Beweise für Nzoy, Deal von Melonie, Berichte über Asylcamps

Was ist neu?

Justice4Nzoy: Kritik an Staatsanwaltschaft aufgrund unbeachteter Beweise

Der Staatsanwalt, der bereits die Polizist*innen freisprach, die Mike Ben Peter töteten, leitet heute das Verfahren im Fall von Nzoy. Am 10. Oktober 2023 kündigte er an, weder Tötung noch unterlassene Hilfeleistung zur Anklage zu bringen und das Verfahren einstellen zu wollen. Mit neuem Beweismaterial wehren sich nun die Wissenschafter*innen der „Unabhängigen Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy“.

Border Forensics rekonstruierte den Ablauf des Tötungsdelikts in Morges mittels eines Films sekundengenau. Ursprünglich wurde die Polizei gerufen, um einem Schwarzen Mann mit Psychose-Symptomen zu helfen. Stattdessen erhöhten die Polizist*innen den Stress und erschossen Nzoy schlussendlich. Der Film macht sichtbar wie Nzoy, nachdem die Polizei drei Mal auf ihn schoss, von dieser sechseinhalb Minuten lang liegen gelassen wurde. Rettungs- und Wiederbelebungsmassnahmen wurden unterlassen.

Die unabhängige Kommission stellt deshalb die Frage: „War das Verhalten der Polizist*innen adäquat und war der Einsatz von Schusswaffen notwendig und gesetzeskonform?“ Den Staatsanwalt interessiert diese Frage bisher kaum. Ob ein Gericht sich mit ihr befassen wird, ist deshalb offen. Ein klassisches Beispiel für institutionellen Rassismus. Wäre Nzoy ein weisser reicher Mann, wäre die Justiz mit hoher Wahrscheinlichkeit anders vorgegangen.

https://nzoycommission.org/de/publikationen/pressemitteilung/
https://nzoycommission.org/site/assets/files/1085/pressemappe_2023-11-10_fr_dt-1.pdf
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/kritik-an-waadtlaender-staatsanwaltschaft-in-fall-von-polizeigewalt-00225157/
https://renverse.co/infos-locales/article/affaire-nzoy-dernieres-nouvelles-et-conference-de-presse-4235
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/staatsanwaltschaft-erntet-kritik-im-fall-morges?partId=12485676
https://www.srf.ch/news/schweiz/polizist-toetete-mann-in-morges-kritik-an-staatsanwaltschaft-wegen-verfahrenseinstellung
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/angehoerige-fordern-prozess-im-fall-nzoy?urn=urn:srf:video:a9f993cc-b442-44aa-8c90-535df4cbbfcd

Meloni will Asylverfahren nach Albanien auslagern

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr albanischer Amtskollege Edi Rama haben am Montag in Rom eine Vereinbarung unterzeichnet, welche die Auslagerung von Asylverfahren nach Albanien vorsieht. Ist das Vorhaben übliche rassistische Symbolpolitik oder ein gefährlicher Präzedenzfall? 

In der Hafenstadt Shengjin und in der etwa 20 Kilometer entfernten Stadt Gjader sollen zwei Aufnahmezentren für geflüchtete Menschen entstehen. Beide Zentren sollen im Frühjahr in Betrieb genommen werden, Platz für bis zu 3’000 Personen bieten und der italienischen Rechtssprechung unterliegen; für die Lager ist ein extraterritorialer Status wie etwa für Auslandbotschaften vorgesehen.

Dabei sollen nur jene Personen nach Albanien gebracht werden, welche im Mittelmeer von der italienischen Küstenwache gerettet werden. Die privaten Seenotrettungsboote werden die Migrant:innen weiterhin nach Italien bringen können, wenn auch wie gehabt in Häfen, die sich möglichst weit vom zentralen Mittelmeer entfernt befinden. 

Edi Rama, der Ministerpräsident Albaniens und von der Sozialistischen Partei Albaniens, erklärte in der gemeinsam Medienkonferenz, Albanien tue dies aus «Dankbarkeit und Freundschaft» und erinnerte dabei an die eigenen Fluchterfahrungen von Albanier:innen – ein Versuch, das Projekt moralisch zu legitimieren. Tatsächlich werden versprochene Wirtschaftsabkommen oder die Möglichkeit, das EU-Beitrittsverfahren Albaniens positiv zu beeinflussen, als grundlegende Motivation hinter der Entscheidung eingeschätzt.  

Im Moment scheint die Idee Hochkonjunktur zu haben. So hat auch die deutsche Bundesregierung am vergangenen Montag unter anderem zugesagt, zu prüfen, ob Asylverfahren ausserhalb Europas möglich sind. Und auch die Idee, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern, wird nicht nur in Grossbritannien immer wieder aufgebracht. 

Dabei erreichen solche Vorschläge das Gegenteil von dem, was sie bezwecken: «Sie tragen dazu bei, die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und Europa weiter zu untergraben», wie ProAsyl in ihrem Communiqué schreibt. 

Die Idee, Asylverfahren auszulagern, ist alles andere als neu. Doch funktionierende Modelle gibt es nicht, schon gar nicht solche, ohne massive Menschenrechtsverletzung. Zudem gibt es unzählige rechtliche, politische und praktische Hürden bei deren Umsetzung. ProAsyl schreibt dazu: «Obwohl der Vorschlag weder praxistauglich noch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar ist, scheint die Idee der Externalisierung von Verantwortung in Europa aktuell Konjunktur zu haben. Vermeintlich einfache Lösungen sind in angespannten Zeiten beliebt, wenn Politiker:innen Handlungsmacht demonstrieren wollen.»

Es bleibt im Moment offen: Ist das Vorhaben Melonis weitere rassistische Symbolpolitik oder ein gefährlicher Präzedenzfall? 

https://www.proasyl.de/news/externalisierung-von-asylverfahren-weder-umsetzbar-noch-menschenrechtskonform/
https://taz.de/Memorandum-zwischen-Italien-und-Albanien/!5971754/
https://www.watson.ch/international/italien/400166413-meloni-lagert-fluechtlingszentren-nach-albanien-aus

Was ist aufgefallen?

Erfrischende UNHCR-Empfehlungen für Bundesasylcamps

Schon seit Jahren berichten Betroffene vom Leben in den gefängnisartigen Bundesasylzentren (BAZ). Sie kritisieren die Überbelegung, den Mangel an Fachpersonal und die ausbleibende Betreuung, die fehlende Privatsphäre, ständige Überwachung, Repression und Isolation. Nun veröffentlicht auch das UNHCR, die UN-Flüchtlingsorganisation, einen Bericht mit Empfehlungen an die Bundesasylcamps. Dahinter versteckt sich Kritik.

Die Wurzeln des Problems, so erkennt es auch der Bericht, liegt in der Idee und Umsetzung des Konzepts der Kollektivunterkunft. Wir haben einige Stellen des Berichts zusammengetragen, welche wir besonders interessant fanden und in der medialen Berichterstattung nur wenig Platz bekamen.

Grundsatzkritik an Camps: «Ihrer Natur nach bieten Kollektivunterkünfte Asylsuchenden oft nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Privatsphäre zu wahren. Sie teilen ihre Schlafräume mit Unbekannten und haben eingeschränkten Zugang zu persönlichen Koch- und Sanitäreinrichtungen. Darüber hinaus kann das Zusammenleben auf engem Raum die Ausbreitung von Infektionskrankheiten begünstigen, und die Anwesenheit von Behörden- oder Sicherheitspersonal kann ein Gefühl der Überwachung hervorrufen (…) Daher wird die Unterbringung von Asylsuchenden in Kollektivunterkünften mit Mehrbettzimmern als Standardkonzept seit langem in Frage gestellt. (…) Angesichts dieser Erkenntnisse ist es bedauerlich, dass selbst die bauliche Ausgestaltung der neuerrichteten Bundesasylzentren lediglich Minimalstandards verfolgt, die weder ausreichend auf den Schutz der Privatsphäre und andere Bedürfnisse der Asylsuchenden eingehen noch die Bedürfnisse der in den Bundesasylzentren tätigen Mitarbeitenden berücksichtigen. (…) Elemente in Kollektivunterkünften wie mangelnde Privatsphäre, räumliche Enge, fehlende Rückzugsmöglichkeiten und begrenzte Handlungsspielräume schaffen ein Umfeld, in dem physische, psychische und sexualisierte Gewalt auftreten. Zusätzlich zu diesen Faktoren bergen auch restriktive Ausgangszeitbeschränkungen, Diebstähle, systematische Eintrittsdurchsuchungen, und die wahrgenommene Bevorzugung bestimmter ethnischer Gruppierungen durch das Personal zusätzliches Konfliktpotenzial.»
Dieser Ausschnitt aus dem UNHCR Bericht beschreibt nicht einfach die «Herausforderungen in der Unterbringung», sondern kann genutzt werden um das Konzept der heutigen Unterbringungsform grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Kollektivunterkünfte in Form von Bundesasylzentren, wie wir sie heute kennen, stellen ein verhältnismassig neues Projekt des Schweizer Asylregimes dar. Massgebend zur Entstehung beigetragen hat dabei die letzte Asylgesetzreform, die 2019 in Kraft trat.

Mangelnder Schutz für Kinder: Wie bereits der Beobachter diesen April berichtete, führte das SEM im Oktober 2022 eine neue Kategorisierung für Asylsuchende ein, die sogenannten «SUMA». Auch im Bericht des UNHCR wird diese Einteilung und der damit einhergehenden unrechtmässigen Behandlung der Betroffenen beschrieben: «Derartige Massnahmen (Betreuung, die dem besonderen Schutzbedürfnis entsprechen), die dem Schutz unbegleiteter asylsuchender Kinder dienen, sollten deshalb konsequent und auch bei hoher Auslastung der Bundesasylzentren umgesetzt werden. Sie dürfen auch nicht etwa durch die Bildung von angeblich weniger schutzbedürftigen Kategorien asylsuchender Kinder, wie «UMA mit Erwachsenen-Habitus» oder «selbständige UMA», verwässert werden.»

Fehlender Schutz für Frauen und Queers: «Alleinreisende Frauen werden aktuell vereinzelt mit Familien, einschliesslich männlichen Familienmitgliedern, im selben Schlafraum untergebracht. Dies ist eine Konstellation, die den Schutz der betroffenen Frauen potenziell gefährden kann. Auch die gemeinsame Unterbringung von mehreren Familien mit männlichen Familienmitgliedern im selben Schlafraum kann die Sicherheit und den Schutz von Frauen und Mädchen innerhalb dieser Familien beeinträchtigen und sollte daher vermieden werden.»
Weiter heisst es im Bericht, dass als Komponente einer umfassenderen Sicherheitsstrategie eine gänzlich separate Unterbringung ausserhalb der Bundesasylzentren für LGBTIQ+-Personen anzustreben sei.

Mitbestimmung statt Unterordnung: Betreffend der BAZ internen Struktur, schlägt der Bericht eine fast schon basisdemokratische Mitbestimmung in den BAZ vor. «Schliesslich sollte auch der aktive Einbezug der Asylsuchenden in Unterbringungs- und Betreuungsprozesse, beispielsweise durch Bewohner*innenräte, gefördert werden.» Bei einer erfolgreichen Durchsetzung würde dies einen erheblichen Kontrast zu der heutigen Entrechtung, Entmachtung und Entmenschlichung der Asylsuchenden in den BAZ darstellen.

Erleichterter Zugang: Das UNHCR empfiehlt auch «den Zugang von seriösen NGOs und Freiwilligenorganisationen zu den Bundesasylzentren zu erleichtern». Bisher bleiben die Tore der Bundesasylzentren für die meisten Zivilgesellschaftlichen Akteur*innen verschlossen. Mit einem erleichterten Zugang könnte auch die Dokumentationsarbeit über die Zustände in den Zentren vereinfacht werden, die die Basis für gezielte politische Kampagnen sein könnten. Auch soll besonders für vulnerable Gruppen wie für LGBTIQ+-Personen «bei der Auswahl des Unterbringungsstandortes Verbindungen zu Communities und Bezugspersonen zu berücksichtigen sein und Zugang zu Vernetzungs- und Unterstützungsangeboten und medizinischer Versorgung zu gewährleisten sein».

Vernetzung statt Isolation: «Angesichts dieser Herausforderungen ist es sinnvoll, bei der Planung zukünftiger Zentren verstärkt auf Stadtgebiete oder zumindest verkehrstechnisch gut erreichbare Gebiete zu setzen. Um jedoch auch in den bestehenden abgelegenen Bundesasylzentren die Mobilität von Asylsuchenden zu gewährleisten, könnten regelmässige Shuttleservices zu naheliegenden städtischen Gebieten implementiert oder vergünstigte bis hin zu kostenlosen Tickets für den öffentlichen Verkehr bereitgestellt werden.» Weiter heisst es «ein grösserer Bewegungsradius und die Interaktion mit der lokalen Gemeinschaft können zudem dazu beitragen, die psychischen Belastungen durch die Isolation zu mindern und die psychische Gesundheit sowie das allgemeine Wohlbefinden der Asylsuchenden zu fördern.»

Auch wenn das SEM sich ihr Image aufpolieren und den Schein einer menschenwürdigen und funktionierenden Unterbringung durch grosse Kollektivunterkünfte bewahren möchte, sieht die Realität anders aus und dringt auch immer mehr in die Öffentlichkeit.
PS: Da hilft auch kein eigens produzierter Image-Podcast über den Betrieb der Bundesasylzentren weiter.
https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2023/11/20231106-UNHCR-Empfehlungen-zur-Unterbringung-in-den-BAZ.pdf

Was nun?

Bern: Personal von Asylcamps spricht über Gewalt

Der Kanton Bern bezahlte die kirchliche Kontaktstelle für Flüchtlinge (KKF), um das Personal seiner Asylcamps zu befragen und mehr über deren Wahrnehmung von Gewalt in Asylcamps zu erfahren. Was kam heraus?

Das Personal ist sich laut dem Bericht durchaus bewusst, dass es Gewalt auslöst, wenn Menschen eingeengt, ohne Privatsphäre, Beschäftigung und Rückzugsorte (z.B. zum Hausaufgaben machen) isoliert werden. Der von ihnen so genannte „Dichtestress“ wird eindeutig als der bedeutsamste Treiber von Gewalt identifiziert.

Das Personal weiss auch, dass in Asylcamps eine fremdbestimmte Zimmereinteilung, ein grösserer Transfer oder ein Streit zwischen Kindern ausreichen, um geflüchtete Personen, die aufgrund der Situation und ihrer Vergangenheit gestresst und belastet sind, an ihre Grenzen zu bringen.

Das Personal kann durchaus benennen, dass traumatisierte oder suchterkrankte Personen spezifische Betreuung, Einzelzimmer oder ganz andere Orte bräuchten, um gegenüber anderen im Asylcamp nicht oder weniger gewalttätig zu sein. Es sieht ein, dass es dies nicht gewährleistet.

Handlungsspielraum besteht bei den Sanktionen. Dem Personal steht ein eindrücklicher Katalog an harten Sanktionen zur Verfügung. Dieser wird aktiv genutzt und reicht von Sozialhilfekürzung um 15% oder gar um 30%, über den Campausschluss von bis zu einem Monat, bis zur Verlegung in ein anderes Camp. Mehrere Mitarbeitende geben an, dass eine wirksame und angewandte Strategie gegen Gewalt darin bestehe, gewaltauffällige Personen in immer schlechtere Camps zu isolieren.

Um Gewaltvorfälle zu vermeiden, zu verhindern oder zu stoppen, wolle das Personal in erster Linie auf Beziehungsarbeit setzen. Es sei eindeutig, dass es hierfür jedoch meist an Personal mangle. Auch bräuchte es dringend freie Zimmer für Notfälle, damit Konfliktparteien sowie Opfer oder Täter*innen (nicht zuletzt bei häuslicher Gewalt) nicht im gleichen Raum weiterleben müssen. Solche Zimmer gibt es kaum.

Das Personal weiss also relativ genau Bescheid über die tiefgehenden Probleme, trotzdem arbeiten sie weiter. Angesichts berufsethischen Gesichtspunkten der Sozialen Arbeit gibt es keinen Grund, nicht heute damit zu beginnen, das Schweigen zu brechen, um Kritik zu formulieren oder bisherige kritische Stimmen hörbarer zu machen. Der KKF Bericht macht deutlich, dass im aktuellen System Gewalt in Asylcamps letztlich in Kauf genommen wird. Das ist strukturell rassistisch.

https://www.kkf-oca.ch/wp-content/uploads/KKF_Empfehlungen-Gewaltpraevention_Juli2023.pdf

BAZ Glaubenberg: Protest gegen die Isolation in den Bundesasylcamps

Aufgrund eines Konflikts wurden im Bundesasylcamp Glaubenberg mehrere Personen verletzt. Bewohner*innen berichteten, dass sie in den Zimmern eingeschlossen seien und nichts zu essen bekommen.

Laut der Gruppe Resolut seien geflüchtete Personen verängstigt, weil sie das Camp auf dem Glaubenberg nicht als save erleben. Mehrere befinden sich in einem Hungerstreik. Besonders betroffen sind auf dem Glaubenberg untergebrachte Kinder. Die Gruppe Resolut fordert deshalb eine Schliessung: „Das inhumane Ghettoisieren von Menschen in abgelegenen Gegenden hat schon lange versagt. Immer wieder kommt es zu Spannungen oder Auseinandersetzungen in den Bundes-Asylzentren. Wir erinnern ausdrücklich daran, dass es sich bei den Bewohner*innen des BAZ Glaubenberg um Schutzsuchende Menschen handelt und darunter auch Kinder sind. Viele von ihnen haben auf Grund von Flucht und Vertreibung psychische Probleme.“

https://resolut.noblogs.org/

Wo gabs Widerstand?

Petitionsabgabe und Kundgebung für die Abschaffung der Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen

Am vergangenen Donnerstagnachmittag hat auf dem Bundesplatz in Bern die Kundgebung gegen die Schweizer Kollaboration mit der eritreischen Diktatur stattgefunden. Es folgt das Communiqué:

„Der lange Arm des eritreischen Regimes reicht bis in die Schweiz“, sagt der Eritreische Medienbund Schweiz. Dies zeigen beispielsweise die Spionage beim Staatssekretariat für Migration und die Propaganda in Opfikon. Um 15 Uhr übergaben wir beim Haus der Kantone unsere Petition zur Abschaffung der Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen. „Die Passbeschaffungspflicht gehört abgeschafft! Es braucht dringend einen besseren Schutz für Eritreer*innen in der Schweiz“ sagt das Migrant Solidarity Network.

Mittlerweile haben mehr als 4500 Personen unterschrieben. Die Petitionen richtet sich an die kantonalen Migrationsdienste. Da das Staatssekretariat für Migration (SEM) sich bisher weigert die Praxis anzupassen, sollen diese ihren Handlungsspielraum nutzen. Zur Demo aufgerufen haben der Eritreische Medienbund Schweiz zusammen mit dem Migrant Solidarity Network. Lange wollte die Stadt Bern die Demo ganz verbieten. Die Platzkundgebung wurde nur mit unverhältnismässigen Auflagen bewilligt.

Unzulässig und unzumutbar: Die Passbeschaffungspflicht gefährdet geflüchtete Eritreer*innen. Eritreer*innen, die heiraten möchten, ein Härtefallgesuch einreichen oder nach fünf Jahren eine vorläufige Aufnahme (Ausweis F) in eine normale Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) umwandeln wollen, werden heute blockiert: Können sie keinen gültigen eritreischen Pass vorweisen, so weigern sich die Behörden, ihre Gesuche zu behandeln. Doch um Pässe auszustellen, stellt die Eritreische Botschaft in Genf drei unzulässige und unzumutbare Bedingungen:

  1. Eritreer*innen müssen eine sogenannte «Reue-Erklärung» unterzeichnen. Dadurch müssen sie sich selbst beschuldigen, den sogenannten „nationalen Pflichten“ nicht nachgekommen zu sein, und die dafür verhängten Strafen akzeptieren.
  2. Eritreer*innen müssen eine unzulässige «Diaspora-Steuer» von 2% auf bereits in der
    Schweiz versteuertes Einkommen bezahlen. Das ist Geld, das die Macht der Diktatur unterstützt.
  3. Eritreer*innen müssen der Botschaft sensible Informationen über Angehörige, Freund*innen und Bekannte preisgeben.

Jede dieser Bedingungen gefährdet Leib und Leben. Auf Anfrage vermitteln wir gerne Kontakte zu Betroffenen, die auf der Botschaft waren und von solchen, die aus begründeter Angst nicht auf die Botschaft gehen.

Anerkannt und umsetzbar: Eine Praxisanpassung ist überfällig. Betroffene fordern schon lange eine Praxisanpassung. In der dafür initiierten Petition machen sie klar: Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu beschuldigen. Dem stimmt auch das Bundesverwaltungsgericht in Deutschland zu. Dieses entschied vor Kurzem, dass Eritreer*innen nicht mehr gezwungen werden sollen, sich bei der Eritreischen Botschaft einen Pass zu besorgen. Und auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe empfiehlt seit zwei Wochen ebenfalls den Schweizer Behörden die Praxis zu ändern. Die Behörden könnten Eritreer*innen ganz einfach einen «Pass für ausländische Personen» ausstellen. Dies ist beispielsweise bei Afghan*innen üblich. Denn auch sie können nicht sorglos bei einer Botschaft einen Pass beschaffen.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Strategische Prozessführung vor den UN-Ausschüssen und Sonderberichterstatter*innen
Videoaufzeichnung des Workshops mit Stephanie Motz
Im Rahmen unserer Online-Workshopserie «How to UN Committee» fand am 18. Septemeber 2023 der Workshop «Strategische Prozessführung vor den UN-Ausschüssen und Sonderberichterstatter*innen» statt. Rechtsanwältin Dr. iur. Stephanie Motz sprach über ihre Erfahrungen mit diversen Verfahren an die UN-Ausschüsse (CAT, CEDAW, CERD, CRC und CED). Im Gespräch mit Katja Achermann teilte sie strategische Überlegungen zur nationalen und internationalen Prozessführung in den Bereichen Klima, Frauenrechte, Racial Profiling und Migration. Die Aufzeichnung des Gespräches sehen Sie im Video.
https://www.humanrights.ch/de/anlaufstelle-strategische-prozessfuehrung/tutorials/praxisbeispiele-anlaufstelle/strategische-prozessfuehrung-un-ausschuessen-sonderberichterstatterinnen