antira-Wochenschau: Internierungslager in Griechenland, Auslandreiseverbot in der Schweiz, Hunger im UNHCR-Camp

Bild: Ein Wächter schliesst die Tür einer Zelle des UNHCR-Camp Abu Salim, wo Hunger als Abschreckung eingesetzt wird. 


Was ist neu?

Bürgerliche wollen Ausland-Reisen für Geflüchtete verbieten
“Vorläufig aufgenommene” Personen mit einem F-Ausweis haben deutlich weniger Rechte. Z.B. sind Reisen ins Ausland für Personen mit F-Ausweis grundsätzlich verboten; ­Bewilligungen gibt es nur in Ausnahmefällen. Eine schwere Krankheit oder der Tod eines Familienmitglieds sind zwei davon. 2018 wurden mehr als 50% aller Gesuche für eine Reise ins Ausland abgewiesen: Von den 2’484 Gesuchen wurden ­lediglich 1’101 bewilligt. Die Hürden sind also schon jetzt riesig. Den Rechten ist das nicht genug der Strenge. Die SVP, FDP, CVP und GLP wollen das Gesetz verschärfen. Personen mit ­F-Ausweis sollen die Schweiz künftig gar nicht mehr verlassen dürfen. Da keine legalen Fluchtwege existierten und geflüchtete Familien oft über mehrere Länder verteilt leben, verhindert das Reiseverbot ins Ausland faktisch, dass Personen mit F-Ausweis ihre Familienmitglieder im Ausland besuchen können. Nicht einmal der Besuch eines*r Verwandten in Deutschland wäre so noch möglich und geflüchtete Kinder könnten nicht einmal mehr an einer Schulreise nach Konstanz teilnehmen.
https://www.blick.ch/news/schweiz/diesen-auslaendern-will-die-politik-die-ausreise-verbieten-wenn-die-kranke-schwester-nicht-zaehlt-id15630361.html

Griechische Regierung plant Internierungslager für Geflüchtete
Die Situation für geflüchtete Menschen auf den griechischen Inseln ist eigentlich in ihrer Brutalität kaum mehr zu übertreffen. Kinder verletzen sich in ihrer Verzweiflung selbst mit Messer am Kopf, hören auf zu reden und zu Essen oder haben Suizidgedanken. Überlebende von Folter müssen ihren Schlafplatz im Zelt mit völlig fremden Menschen teilen. Betroffene von sexualisierter Gewalt können aus Angst vor Angriffen nachts die Toiletten nicht benutzen. Allein in den letzten drei Monaten sind ein neun Monate altes Baby, eine Frau und ein Kind im Lager in Moria wegen fehlender grundlegender Unterstützung gestorben. Sie suchten Sicherheit und fanden den Tod in einem europäischen Lager. Die Organisatione “Ärzte ohne Grenzen” vergleicht die Situation auf den griechischen Inseln mit jener, die sie nach einer Naturkatastrophe oder in einem Kriegsgebiet antreffen. Auf den griechischen Inseln handelt es sich aber nicht um irgendeine unvorhersehbare Naturkatastrophe, sondern um das Resultat von bewussten politischen Entscheidungen. Nun will die griechische Regierung noch einen draufsetzten. Sie plant eine noch nachdrücklichere Durchsetzung des EU-Türkei-Deals und will die Hotspot-camps in geschlossene Internierungslager umwandeln und Abschiebungen beschleunigen. Allein die griechische Regierung für dieses Elend verantwortlich zu machen, wäre aber verkürzt. Die EU und die europäischen Regierungen sind für diese Misere mitverantwortlich. Durch ihre Abschottungspolitik, durch den EU-Türkei-Deal und durch die finanzielle Unterstützung von Grenzschutzmassnahmen wie bspw. Frontex. Den europäischen Regierungen muss nach all den Jahren der Abschottungspolitik klar sein, dass Strategien, die darauf abzielen, Menschen von Europa fernzuhalten, nur zu noch mehr Todesfällen und Leid führen. Trotzdem hat die deutsche Regierung diese Woche ein neues Verteil -und Umsiedlungssystem für Migrant*innen in der EU vorgeschlagen. Der Vorschlag sieht vor, Asylanträge in einem Schnellverfahren an den EU-Aussengrenzen zu prüfen. Wo werden die Menschen leben, während diese Anträge geprüft werden? Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit in riesigen, isolierten und gefängnisähnlichen Lagern, den Hotspots der EU-Aussengrenzen.
https://www.msf.ch/de/neueste-beitraege/pressemitteilung/beenden-sie-die-qual-der-asylsuchenden-auf-den-griechischen
https://www.politico.eu/article/germany-sets-out-plan-for-automatic-relocation-of-asylum-seekers/

Besuch bei der Mutter und ihrer Tochter, die letzte Woche nach Belgien ausgeschafft wurden
Ein Jahr lang erhielten eine Mutter und ihre Tochter Kirchenasyl in Luzern. Dann wurden sie letzte Woche zwangsweise nach Belgien ausgeschafft (s. antira-Wochenschau vom 19.11.2019: https://antira.org/2019/11/19/antira-wochenschau-integrationslehre-entwicklungshilfe-und-sp-in-der-kritik/). Von Seiten der katholischen Kirche kam viel Solidarität und Widerstand gegen die Zwangsausschaffung. Eine Vertreterin der katholischen Kirche hat die beiden nun in Belgien besucht. Die erste Nacht in Brüssel waren die beiden komplett auf sich alleine gestellt. Nun befinden sie sich in einem Erstaufnahmezentrum mit Hunderten Menschen in Brüssel. Dana ist das einzige Kind in einem 16-er Zimmer. Das Kind sei von der Zwangsausschaffung stark traumatisiert und weiche der Mutter kaum von der Seite. Die beiden haben in Belgien ein Anrecht auf 7 Euro für die Mutter und 3.50 Euro für Dana pro Woche, also 42 Euro im Monat für beide zusammen. Damit müssen sie alles bezahlen ausser Unterbringung und Verpflegung.Wahrscheinlich werden die beiden in den nächsten zwei bis drei Wochen in ein kleineres Asyllager verlegt. Bis ein definitiver Asylentscheid vorliegt, dürfte es ein bis zwei Jahre dauern. Eines der vielen Probleme, die nun auf die beiden zukommen werden, ist die Frage nach dem Schulunterricht der 12-jährigen Dana, die weder Französisch noch Flämisch spricht. Die Schweiz verfügte ein dreijähriges Einreiseverbot gegen die beiden. Am 14. November wäre die Frist abgelaufen, nach der die beiden in der Schweiz ein Asylgesuch hätte stellen dürfen. Zwei Tage davor wurden sie zwangsausgeschafft. 
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/tschetschenin-und-tochter-haben-drei-jahre-einreiseverbot-in-die-schweiz-ld.1171837

“Berliner Aktionsplan” stellt Forderungen an EU-Kommission zu Asylreform
Eine neue EU-Kommission nimmt ihre Arbeit auf, um eine EU-Asylreform anzudenken. Ihr Kernanliegen ist es, die Blockade zu lösen, die momentan in Bezug auf die Einführung eines Verteilschlüssels von Geflüchteten auf EU Staaten besteht. Der Verteilschlüssel ist eine deutsch-französische Initiative. Offiziell geht es um “die Entlastung” von Italien oder Griechenland. Konkret würde der Dublin-Mechanismus ausgehebelt und Geflüchtete könnten sich in der EU freier bewegen. Der Kommission schwebt aber ein Asylvorverfahren an den Aussengrenzen vor. Was mit den Abgewiesenen geschieht, ist noch unklar. Grössere NGO’s und Organisation aus insgesamt 21 Ländern haben zu dieser Idee ihre Forderungen in einem «Aktionsplan» zusammengefasst. Dieser fordert einen “Neustart“ in der Asylpolitik: Die neue Kommission solle die massenhaften, rechtswidrigen Pushbacks etwa aus Kroatien oder Griechenland ebenso beenden wie „den Nahrungsentzug und die unmenschliche Behandlung in den ungarischen Grenzgebieten.“ Kern ist die Idee eines einheitlichen EU-Asylstatus. Dieser würde ankommenden Menschen an den EU Aussengrenzen erlauben, sich – ungeachtet der Dublin- Richtlinien – frei im EU Raum zu bewegen, niederzulassen oder Arbeit zu suchen. Im „Aktionsplan“ warnen die Unterzeichnenden vor der verpflichtenden Prüfung an der Aussengrenze: Das Einlasskriterium, ob die Geflüchteten durch keine “sicheren Drittstaaten“ gereist sind, „würde ein falsches Signal an diejenigen Länder senden, die viel grössere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen als die EU“, und das Recht auf Schutz insgesamt gefährden, etwa wenn Geflüchtete dann massenhaft in Drittstaaten wie die Türkei zurückgeschoben werden, welche sie erneut abschieben.
https://taz.de/Aktionsplan-fuer-EU-Asylreform/!5643600/

Aktuelle Situation auf der Fluchtroute Mittelmeer
Die 213 Migrant*innen auf dem Rettungsschiff Ocean Viking können in Sizilien an Land. Nachdem Italien und Malta nun monatelang ihre Häfen geschlossen haben und Schiffe nicht einlaufen liessen, klappte es diesmal erstaunlich schnell. Grund dafür wird wohl die erstmals eingesetzte Malta-Methode sein, die vor ein paar Wochen unter einigen europäischen Ländern ausgehandelt wurde. Dabei haben sich die beteiligten Länder auf einen fixen Verteilmechanismus geeinigt, wodurch die ankommenden Menschen nicht alle automatisch in Italien oder Malta bleiben (müssen). Die langen Wartefristen auf See, die das Leiden noch zusätzlich verstärkt haben, können so wohl immerhin etwas verkürzt werden. Zu den teilnehmenden Ländern gehören Italien, Malta, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Finnland, Irland, Litauen, Luxemburg und Portugal. Die Schweiz hingegen fand es unnötig, mitzumachen. Die Justizministerin Keller-Sutter argumentierte, dass sonst auch Personen ohne Asylaussicht auf europäische Staaten verteilt würden. Dies würde ein falsches Signal aussenden und noch mehr Geflüchtete anlocken. Menschen die Hilfe zu verweigern, weil es ein falsches Signal für andere aussenden könnte, ist einfach nur zynisch. Währenddessen versuchen weiterhin Menschen übers Mittelmeer zu migrieren und verlieren dabei aufgrund der brutalen Abschottung Europas ihr Leben. Vier Menschen starben beim Versuch, von Marokko nach Spanien zu gelangen, 16 werden vermisst. Zudem kenterte ein Boot mit 170 Menschen kurz vor Lampedusa. 21 Menschen sind ertrunken.
https://www.blick.ch/news/politik/weil-schweiz-bei-verteilung-von-rettungsschiff-fluechtlingen-nicht-mitmacht-nur-noch-zynisch-heftiger-rueffel-fuer-bundesrat-id15634380.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/italien-ocean-viking-migranten-eu-innenminister
https://alarmphone.org/en/2019/11/26/four-days-of-struggle/?post_type_release_type=post
https://www.theguardian.com/world/2019/nov/27/search-for-missing-migrants-as-boat-runs-into-trouble-off-africa


Was geht ab beim Staat?

Winterschlacht im schweizer Parlament
Am 9. Dezember stimmt das Parlament über einen radikalen Wechsel im Bestrafungsregime ab. Bisher musste eine Person etwas tun, um bestraft zu werden. Künftig wollen die Behörden auch präventiv ohne Vorliegen einer Straftat bestrafen. Personen, die vom Staat als Gefährder*innen gelesen werden, könnten z.B. schon bald ausgegrenzt und eingegrenzt werden, indem sie eine Liegenschaft nicht verlassen dürfen – sogenannter Hausarrest. Gefährder*innen ohne schweizer Pass würden ausgeschafft. – Die (Kampf-)Flugzeugwerke Pilatus wollen ihr Business in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten entwickeln. Beide Länder verstossen regelmässig gegen das Völkerrecht. Saudi-Arabien bombardiert im Jemen regelmässig Menschen. Pilatus unterstützt diese kriegsführenden Staaten mit technischer Hilfe, Ersatzteilmanagement und durch Problembehebung an den Pilatus PC-21-Flugzeugen. Am 10. Dezember will das Parlament darüber diskutieren, wie die wirtschaftlichen Interessen der Firma Pilatus gefördert werden können.- Über die sogenannte Anti-Burka-Initiative des Egerkinger Komitees wird am 12. Dezember im Parlament debattiert. Die Initiative will die „Gesichtsverhüllung aus religiösen Gründen“ sowie das Vermummen an Demonstrationen durch die Verfassung verbieten. Durch die Initiative werden Frauen* instrumentalisiert, um antimuslimischen Rassismus zu fördern. Sogar der Bundesrat ist gegen die Initiative und lässt das Parlament über einen Gegenvorschlag entscheiden. Dieser verbietet nicht das Tragen von Burkas oder Nijabs, sondern will Personen im Umfeld bestrafen, die andere zum Verhüllen des Gesichts zwingen. Dem Gegenvorschlag gelingt es zwar, die Selbstbestimmung von burka- oder nijabstragenden Frauen* zu stärken. Dennoch stellt der Vorschlag eine rassistische Ungleichbehandlung dar: Gibt es doch kein Sondergesetz, das es Frauen erlaubt, gegen Sexismus von christlichen Lebenspartnern vorzugehen. Sich gegen Zwang oder Gewalt aus dem familiären Umfeld zu wehren, darf nicht von der Religion abhängen. 
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20193991
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20190032
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20190023
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/sessionen-des-parlaments/2019/wintersession#Terrorismus

Rassistische Privilegien und Rosinenpicken auf dem schweizer Arbeitsmarkt
Der schweizer Arbeitsmarkt ist von hierarchischen rassistischen Zugangsrechten geprägt: Inländer*innenvorrang für schweizer Arbeiter*innen vs. Personenfreizügigkeit für europäische Arbeiter*innen vs. Ausschluss für nicht-europäische Arbeiter*innen. Das Arbeitsverbot für Nicht-Europäer*innen wird aber ausgehebelt, wenn dies den schweizer Unternehmen dienlich ist. Im kommenden Jahr wird ein Kontingent von 8’500 besonders gut ausgebildeten Arbeiter*innen aus Nicht-EU-Staaten akzeptiert. Ebenfalls ausgehebelt wird das Arbeitsverbot für die britischen Staatsangehörigen. Im Falle eines ungeordneten Brexit gäbe es ein Kontingent für 3’500 Erwerbstätige. Die Folgen dieser strukturellen Ungleichbehandlungen durch Diskriminierungen sind Konkurrenz und Lohndruck für alle. Eine antirassistische Antwort muss gleichzeitig die globale Bewegungsfreiheit wie auch die Forderung nach gleichen und guten Löhne für alle umfassen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77233.html


Was ist aufgefallen?

Bihac: Katastrophe vor den Toren der EU
Im Städtchen Bihac in Bosnien sitzen tausende Migrant*innen nahe der kroatischen Grenze unter katastrophalen Bedingungen fest. Nach der Schliessung der Balkanroute 2016 gab es kein Durchkommen mehr aus Serbien und Ungarn. Deshalb verschob sich die Route nach Süden zu der gebirgigen Grenze zwischen Nordwestbosnien und Kroatien. Dort, in Bihac und Umgebung, ist die Lage der Geflüchteten katastrophal. Es gibt vier offizielle Camps für Migrant*innen. Sie sind jedoch viel zu klein. Deshalb hausen über tausend Migrant*innen unter elenden Bedingungen auf einer alten Mülldeponie. Die Zelte sind nass, die Lebensmittel knapp, alles ist sumpfig, die Hygienebedingungen sind miserabel und viele der Menschen sind krank. Es gibt auch Geflüchtete, die irgendwo im Wald campen und warten. Sie gehen in die Stadt für Nahrungsmittel oder Schutz, werden jedoch von der Polizei aufgegriffen und vertrieben. Wenn sie versuchen, die kroatische Grenze zu überqueren, soll auf sie geschossen werden. Die katastrophalen Zustände sind der rigiden EU-Migrationspolitik verschuldet, die den Menschen keine sicheren Fluchtrouten lässt und sie buchstäblich im Sumpf und in der Kälte sich selbst und den Angriffen und Übergriffe der Grenzpolizei überlässt. 
https://www.spiegel.de/politik/ausland/bosnien-humanitaere-katastrophe-vor-den-toren-der-eu-a-1297625.html
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/sie-werden-erfrieren?fbclid=IwAR2kgl3iVf3P2kgUk-t3xo4RZufQCw4UK2HN4dTBnMhJTLjXTuOhBZ2-g94
https://ffm-online.org/kroatien-schuesse-auf-people-in-transit/
https://www.nzz.ch/international/fluechtlingkrise-in-bosnien-hier-versagt-die-eu-migrationspolitik-ld.1524439

Asow: Von der freiwilligen Miliz zur extrem rechten Bewegung
Im Mai 2014 wurde in der Ukraine die Freiwilligenmiliz „Asow“ gegründet, die sich am Kampf gegen russische Separatist*innen im Osten der Ukraine beteiligte. Mitglieder der ersten Stunde waren Fussballfans, die sich während der Maidan-Proteste extrem rechten Gruppen wie der „Misantrophic Division“, der „Wotan Jugend“ oder dem „Rechter Sektor“ anschlossen. Geführt wird die Truppe bis heute vom Neonazi Andrij Biletsky. Die Asow-Miliz wurde 2015 durch den Innenminister Arsen Avakov in ein Regiment umgewandelt und so der Nationalgarde unterstellt. Seitdem besitzt die extrem rechte Miliz einen legalen Status und hat stetig neue Strukturen geschaffen und professionalisiert sowie Kämpfer, Mitglieder und Sympathisant*innen rekrutiert, oder eigene Lokale eröffnet. 2016 wurde die Partei „National Corps“ von Biletsky ins Leben gerufen, welche auf dem 2015 gegründeten „Asow Civil Corps“ fusste. Der politische Arm von Asow eröffnete 2016 ein rechtes Sozialzentrum, das „Kosakenhaus“. Daneben gehören diverse Sozialprojekte wie das „Youth Corps“, der „Sports Club“ sowie der „Plomin Club“, der sich politisch intellektuellen Themen widmet, unter das Dach von Asow. Die Zahl der Mitglieder aller Unterorganisationen wird von Asow mit rund 10’000 in der ganzen Ukraine angegeben. Im Frühjahr 2017 wurde unter der Regie von Asow die paramilitärische „National Militia“ gegründet. Die dem Innenministerium unterstellte Gruppe übernimmt, legitimiert durch ukrainisches Gesetz, polizeiähnliche Aufgaben. Ziel der Gruppe ist es, die ukrainische Ordnung wiederherzustellen, die von der Polizei nicht durchgesetzt würde. Dazu gehören Angriffe auf Roma-Camps oder das Stören von Demonstrationen von politischen Gegner*innen. Innenminister Avakow beauftragte die Sicherung der Parlamentswahlen durch die paramilitärische Gruppe. Um ihre Kontakte und die Idee des Aufbaus einer pan-europäischen Konföderation auszuweiten, nehmen Vertreter*innen von Asow an diversen Kongressen der extremen Rechten in Europa teil. Sie stehen in Deutschland im Austausch mit neonazistischen Strukturen wie „Kraftquell“, „Der III. Weg“ oder der NPD-Jugendorganisation („Jungen Nationalisten“). Die Truppenstärke des Asow-Regiments hat sich innerhalb von drei Jahren rund verdreifacht. Ihre Rekrutierungspraxis zeichnet sich durch konkretes, professionelles Anwerben von Kämpfern über die sozialen Medien, sowie das „klassische“ Bewerben von Nachwuchs an szeneeigenen Veranstaltungen aus. Sollten sie weiterhin ihre Bestrebungen relativ unbehelligt realisieren können, dürfte Asow international noch mehr an Gewicht gewinnen. Lasst uns aufmerksam sein und bleiben, kein Fussbreit dem Faschismus!
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/asow-von-der-freiwilligen-miliz-zur-extrem-rechten-bewegung

Aus der „administrativen Versorgung“ lernen
Eine „unabhängige Expertenkommission“ (UEK) des Bundes hat diese Woche ihren Schlussbericht zu den bis zu tausend Kindern und Jugendlichen veröffentlicht, die bis 1981 administrativ versorgt wurden. Damals war es üblich, dass Behörden Kinder und Jugendliche in Heimen isolierten, wenn deren Eltern als „liederlich“ galten. Dass die Behörden kaum etwas aus diesem dunklen Kapitel der schweizer Geschichte gelernt haben, zeigt sich, wenn die Medienmitteilung zum Schlussbericht leicht verändert wird: „Bis 2020 wurden in der Schweiz Zehntausende Menschen ohne Gerichtsurteil und ohne, dass sie eine Straftat begangen hatten, in Zentren und Gefängnisse eingewiesen. Obwohl auf zahlreiche Gesetze gestützt, war die Praxis der Behörden rechtsstaatlich problematisch und vielfach von offener Willkür geprägt. Oft reichte es für eine jahrelange Unterbringung, dass jemand als «Flüchtling» bezeichnet wurde. Make Racism history. 
https://www.uek-administrative-versorgungen.ch/forschung/schlussbericht?filter=0

Traumatisierung durch Krieg und Flucht
22 Prozent der Menschen, die in Konfliktgebieten leben, leiden unter Depressionen, Angstzuständen, Schizophrenie oder sogenannten posttraumatischen oder bipolaren Störungen. Bei fünf Prozent der Bevölkerung lassen sich sogar besonders schwere Formen dieser Krankheiten feststellen. Das zeigt eine grossangelegte Studie. Viele der Menschen, die in Konfliktgebieten leben, werden sich irgendwann auf die Flucht begeben (müssen). Damit durchleben diese Menschen eine weitere potentiell traumatisierende Erfahrung. Und dann geht’s weiter, denn die Situation wird sich im Ankunftsland wohl kaum verbessern. Sie haben das schlechte Los gezogen, als geflüchtete Menschen meist an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Sie werden für einige Monate, wenn nicht Jahre, in Asyllager gesteckt, die schon nur für psychisch stabile Menschen schwer aushaltbar sind. Obwohl allen bewusst ist, dass in diese Lager überproportional viele Menschen mit psychischen Krankheiten kommen, gibt es keine professionellen oder einheitliche Früherkennungssysteme für psychische Krankheiten und um psychologische Hilfe zu erhalten, müssen die Betroffenen oft sehr lange warten, da es viel zu wenig Angebote gibt. Zudem werden die Betroffenen in den Asylverfahren gezwungen, die traumatisierenden Situationen nochmals hochkommen zu lassen, da sie ihre Situation im Herkunftsland sowie auf der Flucht sehr detailliert vor ihnen unbekannten Menschen schildern müssen. In den Asylverfahren wird ausserdem die psychische Verfassung der befragten Person kaum berücksichtig. Kann diese ihre Fluchtgeschichte aufgrund von Traumatisierungen nicht völlig stimmig widergeben, ist dies Grund genug für einen negativen Asylentscheid.
https://www.srf.ch/news/international/studie-ueber-kriegstraumata-die-spuren-des-krieges


Was nun?
Lohngleichheit: Für alle?
34 staatsnahe Betriebe sind der „Charta für Lohngleichheit“ beigetreten. Mit dem Beitritt bekennen sich die Betriebe zur (Lohn-)Gleichheit von Frau und Mann. Konkret überprüfen diese Betriebe regelmässig ihre Löhne wie auch die Löhne in Unternehmen, die von ihnen Aufträge erhalten. Zudem sensibilisieren sie ihre Mitarbeiter*innen für die Gleichstellung. antira.org schlägt vor, dass diese Betriebe mit den gleichen Messlatten auch die Gleichstellung von Schweizer*innen und Nicht-Schweizer*innen durchsetzen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77290.html

UNHCR verweigert Geflüchteten die Nahrung, damit sie die Camps verlassen
Das UNHCR ist eigentlich damit beauftragt, Geflüchtete und Staatenlose zu „schützen“ und sich in der „humanitären Hilfe“ zu betätigen. Dies tun sie unter anderem mit grossen Zelt-Camps in sogenannten „Krisenregionen“ wie beispielsweise in Libyen. Dies mag für viele Menschen eine bessere Option darstellen, als die geschlossenen Lager, welche von libyschen Milizen geführt werden, oder das Leben als geflüchtete Person in den Strassen von Tripolis. Doch nicht für alle. Das UNHCR unterscheidet in seiner Migrationsrhetorik stark zwischen „unterstützungswürdigen“ und „nicht unterstützungswürdigen“ Menschen. Unterstützungswürdig sind diejenigen, die eine Chance auf Asyl in einem anderen Land haben. Und die anderen sollen bitte selber schauen. Deshalb will das UNHCR jetzt auch möglichst viele Geflüchtete aus den libyschen Lagern treiben, damit es dann diese wieder mit ihren Vorzeige-Geflüchteten füllen kann. Dafür setzt das UNHCR laut der Zeitung “The Guardian” systematische Nahrungsverweigerung als Druckmittel ein. Eine Gruppe von ca. 400 Migrant*innen, die aus einem Lager der libyschen Milizen geflüchtet waren und Zuflucht im UNHCR-camp suchten, haben nach eigenen Aussagen seit mehreren Wochen kein Essen mehr gekriegt. Unter den Menschen befinden sich 100 Minderjährige. Mit Ausnahme von ein bisschen Essen, das Migrant*innen aus einem anderen Teil des Lagers hinüberschmuggeln können, sind die Menschen dort momentan am Verhungern. Interne Dokumente des UNHCR’s zeigen laut „The Guardian“ auch, dass das UNHCR weitere Nahrungsverweigerungen in diesem Lager plant. Davon sollen mindestens weitere 600 Menschen betroffen sein, worunter sich viele Überlebende der Bombardierung des Tajoura-Lagers von diesem Juli befinden. Bei der Bombardierung dieses libyschen Internierungslagers wurden mindestens 53 inhaftierte Menschen getötet. Das Dokument, das laut „The Guardian“ zwischen UN-Mitarbeitenden kursiert, setzt die nächste Nahrungsverweigerung auf den 31. Dezember an. Die Information solle nicht vor Mitte Dezember gestreut werden, da sonst Panik ausbrechen würde. Eine solch absichtliche Hilfeverweigerung, um Menschen unter Druck zu setzen, ist einfach nur grässlich. Vor allem auch unter Anbetracht der Optionen, welche den Menschen nebst dem UNHCR-camp zur Verfügung stehen. Das UNHCR argumentiert zwar, dass die Menschen die camps ja freiwillig verlassen können und nicht zu Tode hungern müssen. Aber Fakt ist, dass diese Menschen fast keine andere Wahl haben als die camps des UNHCR. Es bleiben zur Auswahl Tod im Mittelmeer, Internierung, Folter und Versklavung in libyschen Haftlagern oder die schutzlose Auslieferung an libysche Milizen in den Strassen von Tripolis. Es ist einfach nur zynisch zu sagen, die Menschen könnten ja die camps freiwillig verlassen. Und noch zynischer ist es, von freiwilliger Abreise zu sprechen wenn die Alternative Verhungern heisst. „The Guardian“ konfrontierte daraufhin das UNHCR mit diesen Anschuldigungen. Das UNHCR weist diese zurück und bezeichnet sie als unverschämt. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Aussagen von Direktbetroffenen sowie von anderen NGO’s in Tripolis.
https://www.channelnewsasia.com/news/world/un-refugee-agency-rejects–starving-migrants–claim-12136666
https://www.theguardian.com/global-development/2019/nov/28/refugees-being-starved-out-of-un-facility-in-tripoli


Wo gabs Widerstand?

Turkish Airlines Blockade am Basel Euro-Airport
Zum dritten Mal wurden die Schalter von Turkish Airlines am Basel Euro-Airport blockiert. Turkish Airlines ist strukturell und personell sehr eng an die AKP und die Luftwaffe der türkischen Armee angebunden. Anlässlich des 25. November wurde die Aktion fünf gefallenen Genossinnen gewidmet.
https://barrikade.info/article/2919

Blockade Novartis Campus
Der Eingang vom Novartis Campus Basel wurde am Montagmorgen blockiert als solidarische Aktion mit allen kämpfenden Frauen* in Rojava.
https://barrikade.info/article/2922https://www.bazonline.ch/news/standard/aktivisten-blockieren-eingang-zur-novartis/story/26605424

Abgewiesene Asylsuchende sollen Lehre abschliessen können
Am Dienstag hat der Verein «Eine Lehre – Eine Zukunft» eine Petition eingereicht die fordert, dass Asylsuchende mit einem negativen Entscheid ihre Lehre abschliessen dürfen sollen. Viele dieser jungen Leute sind als Minderjährige vor Jahren in die Schweiz gekommen und können nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren. Sie werden für Jahre ohne jede Perspektive in die Nothilfe verbannt. Der Grosse Rat des Kantons Berns berät nächste Woche über das Ausführungsgesetz zum Ausländer- und Integrationsgesetz. 
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/abgewiesene-asylbewerber-sollen-lehre-beenden-koennen/story/30657517https://www.unapprentissage-unavenir.ch/de/

Was steht an?
Infoveranstaltung: Solidarität ist kein Verbrechen
5.12.19 | 17 Uhr | Volkshaus | Zürich
Aktivist*innen, die als abgewiesene Asylsuchende kriminalisiert und eingesperrt wurden, geben Einblick in das Repressionssystem der Schweiz und es berichten Seenotretter*innen, die seit 2016 im zentralen Mittelmeer auf unterschiedlichen NGO-Rettungsschiffen im Einsatz gewesen sind. Gegen sie wird in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einreise ermittelt.
https://www.facebook.com/events/457940698172674/


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Der Fall Wilson A.
Rassistische Polizeigewalt und institutioneller Rassismus
http://www.papierlosezeitung.ch/artikel/der-fall-wilson-a-rassistische-polizeigewalt-und-institutioneller-rassismus

Migration-Control Wiki: Algerien
In diesem Wiki befinden sich zahlreiche sehr ausführliche Berichte über einzelne Länder, die von der europäischen Migrationspolitik betroffen sind. Die Artikel beschäftigen sich zu einem Grossteil mit Themen wie Migrationsbewegungen, Rückübernahmeabkommen mit der EU, oder Abschiebepolitik
https://ffm-online.org/migration-control-wiki-algerien/https://migration-control.taz.de/#de

Fahrende in der Schweiz: «Hier nicht – frag doch mal weiter oben»
Sie fahren seit Jahrhunderten durch das Gebiet der heutigen Schweiz. Und doch stossen Jenische, Sinti und Roma auf der Suche nach genügend Halteplätzen weiterhin auf bürokratische Hindernisse und den Widerstand der sesshaften Bevölkerung. Wieso eigentlich?
https://www.woz.ch/1942/fahrende-in-der-schweiz/hier-nicht-frag-doch-mal-weiter-oben

Kirchenasyl – Echo der Zeit
Die katholische Pfarrei St. Leodegar in Luzern hat einer geflüchteten Frau und ihrer Tochter Kirchenasyl gewährt. Die Polizei hat Mutter und Tochter mittlerweile abgeholt und ausgeschafft. Der Fall befeuert in Luzern die Debatte rund um das Kirchenasyl: Ist es Schutz oder Rechtsbruch?
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=ac0b602d-043b-40ee-b802-60f8e8bfb520