Verrat beim SEM, Schweigen bei der institutionellen Linken, unbedingte Haftstrafe bei Widerstand gegen Nazis

Bild: Demonstration gegen Isolation von Polizei blockiert.

antira-Wochenschau: EU-Kommission schlägt „Migrations- und Asylpakt“ vor | Begrenzungsinitiative gestoppt | Mindestens 200 Menschen ertrinken, Mare Jonio in Italien festgesetzt | SEM verrät Eritreer*innen | Acht Monate Haft für die Teilnahme an der Basel-Nazifrei-Demonstration | Keine Ausschaffungshaft mehr für Jugendliche | Tessiner Migrationsamt bespitzelt Italiener*innen | Festung Europa mit sehr sehr kleinen Rissen | Balkanroute | ‘Uber Eats’ kooperiert mit rechtsextremer Gewerkschaft | Bau des Bundeslagers beginnt in Grand-Saconnex, aber es ist nie zu spät, ein unmenschliches Projekt aufzuhalten | Intersektional für Lohngleichheit | #STOPISOLATION


Podcast der Wochenschau

Was ist neu?

Abschottung, Entrechtung und Abschiebungen: EU-Kommission schlägt „Migrations- und Asylpakt“ vor
Das Neue am Vorschlag ist das Bündeln altbekannter Gewalt in einer einzigen Vereinbarung:
Erstens:Abschottung der (Schengen-) Aussengrenze durch Militarisierung und durch das vorzeitige Einspannen von nichteuropäischen (Herkunfts- und Transit-) Staaten bei der Migrationsabwehr – mit politischen, wirtschaftlichen oder finanziellen Anreizen.
Zweitens: Entrechtung von Migrant*innen durch die Aushöhlung des Asylrechts und unseriöse Asylverfahren mit kaum Rekursmöglichkeiten, abgewickelt innerhalb von fünf Tagen in riesigen Hotspotcamps an der Aussengrenze möglichst noch vor der offiziellen Einreise.
Drittens: Gemeinsame Abschiebemaschinerie, die Menschen direkt von den Hotspots aus abschiebt.
Der Pakt stellt wohl das definitive Scheitern der vieldiskutierten Dublinreform bzw. eines europäischen Verteilmechanismus dar. Staaten, die laut Dublinsystem aufgrund ihrer geographischen Lage kaum geflüchtete Menschen aufnehmen, könnten neu selbst entscheiden, geflüchtete Menschen aufzunehmen, die in Staaten an der Aussengrenze ankommen. Vor allem sollen sie diese aber beim Abschieben unterstützen. Hier spricht der Pakt von „Solidarität“ und schlägt sog. „Abschiebepatenschaften“ vor. Die Kommission rechnet hierzu aus, wie viele geflüchtete Menschen jeder Staat aufgrund seiner Grösse theoretisch aufnehmen müsste. Nehmen die Länder, die nicht an der Aussengrenze liegen, keine geflüchteten Menschen auf, können sie sich ersatzweise um deren Abschiebung kümmern.
Vieles vom europäischen Vorschlag erinnert an das Sommaruga-Asylregime, das letztes Jahr in der Schweiz eingeführt wurde. Doch während die Kantone und die mächtigen Akteur*innen das schweizer Asylregime stützen, besteht auf europäischer Ebene kein klarer Konsens. Die wichtigsten Gegner*innen der Reform sind nicht die antirassistische Linke, sondern die politischen Herrschenden osteuropäischer Staaten, die sich in der sogenannten Visegrád-Gruppe organisiert haben. Sie sind gegen den Pakt, weil dieser überhaupt die Möglichkeit vorsieht, dass geflüchtete Menschen für ein Asylverfahren nach Europa einreisen. Sie wollen Migrant*innen grundsätzlich an der Einreise hindern. Deshalb brauche es nicht auf Lesbos, sondern in Libyen, der Türkei oder Syrien Hotspot-Camps.
Ob es also zur Umsetzung des Vorschlags kommt, ist unklar. 
https://www.infomigrants.net/en/post/27540/mixed-reactions-to-new-eu-migration-pact
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/jochen-oltmer-ein-neustart-fuer-die-eu-migrationspolitik?id=11846121
https://taz.de/Reaktionen-auf-Asylpakt-der-EU/!5716521/

Begrenzungsinitiative gestoppt, was sagte die institutionelle Linke? 

Eine Mehrheit der Stimmberechtigten stimmte am Wochenende gegen die rassistische Begrenzungsinitiative der SVP. Zum Glück, denn von der Gegenkampagne war im Vorfeld nicht viel zu spüren. Dabei waren ausser die SVP alle gegen die Initiative – vom Bundesrat über das gesamte bürgerliche Spektrum inklusive EconomieSuisse und Arbeitgeberverband bis ins staatstragende linke Lager von SP, Grünen, Gewerkschaften, QGOs und NGOs. Die institutionelle Linke hat darauf verzichtet, die rassistische Initiative mit allen Mitteln zu bekämpfen. Offenbar hätte sich ein solcher Einsatz aus (partei-)ökonomischer Sicht nicht gelohnt. Wer Links im Rampenlicht stehen will, um Wähler*innen, Mitglieder und Spender*innen zu beeindrucken, scheint offenbar besser beraten, sich zu Kampfjets, Jagdgesetz oder Vaterschaftsurlaub zu äussern, als dem Rassismus das Terrain streitig zu machen.
Hinter der Zurückhaltung des institutionellen linken Lagers steckt aber nicht nur Kalkül zum Return on Invest. Vermutlich besteht auch Überforderung und politischer Unwille auf den rassistischen Alarmismus „Zuviel ist zuviel“ (SVP) oder „Es wird eng“ (AUNS) zu antworten und das vorgeschlagene schweiz-nationalistische Migrationsregime zu bekämpfen und sich gleichzeitig von der bürgerlichen Gegenkampagne abzugrenzen. Diese steht für ein europa-nationalistisches Migrationsregime mit innereuropäischer Personenfreizügigkeit für Arbeitskräfte und Abschottung gegen aussereuropäische Arbeitskräfte. Dieses Migrationsregime sei gut, da weniger „radikal“ als jenes der SVP, so die Hauptaussage der Plakate.
Statt zu versuchen, auf beide Migrationsregimes eine soziale Alternative zu formulieren, die vielen sinnvoll, interessant und erstrebenswert erscheint und vor allem nicht auf rassistisch-nationalistischem Ausschluss basiert, drehte sich die institutionell linke Kampagne hauptsächlich um den Schutz der Löhne auf dem schweizer Arbeitsmarkt. SP und SGB z.B. vermittelten den Eindruck, die SVP bringe aus dem Gleichgewicht, was sich derzeit durchaus noch im Lot befinde; Lohndruck und Lohndumping könnten durch ein Nein weiterhin verhindert werden. Es gehe um die Verteidigung des gemeinsamen Wohlstands in der Schweiz. Sinnbildlich traten viele Exponent*innen aus dem institutionell-linken Lager zusammen mit wohlhabenden Arbeitgebenden und bürgerlichen Politiker*innen auf, um Schulter an Schulter für ein NEIN zu werben.
Wer aktuell erfolglos eine Stelle sucht oder unter Lohndruck und Lohndumping leidet, erhält in dieser Argumentation kein Gewicht. Wer einwandern möchte, aber vom aktuellen schweizer Migrations-, Asyl- und Arbeitsmarktregime ausgeschlossen wird und deshalb im Mittelmeer oder auf anderen Migrationsrouten grosser Gefahr ausgesetzt ist oder in nicht-europäischen Staaten blockiert wird, wird in dieser migrationspolitischen Perspektive ausgeblendet. Wer für eine wahrhaft soziale Welt kämpfen will, statt es sich im vorherrschenden rassistisch-nationalistischen Kapitalismus einzurichten, wird von der Kampagne schlecht bedient.
https://vpod.ch/themen/migration/nein-zur-entrechtungsinitiative/argumentarium/
https://www.srf.ch/news/abstimmung-27-september-2020/begrenzungsinitiative/begrenzungsinitiative-svp-argumente-kamen-nicht-an-coronakrise-hatte-kaum-einfluss
Bild: https://www.srf.ch/news/abstimmung-27-september-2020/begrenzungsinitiative/begrenzungsinitiative-svp-argumente-kamen-nicht-an-coronakrise-hatte-kaum-einfluss

Mindestens 200 Menschen ertrinken, Mare Jonio in Italien festgesetzt
Die NGO Watch the Med – Alarm Phone berichtet von mindestens sechs Schiffbrüchen und 200 Toten vor der Küste Libyens im September. Am 14.9. ertranken 22 Menschen, während die 45 Überlebenden von der sogenannten libyschen Küstenwache im Gefangenenlager Zawiya eingesperrt wurden. Am 17.9. kenterte ein Schlauchboot mit 75 Menschen an Bord. Mindestens 20 Menschen werden vermisst, darunter einige Kinder. Am 19.9. geriet ein Schlauchboot mit 54 Menschen an Bord in Seenot. Zwei Fischer konnten sie an Bord nehmen. Für drei Menschen kam die Hilfe jedoch zu spät. Sie ertranken. Ebenfalls am 19.9. hatte ein Fischer über hundert Menschen aus Seenot geholt. Zwei von ihnen starben daraufhin im Hafen von Zuwara, als sie ihrer Inhaftierung in den berüchtigten libyschen Gefangenenlagern zu entgehen versuchten. Am 21.9. kam es zum bisher tödlichsten Schiffsunglück im Jahre 2020. Mehr als 110 Menschen werden vermisst, nachdem ein Schlauchboot in Seenot geriet. 9 Menschen konnten sich an einer Holzplanke festhalten und wurden nach mehreren Tagen auf offener See von einem Fischer an Bord genommen. Am 25.9. nahm ebenfalls ein Fischer vor der Küste von Khoms 22 Menschen an Bord. Von den verbliebenen 16 werden 13 vermisst. Drei Leichen wurden geborgen. Europäische Behörden setzen alles daran, Menschen auf der Flucht daran zu hindern, Europa zu erreichen. Und nimmt diese Toten in Kauf. Dass (zumeist maltesische und italienische) Behörden nicht reagieren, wenn sie über Menschen in Seenot informiert werden, ist ein Teil der Strukturen, die das Sterben auf dem Mittelmeer aufrecht erhalten. Die Abkommen die u.a. mit Algerien, Tunesien, Libyen und der Türkei geschlossen und mit europäischen Geldern finanziert werden, sind ein weiterer Teil davon: So hat die algerische Küstenwache alleine zwischen dem 15. und 19. September 500 Menschen abgefangen und zurück nach Algerien gebracht. Zudem fand sie die Leichen von zehn Menschen, die bei der Überfahrt ertranken. Ungefähr 200 Menschen schafften die Überfahrt von Algerien nach Formentera und Mallorca. Sie wurden einem Covid19-Test unterzogen und in Quarantäne gebracht. Auch die tunesische Küstenwache fing alleine am 21. September ca. 250 Menschen ab, nachdem das Abkommen mit der italienischen Regierung Mittel dafür zur Verfügung stellt (s. antira-Wochenschau vom  24. August 2020). Dass zivile Seenotrettung systematisch blockiert wird, ist ein weiterer Teil von Europas tödlicher Abschottungspolitik. Nachdem letzte Woche die Sea Watch 4 in Italien festgesetzt wurde, trifft es diese Woche die Mare Jonio. Ihre Anwält*innen haben bereits Berufung gegen die ‚willkürlichen und unrechtmässigen Massnahmen’ eingereicht. Und auch wenn die zivilen Seenotrettungsschiffe Menschen an Bord haben, hören europäische Behörden nicht auf, ihnen gezielt die Arbeit zu erschweren. Nachdem sowohl italienische, als auch maltesische Behörden Anfragen für einen sicheren Hafen abgelehnt hatten, steuerte die Alan Kurdi mit 125 Menschen an Bord den Hafen Marseilles an. Unerwarteterweise mussten sie jedoch Schutz vor einem Unwetter suchen und erhielten die Erlaubnis in Arbatrax, einem Hafen Sardiniens, anzulegen. Mittlerweile haben die italienischen Behörden Erlaubnis gegeben, dass die Menschen doch in Sardinien an Land gehen dürfen. Bleibt noch abzuwarten, ob die Alan Kurdi nun auch festgesetzt wird.
https://www.facebook.com/646977102422556/posts/1044578265995769/?extid=0Oo1akwCZVmQfBSa&d=n
https://www.facebook.com/1525906057683632/posts/2774744089466483/?extid=1rSN4H6C6ZPVnM92&d=n
https://www.infomigrants.net/en/post/27475/algeria-stops-485-migrants-in-five-days-10-bodies-found
https://www.facebook.com/seawatchprojekt/posts/2650852595132805
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-alan-kurdi-darf-menschen-in-sardinien-an-land-bringen-a-46673acf-3655-42ef-9acd-b41cdff9ed9a
https://sea-eye.org/alan-kurdi-soll-vor-sardinien-ankern/
https://www.infomigrants.net/en/post/27493/rescue-ship-alan-kurdi-sets-sail-for-france
https://www.infomigrants.net/en/post/27523/marseille-ready-to-welcome-alan-kurdi-rescue-ship
https://www.infomigrants.net/en/post/27424/alan-kurdi-rescues-133-migrants-over-the-weekend
https://www.infomigrants.net/en/post/27501/more-than-190-migrants-in-13-boats-rescued-off-spain-s-balearic-islands
https://www.infomigrants.net/en/post/27456/tunisia-intercepts-246-migrants-bound-for-italy-in-one-night

SEM verrät Eritreer*innen dem Regime, vor dem sie flüchteten
„Die Informationen, die sie uns während des Asylinterviews anvertrauen, behandelt das SEM streng vertraulich“ oder „Wenn wir ihnen glauben und ihre Fluchtgründe prüfen sollen, müssen sie uns Ihre Identität und Ihre Fluchtgeschichte glaubhaft, bis in die Details erzählen.“ So in etwa klingt es zu Beginn von Asylanhörungen beim SEM. Geflüchtete Personen werden eingeladen, sich vor der (drohenden) Verfolgung in anderen Staaten in Sicherheit zu fühlen. Doch der Schein trügt.
Seit längerem gibt es Hinweise dafür, dass das SEM z.B. mit dem Iranischen oder äthiopischen Regime Kontakte pflegt, um sich Informationen über geflüchtete Iraner*innen zu beschaffen. Nun zeigen Recherchen von watson, dass das SEM skrupellos auch Informationen mit dem eritreischen Regime austauscht. Seit 2019 informiert das SEM das eritreische Regime, wenn abgewiesene Eritreer*innen nicht „freiwillig“ zurückkehren, obwohl sie flohen. Dieses Verraten an ausländische Behörden heisst offiziell «verbesserte Zusammenarbeit im Bereich der Identifikation von Einzelfällen».
Es ist begrüssenswert, dass die lebensbedrohliche Praxis der Identitätsabklärung endlich in den Medien der Dominanzgesellschaft auf Kritik stösst. Neu ist sie leider nicht und ein Spezialfall auch nicht. Wenn abgewiesene Geflüchtete nicht „freiwillig“ ausreisen und das SEM über keine Papiere der Person verfügt, greifen die Behörden gerne zu Druckmitteln. Ein Mögliches ist die Administrativhaft. Um die Person zu brechen und zum Herausrücken eines möglicherweise auftreibbaren Reisepasses des Herkunftsstaates zu drängen, können die Behörden diese Haft bis zu 18 Monaten Länge anordnen. Ein anderes Druckmittel ist das Verraten der Person an mögliche Herkunftsstaaten. Diese geht soweit, dass Delegationen aus Herkunftsstaaten regelmässig offiziell empfangen werden, um sich beim SEM mit Geflüchteten zu beschäftigen, die laut SEM aus dem jeweiligen Staat geflohen seien. So viel zu: „Fühlen Sie sich hier sicher“.
https://www.watson.ch/schweiz/asylgesetz/627659837-datenaustausch-schweiz-meldet-eritrea-fluechtlinge-ans-regime

Was geht ab beim Staat?

Acht Monate Haft für die Teilnahme an der Basel-Nazifrei-Demonstration

Die Prozessreihe gegen Demonstrant*innen, die vor zwei Jahren gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen Partei Pnos auf die Strasse gegangen sind, nimmt ihren Lauf. Am Montag hat die sechste Verhandlung gegen eine weitere Teilnehmerin der Basel-Nazifrei-Demonstration stattgefunden und die Strafmasse des Strafgerichts werden härter: Die Angeklagte wurde zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von acht Monaten verurteilt und des Landfriedensbruchs sowie der passiven Teilnahme an Gewalt und Drohung gegen Behörden schuldiggesprochen. Eine Freiheitsstrafe von acht Monaten einzig für die Teilnahme an einer Demonstration. Dieses Urteil stuft sogar Peter Albrecht, ehemaliger Gerichtspräsident für Strafsachen in Basel als «sehr hoch» ein. Der Fall sei ein Beispiel dafür, dass der politische Inhalt einer Protestaktion einen Einfluss auf das Urteil haben kann, was äusserst problematisch ist. Wenn er die Menge an Verfahren gegen linke Protestbewegungen anschaue, verschärfe sich der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft generell härter gegen Personen vorgehe, wenn sich diese politisch links positionieren. Das Urteil hat somit einen klar politischen Charakter: Es wurde von SP-Richter René Ernst schliesslich auch nicht damit begründet, dass die verübten Straftaten schwerer seien als bei den vorangehenden Prozessen – die Anklagepunkte waren die selben. Sondern er sagte explizit, dass die Strafe unbedingt ausgesprochen würde, weil die Antifaschistin in ihren Handlungen und vor Gericht eine klare politische Haltung zeige. Sie positioniere sich klar gegen Faschismus und sei somit eine «Gesinnungstäterin». Mit dem Urteil soll die Aktivistin, die sich vor Gericht zu ihrer antifaschistischen Praxis bekannte, gebrochen und von genau diesem Engagement abgehalten werden. Ausserdem soll es ein einschüchterndes Signal an alle Antifaschist*innen sein. Die Rede der verurteilten Antifaschistin vor Gericht gibt es hier zu lesen: https://barrikade.info/article/3870
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/ehemaliger-gerichtspraesident-kritisiert-das-strafgericht-139239241
Bild: https://static.woz.ch/sites/woz.ch/files/styles/field_text_topimage_default/public/text/bild/2028_03_woz_basel_nazifrei_tb.jpg?itok=sVmN9_yF&timestamp=1594217994

Keine Ausschaffungshaft mehr für Jugendliche
In der Schweiz sollen Minderjährige nicht länger in Ausschaffungshaft genommen werden dürfen. Der Nationalrat hat einer Standesinitiative in einer zweiten Abstimmung doch noch zugestimmt. Für Kinder unter 15 Jahren ist die Administrativhaft bereits bisher theoretisch verboten. Dazu, wie oft sie dennoch zur Anwendung kommt, liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. Wir als antira.org lehnen grundsätzlich Abschiebungen und die vorherige Administrativhaft ab. Insbesondere für die Nicht-Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen setzen sich zudem zahlreiche Kinderrechts- und Menschenrechtsorganisationen ein. Terre des Hommes argumentiert beispielsweise mit dem Grundsatz des Kindeswohls (Art. 3 KRK), dass Personen unter 18 Jahren nicht inhaftiert werden dürfen. Dies gelte unabhängig davon, ob sie sich in Begleitung eines Erwachsenen befinden oder nicht. Die Adminstrativhaft schade den Jugendlichen und könnte zu ernsten klinischen Symptomen, wie schweren Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Störungen und Selbstverstümmelung führen. Den schweizer Behörden scheint das bisher egal zu sein. Sie argumentierten in der Vergangenheit zynischerweise damit, diese Haft diene dem Kindeswohl, da sie eine Familientrennung vermeiden würde.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200925094208062194158159041_bsd041.aspx
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/kinder/administrativhaft-jugendliche-schweiz

Was ist aufgefallen?

Tessiner Migrationsamt bespitzelt Italiener*innen
Auch EU-Bürger*innen können von willkürlicher Behandlung durch Migrationsbehörden betroffen sein. Im aktuellen Fall richtet sie sich gegen Menschen aus Italien, die im Tessin ihre Aufenthaltsbewilligung verlängern möchten, da sie dort leben und arbeiten.  Das müssen sie, wie jetzt bekannt wurde, in stundenlangen Verhören bei der Polizei beweisen. Es finden Bespitzelungen statt, die beispielsweise prüfen, ob nachts daheim Licht brennt. Die Behörden kontrollieren in unangekündigten und gerichtlich nicht legitimierten Hausdurchsuchungen Kühlschränke und Abfalleimer, anhand derer sie nachweisen wollen, dass die Menschen ihren Hauptwohnsitz nicht dort haben. Das sind massive Verletzungen der Privatsphäre. Während der Tessiner Regierungspräsident Norman Gobbi, der keine Gelegenheit auslässt, über italienische Arbeitskräfte in der Schweiz zu hetzen, eine lange Betroffenenliste als “Einzelfälle” abtut, zeigt die Statistik klar auf, wie das ihm unterstellte Migrationsamt urteilt: Während 2013 192 Aufenthaltsanträge im Tessin abgelehnt wurden, waren es 2019 bereits 908. In über 100 Fällen wurde Rekurs gegen die Nichterteilung eingereicht und in knapp 50 % der Fälle auch gutgeheissen. Gleich mehrere politische Vorstösse der SP, der FDP, der Grünen und der Bewegung für den Sozialismus verlangen nun Antworten vom Kantonsparlament zu dieser Politik.
https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Tessiner-Regierung-missachtet-Bundesgericht
https://www.nzz.ch/schweiz/tessin-italiener-bangen-ploetzlich-um-ihren-aufenthaltsstatus-ld.1577096?reduced=true

https://www.blick.ch/news/schweiz/tessin/tessiner-beamte-bespitzeln-auslaender-es-ist-die-reinste-hexenjagd-auf-italiener-id16100036.html

Die Festung Europa mit sehr sehr kleinen Rissen
Der Bundesrat wurde vom National- und Ständerat beauftragt, sich auf europäischer Ebene für die geflüchteten Menschen auf den agäischen Inseln einzusetzen. Der Vorstoss wurde vergangenen Mittwoch vom Nationalrat angenommen und nun auch vom Ständerat mit 34 zu 7 Stimmen gutgeheissen. Immerhin.
Karin Keller-Sutter erklärte am Mittwoch vor versammeltem Parlament, dass die Motion eigentlich schon erfüllt sei. Denn ganz unabhängig von den Geschehnissen in Moria habe die Schweiz bereits Anfang Jahr ein Programm gestartet, das «Kinder und Jugendliche mit Schweizbezug» aufnehme. Bisher sind 52 Kinder und Jugendliche dadurch in der Schweiz angekommen. Zu sagen ist hier, dass dies in Einklang mit den Dublin-Übereinkommen steht und damit eigentlich nicht erwähnenswert sein müsste, sondern «business as usual».
Zudem, so Keller-Sutter, habe die Schweiz die «umgehende Einreise von 22 Minderjährigen» aufgrund der Lage in Lesbos bewilligt. Und weiter unterstütze die Schweiz Griechenland mit Expertise und auch finanziell. So sei die Wasserversorgung für 10’000 Personen im neuen Lager auf den Ägäischen Inseln von Schweizer Seite sichergestellt.
Fassen wir zusammen: 52 Kinder und Jugendliche im Einklang mit Dublin, 22 Minderjährige aufgrund der verheerenden Lage in Moria und die Wasserversorgung in einem neuen Lager auf den Inseln. In diesem Lager werden die geflüchteten Menschen erneut mit ungewisser Zukunft auf unbestimmte Zeit verharren müssen.
 Unzählige schweizerische Städte haben zugesichert, Menschen aufzunehmen. Keller-Sutter verweigert. Unzählige Stimmen erläutern zudem seit Jahren, dass die Abschottung Europas und darin die Lager an den europäischen Aussengrenzen die Inkaufnahme von Toten ist. Jetzt wird mit Hilfe der Schweiz ein neues Lager aufgebaut. Und weniger als hundert Menschen aufgenommen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200923110914188194158159041_bsd090.aspxhttps://www.nau.ch/news/schweiz/bundesrat-soll-sich-fur-fluchtlinge-auf-agaischen-inseln-einsetzen-65787280

Militarisierung, Gewalt und Obdachlosigkeit auf der Balkanroute

Der monatliche Bericht des Border Violence Network (BVMN) zeigt auf, wie unmenschlich die Bedingungen für Menschen auf der Flucht auf der Balkanroute weiterhin sind. Es sind Berichte von EU-finanzierter Aufrüstung, systematischer Gewalt und von Lebensgefahr auf der Fluchtroute nach Europa:

  • Nordmazedonien und Tschechien begannen im Dezember 2019 eine umfangreiche, von der EU finanzierte Zusammenarbeit mit Griechenland zur Überwachung der Südgrenze. Nachdem 2019 bereits 460 tschechische Polizeibeamt*innen und 8 Polizeihunde nach Nordmazedonien entsandt wurden, folgten 2020 weitere 246 Beamt*innen und 6 Polizeihunde. Laut einem tschechischen Bericht wurden 2019 11.395 “illegale Migranten” in Mazedonien und Serbien gefangen genommen. Von den 18 Berichten über gewaltsame Push-backs in Nord-Mazedonien, die vom BVMN im Jahr 2020 gesammelt wurden, betreffen 7 tschechische Offizier*innen – das entspricht 40%. Den Zeug*innenaussagen zufolge waren diese Offizier*innen an grundlosen Gewalttaten, oft vor den Augen von Frontex-Offizier*innen, und an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Bei einem Vorfall wurde eine Person von einem tschechischen Polizeihund angegriffen, während die Beamt*innen lachten. Es kommt zudem immer häufiger vor, dass Männer aus verschiedenen europäischen Ländern, die entweder in Zivil oder in Armee-Uniformen und mit Sturmhauben bekleidet sind, an Prügel, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen an den griechischen Grenzen teilnehmen. Das häufige Fehlen von Abzeichen und der Versuch, ihre Identität zu verbergen, indem sie die Gesichter der Menschen zu Boden drücken, weist auf die Illegalität eines solchen Verhaltens hin. Das Verhalten dieser europäischen Offizier*innen und unbekannten ausländischen Streitkräfte an der griechisch-mazedonischen Grenze ist besorgniserregend. Die systematische Anwendung exzessiver Gewalt sowie der umfassende Diebstahl und die Zerstörung von persönlichem Eigentum deuten auf eine Para-Militarisierung der europäischen Grenzgebiete hin
  • In den letzten Monaten wurde ein neuer ‘Trend’ bei illegalen Pushbacks von Griechenland in die Türkei über den Fluss Evros festgestellt. Drittstaatenangehörige mit unbekanntem Status arbeiten mit den griechischen und anderen europäischen Offizier*innen als Fahrer*innen der Schlauchboote zusammen, mit denen Menschen zwangsweise über den Fluss in die Türkei transportiert werden. Bisher wurden diese Boote von griechischen Beamt*innen gefahren.  Zeug*innen berichteten, dass die Personen, die diese Boote nun bedienten, aus Pakistan, Afghanistan, Syrien oder dem Irak stammten. Abgesehen davon, dass diese Menschen während der Pushbacks Befehle von griechischen und anderen europäischen Beamt*innen entgegennehmen, ist die Art ihrer Beziehung zu diesen unbekannt. Es ist unklar, ob die Personen zu dieser Zusammenarbeit gezwungen werden, ob sie eine Zahlung oder eine andere Art von Entschädigung erhalten oder ob sie unter unzuverlässigen Versprechungen arbeiten, wie z.B. der Legalisierung des Aufenthalts oder der Aufhebung bereits bestehender gerichtlicher Anklagen gegen sie. Angesichts des Kontextes der illegalen systematischen Praxis der Push-backs und der Tatsache, dass die Menschen zu schutzbedürftigen Gruppen gehören, könnte der neue Trend der Ausbeutung mit der möglichen Absicht zu tun haben, die Schuld für das illegale Verfahren auszulagern.
  • Auch im August gab es wieder Ketten-Pushbacks aus der italienischen Region Triest. Das System der Pushbacks (definiert als informelle Rückübernahmen) ist inzwischen gut organisiert und strukturiert, doch gibt es keine öffentlich zugänglichen Informationen über die Zahl der Menschen, die abgeschoben werden.  Die italienische Innenministerin Lamorgese versprach Anfang September bei einem Besuch in Triest mehr Militär für die Operation “Sichere Strassen”, um “den Aktionen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung weitere Impulse zu geben”. Seither sind in Udine 50 weitere Soldat*innen im Einsatz. Die Situation in Triest ist für Menschen auf der Flucht äusserst prekär. Gegenwärtig gibt es keine offenen Unterkünfte oder Unterbringung für Menschen, die keinen Asylantrag in Italien stellen, sodass die Menschen gezwungen sind, auf der Strasse zu schlafen, bis sie eine Möglichkeit finden, um weiterzureisen. Auf der Suche nach Einreisemöglichkeiten sind vergangene Woche sechs Menschen in einem Kühltransporter aus Thessaloniki beinahe erfroren. Sie wurden in der Gegend von Bologna gefunden.
  • Über die Schikanen gegen Menschen auf der Flucht seitens der bosnischen Behörden und die Proteste und Gewalt durch die lokale Bevölkerung haben wir bereits berichtet. Es setzt sich fort, dass Menschen aus ihren provisorischen Unterkünften vertrieben werden, ohne ihnen Alternativen anzubieten. Dabei kommt es zu Gewaltanwendung und Zerstörung und Diebstahl von persönlichen Gegenständen. Diese Menschen erhalten in keiner Form den Schutz, der ihnen auf der Flucht zusteht. Die sinkenden Temperaturen und der nahende Winter ohne eine Aussicht auf eine Lösung bringen wieder tausende Menschen in Lebensgefahr.
    https://www.borderviolence.eu/wp-content/uploads/Working-Doc-August-Report-BVMN-2.pdfhttps://www.infomigrants.net/en/post/27454/italy-50-additional-soldiers-in-udine-to-boost-security-on-borderhttps://www.infomigrants.net/en/post/27480/italy-six-migrants-found-in-refrigerated-truck-one-covid-19-positive

‘Uber Eats’ kooperiert mit rechtsextremer Gewerkschaft
‚Uber Eats‘ hat in Italien einen Tarifvertrag mit der rechtsextremen Gewerkschaft UGL unterzeichnet. Deren Vorsitzende unterstützen die rechtsextreme Partei Lega. Der vereinbarte Tarifvertrag beinhaltet u.a., die Mitarbeitenden als Selbstständige anzustellen. Er wird von anderen Gewerkschaften kritisiert. Die Grundvereinbarung mit der UGL soll zusätzliche Regulierungen verhindern und vor allem Verhandlungen über den Mindestlohn aushebeln. Nachdem im Sommer herauskam, dass ‚Uber Eats‘ in Italien Menschen ohne Papiere ausbeutete, verwundert die Vereinbarung mit der UGL nicht mehr. Nach den Enthüllungen über die ausbeuterischen Verhältnisse fiel damals in den italienischen Medien der Begriff ‚caporalato‘, der vor allem im Zusammenhang mit der quasi-Versklavung von Menschen ohne Papiere in der italienischen Landwirtschaft gebraucht wird.
https://korii.slate.fr/biz/italie-uber-eats-deliveroo-syndicat-ugl-extreme-droite-convention-collective-accord-echapper-regulation?utm_source=ownpage&utm_medium=newsletter&utm_campaign=daily_20200924&_ope=eyJndWlkIjoiZTI4MzMxYjlmODdkNzllYzNkYzA1Zjg1ZTc4NjZhMmIifQ%3D%3D

Was nun?

Bau des Bundeslagers beginnt in Grand-Saconnex, aber es ist nie zu spät, ein unmenschliches Projekt aufzuhalten

Bild: Aktivist*innen pflanzen eine Linde, um gegen den Bau des Bundeslagers auf dem Gelände zu protestieren

Am vergangenen Samstag protestierten etwa hundert Menschen gegen den Bau des Bundeslagers in Grand-Saconnex, das 250 Asylsuchende auf dem Rollfeld des Flughafens unterbringen soll. Obwohl der Grosse Rat von Genf gegen den Bau des Zentrums stimmte, weigerte sich der Verwaltungsrat, den angenommenen Anträgen Folge zu leisten. Für den Bau des Abschiebeknastes wurden bereits Bäume auf dem Gelände gefällt. Aktivist*innen pflanzten bei ihrem Protest einen neuen, “damit Genf und die Schweiz ein Land des Willkommens sein können, das den Menschen im Exil würdig ist und ihnen ermöglicht, zu wachsen und Wurzeln zu schlagen.”
Im Aufruf zu weiteren Protesten heisst es: “Seit Jahren widersetzen sich Verbände, Parteien, die Einwohner*innen von Grand-Saconnex und sogar der Genfer Grossrat entschieden diesem Projekt. Als Symbol einer rassistischen Politik der Unmenschlichtkeit soll dieses Rückkehrzentrum 250 Plätze für Asylsuchende bieten, die „abgeschoben“ werden sollen. Dort – in einem „Zentrum“, in dem die vorgesehenen „Aufnahmebedingungen“ fast wie bei einer Inhaftierung oder sogar noch schlimmer sind – werden die Asylsuchenden gezwungen sein, auf den Moment zu warten, an dem ihre Ausschaffung als möglich erachtet wird. Das Projekt ist als ein grosser Ausschaffungsgefängniskomplex geplant. Neben dem Bundesausschaffungszentrum mit einer Kapazität von 250 Plätzen werden sich die Gebäude der internationalen Polizei und 50 Plätze für Verwaltungshaft befinden. Das Gebäude des Bundeszentrums hat einen direkten Zugang zum Rollfeld des Flughafens und wie in einem Gefängnis nur einen Eingang. In ihr sind die Menschen mit entmündigender und willkürlicher Disziplinierung konfrontiert: Meldepflicht beim Betreten und Verlassen, Durchsuchungen, Bestrafungen, Fingerabdrücke, keine Möglichkeit, Lebensmittel zu lagern und zu kochen, lächerliche finanzielle „Hilfen“, die nur dazu dienen, sie im Hinblick auf ihre Ausschaffung für die Polizei verfügbar zu halten, und als einzige sogenannte Beschäftigungsperspektive Unterhaltsarbeiten im Zentrum.
Alles ist ausserdem so geplant, dass die Menschen im Camp nicht mit den Menschen ausserhalb des Camps in Kontakt kommen: Antrag auf Genehmigung bei jedem Verlassen des Zentrums, restriktive Zeiten (9.00-17.00 Uhr unter der Woche), die es unmöglich machen, ausserhalb des Zentrums zu arbeiten und Kontakte zu knüpfen, Verbot von Verwandtenbesuchen, Schulbesuch der Kinder innerhalb des Zentrums selbst usw. Das künftige Ausschaffungszentrum wird sich zudem am Stadtrand von Genf befinden, zwischen einer Autobahnauffahrt und dem Rollfeld des Flughafens. Neben der geografischen Ausgrenzung führt das Wohnen nur wenige Zentimeter von der Startbahn des Flughafens zu katastrophalen Lebensbedingungen aufgrund von Lärm und Luftverschmutzung. Unter diesen Bedingungen sollen diejenigen „aufgenommen werden“, deren einziges Verbrechen darin besteht, vor Kriegen oder Armut geflohen zu sein.
In den letzten Monaten haben wir ohne Überraschung, aber mit Trauer und Wut den Betrieb der anderswo in der Schweiz gebauten Bundeszentren (insbesondere Giffers, Boudry und Embrach) beobachtet. Berichte von Gewalt, Demütigungen, Schlägen und der Unmöglichkeit, im Asylverfahren angemessen verteidigt zu werden, sind dort normal; sie geben uns einen Vorgeschmack auf die Behandlung, die den Antragsteller*innen im Ausschaffungszentrum Grand-Saconnex droht.
Heute können die Behörden ihre Absichten nicht mehr hinter der „Beschleunigung der Verfahren“ und einem „humanitären“ Antlitz verbergen, um den Bau des Bundesausschaffungszentrums in Grand-Saconnex zu rechtfertigen. Sollte letzteres gebaut werden, würde es zweifellos zu einem der Eckpfeiler einer rassistischen Politik, die jene Leben zerstört, denen die Schweiz immer weniger Wert beizumessen scheint. Das Architekturbüro Berrel Berrel Kräutler hatte den Nerv, sein Projekt „Philemon und Baucis“ zu nennen, die in der griechischen Mythologie die Gastfreundschaft symbolisieren. Wir lassen uns nicht täuschen. Dieses Ausschaffungszentrum darf niemals das Licht der Welt erblicken. Wir fordern einen sofortigen Baustopp für das Bundesausschaffungszentrum!”
https://renverse.co/infos-locales/article/action-contre-le-centre-federal-de-renvoi-2765

Intersektional für Lohngleichheit
15 Monate nach dem feministischen Streik unterbindet der Nationalrat gleich vier Anläufe, das Gesetz gegen sexistische Lohndiskriminierungen griffiger zu machen. Der Kanton Waadt forderte erstens mehr Macht für Kantone, um die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern in den Kantonen durchzusetzen. Die SP wollte zweitens, dass Unternehmen ab 50 Lohnabhängigen Lohngleichheitsanalysen durchführen müssen (das wären 2% der Unternehmen). Aktuell müssen nur Unternehmen ab 100 Angestellten bzw. nicht einmal 1% aller Firmen in der Schweiz ihre Lohnstruktur auf Diskriminierung analysieren. Zweitens wollte die SP eine öffentlich einsehbare Liste mit allen fehlbaren Betrieben einführen. Diese ist bisher vom Gleichstellungsgesetz nicht vorgesehen. Drittens sollen Unternehmen bei wiederholter Verletzung der Lohngleichheit mit Bussen bis 40’000 Franken bestraft werden können. Bisher sind keine Strafen vorgesehen. Alle Vorstösse wurde abgelehnt und zeigen auf, wie entschlossen das Patriarchat in diesem Land ihre Macht zu sichern weiss. Was aus antirassistischer Sicht an der Debatte zu Lohngleichheit in der Schweiz auffällt, ist, dass sie ausschliesslich in Bezug auf Sexismus geführt wird. Dabei liegen Bezüge zu Rassismus und anderen Herrschaftsverhätlissen auf der Hand. Lasst uns intersektionaler für Gleichheit kämpfen. Diskriminierende Lohnungleichheiten gibt es z.B. auch zwischen Schweizer*innen und Nicht-Schweizer*innen. Diese sollten analysiert und auch bekämpft werden.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200925095214997194158159041_bsd044.aspx

Wo gabs Widerstand?

#StoppIsolation: Polizei blockiert Demo mit Tränengas, Wasserwerfer und Gummischrot

Impressionen von der Stop Isolation Kundgebung fotografiert am Dienstag 22. September 2020 in Bern. (Manuel Lopez)

Die Route durch die Innenstadt zum Bundesplatz konnte nicht wie geplant gegangen werden. Direkt nach der Schützenmatte blockierte die Polizei die Strassen Richtung Innenstadt. Die Demo führte dann über die Lorraine und über Kirchenfeldbrücke, wo die Polizei Gewaltmittel einsetzte. Mehrere Personen, darunter auch Kinder, leiden nun unter den Folgen. Einige mussten ins Spital gebracht werden. Beim Waisenhausplatz legten die Demonstrierenden eine Schweigeminute ein. Seit der Einführung des verschärften Asylregimes haben sich mindestens zwei Personen das Leben genommen. In der Öffentlichkeit werden die Verstorbenen, wie Massoud, der sich kurz nach dem Negativentscheid umbrachte, totgeschwiegen.
Es ist nicht die erste Demonstration von geflüchteten diesen Sommer. Ihre Kritik und ihre Forderungen bleiben:
– Aufenthaltsbewilligungen und eine Perspektive zum Leben
– Keine Isolation und keine Gewalt in Asylcamps
– Keine ständigen Bussen und Haftstrafen wegen „illegalem Aufenthalt
– Keine Abschiebungen
– Würde, Respekt und gleiche Rechte für alle
https://migrant-solidarity-network.ch/en/blog/
https://barrikade.info/article/3875
https://www.djs-jds.ch/images/Bern/Medienmitteilung_djb.pdf
https://migrant-solidarity-network.ch/en/2020/09/23/stimmen-einen-tag-nach-der-demo-gegen-isolation/#more-1822
https://www.20min.ch/fr/story/police-bernoise-accusee-de-racisme-institutionnel-822794913243

Was steht an?

Kundgebung und Transpikette. Wir haben Platz
01.10.20 I 18.00 Uhr I Bahnhofplatz Luzern
Weiterhin leben über 12’000 Menschen auf den Strassen von Lesbos, sind Hunger, Durst, Gewalt und Krankheit ausgesetzt. Wir haben Platz. Wir singen, um uns an die Menschlichkeit zu erinnern. Wir bilden eine Kette, um zu zeigen: Solidarität geht anders.

Demonstration: Nein zum Ausschaffungslager
03.10.2020 I 14.00 Uhr I Place de la Navigation, Genf
Der Bau des Bundesausschaffungslagers beginnt in Grand-Saconnex, aber es ist nie zu spät, ein unmenschliches Projekt aufzugeben. Wir fordern einen sofortigen Baustopp!

Gesamtschweizerische Demo-Evakuieren JETZT – Wir haben Platz!
10.10.2020 I 14.30 Uhr I Bundesplatz Bern
Wir gehen in Bern auf die Strasse, um die sofortige Aufnahme der Menschen aus dem Lager Moria und ein Ende der menschenverachtende Situation an den EU-Aussengrenzen zu fordern!
https://www.facebook.com/evakuierenJETZT/photos/gm.686047618679680/168647291471976

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Aktion gegen den Logistikkonzern des deutschen Faschismus: Kühne und Nagel
Angriff gegen einen der weltweit grössten Logistikkonzerne, welcher exemplarisch für die Verbindung von Faschismus und Kapitalismus steht.
https://barrikade.info/article/3877

Augenzeugenbericht: Gewalt im Bundesasyllager
Neuer Bericht schildert und bestätigt rassistische/sexististische SECURITAS-Gewalt
https://barrikade.info/article/3874

Schokolademuseum: Ohne Sklaverei keine Schoggi
Mit grossem Brimborium hat die Schokoladefabrik Lindt ihr protziges «Home of Chocolate» in Kilchberg eingeweiht. Doch im Sklavereitest fällt das Schoggimuseum durch.
https://www.woz.ch/2039/schokolademuseum/ohne-sklaverei-keine-schoggi

Gegen Seenotrettung: So änderte Verkehrsministerium wichtige Verordnung
Weil es vor Gericht zweimal gegen die Seenotrettungsorganisation Mare Liberum verlor, änderte das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer einfach im Alleingang eine wichtige Verordnung – und belog dabei auch das Auswärtige Amt. Das zeigen die internen Akten der Ministerien, die wir veröffentlichen.
https://fragdenstaat.de/blog/2020/09/19/schiffssicherheitsverordnung-bmvi-scheuer/?fbclid=IwAR0rENzJ0NYyanL8yEuK2fecs_C43GOL-CT1YIQFAXhLq3bbUnpQ163Usuo

#CrimesOfMalta I RCC Malta: Zu busy für Seenotrettung
Differenzen zwischen Theorie und Praxis der Seenotrettung – Frontex und Tunesien sind stets zur Stelle bei Push-Backs.
https://blogs.taz.de/finiskleinerlieferservice/2020/09/15/rcc-malta-zu-busy-fuer-seenotrettung

Verschwörungstheorien: Die illusorische Selbstermächtigung
Der Grund für die Popularität von Verschwörungstheorien liegt nicht nur in der Psyche der Menschen, sondern auch in einer kranken Demokratie. Ein Erklärungsversuch.
https://www.woz.ch/2038/verschwoerungstheorien/die-illusorische-selbstermaechtigung