Hubschrauber für Frontex,
Demos gegen Vergessen,
Millionen dank Abschottung

Was ist neu?

Polizei räumt gegen kollektiven Widerstand Camp Eleonas in Athen

Anfang diesen Jahres kündigte die Stadtverwaltung von Athen an, dass das Geflüchtetenlager Eleonas, welches sich am Rande von Athen befindet, geschlossen werden soll. Auf dem Gelände sollen Gewerbeflächen und ein Fussballstadium entstehen. Nach lang anhaltendem, kollektiven Widerstand gegen die Vertreibung wird das Vorhaben nun in die Tat umgesetzt. Am 18.8.2020 um fünf Uhr morgens wurde das Camp von der Polizei unter Anwendung von physischer Gewalt, Tränengas und Blendgranaten geräumt, nachdem Bewohner*innen Barrikaden errichtet hatten,  um sich gegen die Räumung zu wehren. Hunderte von den 1’500 in Eleonas lebenden Menschen wurden in geschlossene und abgelegene Lager zwangsumgesiedelt, viele andere wissen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht, was mit ihnen geschehen wird.

Bild: Projekt Elea Library, Eleonas Refugee Camp, Athen

Das aus Containern bestehende Camp Eleonas wurde im August 2015 als erstes offizielles temporäres Unterbringungszentrum für Asylsuchende eröffnet und befindet sich in einem Industriegebiet am Rande von Athen. Im Camp lebten viele Menschen, welche zur Gruppe der „most vulnerable“ (höchst verletzliche Personen) gezählt werden. Diese Bezeichnung weist – trotz der Notwendigkeit der Anerkennung von beispielsweise geschlechtsspezifischer Diskriminierung und deren realen Folgen – problematische Konnotationen auf, da sie suggeriert, dass nicht zu dieser Kategorie gehörende Menschen nicht oder weniger verletzlich sind. Bei der Kategorie handelt es sich um Geflüchtete, welchen besonders hoher Schutz zukommen soll, sprich Frauen, Kinder, alte Menschen oder Menschen mit schweren physischen und/oder psychischen Krankheiten. Die Definitionsmacht bleibt jedoch in den Händen und Köpfen der Herrschenden, an deren Gewalt und Diskriminierung, vor der die Menschen geschützt werden sollen, sie massgeblich beteiligt sind.  

Im Gegensatz zu den nun überall in Griechenland entstehenden geschlossenen Lagern, die von Gefängnissen kaum zu unterscheiden sind, welche die Isolation der Bewohnenden bewusst produzieren, um die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe zu unterbinden, war Eleonas zumindest in diesem Sinne fortschrittlich, als dass die Bewohnenden sich zum Beispiel ohne tageszeitliche Einschränkungen bewegen konnten. Dies ermöglichte es den Bewohner*innen, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, Kontakte zu knüpfen und sich zu vernetzen.

Am 19. Juni tauchten plötzlich Busse mit Polizeibegleitung vor dem Lager auf. Es handelte sich um eine im Voraus geplante Aktion mit der Zielsetzung, die in Eleonas lebenden Geflüchteten in geschlossene Lager nach Malakasa, Schisto oder Thermopylae zu bringen. Die Polizei, die Stadtverwaltung von Athen und die Internationale Organisation für Migration (IOM), eine Partnerorganisation der Vereinten Nationen, versuchten, die Menschen zu zwingen, Einverständniserklärungen zu unterschreiben, welche die Verlegung der Geflüchteten in die Aussenlager zum Gegenstand hatten. Doch die Bewohner*innen leisteten Widerstand und bis auf wenige Ausnahmen wurden die Formulare nicht unterzeichnet.

Aufgrund der enormen Verbunden- und Entschlossenheit der Gemeinschaft der Bewohnenden kam es zu täglichen Protestaktionen und einer breiten Solidarisierungsbewegung, an welcher sich die Bewohner*innen, solidarische Menschen aus Athen und im Camp arbeitende Sozialarbeiter*innen verbündeten und sich auf vielfältige Art und Weise gemeinsam gegen die Vertreibung zur Wehr setzten. Die Bewohner*innen verfassten einen offenen Brief mit fünf Forderungen und der Ankündigung einer Demonstration, an welcher der Brief – welcher mit der entschlossenen Ansage endete, dass die Bewohner*innen erwarten in Empfang genommen zu werden – dem Ministerium für Einwanderung und Asyl vorgelegt wurde. (https://www.europemustact.org/post/eleonas-camp—athens-open-letter-by-camp-residents)

Die organisierte, schnelle und dynamische Bewegung kollektiven Handelns von entschlossenen Menschen, die bereit sind, die gewaltsame Umsiedlung abzulehnen und Widerstand zu leisten, schien die Stadtverwaltung von Athen und die Polizei zu überraschen. Also antworteten sie mit Repression, der einzig ihnen zur Verfügung stehenden Logik ihres auf Unterdrückung und Gewalt bestehenden Systems. Die Grundversorgung im Lager wurde eingestellt und die Bewohner*innen berichten, dass ihnen gesagt wurde, dass jeglicher Widerstand gegen die Verlegung ihre Asylverfahren beeinträchtigen könnte. Zudem wurden ehemalige Mitarbeiter*innen des Lagers entlassen, weil sie an den Protesten teilgenommen haben.

Der Kampf der in Eleonas lebenden Menschen ist ein Kampf gegen das rassistische System der geschlossenen Grenzen und Lager, welches Menschen wie Müll behandelt, der von einem Lager ins andere transportiert wird, als Objekte der Ausgrenzung und Ausbeutung. Er ist auch ein Kampf gegen die Gentrifizierung von Athen, die systematisch vom griechischen Staat, der Regierung und dem Bürgermeister Bakogiannis gefördert wird, der seinen mit Klassenhass gepaarten extremen Rassismus hinter einer „alternativen Fassade” versteckt, indem er Pläne für Zwangsumstrukturierungen fördert, die ausschliesslich auf den kapitalistischen Interessen von Grossunternehmen und Einzelnen basieren.

„Die griechischen Behörden sehen in uns keine Menschen, die zur Flucht gezwungen sind. Sie sehen in uns ein Problem, das es zu verstecken gilt, sie entziehen uns den Blicken der griechischen Bürger*innen, sperren uns in Lager weit weg von den Städten, weit weg vom Rest der Gesellschaft“, sagte eine der Bewohner*innen von Eleonas an einer Demonstration.

Der aktuelle Rassismus, welcher die Wurzel des europäischen Grenzregimes ist, ist der Versuch, die in die Krise geratene weisse Vorherrschaft zu sichern. Bedroht ist die Selbstverständlichkeit, die unhinterfragte Legitimität der Vorherrschaft Europas in kulturellen, künstlerischen, zivilisationsbezogenen Fragen und die Assoziation dieses Europas mit Whiteness. Die staatliche Gewalt und ihre rassistischen Praktiken sind also Ausdruck davon, dass ein Kampf als notwendig angesehen wird, der die Verhältnisse so wieder herstellt, wie sie in der Fantasie der Menschen, welche von der Ungleichheit profitieren, schon immer gegolten haben. Um sich die Macht zu sichern, muss Ohnmacht produziert werden. Praktiken des Otherings bedienen sich, je nachdem welcher  Zweck damit erreicht werden soll, an der Sicht- und Unsichtbarmachung des zu konstruierenden Anderen. Nachdem Menschen als Problem konstruiert, also sichtbar gemacht werden, müssen sie, um das eigentliche Problem, nämlich die Tatsache, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung und Vernichtung anderer beruht, verdrängt, also unsichtbar gemacht werden.

https://www.europemustact.org/post/eleonas-camp—athens-open-letter-by-camp-residents

Das tödliche europäische Migrationsregime: 20 Menschen sterben auf der Flucht Richtung Libyen

In der Grenzregion zwischen Sudan und Libyen wurden 20 tote Menschen gefunden. Sie befanden sich auf der Flucht Richtung Libyen, überlebten diese jedoch nicht, weil der Sprit und das Wasser ausgingen. Dass es überhaupt soweit kommt und sich Menschen auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben müssen, liegt zum grossen Teil an der europäischen Migrationspolitik, die mit jedem Jahr stärker auf Abschottung und Militarisierung der Grenzen ausgelegt ist.

Bild: 20 Menschen wurden tot in der Sahara aufgefunden.


Die EU zahlte auch dieses Jahr wieder Millionenbeträge an unterschiedliche Staaten oder Institutionen wie Frontex, um Migrationsbewegungen bereits in Ländern wie dem Sudan oder Libyen zu stoppen. Dies führt zu einer enormen Militarisierung in diesen Gegenden und zu einer starken Kriminalisierung von Migration und Flucht. Es gibt zum Beispiel keine sicheren oder legalen Fluchtwege mehr vom afrikanischen Kontinent nach Europa. Dies führt dazu, dass sich Menschen in enorm gefährliche Situationen begeben müssen, um unentdeckt flüchten zu können. Die 20 gestorbenen Menschen sind also einmal mehr politisch gewollt oder zumindest in Kauf genommen. Dabei wäre es ein Leichtes, diese Menschen vor dem Tod zu schützen. Gäbe es sichere Fluchtwege, gäbe es weniger Tote.

Die EU bereitet nicht nur den Nährboden für den Tod auf der Flucht, sie verhindert auch aktiv, dass solche Todesfälle verhindert werden könnten. Indem sie zum Beispiel Frontex finanziert, die nachweislich Pushbacks ermöglicht und unterstützt oder zivile Seenotrettung blockiert. Beispielsweise ist es zivilen Aufklärungsflugzeugen nicht mehr erlaubt, über dem Mittelmeerraum vor der libyschen Küste zu patroullieren, um Boote in Seenot zu entdecken, während dies Frontex erlaubt wird. Der Unterschied liegt darin, dass Aufklärungsflugzeuge von Frontex Boote der libyschen Küstenwache melden, welche diese Menschen zurück nach Libyen bringt, während zivile Flugzeuge versuchen, die Menschen aus Seenot zu retten und in einen sicheren Hafen zu bringen.

Wir wollen, dass diese Toten nicht einfach abstrakte Zahlen bleiben, sondern uns bewusst ist, welche Tragik hinter jedem einzelnen Todesfall steht. Das sind zwanzig Menschen, mit einer Familie, mit ihnen nahen Menschen, mit einer Vergangenheit und mit einer ihnen genommenen Zukunft. Jeder dieser Todesfälle ist eine brutale Tragödie, die aufgeklärt gehört und die wir versuchen sollten, mit aller Kraft zu verhindern.

https://www.migazin.de/2022/08/16/seenotrettung-vor-libyen-flugverbote-verstossen-gegen-internationales-recht/
https://www.infomigrants.net/en/post/42618/at-least-15-migrants-die-in-libyan-sahara-desert
https://www.middleeastmonitor.com/20220813-sudan-20-bodies-found-near-libya-border/

Was ist aufgefallen?

Bosnien beginnt mit Zwangsabschiebungen nach Pakistan

Am 31. Juli begann der bosnische Staat damit, Menschen gegen ihren Willen nach Pakistan abzuschieben. Die zuständigen bosnischen Behörden feierten diesen Akt mit Posts auf ihren Social Media Kanälen. Darauf ist zu erkennen, wie Polizisten im Flughafen Sarajevo zwei Personen zu einem Linienflugzeug führen. Solche Zwangsabschiebungen nach Pakistan sind möglich, weil die pakistanischen Behörden im November 2020 einem Rücknahmeabkommen zustimmten. Bosnien ist das erste Land im Westbalkan, das über einen solchen Deal verfügt.

Im Februar 2016 hat Bosnien und Herzegowina einen EU-Beitrittsantrag beim Europäischen Rat eingereicht. Der Abschiebe-Deal mit Pakistan stelle auf diesem Weg einen wichtigen Schritt dar, hält das Sicherheitsministerium von Bosnien und Herzegowina fest: „Eine der 14 Prioritäten, welche die Europäische Kommission als Voraussetzung für Bosnien und Herzegowinas Weg in die EU angeordnet hat, bezieht sich auf die effiziente Koordinierung des Grenzmanagements und Massnahmen zur Lösung der Migrationskrise.“ Das Abkommen mit Pakistan zeige „die Entschlossenheit des Sicherheitsministeriums und des Außendienstes von Bosnien und Herzegowina, sich gegen alle Formen der illegalen Migration zu wehren.“ Weitere ähnliche Abkommen seien mit Afghanistan, Bangladesch, Ägypten und Marokko geplant.

Dass Europa diese Deals fordert, ist der Zwischenbilanz zum Beitritt von Bosnien und Herzegowina zu entnehmen. Die Europa Kommission hält darin klar fest: „Bosnien und Herzegowina soll die Bemühungen um Rücknahmeabkommen mit Herkunftsstaaten erhöhen“. Dies obwohl im gleichen Bericht zu lesen ist, dass es in Bosnien und Herzegowina kein funktionierendes Asylsystem gibt, welches für rechtsstaatliche Asylverfahren sorgt. 2020 bestand die Asylbehörde aus fünf Personen. Im Berichtsjahr wurde einer einzigen Person Asyl gewährt. Auch der Zugang zu anderen Grundrechten, Freiheiten und der Befriedigung wichtiger Bedürfnisse wird Migrant*innen verweigert.

Dass die EU-Kommission diese Abschiebedeals begrüsst, obwohl Bosnien für flüchtende Migrant*innen kein sicherer Staat ist, weist darauf hin, dass sich dieser Balkanstaat für flüchtende Migrant*innen schon bald vom unsicheren Transitstaat zum gefährlichen „Fallenland“ wandeln könnte. Bis anhin stranden Migrant*innen in Bosnien und Herzegowina, weil Kroatien die Weiterreise mit strengen Überwachungsmethoden an den Grenzen und brutaler Polizeigewalt verhinderten. Die Zeit, bis sie es nach vielen Versuchen über die Grenzen nach Westeuropa schafften, verbrachten sie entrechtet unter unmenschlichen Bedingungen auf bosnischem Gebiet. Schutz bleibt ihnen in Bosnien weiterhin verwehrt, doch mit den Deals drohen ihnen auch noch Abschiebungen in ihre Herkunftsländer.

https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2021-10/Bosnia%20and%20Herzegovina%202021%20report.PDF
https://osteuropa.lpb-bw.de/bosnien-herzegowina-eu-beitritt
https://www.klix.ba/vijesti/bih/od-svih-prioriteta-na-putu-ka-eu-rjesavanje-migrantske-krize-u-bih-oznaceno-pozitivno/220803082
https://www.facebook.com/msb.gov.ba

Marokko/Türkei: Millionen für Abschottung

Nach dem Massaker von Melilla erhält Marokko zusätzliche 500 Millionen Euro von der EU. Dafür hat die Regierung in den vergangenen Monaten gezeigt, wie einfach sie Menschen nach Spanien lassen und wie gewaltsam sie diese abhalten kann. Nach über einem Monat Pingpong mit der Türkei wurden vergangene Woche endlich die 39 überlebenden Menschen auf dem Evros von griechischen Behörden aufs Festland gelassen.

Bild: Marokko erhält 500 Millionen Belohnung für das “Massaker von Melilla”

Damit soll Marokko nach den Worten des spanischen Regierungschefs Sanchez «unterstützt werden, die illegalen Netzwerke des Menschenhandels zu kontrollieren und die Migrationsströme zu steuern.» Zum Narrativ gehört auch die «Bedrohung» und das «Leiden Marokkos als Transitland der Migration», was durch die «wiederholten gewaltsamen Angriffe auf den Grenzzaun» belegt wird.

Hilfsbereit und Nobel also von der EU, dem armen Land unter die Arme zu greifen? Man könnte auch sagen: Gleichsam, wie die Türkei für die gewaltsame Abwehr von Männern und Frauen an den ausgelagerten EU-Aussengrenzen bezahlt wird, erhält auch Marokko immer mehr Geld, für das es sich nicht zu schade ist, Blut an den Händen zu haben. Mal lassen die Behörden hunderte Menschen über die Grenze, um Druck auf die europäischen Behörden zu machen und mehr Geld zu erpressen, mal zeigen sie mit aller Gewalt, wie weit sie bereit sind, für dieses Geld zu gehen.

Laut der NGO Caminanda Fronteras kamen am 24. Juni und infolge des Massakers 40 Menschen ums Leben. Wieder einmal führten die spanischen Behörden an diesem Tag gewaltsame und massenhafte Pushbacks durch, die nach internationalem Recht verboten sind und die es verhindern, dass Menschen ein Asylgesuch stellen und ihr Recht auf Schutz geltend machen können. Insgesamt stehen in einem EU-Sonderfonds bis 2027 acht Milliarden Euro für die sogenannte internationale Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten bereit. In zahlreichen Abkommen sind die Zahlungen mit Forderungen zur Migrationsverhinderung verbunden.

Am Montag endete nach einem Monat die Auseinandersetzung zwischen griechischen und türkischen Grenzbehörden, in denen 39 Menschen aus Syrien zum Spielball politischer Machtspiele am Grenzfluss Evros wurden (siehe Wochenschau von letzter Woche). Bereits am 14. Juli waren sie zum ersten Mal am griechischen Ufer des Evros angekommen. Zwei Männer sind bei der gefährlichen Überfahrt vom Boot gefallen und ertrunken, ein dritter starb in Folge der Gewalt durch die griechische Polizei. Die Gruppe wurde danach an das türkische Flussufer abgeschoben, wo ihnen die türkischen Grenzbeamt*innen mit der Rückführung nach Syrien drohten. Sie wurden mehrmals hin- und hergetrieben, bevor sie auf einer Insel mitten im Fluss ohne jegliche Hilfe festsassen. Nach einem Skorpionstich starb dort die fünfjährige Maria. Menschlichkeit ist an den Grenzen dieses Europas weit und breit nicht zu sehen.

https://www.globalist.it/world/2022/08/16/migranti-marocco-ue-quando-il-modello-erdogan-paga/
https://amp.today.it/europa/attualita/marocco-fondi-ue-bloccare-migranti.html
https://www.spiegel.de/ausland/vor-europas-grenze-dutzende-gefluechtete-stecken-auf-insel-vor-griechenland-fest-a-a9a4cf8a-46ae-4a49-a9c5-2a44768dc0b0
https://www.jungewelt.de/artikel/432710.festung-europa-hetzjagd-beendet.html
https://www.heise.de/tp/features/Marokko-erhaelt-500-Millionen-Belohnung-fuer-das-Massaker-von-Melilla-7223359.html

Was tut Frontex?

Frontex will Hubschrauber

Die Europäische Grenzagentur Frontex will ihre Luftflotte mit Helikoptern ergänzen. Noch dieses Jahr soll die Ausschreibung veröffentlicht werden, die Beschaffung sei im kommenden Jahr geplant.

Bild: Ein Frontex-Hubschrauber vor der griechischen Insel Lesbos.

Die Helikopter sollen an Orten eingesetzt werden, an denen es an geeigneten Landeplätzen für Flugzeuge und Drohnen fehlt. Frontex gibt weiter Auskunft, dass die Helikopter eingesetzt werden sollen, wenn »weder mit einem bemannten noch mit einem ferngesteuerten Flugzeug« geflogen werden kann. Hierzu gehören bergige Gebiete oder Flussläufe.

Die beschriebenen Eigenschaften passen auf Grenzflüsse wie den Evros, der zwischen Griechenland und der Türkei verläuft. Seit 2016 ist Frontex mit der Operation «Poseidon» in dieser Region aktiv. Auf der Webseite dazu schreibt Frontex: «Frontex supports Greece with almost 700 guest officers, who perform border surveillance, assist in the identification and registration of incoming migrants, as well as debriefing and screening.» (deutsch: “Frontex unterstützt Griechenland mit fast 700 Gastbeamt*innen, die die Grenze überwachen, bei der Identifizierung und Registrierung der ankommenden Migrant*innen helfen und sie befragen und überprüfen.”)

Was dort tatsächlich passiert: Immer wieder werden Menschen durch griechische Grenzbeamt*innen auf türkisches Gebiet zurückgeschoben. Die Pushbacks passieren oft äusserst gewaltvoll. Zuletzt z.B. Mitte Juli, als eine Gruppe geflüchteter Menschen auf einer Evros-Insel festsass, ohne Lebensmittel, ohne Unterkunft, ohne sauberes Trinkwasser. Zuvor wurden sie auf der griechischen Seite des Flusses Evros aufgegriffen. «Es kam zu heftiger Gewalt gegen sie, ein Mann starb. Sie wurden gezwungen, auf Boote zu steigen und den Fluss bis zu einer Insel zu überqueren. Sie berichten, dass dabei wieder zwei Menschen ertrunken seien, weil kein Platz mehr in den Booten gewesen sei und man ihnen befohlen habe, zu schwimmen.»

Tausende Menschen wurden in der Region durch die griechischen Grenztruppen auf türkisches Gebiet zurückgeschoben, hunderte Menschen sind dabei gestorben. Angesichts dessen ist auch klar, für was die Helikopter Frontex dienen sollen: Es geht nicht darum, die Fluchtrouten für Migrant*innen sicherer zu machen, sondern um Überwachung, Wegschauen, Kontrolle, Pushbacks, Abschottung.

https://www.jungewelt.de/artikel/431601.eu-abschottung-frontex-will-hubschrauber.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/pushback-griechenland-101.html
https://frontex.europa.eu/media-centre/news/focus/joint-operation-poseidon-greece–3ImFxd

Was nun?

Justice for Nzoy

Das Aktionbündnis Justice4Nzoy hat einen Aufruf für die antirassitische Demonstraion am 3. September verfasst. Breit abgestützt soll gezeigt werden: Gerechtigkeit einzufordern bedeutet Widerstand! Alle Organisationen und Gruppen, die den Aufruf unterzeichnen möchten: Schreibt eine E-Mail an oa-zh@immerda.ch.

Das Aktionbündnis Justice4Nzoy ruft zu einer antirassistischen Demonstration am 3. September 2022 in Zürich auf. Das Bündnis fordert die Aufarbeitung des Mordes an Nzoy und wendet sich gegen die alltägliche rassistische Unterdrückung.

Am 30. August 2021 erschoss die Polizei in Morges den 37-Jährigen Nzoy aus Zürich. Polizei und Staatsanwaltschaft verharmlosen seither den Fall und sabotieren den Kampf der Angehörigen um Aufklärung der Geschehnisse. Die Tötung und der behördliche Umgang damit sind typische Beispiele von staatlichem Rassismus. Gerade im Kanton Waadt gibt es inzwischen eine ganze Reihe von ähnlichen Fällen. Rassismus ist kein Randphänomen und auch nicht das Problem einzelner Individuen, sondern durchzieht unsere ganze Gesellschaft. People of color erleben in allen Teilen der Welt soziale Abwertung, Repression und rassistische Gewalt. Rassismus ermöglicht und legitimiert die Ermordung von Geflüchteten an den Grenzen Europas sowie koloniale Ausbeutung und ist auch eng mit patriarchaler Unterdrückung und kapitalistischer Ausbeutung verbunden.

Der Tod von Nzoy hat breiten Protest ausgelöst: seine Angehörigen kämpfen für eine juristische Aufarbeitung, in Lausanne und Zürich gab es Demonstrationen, und mehrere Kampagnen kämpfen um mehr Öffentlichkeit des Falls. Diesen Widerstand tragen wir weiter. Gehen wir am 3. September gemeinsam auf die Strasse gegen Rassismus in all seinen Formen. Unsere Demo findet auch im Namen eines antirassistischen Septembers statt: am 9./10. September gibt es im besetzten Kochareal das antifaschistische Festival Un!te, am 16./17. September die antirassistischen Aktionstage Enough auf dem ParkPlatz.

Der gemeinsame Kampf gegen Rassismus lohnt sich! Wir fordern Gerechtigkeit für Nzoy! Dem staatlichen Rassismus in all seinen Ausprägungen sagen wir den Kampf an. Wir solidarisieren uns mit den Opfern rassistischer Gewalt und mit allen antirassistischen Kämpfen weltweit!

Nzoy rest in power!
Rassismus tötet!
Gemeinsam gegen Rassismus!

Wo gabs Widerstand?

Luzern/Bern: «Don’t forget Afghanistan»

In Luzern  besammelten sich am Donnerstagabend trotz Regen 50-100 Personen, um gegen das Vergessen der Menschen in Afghanistan und gegen die Taliban zu demonstrieren. Bereits am Montag hatte zum Jahrestag der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan eine Kundgebung in Bern stattgefunden.

Afghanische Frauen rufen “Brot, Arbeit, Freiheit” während einer Demonstration in Kabul am 13. August 2022

Zur Demonstration in Luzern schreibt das Bündnis “Alle heisst alle”: “Der Demonstrationszug setzte sich gegen 19:30 in Gang und zog über die Seebrücke auf den Theaterplatz, wo in einer Rede auf den Zusammenhang zwischen dem Krieg der USA und der NATO in Afghanistan und dem Kapitalismus aufmerksam gemacht wurde. Dieser müsse überwunden werden, folgerte der Sprecher und forderte eine grenzenlose Welt.

Unter laut skandiertem «Keine Macht der Taliban – Don’t forget Afghanistan» zog die Demo weiter auf den Helvetiaplatz, wo ein Sprecher auf die miserablen Bedingungen für Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam machte. Er forderte ausserdem von der Schweiz: Die Taliban nicht anzuerkennen, Afghan*innen mit humanitären Visa auszustatten und humanitäre Hilfe zu schicken. Er endete mit einer persönlichen Mitteilung, wie sehr es ihn schmerze, seine Familie nicht sehen zu können.

Geendet hat die Veranstaltung auf dem Bahnhofplatz, auf welchen der Umzug gegen 20:45 einbog. Eine Rednerin machte abermals auf die Unterdrückung von Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam. Ein weiterer Redner wies darauf hin, dass die Verhüllungspflicht nichts mit der afghanischen Kultur zu tun habe.”

Auch in Afghanistan selbst kam es zu Protesten gegen die neue Regierung, wie die WOZ schreibt: “Rund vierzig Frauen haben letzte Woche vor dem Bildungsministerium in Kabul protestiert. Mit dem Slogan «Brot, Arbeit und Freiheit» forderten sie das Recht auf Arbeit und politische Beteiligung. Die seltene Kundgebung fand nur wenige Tage vor dem Jahrestag der Machtübernahme der Taliban am 15. August statt und wurde von diesen gewaltsam aufgelöst. Talibankämpfer schossen in die Luft, verprügelten Demonstrantinnen mit ihren Gewehrkolben und konfiszierten Mobiltelefone von Aktivistinnen sowie von Journalist:innen, die über den Protest berichten wollten.”

Die Schweiz ist dramatisch untätig im Hinblick auf Afghanistan – bisher erteilte sie kaum humanitäre Visa, obwohl sie könnte. Letzten Herbst konnte eine Gruppe afghanischer Radsportler*innen mit einem humanitären Visum einreisen. Im ganzen Jahr 2021 stellte die Schweiz aber nur 37 humanitäre Visa an afghanische Staatsbürger*innen aus. In über 400 Fällen verweigerte sie ein solches Visum. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres erhielten 54 Afghan*innen ein humanitäres Visum, wie das SEM auf Anfrage mitteilt. In über 1’000 Fällen wurde das Visum verweigert. Wir können nur weiterhin sagen: Aufnahme statt Abschottung. Don’t forget Afghanistan.
http://resolut.tk/
https://www.woz.ch/2233/proteste-in-afghanistan/brot-arbeit-und-freiheit
https://www.tagesanzeiger.ch/viele-afghanen-hoffen-vergeblich-auf-ein-humanitaeres-visum-899321301065

Was steht an?

Infoveranstaltung Justice4Nzoj
24.08.22 I 20:00 I Basel, Gewerkschaftshaus Rebgasse 1
https://www.instagram.com/p/ChbtdBUKJdP/

Infoveranstaltung Justice4Nzoj
25.08.22 I 19:00 I Bern, de_block

Infoveranstaltungen Justice4Nzoj
28.08.22 I 17:30 I Feministisches Streikhaus Zürich

Infoveranstaltung und Film schauen im feministischen Streikhaus im Rahmen des antirassistischen Septembers und für die Unterstützung der Kampagne zu Nzoy: ab 16:00 Bar, Infostand, Merch, Tombola | 17:30 Infoveranstaltung & Input der Allianz gegen Racial Profiling | 19:00 Soli Z’Nacht von und für geflüchtete Frauen | 20:30 Film “No Apologies” zu rassistischer Polizeigewalt in Waadt | Der ganze Erlös geht an die Kampagne “Justice 4 Nzoy”
https://www.instagram.com/p/ChbuuuoKKkk/

Kundgebung zum Gedenken an Nzoy
30.08.22 I 19:30 I Bahnhofsplatz Morges

Am 30. August 2021 tötete die Polizei wieder einmal im Kanton Waadt. Roger “Nzoy” Wilhelm, ein 37-jähriger Schwarzer Mann, blieb vier Minuten lang ohne Hilfe am Boden liegen, nachdem er von drei Kugeln getroffen worden war, die ein Polizist abgefeuert hatte. Ein Jahr später treffen wir uns in Morges, um Nzoy zu gedenken und um weiterhin Polizeigewalt und den Rassismus des Staates und seiner Polizisten anzuprangern.

Antirassistische Demo: Gegen Polizeigewalt, Gerechtigkeit für Nzoy
03.09.22 | 15:30 | Landesmuseum Zürich

Das Aktionbündnis Justice4Nzoy ruft zu einer antirassistischen Demonstration am 3. September 2022 in Zürich auf. Das Bündnis fordert die Aufarbeitung des Mordes an Nzoy und wendet sich gegen die alltägliche rassistische Unterdrückung.

Der Tod von Nzoy hat breiten Protest ausgelöst: seine Angehörigen kämpfen für eine juristische Aufarbeitung, in Lausanne und Zürich gab es Demonstrationen, und mehrere Kampagnen kämpfen um mehr Öffentlichkeit des Falls. Diesen Widerstand tragen wir weiter. Gehen wir am 3. September gemeinsam auf die Strasse gegen Rassismus in all seinen Formen. Unsere Demo findet auch im Namen eines antirassistischen Septembers statt: am 9./10. September gibt es im besetzten Kochareal das antifaschistische Festival Un!te, am 16./17. September die antirassistischen Aktionstage Enough auf dem ParkPlatz.
Nzoy rest in power!

Kundgebung – Gerechtigkeit für Jamilia
24.08.22 I 15:30 I SRK, Bernstrasse 162, Zollikofen

In der Nacht vom 23. auf den 24. April 2022 wurde Jamilia, eine Frau geflüchetet aus Afghanistan, Mutter von fünf Kinder, in der Asylunterkunft in Büren an der Aare, Kanton Bern, von ihrem Ehemann erstochen. Mehrere Bewohnende der Unterkunft kamen der Frau und den Kindern zu Hilfe, sie konnten die Kinder aus dem kleinen Schlafzimmer, in dem die ganze Familie schlafen musste, retten. Für Jamilia kam leider jede Hilfe zu spät, obwohl die Bewohnenden umgehend den Notruf riefen. Die Asylunterkunft in Büren an der Aare wird vom SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz) geleitet.

Das Komittee “Gerechtigkeit für Jamilia – Gerechtigkeit für alle” hat am 15. Juli einen offenen Brief an das SRK, die Kantonspolizei Bern und den Migrationsdienst gerichtet. Das SRK will aufgrund laufender Ermittlungen der Kantonspolizei keine Stellung zu unseren Fragen und Forderungen nehmen.

Wir sind wütend und entschlossen, unseren Forderungen Gehör zu verschaffen. Daher treffen wir uns am 24. August beim SRK in Zollikofen um zu zeigen, dass wir nicht einfach ignoriert werden können.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Rechte Gewalt

Die Ersten in Europa – das „Motherchapter“ der HSN, die «Schweizer Hammerskins»
Vor nunmehr 32 Jahren importierten Schweizer Neonazis das Konzept der neonazistischen Bruderschaft aus den USA nach Europa und gründeten 1990 die «Schweizer Hammerskins» (SHS). Drei Jahrzehnte, in denen das Schweizer Chapter durch Gewalttaten, politische Agitation und Einfluss auf das internationale RechtsRock-Geschehen auffiel. Bis zu 60 Personen durchliefen seit der Gründung nachweislich die Vollmitgliedschaft der SHS, etliche weitere schafften es über den Status als Anwärter nicht hinaus. Aktuell unterhält das Chapter bis zu 20 aktive Mitglieder. Hinzu kommt die unterstützende Struktur, die «Crew 38 Zentralschweiz».

https://exif-recherche.org/?p=9890

Lautstark! Ausgabe 31 – Sonderausgabe Hammerskins
Diese Ausgabe widmet sich schwerpunktmässig den Hammerskins, selbstverständlich mit einem vertieften Blick auf die Situation in der Schweiz. Die Hammerskins bilden neben Blood & Honour das grösste neonazistische Netzwerk mit Ablegern auf der ganzen Welt. Wir nehmen euch mit auf eine Reise zu den Ursprüngen der Bewegung bis hin in die Gegenwart, in der die Hammerskins keinesfalls an Bedeutung für die Szene verloren haben.
https://www.antifa.ch/wp-content/uploads/2022/08/Ausgabe31_CC_v2.cleaned.pdf  

Vor 30 Jahren: Pogromstimmung in Rostock-Lichtenhagen

Die rassistischen Angriffe im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen jähren sich. Der militante Fremdenhass fand unter dem Beifall der BürgerInnen statt. Die offene Pogromstimmung wurde von angereisten Neonazis aus dem In-und Ausland befeuert.
https://www.endstation-rechts.de/news/vor-30-jahren-pogromstimmung-rostock-lichtenhagen

Polizeigewalt

Tödliche Polizeieinsätze treffen häufig Migranten in psychischen Ausnahmesituationen

Innerhalb von sechs Tagen tötete die Polizei in Deutschland vier Menschen. Das jüngste Opfer war gerade einmal 16 Jahre alt. „Es ist eine berechtigte Angst, als migrantische Person, einen Polizeieinsatz nicht zu überleben“, sagt der Polizeiwissenschaftler Alexander Bosch.

https://www.belltower.news/polizeiproblem-toedliche-polizeieinsaetze-treffen-haeufig-migranten-in-psychischen-ausnahmesituationen-136705/

Fragwürdige Pressearbeit: Die Polizei ist keine privilegierte Quelle
Zu viele Journalist*innen übernehmen unkritisch, was die Polizei sagt, schreibt und twittert. Dabei ist nach unzähligen Vorfällen klar: Die Polizei ist nicht neutral, sondern ein eigenständiger Akteur in der öffentlichen Meinungsbildung. Es wird Zeit, sie auch so zu behandeln. Ein Kommentar.
https://netzpolitik.org/2022/fragwuerdige-pressearbeit-die-polizei-ist-keine-privilegierte-quelle/

Migration

Ein vorbestrafter Investor für Seehofers Vermächtnis

Bund und Brandenburg wollen „effizienter“ abschieben. Dafür werden ein überdimensioniertes Abschiebezentrum am BER gebaut, ein linker Finanzminister umgangen und ein vorbestrafter Investor eingespannt – das zeigt unsere Recherche mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste und rbb24.
https://fragdenstaat.de/blog/2022/08/03/ber-abschiebezentrum/

»Das bewahrt auch einen Teil unserer Würde«

Über die Hilfe für Geflüchtete in Griechenland, die Asylpolitik der Regierung Mitsotakis und die Grenzen des Rechts. Ein Gespräch mit Panagiotis Psyllakis
https://www.jungewelt.de/artikel/432510.flucht-in-die-eu-das-bewahrt-auch-einen-teil-unserer-w%C3%BCrde.html