antira-Wochenschau: Campisolation und ORS in Bern, Neonazis in Galgenen und Italien, Tote und Bergungen im Mittelmeer

Ein Camp nahe der kroatischen Grenzen in Bihac

Was ist neu?

Bern: Ohne Sprachdiplom und Job bleibst du im Camp
Im Kanton Bern hat der Grosse Rat den institutionellen Rassismus gegen Geflüchtete verschärft. Gemäss dem neuen Gesetz über die Sozialhilfe im Asyl- und Flüchtlingsbereich (SAFG) werden alle Geflüchteten – unabhängig ihrer Aufenthaltsbewilligung – in Camps platziert und isoliert bis sie sogenannte „Integrationsziele“ erreichen. Konkret müssen die Geflüchteten ein zertifiziertes Sprachniveau und einen Job oder eine Ausbildung vorweisen können. Nicht nur der Zugang zu einer eigenen Wohnung sondern auch die Höhe der Sozialhilfe ist von diesen rassistisch-disziplinierenden Integrationszielen abhängig. Ausnahmen wollen die Behörden nur bei Familien, UMA’s und besonders verletzlichen (vulnerablen) Personen machen. Vermutlich, weil dies Personengruppen sind, für die sich NGO’s aufgrund eines speziellen Mitleids in der Zivilgesellschaft mehr einsetzen. antira.org verurteilt jede diskriminierende Ungleichbehanlung bei der Sozialhilfe und bei der Wohnungssuche. 
https://www.derbund.ch/bern/nur-wer-sich-anstrengt-wird-gefoerdert/story/25892711
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-f9b3056996ec4f9b9b7d8df167bf23e7.html

Die Asyl-Anlaufstelle Baselland steht vor dem Aus
Dies weil der Kanton Baselland vergangenes Jahr beschlossen hat, seinen Beitrag zur Finanzierung der Baselbieter Asyl-Anlaufstelle zu streichen. Als billige Ausrede nennen die Baselbieter Regierungsrät*innen das Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes. Dieses ändere die Ausgangslage “radikal”, weil der Bund nun den Asylsuchenden die Rechtsberatung während des ganzen Asylverfahrens finanziere. Mit den pauschalvergüteten Rechtsvertretungen betreibt der Bund aber Lohndumping und bezahlt so wenig, dass diese nie und nimmer reichen, um eine angemessene Beratung und Vertretung erhalten zu können. Zum Beispiel reicht diese Pauschale nicht, um bei negativen Entscheiden eine Rekursmöglichkeit zu prüfen, weswegen die vom Bund bezahlten Rechtsvertretungen oft auf einen Rekurs verzichten. Das ist fatal, denn Rekurse sind oft erfolgreich. Dass es Beratungsstellen für Asylsuchende gibt, die unabhängig vom Bund sind, ist also unerlässlich.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/baselbieter-asyl-anlaufstelle-steht-vor-dem-aus-136050587

ORS AG machtmit Camps des Kanton Bern wieder Profit
Ab dem Jahr 2020 betreibt die gewinnorientierte ORS Service AG die “Rückkehrzentren” im Kanton Bern. Diesen Entscheid hat das Amt für Migration und Personenstand (MIP) aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung getroffen. Die Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs in Bern (NA-BE) sieht vor, dass Personen mit einem Wegweisungsentscheid von anerkannten Geflüchteten, vorläufig Aufgenommenen und Asylsuchenden getrennt werden und in separierten Ausschaffungslagern leben müssen. Bei der Auswahl der Betreiberorganisation waren laut MIP die zwei Kriterien Preis und Qualität ausschlaggebend. Qualitätskriterien sind unter anderem Konzepte zur Tagesstruktur, Hausordnung, Sicherheit und Personaleinsatzplanung. Die ORS AG hat bereits vor einigen Monaten die Zuschläge für die Betreibung der Bundesasyllager in mehreren Regionen erhalten, darunter auch in Bern. Das Unternehmen, dasmehrmals aufgrund miserabler Betreuungssituationen (z.B. Hochfeldbunker) in der Kritik stand, kann nun also nebst den Bundesasyllagern auch noch Profit mit Ausschaffungslagern im Kanton Bern machen. Wo sich die zukünftigen Ausschaffungslager befinden werden, ist noch unklar. Derzeit laufen Verhandlungen mit der Stadt Biel und den Gemeinden Aarwangen und Gampelen. Die drei bereits bestehenden Asyllager in diesen Regionen sollen ab 2020 in reine Ausschaffungslager umgewandelt werden.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2019/12/20191203_1112_ors_service_ag_erhaeltzuschlagfuerkantonalerueckkehrzentren

Fluchtroute Mittelmeer– Die libysche Küstenwache hat offenbar 30 Geflüchtete von einem deutschen Schiff geholt und zurück nach Libyen geschleppt. Es handelte sich um ein Versorgungsschiff für eine Bohrinsel, das Migrant*innen aus zwei Booten geborgen hatte. Als die libysche Küstenwache die Menschen von Bord des deutschen Schiffes holte, sprangen zwei Menschen aus Verzweiflung von Bord, um nicht nach Libyen zurückgebracht werden zu können. – Am Dienstag hat der Strafprozess gegen zwei italienische Beamte in Rom begonnen. Leopoldo Manna von der italienischen Küstenwache und Luca Licciardi von der Marine sind wegen mehrfachen Totschlags und Fahrlässigkeit angeklagt. Die Staatsanwaltschaft macht sie für den Tod von rund 250 Geflüchteten im Mittelmeer verantwortlich. Das Schiff mit vermutlich rund 400 Geflüchteten war 2013 vor der Insel Lampedusa in Seenot geraten. Eine ausführliche Dokumentation des Falles hat »watch the med« in englischer Sprache verfasst (http://watchthemed.net/reports/view/32). Weder die italienische noch die maltesische Küstenwache haben den in Seenot geratenen Menschen angemessen geholfen. Als ein SOS-Ruf ausgesendet wurde, reagierten die Behörden zuerst mal gar nicht. Über Stunden stritten sich dafür die maltesischen und italienischen Behörden über ihre Zuständigkeit für die Rettung der Menschen. Als die Rettungsboote schliesslich nach 5 Stunden doch noch ausliefen, war das Boot bereits gekentert und hunderte Geflüchtete ertrunken. Zu einem wirklichen Prozessauftakt kam es am Dienstag dann allerdings doch nicht. Wegen eines Streiks von Gerichtsangestellten ist es lediglich zu einer Vertagung auf den 5. Mai 2020 gekommen.- Die Leichen von 5 Menschen, die letzte Woche ertranken, als ein Boot mit Migrant*innen vor der Küste von Lampedusa kenterte, wurden gefunden. Damit erhöht sich die Zahl der Ertrunkenen auf 18.- Ungefähr 150 Menschen waren von Gambia zu den Kanarischen Inseln aufgebrochen. In Küstennähe fuhren sie bis Nord-Mauretanien und wendeten dort zu den Kanarischen Inseln. Vor Nuadibu sind sie am 04. Dezember auf ein Riff aufgelaufen. Mindestens 58 Menschen sind beim Kentern ihres Schiffs ertrunken. Ein Teil der Überlebenden schaffte es, bis zur mauretanischen Küste zu schwimmen. Erste angeschwemmte Tote wurden bereits begraben.
https://ffm-online.org/gambia-kanaren-schiffskatastrophe-fast-60-tote/
https://www.swr.de/swraktuell/Fluechtlinge-nach-Libyen-zurueckgebracht,libyen-110.html
https://www.euronews.com/2019/12/01/death-toll-from-lampedusa-shipwreck-rises-to-18-italian-coast-guardhttps://alarmphone.org/en/2019/12/02/left-to-die-trial-in-rome
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129568.seenotrettung-italienische-beamte-wegen-totschlags-angeklagt.html


Was geht ab beim Staat?

Staatsekretariat für Migration will in Griechenland zu mehr europäischer Abschottung beitragenIn Griechenland kommen pro Tag zurzeit 500 oder mehr Migrant*innen an. Es sind die höchsten Zahlen seit der sogenannten “Flüchtlingskrise” 2015. Seit Jahresbeginn zähle Griechenland mehr als 82’000 Asylgesuche. Zudem gibt es mehr als 90’000 offene Asylverfahren. Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration der Schweiz, hat am vergangenen Montag seinem griechischen Amtskollegen “Hilfe” angeboten. Vor allem bei den Asylverfahren sollen die schweizer Behörden ihre Expertise zur Verfügung stellen, denn Griechenland arbeite zurzeit an einer Asylreform, die beschleunigte Asylverfahren vorsehe. Dass in der Schweiz Tausende Geflüchtete in die Not abgedrängt werden und gezwungen sind unterzutauchen, nennt Gattiker zynisch “gutes Migrationsmanagement”. Geprüft werden zudem die Verstärkung der humanitären Hilfe, sowie die Unterstützung durch das Grenzwachtkorps. Gattiker und die schweizer Behörden arbeiten also weiter in Richtung noch mehr Abschottung und wollen Hundertausende von Menschen weiter in die Armut und Not abdrängen. Anstatt wirkliche Hilfe anzubieten, wie z.B. die schweizer Grenzen zu öffnen und die Geflüchteten ein ihnen würdiges Leben leben zu lassen.
https://www.tagesanzeiger.ch/news/standard/schweiz-bietet-griechenland-hilfe-bei-fluechtlingen-an/story/25899709


Was ist aufgefallen?

Rechtsextremes Netzwerk in Italien aufgedecktHausdurchsuchungen der Spezialeinheit der Polizei und der Nationalen Anti-Mafia und Anti-Terror Direktion haben in 16 Städten Italiens ein neues Netzwerk rechtsradikaler und neofaschistischer Organisationen aufgedeckt. Geplant waren die Gründung der “Nationalsozialistischen Partei der italienischen Arbeiter” und Angriffe auf die Vereinigung italienischer Partisan*innen A.N.P.I. Zu den vorübergehend Festgenommenen gehören Personen der kalabresichen Mafia ‘ndrangheta‘ mit “direkten und sicheren Verbindungen zum Militär”. Es handelt sich um die zweite grössere Operation “Ombre Nere” (Schwarze Schatten) der italienischen Spezialeinheiten: Vor einigen Tagen wurde in der Provinz Siena ein Lager mit Waffen und Sprengstoff von rechtsextremen Gruppen aufgedeckt.
https://www.parismatch.com/Actu/International/Demantelement-d-un-groupuscule-arme-pro-nazi-et-antisemite-en-Italie-1661692

25 Jahre in den Knast drohen wegen Ausschauhalten nach Geflüchteten in SeenotDie griechischen Behörden lassen nicht locker. Noch immer halten sie eine Anklage gegen zwei Aktivist*innen aufrecht. Auf Lesvos unterstützten diese Geflüchtete von der Küste aus. Mit Ferngläser und einfachen Funkgeräten ausgerüstet, lotsten sie überladene Gummiboote an sichere Landeorte ohne Klippen und empfingen die Menschen mit Essen und warmen Decken. Wegen dem – bzw. wegen dem Vorwurf auf Spionage, Menschenschmuggel und Betrug – kamen sie im August 2018 für dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft. Seither warten sie auf ihren politisch motivierten Prozess. Immer wieder werden sie vorgeladen, immer wieder fallen neue Kosten für die Rechtsvertretung an. 
https://www.jetzt.de/politik/seenotrettung-interview-mit-sean-binder

Das UNHCR bestätigt sein Aushungerungsprogramm in LibyenLetzte Woche wurde bekannt, dass das UNHCR in einem Camp in Libyen (Gathering and Departure Facility GDF) Menschen hungern lässt, damit diese das Camp verlassen. Diese Information wurde nun vom UNHCR selbst bestätigt. Im GDF leben Menschen, die vorher in einem libyschen (Folter)-gefängnis lebten. Eines davon wurde gar bombardiert. Hunderte suchten Zuflucht im GDF, wo ihnen aber gemäss verschiedenen Quellen die Nahrung verweigert wurde. Das UNHCR will das GDF nun umfunktionieren und ausschliesslich “vulnerable” Personen unterbringen. Die restlichen Menschen sollen das Camp verlassen. Um dies zu erreichen, erhalten diese Menschen nun keine Nahrung mehr. (Mehr Informationen zur Nahrungsverweigerung im camp gibt es hier: https://antira.org/2019/12/02/antira-wochenschau-internierungslager-in-griechenland-auslandreiseverbot-in-der-schweiz-hunger-im-unhcr-camp/) Das UNHCR rechtfertigt seine Massnhame damit, dass es zu wenig Ressourcen habe. Es brauche mehr Engagement der Staaten für das „Resettelment“-Programm. Über dieses werden Personen, die vom UNHCR als schutzbedürftig eingestuft werden, direkt von Staaten aufgenommen. Weil die Staaten aber nicht mithelfen, seien die Möglichkeiten für die Umsiedlung kaum vorhanden. Weniger als 1% der vom UNHCR als bedürftig eingestuften Geflüchteten schaffen es über dieses Programm aus der Misere. Die Schweiz z.B. hat dem UNHCR zugesichert, jährlich lächerliche 800 Personen aufzunehmen und knüpft die Aufnahme zudem an Bedingungen: Aufgenommen werden nur Geflüchtete, die sich „in einer prekären Lage in Erstaufnahmeländern befinden“ und die sich zu folgenden Punkten verpflichten: „Anerkennung der Werte der Bundesverfassung, Spracherwerb sowie Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben“ schreibt der Bundesrat. Bis Ende Oktober hat die Schweiz dieses Jahr nur 442 Geflüchtete aufgenommen.
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/aktuell/news/2019/ref_2019-05-291.html
https://www.unhcr.org/news/press/2019/11/5ddffe994/unhcr-expands-help-refugees-urban-areas-libya-reassesses-role-gathering.html
https://www.haaretz.com/middle-east-news/.premium-eritrean-refugees-in-libya-hoped-for-help-from-the-un-but-got-hunger-instead-1.8222326
https://www.infomigrants.net/fr/post/21275/a-tripoli-le-centre-du-hcr-fermera-ses-portes-debut-2020

Neonazi-Treffen in Galgenen
In einer Schwyzer Berghütte oberhalb von Galgenen SZ trafen sich letzte Woche gegen hundert Rechtsextreme. Die Behörden waren im Bild, schienen aber nichts dagegen zu haben. Bei der Einreise in die Schweiz beschlagnahmte die Zollbehörde lediglich Bücher und Neonazi-Pamphlete eines Besuchenden namens Kraemer, dann lassen sie ihn seine Reise fortsetzen. Am Samstag erreicht Kraemer schliesslich die Neonazi-Feier in der Schwyzer Berghütte. Er hält dort einen Vortrag, wie er später auf Instagram berichtet. Zusammen mit einem zweiten deutschen Neonazi, Nikolai Nerling, der sich «der Volkslehrer» nennt und in seinen Internetvideos gern den Holocaust relativiert. Die «Nationale Aktionsfront» (NAF), eine Schweizer Neonazi-Gruppierung, veröffentlicht nach der Veranstaltung ein Foto von Kraemer und Nerling vor einer «Nationale Aktionsfront»-Fahne. Gemäss NAF trug das Treffen den Titel «völkisches Forum». In einer Einladung wurde Kraemers Vortrag mit dem Titel «Authentisches Leben als Nationalist» angepriesen. Ausserdem wurde ein anonymer deutscher Zeitzeuge angekündigt, bei dem es sich um den «Volkslehrer» handelte. Am «völkischen Forum» trat auch Adrian Segessenmann von der rechtsextremen Avalon-Gemeinschaft auf. Er sprach zum Thema «Nationaler Sozialismus im 21. Jahrhundert». Viele der Teilnehmenden gehörten zu dem in Deutschland verbotenen, in der Schweiz aber legalen Blood-&-Honour-Netzwerk und zu Combat 18. Vertreten war auch das vor allem im Zürcher Oberland aktive «Stallhaus Schweiz» (SS). Den Vorträgen lauschten ausserdem einige Mitglieder der «Division Schweiz», die mit dem Azov-Bataillon aus der Ukraine verbandelt sein sollen. Darüber hinaus waren einige Vertreter*innen der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) anwesend, unter ihnen der Basler Neonazi Tobias Steiger. Zu den Organisator*innen der Neonazi-Feier gehört der im Aargau lebende Marc S., der auch beim Angriff auf die antirassistische Demonstration im April 2019 in Schwyz dabei war. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wusste schon Wochen vor dem Anlass vom Neonazi-Treffen der Nationalen Aktionsfront. Auf die angereisten deutschen Neonazis angesprochen, antwortete der NDB schriftlich: Solange kein konkreter Gewaltbezug feststellbar sei, würden Personen, die sich politisch radikalisieren, nicht ins Aufgabengebiet des NDB fallen. Man analysiere aber fortlaufend die Sicherheitslage. Und die Schwyzer Kantonspolizei meinte, sie habe „in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden Massnahmen getroffen“. Diese Massnahmen bestanden darin, dass sie die knapp hundert Neonazis gewähren liess, ihre Autonummern notierte und sie aus der Ferne beobachtete. Diese Info soll uns daran erinnern, dass es gut organisierte und vernetzte Neonazi-Gruppen gibt, die sich regelmässig in der Schweiz treffen. Und sie soll zeigen, wie die Behörden Neonazis gewähren lassen, während sogenannt „Linksextreme“ die ganze Repressionsmacht des Staates zu spüren bekommen.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/wo-neonazis-in-ruhe-feiern-duerfen/story/15982157


Was war gut?

JSVP wegen Antiziganismus verurteiltDas Berner Obergericht verurteilt die Jung-SVP-Mitglieder Adrian Spahr und Nils Fiechter wegen Rassendiskriminierung und bestätigt damit das Urteil der Erstinstanz. Ursache war eine Karikatur, welche die Junge SVP Kanton Bern im Februar 2018 in einem Beitrag auf Facebook präsentierte. Darauf abgebildet war Abfall, Kot und Wohnwagen. Eine Person in Tracht mit Sennenmütze hielt sich wegen des Gestanks die Nase zu. «Wir sagen Nein zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner!», stand unter dem Bild. Die Gesellschaft für bedrohte Völker und der Verband Sinti und Roma Schweiz erstatteten darauf Anzeige. Der Facebook-Beitrag verunglimpfe die Fahrenden pauschal als schmutzig und kriminell. Das Regionalgericht Bern teilte diese Ansicht. Zu Beginn seiner Befragung meinte Fiechter, er sei kein Rassist, als kanadisch-schweizerischer Doppelbürger sei er weltoffen und versuche sich immer korrekt zu äussern. Und er gab sich als der Unwissende, der angeblich nicht wusste, dass das Plakat vielleicht gegen das Antirassismusgesetz verstossen könnte. Und auch Spahr will angeblich nichts von einem möglichen Rechtsverstoss gewusst haben. Dahinter steckt juristisches Kalkül, denn gegen das Antirassismusgesetz kann nur verstossen, wer dies bewusst macht. Aus diesem Grund präsentiert der Verteidiger seine beiden Klienten auch als unbeholfene Polit-Frischlinge. «Fiechter und Spahr sind weder Berufspolitiker noch Kommunikationsprofis», sagt Freudiger. Die Angeklagten seien folglich auch keine «Fachpersonen im öffentlichen Auftreten» Und einmal mehr berufen sich Menschen auf die Meinungsäusserungsfreiheit, um sich damit ungestört diskriminierend äussern zu können: Laut ihrem Verteidiger werden die Meinungsäusserungsfreiheit durch das Urteil gefährdet. Es müsse auch Nicht-Akademiker*innen möglich sein, sich politisch zu äussern, ohne gleich eine Klage zu befürchten. Das Richtergremium sah die beiden Politiker aber nicht als die unbeholfenen Politfrischlinge, als die sie sich präsentierten: «Man muss kein Kommunikationsexperte sein, um abzuschätzen, dass so ein Beitrag möglicherweise problematisch ist», steht in der Urteilsbegründung.
https://www.derbund.ch/bern/ist-das-fahrendeplakat-rassistisch/story/27065986
https://www.derbund.ch/bern/jsvppraesidenten-schuldig-gesprochen/story/17176347


Was nun?
Erkrankung und Erfrierung droht hunderten Migrant*innen in Bosnien
Hunderte Migrant*innen sind in Bosnien in notdürftigen Zeltlagern bei Schnee und Temperaturen unter Null blockiert. Sie werden gewaltvoll am Weiterreisen gehindert und ihnen fehlt der Zugang zu grundlegender Infrastruktur wie Nahrung, Trinkwasser, warmer Kleidung und einer Unterkunft. Weil Kroatien, Ungarn und Slovenien die Geflüchteten im Auftrag der europäischen und schweizerischen Behörden am Durchreisen nach Europa hindern, sind diese nun in Bosnien bei eisiger Kälte gestrandet. Bosnien selber ist eines der ärmsten Länder Europas und wird politisch von der EU kontrolliert.
https://www.reuters.com/article/us-europe-migrants-bosnia/people-are-not-animals-stranded-migrants-freeze-in-bosnian-forest-idUSKBN1Y71SM
Informiert euch und unterstützt die Helfer*innen im Balkan! Hier sind einige NGOs die direkt mit Geflüchteten in den verschiedenen Grenzregionen im Balkan in Kontakt sind: 


Wo gabs Widerstand?

Kampagne «FREI» will Solidarität entkriminalisieren
Die Organisationen Amnesty International und Solidarité sans frontières haben die Petition «Solidarität ist kein Verbrechen» eingereicht. Die 29’281 Unterzeichnenden fordern: Personen, die «uneigennützig und aus achtenswerten Gründen anderen Hilfe leisten», sollen strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden dürfen. Heute werden in der Schweiz immer häufiger Personen strafrechtlich verfolgt, wenn sie Menschen helfen, die nicht über die notwendigen Papiere verfügen. Dies auch, wenn die Hilfe uneigennützig erfolgt. Grund dafür gibt der Art. 116 des Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) gegen den sie somit verstossen. Dieser Artikel stellt Beihilfe zur illegalen Ein- beziehungsweise Ausreise oder zum illegalen Aufenthalt unter Strafe. Im vergangenen Jahr sind 972 Personen wegen Verstosses gegen diesen Artikel verurteilt worden. Die überwiegende Mehrheit der Urteile betraf Personen, die solidarisch oder zumindest ohne finanziellen Nutzen handelten. Die Schweiz ist mit der rigiden Gesetzgebung ausserdem zunehmend ein Sonderfall. In Frankreich, Deutschland oder Schweden wird Beihilfe zu illegalem Aufenthalt nur dann bestraft, wenn die «Hilfe» profitorientiert ist. Solidarität gehört nicht kriminalisiert sondern ermutigt!
https://www.nau.ch/news/schweiz/petition-solidaritat-ist-kein-verbrechen-eingereicht-65623292https://www.kath.ch/newsd/petition-solidaritaet-ist-kein-verbrechen-eingereicht/

Sphères ent-Köppeln
Der SVP- und Weltwoche-Chefhetzer Roger Köppel hält im zürcher Cafè Sphères regelmässig Sitzungen ab. Als er sich dort vor kurzem mit seinem Artgenossen Christoph Mörgeli einfand, wurde er von antirassistischen Cafe-Gästen mit Milchshakes vertrieben. Schon Ende Oktober wurde Köppel und seine Redaktion von Cafe-Gästen rausgestellt. Im Anschluss wurde in mehreren Medien darüber sinniert, ob die Meinungsfreiheit von Köppel durch die direkte Aktion untergraben wurde. Die wichtige antirassistische Kritik an Köppel interessierte die bürgerlichen Medien leider wieder mal kaum. Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme: Hier ein spannender Artikel der online Zeitschrift republik. 
https://www.republik.ch/2019/12/02/und-auch-hier-man-ahnt-es-kein-neonazi-weit-und-breit
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/koeppel-unerwuenscht/story/15879937https://barrikade.info/article/2934


Was steht an?

Veranstaltung zur Lage in Rojava
12. Dezember 2019 | 18:00 | Dammstrasse 3, 4500 Solothurnhttps://barrikade.info/event/1190

Grosse internationalistische Demo
14. Dezember 2019 | 14.30 | Messeplatz BaselAm 14. Dezember findet in Basel eine grosse internationalistische Demo statt. Wir möchten all unsere Kämpfe verbinden!
https://barrikade.info/article/2945

Filmzyklus zum Thema Flucht im Reitschulkino
6. Dezember 2019 – 21. Dezember 2019
http://reitschule.ch/reitschule/kino/?a=zyklus&id=230

Veranstaltung zur Lage in Rojava
18. Dezember 2019 | 19:30 | Steinberggasse 18, Winterthur
https://barrikade.info/event/1191

Soli-Event für die Regularisierung von Tibeter*Innen
18. Dezember 2019 | 17:30 bis 20:30 | Zentrum 5, Flurstrasse 26b, 3014 Bern
https://www.facebook.com/events/427648184599198/


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Nationalistische Grossaufmärsche und Anti-LGBTIQ ProtesteSeit Jahren sind die Rechten in Polen in der Offensive und dominieren Politik und Gesellschaft.
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/polen-rechtskonservativ-solidarnosc-5795.html

Internierungslager für AsylsuchendeAls «human» und «fair» wurde die 2016 mit grosser Mehrheit von der Stimmbevölkerung angenommene Asylgesetzrevision angepriesen. Am 1. März 2019 trat sie in Kraft. Das revidierte Gesetz schreibt vor, dass Asylsuchende in neu eingerichteten Bundesasylzentren (BAZ) untergebracht werden, wo sie auf ihren Entscheid oder ihre «Rückführung» (sprich: Ausschaffung) warten müssen. Diese Zentren gleichen eher Gefängnissen denn Unterkünften. Ein menschenverachtendes, repressives Regime hat in der Asylpolitik Einzug gehalten. 
https://www.wo-unrecht-zu-recht-wird.ch/de/Aktuell/Bundeslager?fbclid=IwAR0TrOjkfvRY9MxfVD5bKUqB1-r1HkJSrAZ5UKM_dqN10fQZDjsL22O7DhU

Die Billionen des Schreckens. Soziales Elend, militärische Eskalation und Nationalismus als Nachbeben der Finanzkrise. 
https://www.ajour-mag.ch/billionen-des-schreckens1/

Subkutan zur Situation von Frauen* im Asylsystem
https://rabe.ch/2019/12/04/das-schweizer-asylwesen-ist-auf-maenner-ausgerichtet/