaverei in der Schweiz? – Rendez-vous-Tagesgespräch
Sans Papiers und Opfer von Menschenhandel. Am europäischen Tag gegen Menschenhandel diskutieren die Journalistin und Buchautorin Tanja Polli und der Stadtberner Chef der Fremdenpolizei, Alexander Ott, über den Umgang mit diesen «Unsichtbaren» in der Gesellschaft.
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/was-tun-gegen-moderne-arbeitssklaverei-in-der-schweiz?id=12074418



+++DEUTSCHLAND
Vorstoß für Verschärfung
Kabinett soll Maßnahmen gegen Geflüchtete an Grenze zu Polen beraten
https://www.jungewelt.de/artikel/412736.eu-abschottung-vorsto%C3%9F-f%C3%BCr-versch%C3%A4rfung.html


+++RUMÄNIEN
Migranten in Rumänien – Im «Dschungel» von Timisoara
Immer mehr Menschen flüchten über Rumänien in den Westen. In der westrumänischen Stadt Timisoara begegnet einem viel Elend – aber auch Hoffnung.
https://www.srf.ch/news/international/migranten-in-rumaenien-im-dschungel-von-timisoara


+++MITTELMEER
Seenotrettung im Mittelmeer: Sea-Watch rettet 320 Menschen
Nach mehreren Einsätzen binnen eines Tages sei das Schiff sehr voll, sagt die Organisation. Bereits am Sonntag hatten die freiwilligen Helfer zwei Rettungen durchgeführt.
https://taz.de/Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5808464/


»Sea-Watch 3« rettet 120 Menschen vor Libyen
Crew der »Seabird« wird Zeugin von zwei sogenannten Pullbacks durch die libysche Küstenwache
Die Hilfsorganisation Sea-Watch hat bei mehreren Einsätzen im Mittelmeer insgesamt 120 Migranten aus Seenot gerettet. Ihr Beobachtungsflieger »Seabird« wurde zudem Zeuge einer fragwürdigen Aktion der libyschen Küstenwache.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157691.seenotrettung-sea-watch-rettet-menschen-vor-libyen.html


++EUROPA
Flüchtlinge aus Belarus: Heiko Maas für Sanktionen im Flugverkehr mit Belarus
Der deutsche Außenminister will gegen Airlines vorgehen, die Migranten illegal von Belarus nach Europa bringen. Lukaschenko nannte er einen “Chef eines Schleuserrings”.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-10/fluechtlinge-belarus-deutschland-fluggesellschaften-heiko-maas-alexander-lukaschenko


+++GASSE
Genf: Plakatieren verboten
Aktivisten wollen die Stadt Genf von Werbung befreien – und damit Raum für Kreativität schaffen.
https://www.zeit.de/2021/42/genf-flaeche-kunst-plakatwerbung-volksinitiative


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Serie «Offensiv digital» – Teil 1: Die Hackerin
Tillie Kottmann zeigt Sicherheitslücken in Computersystem auf und veröffentlicht Daten zu Missständen. Doch ab wann ist Hacken in der Schweiz strafbar? Antworten gibt Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/serie-offensiv-digital—teil-1-die-hackerin?urn=urn:srf:video:46f82a0a-54b8-4b7e-ae04-3fbcbcbd1393


Freies Stadtviertel: Aneignung der Böden und Besetzung in Clendy-Dessous
Räume besetzen, Orte öffnen, Möglichkeiten entstehen lassen… Was als Wochenende der Aktionen und Begegnungen angekündigt war, wird nun zum freien Stadtviertel! Zwei Gebäude sind derzeit besetzt / Ein Gebäude ist derzeit besetzt und Transpis machen die leeren Gebäude sichtbar. Für eine radikale Ökologie und eine Offensive gegen die Stadt, um ein Projekt zu viel in einer von Beton gesättigten Welt zu stoppen, erobern wir diese Räume zurück, um langfristig eine Zone des Kampfes gegen die galoppierende Urbanisierung, die Vermarktung von Räumen und Köpfen zu schaffen.¶
https://barrikade.info/article/4804


Klimaaktivistin Lina (18): «Ich habe immer noch Hoffnung»
Anfangs Oktober legte Klimaaktivistin Lina (18) den Verkehr in Zürich lahm. So wollte sie auf die Klimakrise aufmerksam machen. Doch sie wurde verhaftet.
https://www.nau.ch/news/schweiz/klimaaktivistin-lina-18-ich-habe-immer-noch-hoffnung-66025038


+++POLIZEI DE
Die Polizei hat ein Problem
Polizeiarbeit kritisch zu hinterfragen, galt in Deutschland lange als Tabu. Spätestens seit dem Bekanntwerden rassistischer Vorfälle in den Reihen der Polizei sehen Wissenschaft und Medien nun genauer hin. Das zeigt sich auch an vielen Neuerscheinungen zum Thema.
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/deutschland-rassismus-polizeiarbeit


+++POLICE GB
Police spies inquiry: five officers allowed to give evidence in secret
Group includes two former officers who admit having sexual relationships with women while undercover
Five undercover police officers who infiltrated political groups in the 1970s and 1980s have been allowed to give evidence in secret to a public inquiry, leading to accusations that police are being allowed to cover up any wrongdoing.
https://www.theguardian.com/uk-news/2021/oct/18/police-spies-inquiry-five-officers-allowed-to-give-evidence-in-secret


+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Referendum gegen Frontex, Protest gegen Gewalt in Libyen, Europa gegen Einreise von Afghan*innen
https://antira.org/2021/10/18/antira-wochenschau-referendum-gegen-frontex-protest-gegen-gewalt-in-libyen-europa-gegen-einreise-von-afghaninnen/


Samantha Wanjiru: Warum das Wort Mohr jedes Mal einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt
Die stereotype Darstellung einer afrikanischen Frau auf dem St.Galler «Haus zum Mohrenkopf» war für «Tagblatt»-Kolumnistin Samantha Wanjiru ein Schock. Sie fragt sich, wie die Gesellschaft mit rassistisch angehauchten Gebäuden oder Strassennamen umgehen sollte.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/gedankenstrich-kolumne-samantha-wanjiru-warum-das-wort-mohr-jedes-mal-einen-bitteren-nachgeschmack-hinterlaesst-ld.2202209


+++RECHTSEXTREMISMUS
nzz.ch 18.10.2021

Rassismus: Wo beginnt das Werben für eine Ideologie?

Bei der Rassismus-Strafnorm ist der Ermessensspielraum gross, wenn es um die Unterscheidung zwischen aktivem Werben und passivem Zurschaustellen der eigenen extremistischen Haltung geht.

Dina Wyler

Ist das Ausführen des Hitlergrusses strafbar? Diese Frage stellte sich kürzlich, als Anfang September ein Corona-Demonstrant vor Hunderten Menschen die Hand demonstrativ zum Hitlergruss hob. Auch wenn die Empörung über diese Geste gross war, die rechtliche Lage ist komplex. Denn anders als in Deutschland gilt in der Schweiz kein generelles Verbot rechtsextremer Symbole oder Gesten.

Was die Rassismusstrafnorm sagt

Wörtlich besagt die Rassismusstrafnorm, dass sich strafbar macht, wer «öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt».

Das Tragen eines Hakenkreuzes oder der ausgeführte Hitlergruss sind aber nur dann strafbar, wenn damit eine menschenverachtende Ideologie wie der Nationalsozialismus aktiv beworben wird. Richterinnen und Richter haben hier also einen relativ weiten Interpretationsspielraum, wie einige Beispiele aus der Vergangenheit zeigen.

2020 sprach die Strafvollzugsbehörde einen Mann der Rassendiskriminierung schuldig, welcher Fotos eines Hakenkreuzes ausserhalb seiner Wohnungstüre angebracht hatte. Laut dem Richter verbreitete der Mann damit rassendiskriminierende Ideologien, da die Hakenkreuze für alle Anwohner des Hauses klar sichtbar waren.

In einem ähnlichen Fall wurden die Beschuldigten hingegen freigesprochen, nachdem sie auf einem öffentlichen Grillplatz eine Hakenkreuzfahne gehisst hatten. Hier befand die Staatsanwaltschaft, dass dieser Akt zwar ein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus sei, jedoch nicht der Verbreitung dieser Ideologie gegolten habe.

Diese Beispiele zeigen: Ob es sich bei einem Vorfall «lediglich» um ein persönliches Bekenntnis handelt oder um die Verbreitung einer Ideologie, entscheidet das zuständige Gericht nach eigenem Ermessen. An den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten stossen sich zunehmend auch Politiker. Unlängst verlangten gleich zwei parlamentarische Vorstösse, es sei zu klären, ob bestimmte menschenverachtende Symbole generell verboten werden sollten. Während sich der Vorstoss der SP-Nationalrätin Gabriela Suter vor allem auf Symbole des Nationalsozialismus bezieht, liegt der Fokus beim wenige Tage zuvor eingereichten Vorstoss der SVP-Nationalrätin Monika Rüegger auf islamistischen Symbolen.

Kontext ist relevant

Ob ein generelles Verbot jeglichen extremistischen Symbols sinnvoll ist, sei dahingestellt, da der Kontext, in welchem ein solches Symbol gezeigt wird, immer zu berücksichtigen ist. Wenn jedoch das Hakenkreuz zur Schau gestellt wird, um die eigene rechtsextreme Gesinnung zu präsentieren, sollte dies in jedem Fall strafbar sein. Denn sobald sich die Trägerin oder der Träger durch entsprechende Symbole öffentlich zu dieser Ideologie bekennt, wirbt er oder sie damit unweigerlich auch für diese Gesinnung. Gerade bei Symbolen wie dem Hakenkreuz, die sinnbildlich für eine Ideologie stehen, die nicht mit den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates zu vereinbaren sind, ist eine klare Rechtsgrundlage unabdingbar.

Versuche zur Einführung eines generellen Verbotes menschenverachtender Symbole sind im Parlament bisher gescheitert. Die beiden eingereichten Vorstösse dürften daher einen schweren Stand haben. Es wäre aber wünschenswert, dass die Politik die gegenwärtig unbefriedigende Unterscheidung zwischen aktivem Werben und passivem Zurschaustellen der eigenen extremistischen Haltung durch entsprechende Symbole unter die Lupe nimmt. Diese Klärung wäre nicht nur ein Zeichen für den Schutz von Minderheiten, die sich durch entsprechende Symbole direkt bedroht sehen, sondern auch ein wichtiges Bekenntnis zum Demokratieverständnis der Schweiz.

Dina Wyler ist Geschäftsführerin der Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus.
(https://www.nzz.ch/meinung/rassismus-wo-beginnt-das-werben-fuer-eine-ideologie-ld.1648897)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Nach Skandalrede von SVP-Kantonsrat: «Beeler hat sich mit seinen Aussagen wohl nicht strafbar gemacht»
Die Rede eines SVP-Kantonsrats an der Corona-Demo in Rapperswil enthielt Holocaust-Vergleiche, Genozid-Behauptungen und Aufstandsfantasien. Solche Äusserungen eines gewählten Politikers seien bedenklich, aber kaum strafbar, so eine Rechtsprofessorin.
https://www.20min.ch/story/beeler-hat-sich-mit-seinen-aussagen-wohl-nicht-strafbar-gemacht-232705433419
-> https://www.blick.ch/politik/nach-wutrede-gegen-bundesrat-polizei-ermittelt-gegen-svp-beeler-id16916752.html?utm_source=twitter&utm_medium=social&utm_campaign=blick-page-post&utm_content=bot
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/bericht-liegt-vor-so-will-luzern-bis-2050-klimaneutral-werden?id=12074448 (ab 02:28)
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schwyzer-svp-kantonsrat-im-fokus-der-st-galler-kantonspolizei-482810781194
.> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/corona-demo-rede-von-schwyzer-politiker-ruft-justiz-auf-den-plan?id=12074691



nzz.ch 18.10.2021

Jeden Donnerstag demonstrieren Gegner der Corona-Politik in Bern. Doch langsam wird auch die Gegenseite wütend

Mit Wegweisungen wird die Stadt es bald nicht mehr bewenden lassen. Wer die Leute sind, die jede Woche kommen, was sie planen – und wie es weitergeht.

Elena Lynch, Oliver Camenzind

Jeden Donnerstagabend kamen die Leute aus der Agglomeration nach Bern. Sie kamen aus Köniz, Münsingen, Ostermundigen, Zollikofen und suchten das frühe Wochenende. Donnerstags hatten die Läden länger offen, und in den Klubs fanden die ersten Partys statt.

Seit einigen Wochen kommen die Leute nicht mehr, um sich zu vergnügen. Sie kommen, um gegen die Corona-Massnahmen zu demonstrieren.

Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen sind nichts Neues. Seit März finden sie fast monatlich und überall statt: Am 20. März in Liestal. Am 24. April in Rapperswil. Am 29. Mai in Solothurn. Am 13. Juni in Zug. Am 31. Juli in Luzern. Im August kommt die Zertifikatspflicht ins Gespräch. Die Demonstrationen werden noch einmal mehr: Am 21. August in Olten. Vier Tage danach in St. Gallen.

Seit September wird gleich mehrmals in der Woche demonstriert. Der Grund: Der Bundesrat führte am 13. September die Zertifikatspflicht und am 11. Oktober die Kostenpflicht für Tests ein. Die Demonstrationen sind eine direkte Reaktion darauf. Sie finden in Aarau, in Luzern, in Winterthur, in Lausanne, in Uster statt. Und immer wieder in Bern. Die Donnerstagsdemos in der Bundesstadt stehen sinnbildlich für eine neue Protestkultur.

Die meisten Berner Läden schliessen jetzt auch am Donnerstag zwischen 6 und 7 Uhr. Zuerst war das wegen der Pandemie so, jetzt wegen der Demonstrationen. Eine Beamtin sagt, viele kämen am Donnerstagabend schon gar nicht mehr in die Stadt, weil sie fürchteten, nicht mehr nach Hause zu kommen. Wegen der Demonstrationen steht der innerstädtische Verkehr still. Die Beamtin hofft, dass das bald aufhört: «Es längt de öppe.»

Ein Abend voller Widersprüche

Seit mehr als einem Monat wiederholen sich in Bern jede Woche die gleichen Szenen. Massnahmenkritikerinnen, Freunde der Verfassung und Freiheitstrychler versammeln sich am Berner Hauptbahnhof.

Von da ziehen sie durch die Altstadt in Richtung Bundeshaus – wenn sie nicht von der Polizei aufgehalten werden. Mal sind die Kundgebungen gewalttätig, mal bleiben sie friedlich. Gemeinsam sind den donnerstäglichen Demonstrationen die lautstarken Rufe nach «liberté».

Der vergangene Donnerstag war ein Abend voller Kontraste und Widersprüche. Am frühen Abend glänzte die Herbstsonne goldig über der Stadt, die Sicht auf die Alpen war klar, die Abendluft war kalt und roch nach heissen Marroni. Junge Männer zeigten Tricks mit ihren Skateboards, während die Marktfahrer am Bären- und am Waisenhausplatz ihre Stände abbauten.

Beim Bundesplatz war die frühherbstliche Stimmung aber jäh zu Ende. Vor dem Bundeshaus war vorsorglich ein Wasserwerfer vorgefahren, der Platz davor war grossräumig abgesperrt.

Auch am Bahnhof ist die Polizeipräsenz erhöht worden. Irritiert fragte ein junger Mann im Trenchcoat einen Polizisten: «Sorry, habe ich etwas verpasst?»

Wenig später war der Bahnhofplatz voller Menschen. Mit der Ruhe war es vorbei.

Notfalls auf andere Städte ausweichen

«Schämt ihr euch nicht? Wir vergessen nicht!», ruft ein Mann, als die Polizei mit etlichen Kastenwagen vorfährt. Seinem Akzent nach ist der Wüterich eigens aus Basel angereist, um seine Meinung kundzutun. Eine Frau steht daneben und schreit: «Wir wollen unsere Freiheit zurück!»

Wer sind diese Menschen, die sich da jeden Donnerstag versammeln? Es sind ältere Frauen in Steppjacken und Lackschuhen, junge Männer in Hoodies, Hippies, Hooligans, Naturverbundene, Mittelalterfans, und es sind Treichler. Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam.

Was sie eint, ist allein die Wut auf den Staat. Denn der Staat sei verkommen, sagen hier viele.

Und die Wut, sie ist gross. In der Mitte des Bahnhofplatzes, unter dem Baldachin, bildet sich ein Pulk. Die Polizei kesselt diesen harten Kern sofort ein, lässt die Leute aber weiter trommeln, Fahnen schwingen. Immer wieder kommt es zu kleinen Handgemengen, die Stimmung ist aufgeladen. Einmal spritzt ein Polizist Pfefferspray, die Getroffenen verziehen das Gesicht.

Warum man gegen sie sei, fragen sich die Teilnehmenden. Einer, der es zu wissen glaubt, hat ein Schild mitgebracht, auf dem steht: «Ich denke, darum bin ich.» Dass der Satz von René Descartes anders lautet, ist dem Mann wohl egal: Die Demonstrierenden sehen sich als letzte Front kritischen Denkens. In ihren Augen haben sich alle anderen schon mit der Diktatur abgefunden.

Rund um den inneren Kessel bildet sich ein Kreis aus Sympathisanten und Schaulustigen. Eine junge Frau steht auch dabei. Sie schreit: «Freiheit!» Sie versuche, jede Woche zu kommen, sagt sie. Aber seit die Demonstrationen nicht mehr bewilligt würden, seien die Leute weniger geworden und kämen auch weniger weit.

Die Polizei lässt die Demonstrierenden nicht mehr durch die Stadt marschieren. Aus dem «Sturm auf das Bundeshaus» ist eine stehende Versammlung geworden. Wenn es in Bern so bleibe, werde man auf andere Städte ausweichen, wo die Demonstrationen bewilligt würden, sagt die junge Frau.

Eine 74-jährige Frau steht etwas verloren am Rand des Geschehens. Sie trägt eine ärmellose Jeansjacke, darunter ein dunkelblaues Sennenhemd. In der Hand hält sie eine Einkaufstasche, darin eine Treichel. Erster Eindruck: ein nettes Grosi. Dann sagt sie, dass sie gerade mittendrin gewesen sei. Als die Polizei angekündigt habe, Pfefferspray einzusetzen, sei sie aber geflüchtet. Sie sei Allergikerin. Womöglich werde sie künftig nur noch bewilligte Demonstrationen besuchen, die unbewilligten seien ihr zu wild.

Demos häufen sich und eskalieren öfter

Die Stadt Bern hat die Demonstrierenden lange gewähren lassen. Doch dann wurden die Demonstrationen gewalttätiger und konfliktreicher. Am 16. September kam es beim sogenannten «Sturm aufs Bundeshaus» zu Ausschreitungen.

Viele bleiben nun daheim. Statt Tausende kommen nur noch Hunderte. Auch die Freiheitstrychler und die Vereinigung «Mass-Voll» raten von der Teilnahme an unbewilligten Demonstrationen ab.

Für eine weitere Zäsur sorgte am 7. Oktober ein Video, in dem zu sehen ist, wie Einsatzkräfte einen Demonstranten schlagen.

Bern hat eine Meinung: «ungut», «peinlich», «bireweich» seien die Demonstrationen

Dass die vermehrten Demonstrationen in Bern «ungut» seien, sagte der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause schon Anfang September. Dass jetzt endgültig genug sei, fand er allerdings erst nach der Demonstration vom 7. Oktober. Es war die zwölfte Aktion in Bern seit Anfang September. Elf davon waren ohne Bewilligung durchgeführt worden. Die Kosten für das Sicherheitsdispositiv lagen jeweils zwischen 100 000 und 200 000 Franken.

Nicht nur bei der Berner Polizei, sondern auch bei der Bevölkerung sinkt die Toleranz für den Tumult.

Ein Jugendlicher passiert die Demonstration und spuckt beim Vorbeigehen despektierlich auf den Boden. Er ist 16 Jahre alt, aus der Agglomeration und ist am Donnerstag mit einem Freund nach Bern gekommen, um in den Ausgang zu gehen. Die beiden bezeichnen das Geschehen als «peinlich» und die Demonstrierenden als «Versager». Sie verstehen nicht, warum man sich nicht impfen lässt und stattdessen auf die Strasse geht. Sie sind beide geimpft.

Im Gegensatz dazu sieht eine Frau um die dreissig die Demonstration als Mittel der politischen Beteiligung. Wie den Gang an die Urne. Es stört sie nicht, dass sie an Donnerstagen einen umständlicheren Heimweg hat. Sie findet es aber schade, wenn die Demonstrationen in Gewalt ausarten, da dies die Ungeimpften in ein schlechtes Licht rücke.

Gegen 22 Uhr, die Demonstration naht sich ihrem Ende, stehen drei Frauen beim «Loeb-Egge». Sie tragen Designerkleider von Kenzo und trinken Weisswein. Sie finden das Geschehen «bireweich». Die drei sind sich einig, dass die Demonstrationen bis zur Abstimmung im November anhalten werden und vielleicht sogar darüber hinaus – und sind wenig erfreut darüber.

Die Bernerinnen und Berner wollen ihren Donnerstagabend zurück. So wie er immer war: geschäftig und ausgelassen.

Künftig sollen Demonstranten zahlen müssen

Wie viele Personen sich letzten Donnerstag auf dem Bahnhofplatz versammelt hatten, war von der Berner Polizei nicht in Erfahrung zu bringen. Es dürften aber gegen 800 gewesen sein. 510 von ihnen wurden weggewiesen, 24 verzeigt.

Bei Wegweisungen dürfte es künftig nicht mehr bleiben. Die Berner Sicherheitsbehörden haben angekündigt, Teilnehmer an unbewilligten Anti-Massnahmen-Demonstrationen künftig zur Kasse zu bitten. Wer sich an einer unbewilligten Demonstration aufhält, wird festgenommen und verzeigt. Es drohen Bussen von 10 000 Franken. Im Extremfall kann ein Donnerstagabend die Demonstrierenden bis zu 30 000 Franken kosten.

Bis die Stadt Bern dies durchsetzt, bleiben die Treichler die Helden. Aus dem Innern des eingekesselten Kerns treten sie hervor an das Glasgeländer, das eine Passage des Bahnhofs rahmt. Ihre Oberkörper bewegen sich vor und zurück, ihre Bewegungen werden immer schneller, ihre Glocken immer lauter. Nach ihrem Auftritt bedanken sie sich wie Rockstars mit Kusshänden bei ihren Fans, die auf der Treppenseite der Passage stehen und ihnen zujubeln. Die Treichler setzen zur Zugabe an.
(https://www.nzz.ch/schweiz/der-weg-zur-freiheit-fuehrt-an-lauter-widerspruechen-vorbei-ld.1650598)



nzz.ch 18.10.2021

Kommentar: Die Konsequenz und Geduld der Kantonspolizei Bern wird sich auszahlen

Die Corona-Demonstrationen in Bern wollen nicht enden. Trotz scharfen Personenkontrollen vergangenen Donnerstag wiegeln die Einpeitscher ihre Klientel auf Telegram zum nächsten Protest auf. Das Vorgehen der Kantonspolizei war trotzdem richtig.

Georg Häsler, Bern

Die Polizistinnen und Polizisten harrten länger aus als die Gaffer. Bis in die frühen Morgenstunden kontrollierten sie vergangenen Donnerstag unter dem Baldachin des Berner Hauptbahnhofs den harten Kern der Corona-Schlachtenbummler. Ausweis für Ausweis, dazu die auf- und abschwellenden Treichel-Schallwellen, vermischt mit Verwünschungen und Protestgeschrei: Wer in dieser Nacht in Vollmontur im Einsatz stand, brauchte starke Nerven.

Die Geduldsprobe wird sich aber aus drei Gründen lohnen: Erstens hat der Kanton Bern nun Adressen, um bei Bedarf die Kosten für die Ordnungsdiensteinsätze einzufordern. Zweitens kennt die Polizei statt Pseudonymen aus dem Internet die Klarnamen wichtiger Exponentinnen und Exponenten der Bewegung. Drittens hat der Staat den illegalen Demos klare Grenzen gesetzt.

Unattraktiv für illegale Demos

Ausgeprägte Toleranz gegenüber Politik von der Strasse gehört zu den Charaktereigenschaften, die es wohl braucht, um in der Bundesstadt Bern zu leben. Doch jeden Donnerstag Adrenalin satt Apéritif hat auch die Zündschnüre der Bernerinnen und Berner gekürzt. Dass die Polizei die Protestierenden gleich zu Beginn einkesselte und konsequent die Ausweise kontrollierte, ist überdies aus präventiven Gründen richtig. Auch die linksextreme Szene führt eine Form von Personen- und Gesinnungskontrolle durch. Die Kanäle der Antifa gleichen unterdessen einem Nachrichtendienst mit Fokus Corona-Skeptiker. Dies dient nicht einer Deeskalation der Situation.

Auseinandersetzungen zwischen den Massnahmengegnern und – übrigens ebenso radikalen – Gegenkräften aus dem Umfeld der Berner Reitschule würden das Gewaltpotenzial auf beiden Seiten entfesseln. Diesen Herbst gab es am Rande der Demonstrationen bereits erste Handgemenge. Die wilde Entschlossenheit, es diesen Städtern einmal so richtig zu zeigen, war auch für gelassene Demo-Beobachter erschreckend. Eine solche Situation könnte leicht einen gröberen Krawall auslösen. Genauso kompromisslos, wie gewisse Treichler «Liberté» schreien, meint die Gegenseite ihr «no passaran», wenn sie mobilisiert.

Die Angst, plötzlich Post aus Bern mit einer gesalzenen Rechnung zu erhalten, soll nun auch die härtesten Schädel dazu bringen, auf den Donnerstagsausflug nach Bern zu verzichten. Die Bundesstadt wird für Demo-Tourismus unattraktiv. Bei 510 sogenannten Wegweisungen – die Massnahme ist eine Erfindung des verstorbenen Stadtberner Polizeidirektors Kurt Wasserfallen – braucht es ziemlich viel Fanatismus, um wieder lärmend zurückzukehren, müsste man meinen.

Voraussetzung für gezielte Polizeiarbeit

Doch der Blick auf die Pamphlet-Kanäle des Messenger-Dienstes Telegram verspricht auch diese Woche keinen ruhigen Donnerstag. Die Aufwiegler geben Tipps für die geeignete Ausrüstung und raten zur sorgfältigen Vorbereitung. Dazu gehören auch taktische Anweisungen. Dezentrale Treffpunkte rund um die Stadt Bern sollen es der Polizei erschweren, den Marsch vor das Bundeshaus im Keim zu ersticken. Die Umzüge sollen sich zudem ständig bewegen, um polizeiliche Zugriffe zu erschweren.

Dank den Personalien, die im Kessel unter dem Baldachin erhoben wurden, wird es der Polizei nun leichterfallen, frühzeitig und gezielt vorzugehen. Auch deshalb war das Vorgehen am vergangenen Donnerstag konsequent und richtig. Der Kreis der besonders radikalisierten Personen kann so besser von Mitläufern unterschieden werden. Der Staat soll nicht den Protest per se bekämpfen, sondern Verstösse gegen die geltende Ordnung. Auch dazu braucht die Polizei konkrete Angaben.

Dies erleichtert auch die Risikoanalyse bei allfälligen Gesuchen, um im Rahmen des Abstimmungskampfs gegen das Covid-Gesetz zu demonstrieren. Eine kleine Minderheit sollte nicht die Meinungsfreiheit von Kreuz- und Querdenkern einschränken. Die Treicheln sollen nicht grundsätzlich verstummen. Gegen eine legale Kundgebung der Freunde der Verfassung und ihrer zugewandten Orte ist nichts einzuwenden. Denn der Bundesplatz gehört gerade in politisch heissen Zeiten allen, die sich an die Regeln halten.
(https://www.nzz.ch/meinung/die-geduld-der-berner-polizei-wird-sich-auszahlen-ld.1650846)


+++HISTORY
Von Ausrottung und Vergessen: Haiti, die erste Schwarze Republik der Welt
Die von Schwarzen in Amerika angeführten aufständischen und revolutionären Bewegungen werden noch immer marginalisiert und totgeschwiegen
https://amerika21.de/analyse/254959/haiti-erste-schwarze-republik-der-welt



Haftbefehl gegen Sänger aufgehoben: Michael Wendler kündigt Rückkehr nach Deutschland an
Weil er nicht vor Gericht erschien, wurde gegen Schlagersänger Michael Wendler ein Haftbefehl verhängt. Nun kann er wieder unbehelligt in seine Heimat reisen. Der Prozess gegen ihn geht unterdessen weiter.
https://www.spiegel.de/panorama/leute/michael-wendler-kuendigt-rueckkehr-nach-deutschland-an-haftbefehl-aufgehoben-a-9a8704e5-c851-4919-9e83-be884a8bfcdf