antira-Wochenschau: Letztes NGO-Rettungsschiff festgesetzt, Sonderflüge alle 10 Tage, antirassistische Technologiekritik

Bild: Aufhellungscrème und der Rassismus der aus der Tube kommt.

Antirassistischer Rückblick auf eine Woche voller Rassismus: Ocean Viking festgesetzt | Geeinter Wille zur Abschottung am Treffen der EU-Innenminister*innen | Italienische Staatsanwaltschaft bereitet Klage wegen Push-backs nach Libyen vor | Alibi-Folterprävention durch die offizielle Schweiz | Mario Fehr hält Verträge mit der ORS AG zurück | Zur Rolle von McKinsey im europäischen Asylregime | Wie Antirassismus und Technologiekritik zusammenhängen | Unilever Hindustan wechselt Aufhellungscrèmenamen – aber nicht das Produkt an sich | Die ewige Kopftuchdebatte schwächt auch in Deutschland nicht ab | Statistikfehler der Kantone zu Ausschaffungen beheizt SVP-Hetze | Aargau bezahlt zu wenig | Sechs Monate nach dem 19. Februar in Hanau | «Stopp Isolation» in voller Fahrt | 5-Jahre Suruç-Attentat: Demo in Basel | 1. August Demo in Bern | Demo „Gegen die totale Verwaltung in Lagern“ | Aufarbeitung von Rassismus und Sexismus in Teilen der Berner Linksradikalen



Was ist neu?

Letztes ziviles Rettungsschiff Ocean Viking festgesetzt
In einer Serie von Schikanen durch Gesetzesänderungen und unhaltbaren Vorwürfen zu Sicherheitsmängeln wurde nun die gesamte zivile Schiffsflotte zur Seenotrettung durch europäische Behörden blockiert. Als Hauptbegründung gaben die Behörden an, dass das Schiff mehr Menschen befördert habe, als das Sicherheitszertifikat zulasse. Eine zynische Behauptung, denn kann man zu viele Menschen aus Seenot holen? Ist es vergleichbar mit einer Kreuzfahrt, in der die Passagier*innenzahl gebucht wird? Was wäre die Alternative gewesen – einen willkürlichen oder ausgewählten Teil der Menschen ertrinken zu lassen, da “das Boot voll ist”? Menschen aus Seenot zu holen ist eine Pflicht, keine Entscheidung. #Freetheships
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/ocean-viking-fluechtlinge-italien-rettungsschiff-festsetzung
https://www.sosmediterranee.fr/journal-de-bord/CP-22-07-2020-sequestreOV

Geeinter Wille zur Abschottung am Treffen der EU-Innenminister*innen
Am 22. und 23. Juli fand ein Treffen einiger EU-Innenminister*innen „zum Kampf gegen illegale Migration“ in Wien statt. Neben Minister*innen aus Deutschland, Dänemark, Griechenland, Slowenien, Tschechien und Ungarn wurden auch Vertreter*innen der Schweiz, der EU-Kommission, FRONTEX (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache) und ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) von österreichs Innenminister Nehammer (ÖVP) eingeladen.
Und was entstand in diesen zwei Tagen des intensiven Austausches? Alle waren sich einig, dass die Staaten enger zusammenarbeiten wollen, um sich effektiver abschotten zu können. Nehammer sprach auf der Pressekonferenz von einem überraschenden Erfolg. Er sei beeindruckt von der gemeinsamen Entschlossenheit der teilnehmenden Akteur*innen gewesen. Selbst Staaten, die sich üblicherweise auf EU-Ebene selten einig werden, scheinen die gemeinsame Haltung von noch mehr Abschottung zu teilen und handeln ausnahmsweise einmal lösungsorientiert.
Um dies zu erreichen sollen erstens eine neue Koordinationsstelle fürs Migrationsmanagement eingerichtet werden, zweitens schnellere Asylverfahren und schnellere Abschiebungen durchgeführt werden und drittens der Ausbau des Grenzschutzes gefördert werden. Die wichtigste Änderung besteht aber wohl in diesen neuen Koordinationszentren. Diese sollen die Zusammenarbeit der einzelnen bestehenden EU-Institutionen und Agenturen (etwa Frontex) und betroffener Staaten in Sachen Grenzschutz, Asylpolitik und Migration verstärken. Unter anderem soll die sogenannte «Schlepperei» effizienter bekämpft werden (was sich meist einfach in noch mehr Grenzmauern und Grenzsoldat*innen manifestiert) und Abschiebungen besser koordiniert werden. Die Details dafür sollen im Herbst ausgearbeitet werden. Je nach Grösse und Ausgestaltung dieser Koordinationsplattform könnte dieses enorme Effizienzgewinne mit sich bringen und die Verwaltung von Menschen auf der Flucht weiter perfektionieren. Teilweise hat dies auch bereits im Rahmen der Neustrukturierung von Frontex stattgefunden. Seither fungiert die Agentur unter anderem als Ausschaffungsinstitution, die einerseits selbständig oder im Auftrag von Staaten koordinierte Ausschaffungen durchführt und dieses auch finanziert. Besonders Deutschland nimmt dieses Angebot oft in Anspruch. Dies hat dazu geführt, dass der Anteil an Charterflügen bei Ausschaffungen stark zugenommen hat. Extra gecharterte Flüge sind zwar meist teurer als eine Ausschaffung per Linienflug, bieten aus Sicht der Behörden aber einen entscheidenden Vorteil: Anders als im Linienflug gibt es keine Dritten, die sich einmischen oder hinterher als Zeug*innen aussagen könnten. Und so geht es dabei wohl deutlich gewaltvoller zu, denn: 2019 wurde rund ein Viertel der Abschiebungen mit Charterflügen vollzogen. Auf diese Sammelabschiebungen entfielen aber nur 0,3 Prozent der Abschiebungen, die wegen Widerstand der Betroffenen abgebrochen wurden. Berichte über massive Gewaltanwendung im Zuge von Abschiebungen gibt es immer wieder. Doch gerade weil Abschiebungen meist nicht in der Öffentlichkeit stattfinden, wird diese Polizeigewalt weder gesehen noch verurteilt. Momentan baut Frontex zudem einen Pool von sogenannten Rückkehrbegleitern (»forced return escorts«) auf. Dabei handelt es sich um Polizist*innen und Grenzschutzbeamt*innen der EU-Staaten, aus denen die Abschiebungen starten und die innerhalb der EU flexibel einsetzbar sind. Mittlerweile gibt es 690 solcher „Expert*innen“. Derzeit sind beispielsweise vier Personen der Bundespolizei als „Escort Officer“ auf Lesbos in Griechenland eingesetzt – offenbar um von dort aus Abschiebungen in die Türkei durchzuführen.
https://barrikade.info/article/3721

https://www.jungewelt.de/artikel/382815.eu-und-fl%C3%BCchtlinge-abschottung-wird-versch%C3%A4rft.html

https://www.derstandard.at/story/2000118937581/eu-staaten-einigen-sich-auf-plattform-fuer-grenzschutz-und-asyl?ref=rss
https://taz.de/EU-Grenzschutzagentur-Frontex/!5701399/

Italienische Staatsanwaltschaft bereitet Klage wegen Push-backs nach Libyen vor
In Italien wird eine Klage vorbereitet. Sie richtet sich den Kapitän des Schiffes Asso Ventotto sowie den verantwortlichen der Reederei Augusta Offshore. Sie brachten im Juli 2018 über hundert Menschen, die sie zuvor aus Seenot  geholt hatten, nach Libyen. Libyen befindet sich im Bürgerkrieg und bietet keine sicheren Häfen. Es ist ein Verstoss gegen internationales Recht, Menschen in das Land zu bringen, wo ihnen wieder Internierung, Folter und Tot drohen. Die italienischen Behörden wurden nicht informiert. Die Geflüchteten haben auf den Schiffen italienisches Hoheitsgebiet betreten und die Anlandung hätte von den italienischen Behörden koordiniert werden müssen. Der Kapitän gab an, sich an die libysche Leitstelle gewendet zu haben. Laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neapel hat er jedoch keine Behörde benachrichtigt und die Menschen willkürlich nach Libyen gebracht und ihnen das Recht verweigert, in Italien Asyl zu beantragen. Bei den Ermittlungen wurde die Staatsanwaltschaft auch auf einen zweiten Fall aufmerksam, in dem Schiffe der gleichen Reederei mindestens 276 Menschen nach Libyen deportiert haben. Er soll in die Klage einbezogen werden.
Die Klage ist die erste ihrer Art und möglicherweise wichtig, weil Rückführungen nach Libyen heute an der Tagesordnung liegen. Überwiegend werden die Push-backs durch die sogenannte libysche Küstenwache durchgeführt, die von Europa dafür bezahlt und ausgebildet wird, sodass sich die europäischen Länder in Unschuld tarnen können. So ist auch das Interesse an einer Aufklärung und Verurteilung durch italienische Behörden fraglich, die sich seit 2018  nicht zu den parlamentarischen Anfragen zum Thema geäussert haben und die Aufzeichnungen unter Verschluss halten.
https://saritalibre.it/interrogazione-parlamentare-deportazione-del-2-luglio/
https://www.welt.de/politik/ausland/article211863735/Italien-will-Kapitaen-wegen-Fluechtlingsrueckfuehrung-nach-Libyen-anklagen.html


Was geht ab beim Staat?

Alibi-Folterprävention durch die offizielle Schweiz
Die Nationale Kommission zur Verhütung der Folter (NKVF) begleitet alle Level 4-Zwangsausschaffungen per Flugzeug oder über den Seeweg ab Sète in Frankreich nach Marokko. Zwangsausschaffungen sind eine der brutalsten Formen neokolonialer Gewalt, die in der Schweiz gegen Einzelpersonen oder Familien zum Einsatz kommt. Administrative Entscheidungen von Behörden reichen aus, um Menschen, die eine – teilweise jahrelange und lebensbedrohliche – (Flucht-) Migration hinter sich haben, mit Gewalt und Zwang in – meist neokolonial dominierte – Staaten auszuschaffen. Aufgabe der NKVF ist es, jedes Jahr einen Bericht über die “Verhältnismässigkeit” dieser unverhältnismässigen Gewalt zu verfassen. Von April 2019 bis März 2020 wurden deshalb acht Personen bezahlt, um bei den Zwangsausschaffungen zuzuschauen.
Die Level 4-Gewalt traf in der Berichtsperiode insgesamt 111 Personen, darunter 16 Familien und 28 Kinder. 18 Personen wurden ganzkörpergefesselt ausgeschafft.

Vier Familien wurden auseinandergerissen und zu ungleichen Zeitpunkten ausgeschafft. Eine Familie mit vier Kindern wurde im Ausschaffungscamp in ihrem Schlafraum von 20 bewaffneten Polzist*innen verhaftet und mit Blaulicht und Sirene zum Flughafen gefahren.
Im Durchschnitt fliegt also alle 10 Tage ein Sonderflug. 18 flogen in europäische Dublinstaaten, 16 in nicht-europäische Staaten.Vor dem Abflug durften nur drei Personen nochmals telefonieren. Alle anderen konnten ihre Verwandten oder Bekannten nicht mehr informieren, dass sie nun ausgeschafft werden. Dabei würden dies internationale Standards vorschreiben. Standards würden auch das präventive Fixieren von Menschen mit Handschellen hinter dem Rücken oder an den Füssen verbieten. Obwohl die NKVF dies schon mehrfach kritisierte, kommt es immer noch vor. Die NKVF hat auch vorgeschlagen, Menschen nicht ohne Vorwarnung in den Zellen zu überraschen. Trotzdem kam dies erneut vor. In einem anderen Fall drückten die Polizist*innen einen Mann 25 Minuten lang auf den Boden, nachdem sich dieser mit einem Rasiermesser selbst verletzt hatte.Es fällt auf, dass die NKVF gegen Folter nicht viel zu melden hat. Sie hat nur Empfehlungen abgeben, die aber nicht befolgt werden müssen. So verlor sie einen Streit gegen das SEM. Die NKVF schlug vor, ab der 28. Schwangerschaftswoche auf Zwangsausschaffungen zu verzichten. Dem SEM war das zu soft. Es beharrte auf Ausschaffungen von schwangeren Personen bis zur 32. Woche. So gilt es nun.Das Absurdeste ist aber, dass die NKVF weder den Auftrag noch die Mittel hat um herauszufinden, ob die abgeschobenen Personen nach ihrer Ausschaffung Folter erleiden, medizinisch schlechte Behandlung erhalten oder diskriminiert werden. Dabei ist die Foltergefahr wohl genau nach der Ausschaffung am höchsten. Sind doch viele der ausgeschafften Menschen aus Furcht vor Verfolgung aus jenem Staat geflohen, wohin die Schweiz sie nun mit Gewalt zurückschickt. Doch das kümmert die offizielle Schweiz offensichtlich in keiner Art und Weise.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79906.html
https://fra.europa.eu/en/publication/2019/forced-return-monitoring-systems-2019-update
https://frontex.europa.eu/assets/Publications/General/Guide_for_Joint_Return_Operations_by_Air_coordinated_by_Frontex.pdf
https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19994789/index.html


Was ist aufgefallen?

Mario Fehr hält Verträge mit der ORS AG zurück
Die Zeitung «Die Republik» hat sich nach monatelangem Streit gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip Einsicht in die Millionenverträge des Zürcher Asylwesens erstritten. Einsicht forderte die Zeitung in die Verträge zwischen dem Zürcher Sozialamt und den Asylcampbetreiber*innen ORS Service AG (privat) und AOZ (im Besitz der Stadt Zürich). Für dieses Mandat kassieren die beiden Institutionen insgesamt rund 120 Millionen Franken. Das Sozialamt und die Sicherheitsdirektion verweigerten die Einsicht, obwohl die ORS und die AOZ schriftlich festhielten, dass sie kein Geheimhaltungsinteresse hätten. Das Verwaltungsgericht entschied dann aber, dass das Sozialamt umfassend und «ohne weitere Prüfung» Einsicht in die Verträge mit der ORS zu gewähren habe. Mittlerweile hat aber das Sozialamt gegen diesen Entscheid Beschwerde vor dem Bundesgericht in Lausanne eingereicht, was zur Folge hat, dass die Verträge bis zum Entscheid des Bundesgerichts geheim bleiben. Dies kann noch Monate dauern.
Es ist bemerkenswert, wie heftig sich das Sozialamt und die übergeordnete Sicherheitsdirektion gegen Transparenz im Zürcher Asylregime wehren. Zwar kommt es bei sogenannten Private-Public-Partnership-Projekten immer wieder vor, dass sich die privaten Auftragnehmer*innen gegen die Öffentlichmachung von Verträgen wehren. Seltener ist es, dass sich die öffentliche Verwaltung sträubt. Höchst aussergewöhnlich ist aber die hier vorliegende Konstellation: dass der private Auftragnehmer die Transparenz begrüsst, die öffentliche Verwaltung hingegen auf Geheimhaltung pocht.
Wie aus der Beschwerde des Sozialamts hervorgeht, musste Sicherheitsdirektor Mario Fehr dafür eigens seine Ermächtigung erteilen. Es ist also der sozialdemokratische Regierungsrat persönlich, der in diesem Fall Transparenz verhindern will und versucht, die Millionenverträge des Zürcher Asylwesens geheim zu halten. Ungeheuer an diesem Rechtsstreit ist, dass er aufzeigt, dass wir offensichtlich längst noch nicht alles wissen, was im Zürcher Asylregime vor sich geht. Dies obwohl es viele Berichte zu den unhaltbaren Zuständen der knastähnlichen Asylcamps der ORS gibt. Und es ist allgemein bekannt, dass sich die ORS an der Verwaltung von Geflüchteten bereichert und auch, dass sie Deals mit der Securitas hat, welche regelmässig Menschen physische Gewalt antut. Es ist erschreckend, sich vorzustellen, dass es noch sehr viele ungeheure Deals und Details in den Verträgen der Sozialdirektion mit der ORS gibt, die Mario Fehr offensichtlich zu keinem Preis der Öffentlichkeit zugänglich machen will.
https://www.republik.ch/2020/07/21/zuercher-asylbehoerden-streiten-weiter-fuer-geheimniskraemerei

Zur Rolle von McKinsey im europäischen Asylregime
Die Zeitungen BIRN and DER SPIEGEL zeigen in einer gross angelegten Recherche auf, wie der neoliberale Unternehmensberatungsriese McKinsey hinter den Kulissen die europäische Abschottungspolitik beeinflusst. 2016 und 2017 ist McKinsey angestellt gewesen, um in den Hotspots auf den griechischen Inseln die «Produktivität zu maximieren», sprich möglichst viele Asylverfahren in möglichst kurzer Zeit zu bearbeiten. Die Recherche legte offen, dass weder die staatlichen Behörden noch das private Unternehmen McKinsey Transparenz zulassen wollen. Es brauchte Monate, um herauszufinden, dass McKinsey 992.000 Euro kassierte, um den Behörden die neoliberalen Mantras vorzupredigen, welche sonst bei Firmen zum Einsatz kommen, die ihre Profitraten auf dem Buckel der Angestellten in die Höhe schnellen lassen wollen.

Infographic. Photo: BIRN/Igor Vujcic

Obwohl der ganze Bericht nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wurde ein Teil der vorgeschlagenen Massnahmen publik. Die Produktivität im Asylwesen sei z.B. so zu erhöhen:
– Kürzere Ausbildungszeiten für das Personal, damit diese rascher produktiv Asylgesuche prüfen.
– Gesuchszahlen senken, indem mehr Aufwand betrieben werden solle, um Geflüchteten abzuraten, überhaupt einen Asylantrag zu stellen oder eine Rekurs einzureichen und stattdessen die «freiwillige Rückkehr» zu wählen. Dieses Überzeugen solle direkt bei der Einreise beginnen.
– Die Behörden sollen 300 statt durchschnittlich 50 Anträge pro Woche prüfen. Um die «Motivation» sicherzustellen, forderte McKinsey wöchentliche Telefonate mit Vorgesetzten sowie ein “Performance”-Dashboard, das den einzelnen Angestellten ihre Zielerreichungsquote ständig vor Augen führt.
– Wichtig für McKinsey ist auch die Abschiebehaft, deren Kapazitäten ausreichen sollen, um alle abgewiesenen Migrant*innen zu internieren. Dass die Inhaftierung von Geflüchteten in zahlreichen Abkommen nur als «extreme Massnahme» vorgesehen ist, kümmert McKinsey nicht.
Viele dieser Vorschläge finden sich mittlerweile im neuen Asylgesetz in Griechenland wieder. Aber nicht nur dort. Auch das Asylregime in der Schweiz funktioniert nach derselben Logik: Beschleunigung durch Entrechtung, Abschreckung und Repression.
https://balkaninsight.com/2020/07/22/how-mckinsey-put-productivity-at-heart-of-european-refugee-policy/

Wie Antirassismus und Technologiekritik zusammenhängen
In Deutschland besteht seit 2005 die Pflicht, für amtliche Dokumente ein biometrisches Passfoto vorzulegen. Seit mehreren Jahren ist aber bekannt, dass die in den Ämtern stehenden offiziellen Fotoautomaten der deutschen Bundesdruckerei Schwarze Menschen regelmässig nicht erkennen und für jene dementsprechend keine brauchbaren Bilder erstellen können. Oft müssen diese Personen weiteren Aufwand betreiben, um für herkömmliche Dokumente normgerechte Fotos von sich vorlegen zu können.
Nachdem die taz die deutsche Bundesdruckerei – das “Sicherheitsunternehmen des Bundes”, das mit “Dienstleistungen und Technologien für den Schutz sensibler Daten und Infrastrukturen” sorgt – kontaktiert hat und von solch einem Fall in Hamburg informiert hat, wies diese jeglichen Diskriminierungsvorwurf ab, obwohl dieses Phänomen in Deutschland schon mehrmals aufgezeigt wurde: Die Automaten gehörten zu den modernsten des Welt und würden nicht nach Hautfarbe unterscheiden sondern seien von der Qualität der jeweiligen Beleuchtungssituation abhängig. Zusätzliche kenne das optische System genauso wenig Rassismus wie die Bundesdruckerei.
Wer kurz im Internet nachforscht, findet rasch ähnliche Geschichten aus der ganzen Welt, die schon seit über fünfzehn Jahren von Journalist*innen und Aktivist*innen thematisiert werden. Wie modern ein System denn auch sein mag, es wird immer denjenigen Rassismus widerspiegeln, den seine Entwickler*innen inne hatten: bei der Biometrie wird Technologie mit einem Datensatz entwickelt, der vor allem weisse Menschen repräsentiert und Menschen, die von der Norm des Weiss-Seins abweichen im alltäglichen Einsatz nicht erkennen kann, da sie dafür ungenügend mitgedacht wurden. Mehrere Studien belegen dieses rassistische Charakteristikum von Technologie. Das Massachussets Institute of Technology zeigte 2018 zum Beispiel auf, dass die Datensätze, die die Gesichtserkennungssysteme der Marktleader Microsoft, IBM und MEGvii of China nährten, zu 77% aus männlich gelesenen Menschen und zu 83% aus weissen Personen bestehen. Weisse Männer wurden von jenen zu 99.2% richtig von den Systemen erkannt, Schwarze Frauen aber nur zu 65.3%. Dass 2016 in den zehn grössten Technologiekonzernen des Siliconvalley nicht eine einzige Schwarze Frau und bei drei davon überhaupt gar keine Schwarze Person arbeitete, half wohl auch nicht gerade dabei, ausserhalb der weiss-männlichen hegemonialen Norm zu denken.
Bei diesem Thema geht es aber um weit mehr, als lästige Mehraufwände bei den einfachsten staatsbürgerlichen Verfahren für Schwarze Menschen: die rassistischen Tendenzen der Entwickler*innen von Technologie und der Behörden, gekoppelt mit dem strukturellen und lebensgefährlichen Rassismus in der Gesellschaft, kann ganze Leben ruinieren. So wurde in der USA diesen Juni ein unschuldiger Schwarzer Mann festgenommen, weil eine mit künstlicher Intelligenz ausgestatte Überwachungskamera ihn mit einem anderen Schwarzen Mann verwechselte. Antirassismus muss in diesem Sinne auch kritisch technologische Entwicklungen beobachten, repräsentieren diese ja meistens die Interessen derer, die in sie investieren und schlussendlich von ihr profitieren.
https://taz.de/Rassismus-im-Bild/!5700872/
https://metro.co.uk/2020/04/01/race-problem-artificial-intelligence-machines-learning-racist-12478025/https://www.raconteur.net/technology/biometrics-ethics-biashttps://www.nytimes.com/2020/06/24/technology/facial-recognition-arrest.htmlhttps://taz.de/Rassismus-im-Bild/!5700872/

Unilever Hindustan wechselt Aufhellungscrèmenamen – aber nicht das Produkt an sich
Die Crème “Fair & Lovely” (“hell & wunderbar”) ist seit Jahrzehnten ein Kassenschlager in Indiens Drogerien. Sie wird für ihre aufhellende Wirkung benützt. Nachdem der Hersteller Unilever Hindustan auf sozialen Medien unter Druck kam, wird jene nun auf “Glow & Lovely” umbenannt (“strahlend & wunderbar”). Die indische Journalistin Anuradha SenGupta schreibt in einem Artikel, wie diese Crème von den in Indien bestehenden Diskriminierungen gegen dunkelhäutige Personen profitierte, sie fortbestehen liess und weiter hegte. Das Selbstbewusstsein ganzer Generationen junger Frauen sei durch die stetigen Werbungen auf allen Medien zugrunde gerichtet worden. Auf Twitter verlangen gewisse Aktivist*innen nun, dass die Crème ganz vom Markt genommen werden sollte. Eine Namensänderung verändere nichts am Produkt, das an sich rassistische Werte vermittelt.
https://www.bernerzeitung.ch/der-rassismus-der-aus-der-tube-kommt-784450329411
https://www.firstpost.com/living/beyond-unilevers-cosmetic-renaming-of-fair-lovely-brand-must-redress-years-of-profiting-off-indias-dark-skin-stigma-8537241.html
Twitter: https://bit.ly/3036apt


Die ewige Kopftuchdebatte schwächt auch in Deutschland nicht ab
Wie in vielen europäischen Ländern herrscht in Deutschland ein islamophobes Klima. Musliminnen, die eine Kopfbedeckung tragen, sind davon besonders betroffen. So berichtete die taz diese Woche von einem Fall einer kopftuchtragenden Hamburgerin, der aufgrund ihrer Kopfbedeckung ein Ferienjob bei Edeka verweigert wurde. Auch entschied diese Woche der Ministerrat Baden-Württembergs, gesichtsbedeckende Schleier in Schulen zu verbieten. Obwohl die Fälle jener Kopfbedeckung äusserst selten seien, müssen jene verboten werden, da sie angeblich nicht mit einer freien Gesellschaft kompatibel seien.
Dieser Beschluss reiht sich in die in Europa seit 15 Jahren konstante von rechts und links angeregte Polemik rund um dieses Thema ein. In den Niederladen, Dänemark, Österreich, Bulgarien, Belgien, Frankreich, aber auch in der Schweiz instrumentalisieren konservative Politiker*innen feministische Argumente, um islamophobe Regelungen einzuführen. Die in diesen Ländern selten getragene Burka wird dabei ständig zur Debatte gebracht und dies, ohne die Burka-tragenden Frauen in irgendeiner Form in diese Diskussionen zu involvieren, obwohl sich die Beschlüsse schlussendlich einzig und allein auf diese Personen auswirken. Jene werden immer stärker stigmatisiert und haben stets schwierigeren Zugang zu öffentlichen Aktivitäten.
Die Beispiele islamophober öffentlicher Debatten, Abstimmungen und Alltagssituation sind auch in der Schweiz zahlreich. Nebst Minarettverbot und ständiger Kontroverse rund um die Burka ist es auch in der Schweiz üblich, dass kopftuchtragenden Frauen der Zugang zu gewissen Arbeitsstellen verweigert wird, so z.B. in öffentlichen Ämtern in Genf. Für Frauen mit Kopftuch ist es auch üblich, dass sie keine Jobs in Supermärkten, Altersheimen oder Spitälern erhalten.
https://www.infomigrants.net/en/post/26165/german-state-bans-burqas-niqabs-in-schools
https://www.tdg.ch/geneve/signes-religieux-restent-interdits-geneve/story/24085809
https://taz.de/Diskriminierung-bei-Edeka-in-Hamburg/!5703651

Statistikfehler der Kantone zu Ausschaffungen beheizt SVP-Hetze
Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Ausschaffung verurteilter Menschen aus der Schweiz  sind nicht korrekt. Die Daten, die als Berechnungsgrundlage dienen, wurden auf Kantonsebene  teilweise falsch erfasst. Im vollautomatisierten Strafregister Vostra erfassen die Kantone die Delikte als Code. Ist der Eingabecode falsch, wird also beispielsweise ein Einbruchmit dem Code für Ladendiebstahl erfasst, ergibt sich eine falsche Statistik. Während bei Einbruch ein Landesverweis droht, ist dies bei Ladendiebstahl nicht der Fall. Allein im Kanton Zürich seien etwa hundert  Fälle falsch erfasst worden. Es ist also möglich, dass Fälle in der Statistik erfasst wurden, in denen eine Ausschaffung gar nicht gefordert war und entsprechend auch nicht durchgeführt wurde. Die korrigierten Zahlen sind noch nicht verfügbar.
In der vergangenen Woche stand die Zahl der Härtefälle bei Ausschaffungen in der  öffentlichen Kritik. Seit der Annahme der Ausschaffungsinitiative der SVP 2010 müssen Menschen, die einer Straftat schuldig befunden wurden, die im Strafgesetzbuch gelistet ist, die Schweiz verlassen.  Die Härtefallklausel ermöglicht es der Justiz, bei Strafen die Verhältnismässigkeit zu wahren und beispielsweise Personen, die “stark in der Schweiz verankert sind”, bei einem leichten Delikt nicht des Landes zu verweisen. Schweizweit würden 42 % der Fälle als Härtefälle beurteilt. Ein Skandal für den Blick und die SVP, die nun munter auf “kriminelle Ausländer”, eine “schwache Justiz” und die “Missachtung des Volkswillens” schimpfen können und bereits eine neue Volksinitiative zur Abschaffung der Härtefallklausel diskutieren.
https://www.derbund.ch/bund-bestaetigt-statistikfehler-539503029577
https://www.derbund.ch/je-gefaehrlicher-ein-straftaeter-desto-hoeher-die-ausschaffungsquote-881364811597
https://www.tele1.ch/nachrichten/umsetzung-ausschaffungen-138523302


Was nun?

Institutioneller Rassimus: Aargau bezahlt zu wenig
«Anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge haben dieselben Ansprüche auf Sozialhilfe wie Schweizerinnen und Schweizer», so steht es in der Broschüre, die das SEM allen Personen verteilt, die als «Flüchtlinge» oder als «vorläufig aufgenommene Flüchtlinge» anerkannt wurden. Es brauchte wirklich kein langes Studium der Rechtswissenschaften, um zu erkennen, dass der Kanton Aargau gegen dieses Prinzip der Gleichbehandlung verstösst, indem er diesen Personen gleich wenig gibt – nämlich neun Franken pro Tag – wie den entrechteten Menschen mit einem Negativentscheid oder jenen mit einem laufenden Asylverfahren. Nun haben das auch die aargauer Behörden erkannt: «Diese Praxis entspricht nicht den rechtlichen Grundlagen», heisst es in ihrer Mitteilung. Die Geschädigten erhalten aber erst ab September einen höheren Betrag. Den genauen Betrag wollte der Kanton aber nicht bekannt geben. Doch weil in den Asylcamps «Dienstleistungen und Waren zur Verfügung gestellt werden», werde der Betrag sicher tiefer liegen, als jener der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) empfohlene. Rückwirkende Zahlungen an die Geschädigten wurden bisher keine beschlossen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/gewisse-fluechtlinge-erhalten-zu-wenig-geld-vom-kanton-das-soll-sich-nun-aendern-138515366 file:///Users/nw/Downloads/info-flue-va-de.pdf
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/gewisse-fluechtlinge-erhalten-zu-wenig-geld-vom-kanton-das-soll-sich-nun-aendern-138515366

Sechs Monate nach dem 19. Februar in Hanau
Am 19. August wird es sechs Monate her sein, dass ein Rassist mit seinen tödlichen Schüssen Herzen gebrochen und Leben zerrüttet hat. Niemand kann Ferhat, Fatih, Gökhan, Kaloyan, Mercedes, Vili, Nesar, Hamza und Sedat ins Leben zurückrufen, doch wir können erinnern, aufklären und für eine Welt kämpfen, in der der Raum für solche Taten immer mehr schrumpft. In Hanau ist am 22.8.2020, dem Samstag nach dem 19. August eine Erinnerungsdemonstration geplant – und in der Schweiz?
https://19feb-hanau.org/2020/07/19/sechs-monate/

Neue Bibliothek Lotte in kollektiver Selbstverwaltung

Das Projekt entsteht gerade in Luzern. Du liest selbst gerne und/oder hast antirassistische Bücher von denen du denkst, die sollten doch mehr Leute lesen? Gib die Bücher weiter und stelle sie dem Bibliothekswagen zur Verfügung auf dass sie um ein Vielfaches gelesen werden! Oder du, dein Wohnprojekt, dein Freund*innenkreis oder Family willst längerfristig Pat*in werden und alle 2-3 Monate ein Buch spenden? Nimm Kontakt auf unter: hallo@lotte-bibliothek.org


Wo gabs Widerstand?

«Stopp Isolation» In voller Fahrt

https://www.facebook.com/watch/?v=601185513871814

Mehrmals in wenigen Wochen mobilisierte die Gruppe «Stopp Isolation» Migrant*innen mit Negativentscheid im Kanton Bern. Zuletzt am Wochenende zusammen mit geflüchteten und nicht-geflüchteten Aktivist*innen der Velotour d’Horizon. Vor dem Bundesasylcamp Ziegler in Bern wurden die dort isolierten Personen zu einem in der Nähe stattfindenden solidarischen Essen eingeladen. Am Nachmittag fanden dann politische Diskussionen zu Kämpfen gegen die Probleme der Isolation statt. Die Vernetzung mit geflüchteten und nicht-geflüchteten Aktivist*innen aus Zürich ist nun geglückt und der nächste Schritte, mitunter eine weitere Demo in Bern, beschlossen.
Die letzte Aktion der Gruppe verlief weniger ruhig. Als Reaktion gegen die bernischen Behörden, die die Forderungen der Gruppe als «unsolidarisch» und «undemokratisch» bezichtigte, führte die Gruppe eine starke Demonstration mit über hundert Aktivist*innen aus den Rückkehrzentren Bözingen, Gampelen, Aarwangen und Konolfingen durch. Auf dem Bundesplatz zündete sich überraschend ein Teilnehmer der Demonstration selbst an. Zum Glück verletze sich der Mann nicht zu stark. Mittlerweile geht es ihm besser. Er ist aus der Klinik entlassen und beteiligt sich weiterhin am Protest. Da er wegen seiner Handlung keine Reue zeigt, wird er von der Polizei unter Druck gesetzt.
An der Demo war die Aufregung gross als der Mann sich anzündete. Als klar war, dass der Mann gepflegt wird, wurde die Demo weitergeführt und die Aktivist*innen zogen weiter vor die kantonale Sicherheitsdirektion. Dort setzten die Aktivist*innen ein Treffen mit den Zuständigen des Amtes durch und stellten ihre Probleme, ihre Kritik und Forderungen nochmals klar. Dies zeigt, wie der Widerstand der Gruppe stark, entschlossen, und selbstbestimmt ist. Dennoch stellen sich extreme Herausforderungen.
Zum Einen spielen sich die Verantwortlichen für die Isolation den Ball gegenseitig zu, was ein Gefühl der Ohnmacht und Orientierungslosigkeit auslösen kann. Die Gruppe protestierte zuerst innerhalb der Camps. Die ORS AG, die für die schlechten Lebensbedingungen und die repressive Hausordnung mitverantwortlich ist, verwies die Aktivist*innen an den Kanton und das SEM. Der Staat entscheide, die ORS führe nur aus. Die nächste Demo fand vor dem SEM statt. Die Behörde stellte allen Aktivist*innen die Negativentscheide aus und wird in letzter Instanz auch über deren allfällige Härtefallgesuche entscheiden. Trotzdem behaupteten die SEM-Verantwortlichen nur der Kanton könne etwas für die Forderungen «Aufenthaltsbewilligungen», «Keine Isolation in Rückkehrzentren», «Keine ständigen Kontrollen, Bussen und Verurteilungen wegen «illiegalem Aufenthalt» sowie «Respekt und Gleichbehandlung» tun. Dieser sagt diese Forderungen seien «undemokratisch», und «unsolidarisch». Indirekt verweist der Regierungsrat an die Stimmbevölkerung und das Parlament, dass die Gesetze ändern solle. Bla bla bla…
Eine zweite Herausforderung stellen die Medien dar. Die meisten Medienschaffenden interessierten sich erst für den Protest, nachdem der Mann sich selber angezündet hat. Sie tragen somit eine Mitverantwortung dafür, dass für abgewiesene Geflüchtete solch radikale Handlungen notwenig erscheinen, um überhaupt gehört zu werden. Zweitens berichten die Medien nicht ganzheitlich, sondern geben einseitig die Kritik der Lebensbedingungen in den Camps wider. Ausgeschwiegen werden bisher alle weitergehenden Forderungen sowie die Tatsache, dass sich erstaunlich viele Organisationen und Parteien bereits mit dem Protest solidarisiert haben und sich mit den Forderungen auseinandergesetzt haben. Alle Infos zum Protest gibt es hier: https://migrant-solidarity-network.ch/.
https://www.djs-jds.ch/de/be-2/stellungnahmen-und-aktivitaeten/medienmitteilungen
https://www.facebook.com/gruenebern/photos/a.159680684095253/3248004625262828
https://al-be.ch/widerstand-gegen-die-rueckkehrzentren/
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/darum-zuendete-er-sich-an-fluechtling-erzaehlt-von-protestaktion-138523376
https://www.letemps.ch/suisse/une-immolation-place-federale-beaucoup-questions
https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/habe-genug-von-diesem-leben-jetzt-spricht-der-fluechtling-der-sich-in-bern-angezuendet-hat-id16004758.html
https://www.20min.ch/story/warum-sich-der-fluechtling-auf-dem-bundesplatz-angezuendet-hat-808811209793

5-Jahre Suruç-Attentat: Demo in Basel
In der Basler Innenstadt haben am Samstag rund 200 Personen gegen das Attentat auf die Stadt Suruc protestiert.
Im Sommer 2015 mobilisierte die Föderation der sozialistischen Jugendvereine in der ganzen Türkei die Kampagne „Wir haben es gemeinsam verteidigt, wir werden es gemeinsam aufbauen!“. Ihr Ziel war es die Stadt Kobane (Westkurdistan) wiederaufzubauen. Am 20. Juli 2015, trafen sich über 300 Jugendliche mit türkischen und kurdischen Wurzeln aus der ganzen Türkei in Suruç, um nach Kobane zu reisen. Die Jugendlichen wollten mit dieser Hilfskampagne der überwiegend kurdischen Bevölkerung in Kobane zeigen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleingelassen sind.
Sie wollten den Kindern Spielplätze errichten und auch die politischen Entwicklungen kennenlernen und die Kämpfe der sozialistischen Bewegung in der Türkei mit der kurdischen Bewegung verbinden. Während der Pressekonferenz in Suruç verübte der IS in Zusammenarbeit mit der AKP-Regierung ein Selbstmordattentat. 33 hauptsächlich junge Menschen verloren ihr Leben und mehr als 100 wurden verletzt. Danach verübte der IS eine Reihe weiterer Bombenanschläge und Massaker in verschiedenen Städten.
Durch die Zusammenarbeit mit dem IS versuchte der türkische Staat schon immer Revolutionäre und Revolutionärinnen zu ermorden. Aber nach dem Attentat in Suruç wurde dies offensichtlicher.
Anstatt zu helfen, fuhren die Polizisten an den verletzten Personen vorbei und versperrten sogar die Wege der Krankenwagen. Somit begann der blutige Krieg in der Türkei.
https://telebasel.ch/2020/07/18/200-personen-demonstrieren-gegen-gewalt-an-kurden/?channel=105100

https://barrikade.info/article/3660
https://barrikade.info/article/3639


Was steht an? (Sende deinen Veranstaltungshinweis an antira@immerda.ch)

Bern: 1. August Demo
“Auf der ganzen Welt gehen verschiedenste Bewegungen auf die Strasse, um mit der Geschichte von Jahrhunderten der andauernden Unterdrückung abzurechnen. Der 1. August stellt den Feiertag der Schweizer Nation und dessen Geschichte dar. Ein Tag, der vom Staat willkürlich ausgewählt wurde, um den Gründungsmythos durch den sogenannten Rütlischwur zu erschaffen. Eine Geschichte, die für Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung steht. Deswegen auf zur Demo gegen den Mythos Schweiz.”
https://barrikade.info/event/1339

Aufarbeitung von Rassismus und Sexismus in Teilen der Linksradikalen in Bern
01.08.2020 I 18.00 Uhr I vor dem grossen Tor, Reitschule Bern
“Good Night Left White Pride Es ist an der Zeit, das wir (insbesondere wir weissen Cis-Männer) uns positionieren, ganz klar und öffentlich positionieren! Es ist an der Zeit, dass wir alle Zusammen eine Bewegung ermöglichen, welche dazu berechtigt ist, all diese Fahnen zu tragen, unter deren Banner wir laufen, seit Jahren profitieren, uns entfalten, uns Nischenjobs angeln, gratis wohnen, uns Anerkennung und Crews aufbauen, uns unsere Bussen zahlen lassen, unserem Selbstbewusstsein gutes tun unser Partys organisieren und die Möglichkeit haben unser Künstlerisches Dasein zu frönen.” Von Zusammenarbeit zwischen weissen Szenen CIS-Männern und POC Genossinnen
https://www.facebook.com/LinkePoC/posts/569828943684362

Demo „Gegen die totale Verwaltung in Lagern“
28.07.20 I 18:00 I Mühlenplatz Luzern
Das Schweizer Asylsystem ist geprägt durch Fremdbestimmung. Was schon seit längerem für Nothilfebezüger*innen gilt, wurde mit der Inbetriebnahme der Bundesasyllager im März 2019 auch für Neuankommende Realität. Strenge Präsenzzeiten entscheiden über Geldauszahlung und Essensausgabe, Kochen ist nur zu gewissen Zeiten oder gar nicht zugelassen und fest zugewiesene Schlafplätze in Mehrbettzimmern verunmöglichen Privatsphäre. Selbstorganisation oder private Unterbringung ist nicht erwünscht und wer es trotzdem tut, muss auf sämtliche Unterstützungen verzichten. Schauen wir hin und setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die Politik der Ausgrenzung und der Isolation. Die Demo findet im Rahmen der Velotour d’ Horizon 2020 statt.
https://radar.squat.net/en/node/370529

Enough. Aktionstage zu Migrationskämpfen und antirassistischem Widerstand
29. – 30.08.20 I Park Platz Zürich
Wir schaffen Raum, um antirassistische Intitativen und den Widerstand gegen das Migrationssystem sichtbar zu machen. Migration und Rassismus sind nicht dasselbe: es sind zwei Phänomene mit unterschiedlichen Auswirkungen, die sich aber vielfach überschneiden. Beide beruhen auf post- und neokolonialen Denkmustern, die reale Auswirkungen haben: im europäischen Grenzregime, genauso wie im Alltagsrassismus in der Schweiz oder bei rassistischer Polizeigewalt weltweit. Antirassistischer Widerstand und Migrationskämpfe haben viele Gesichter. Diese wollen wir zeigen: verschiedene Themen neben sich stehen lassen und unterschiedliche Ansätze einzelner Initiativen und Netzwerke für sich sprechen lassen.
https://www.facebook.com/events/712876382845381/?notif_t=plan_user_joined&notif_id=1594210510777155
www.park-platz.org

5 Jahre March of hope: We stay united!
02.-05.09.20 I schweiz- und europaweit 
We‘ll Come United ruft auf und lädt ein zu Antirassismus-Tagen: «Vom 2-4.September wollen wir zusammen kommen und gemeinsam Aktionen planen, in Städten, Dörfern und Landkreisen. Wir wollen trotz der Herausforderungen der Pandemie zeigen, dass wir an diesen verschiedenen Fronten für eine solidarische Gesellschaft weiterkämpfen. Ideen gibt es viele: ob Aktionen zivilen Ungehorsams, Veranstaltungen zu Bürger*innenasyl, ein Bestreiken der Ausländerbehörde oder ein regionaler Marsch von Ortschaft zu Ortschaft, von Lager zu Lager, für Bewegungsfreiheit und das Recht zu Bleiben. Ob Demonstrationen und Aktionen, Visualisierungen, Online-Aktivitäten oder Straßentheater – lasst uns zusammen kämpfen für Bewegungsfreiheit, gleiche Rechte und gegen Rassismus! Am 5. September möchten wir uns dezentral auf regionaler Ebene sammeln, um We*ll Come United in diesem Jahr parallel in mehreren Bundesländern oder auch regionalen Zusammenschlüssen zu erleben und unsere Vielfalt und Stärke sichtbar zu machen.»
https://www.welcome-united.org/de/4166-2/
https://seebruecke.ch/event/transnationale-aktionstage/


Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Handbuch zum Untertauchen
Wer sich oder andere vor der Abschiebung verstecken will, wir um das Handbuch froh sein.
https://buerger-innen-asyl-berlin.org/static/blog/SolidarityAsyl_handbook_DE.pdf


Von der weissen rassistischen zur weissen antirassistischen Person
Dieser Artikel soll die Leiter des Empowerment für Weisse begleiten, die unser Versuch ist, die verschiedenen Stadien zu unterscheiden, die Weisse durchlaufen, wenn wir uns unserer Beziehung zum Rassismus bewusst werden. Der Hauptzweck dieses Artikels ist es, Weissen zu helfen, unsere Identität als Weisse innerhalb eines rassistischen Systems zu verstehen, das unsere Überlegenheit annimmt, während es gleichzeitig diese Annahme in Frage stellt und sie durch eine positive, antirassistische Identität ersetzt.
https://barrikade.info/article/3701

Armut nicht nur bunter machen
Bafta Sarbo über die Realität des Rassismus, Hautfarben und bürgerliche Anti-Diskriminierungspolitik.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138373.rassismus-armut-nicht-nur-bunter-machen.html

Le grand remplacement, un virus français
Le mythe d’une invasion migratoire n’est pas un thème nouveau. A intervalles réguliers, il traverse la France depuis près d’un siècle. Belle époque, années folles, grande dépression, décolonisation : chaque décennie a connu ses prophètes de la submersion étrangère qui lancent leurs carrières littéraires et politiques sur le dos de l’immigration. Dès les années 1910, le mythe prend forme.
https://www.franceculture.fr/emissions/mecaniques-du-complotisme-saison-2-les-instructions-secretes-et-le-faux-complot-des-jesuites/le-grand-remplacement-un-virus-francais-episode-1-a-lorigine-du-mythe

Asyl – Aussortieren und abschieben
Wie die Migrationspolitik der rechtspopulistischen Volkspartei in Dänemark zum Mainstream werden konnte.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/aussortieren-und-abschieben

EU-Libyen-Kooperation bei Pull-Backs per Fernsteuerung
Die zunehmende Auslagerung der europäischen Verantwortung zur Seenotrettung führt zu massenhaften Rückführungen von Migrant*innen nach Libyen per “Fernsteuerung” durch EUropäische Flugzeuge. BORDERLINE EUROPE, das AlarmPhone sowie die Seenotrettungsorganisationen Sea-Watch und Mediterranea haben dies in ihrem Bericht “Remote control: the EU-Libya collaboration in mass interceptions of migrants in the Central Mediterranean” dokumentiert. Die Pull-backs werden von europäischen Behörden wie Frontex und EUNAVFOR Med koordiniert und von der sogenannten “libyschen Küstenwache” durchgeführt. Die sogenannte “libysche Küstenwache” wird von der EU finanziert, ausgestattet und ausgebildet. Es handelt sich um Milizen, die bereits durch offenkundige Menschenrechtsverletzungen und die Zusammenarbeit mit Menschenschmugglern aufgefallen sind. Hier eine hörenswerte Online-Diskussion zu Bericht.

Updates Ägäis
Ein neuer sehr gut dokumentierter Bericht vom Legal Centre Lesvos über die aktuellen Pushbacks in der Ägäis (von Stränden und im Wasser, mit Aussetzen auf Liferafts etc), mit detaillierter Aufarbeitung verschiedener Einzelfälle.
http://legalcentrelesvos.org/wp-content/uploads/2020/07/Collective-Expulsions-in-the-Aegean-July-2020-LCL.pdf