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Was ist neu?
Beat Jans: Mit institutioneller Diskriminierung gegen Menschen aus Maghreb-Staaten
«Menschen aus dem Maghreb sind kriminell.» Dieses stigmatisierende Vorurteil verbreitet Bundesrat Beat Jans über die Medien. Das ist verwerflich. Zudem will Jans die stigmatisierte Gruppe durch gezielte Entrechtung abschrecken. Asylverfahren von Menschen aus dem Maghreb sollen neu nur noch 24 Stunden dauern dürfen. Das kommt de facto der Abschaffung des Asylrechts für diese Menschen gleich. Institutionelle Diskriminierungen durch einen Bundesrat verstossen an sich gegen Artikel 8 der Bundesverfassung: «Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft.» Doch dies kümmert bisher kaum eine öffentlich hörbare Kraft.
In neuenburgischen Boudry gibt es seit längerem Kritik gegen Asylsuchende im Bundesasylcamp. Es gäbe mehr Einbrüche, Sachbeschädigung und Belästigungen. Anwohnende, Behörden und Polizei machen dafür vorwiegend Asylsuchende aus den Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien verantwortlich. Die Medien berichten gerne und oft darüber. Teilweise differenziert, oft ohne kritische Einordnung, Gegenstimmen oder Gegendarstellungen. So wuchs ein stigmatisierendes Vorurteil. Nicht einzelne Personen, sondern alle Menschen aus Tunesien, Algerien und Marokko seien kriminell.
Um auf vorurteilsgeladene Ängste der Bevölkerung einzugehen, reiste Beat Jans letzte Woche medienwirksam nach Boudry. Gegenüber der SRF-Tagesschau zeigte er Verständnis für die Vorwürfe und Ängste: «Die Situation ist sehr angespannt. Es ist beunruhigend.» Jans verkündet deshalb, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) 90% der erhöhten Ausgaben für private Sicherheitsdienste bezahle. Nicht nur beim Bundesasylcamp, sondern im gesamten ÖV der Gemeinde solle Präsenz markiert werden.
Jans will zudem alle Menschen aus dem Maghreb asylrechtlich diskriminieren. Er ordnet an, dass die Asylverfahren von Menschen aus Maghreb-Staaten von der Vorbereitung auf das Gesuch, über die Anhörung, bis zum Entscheid und Rekurs nur noch 24 Stunden dauern sollen. In der konkreten Anwendung kommt dies quasi der Abschaffung des Asylrechts gleich. Jans relativiert die Entrechtung damit, dass Menschen aus Marokko, Tunesien und Algerien ohnehin fast nie Asyl erhalten würden. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die Massnahme gezielt und einseitig gegen Menschen aus Tunesien, Marokko und Algerien richtet.
Die Diskriminierung soll abschrecken, erklärt Jans öffentlich gegenüber der Tagesschau: «Wenn es sich herumspricht – so die Hoffnung – dass man in der Schweiz nicht überwintern kann in einem Asylzentrum, sondern dass der Entscheid sehr schneller getroffen wird und man dann wieder gehen muss, dann kommen vielleicht auch weniger Leute.» Extrem stigmatisierend und herabsetzend äussert sich Jans im Echo der Zeit. Seine Hoffnung sei es, «dass weniger Menschen kommen aus Ländern, bei denen wir wissen, dass die Kriminalität besonders hoch ist. Das gilt namentlich für Maghreb-Länder“.
Dass negativ stigmatisierende Äusserungen und gezielt diskriminierende Massnahmen eines Bundesrates keine namhaften Reaktionen auslösen, zeigt, wie tief die Vorurteile gegen Menschen aus dem Maghreb verwurzelt sind. Brechen wir mit dem rassistischen Konsens!
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/justizminister-beat-jans-zu-besuch-in-boudry?urn=urn:srf:video:3f2e1a91-1c16-432e-b304-f122c164ecec
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/asylzentrum-boudry-24-stunden-verfahren-soll-eingefuehrt-werden?partId=12559658
Migrationsrouten-Update: Maghreb
Die EU hat mit der ägyptischen Regierung ein Abkommen abgeschlossen. 200 Mio. Euro davon sollen in die «Migrationskontrolle» fliessen. Vor der Küste Libyens versuchte die sog. libysche Küstenwache die Rettung von in Seenot geratenen Menschen auf der Flucht durch zivile Seenotretter*innen zu verhindern.
Mitte März flog EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gemeinsam mit den Staatsoberhäuptern von Italien, Zypern, Griechenland, Österreich und Belgien nach Ägypten, um einen Deal mit dem ägyptischen Autokraten Abdel Fattah al-Sisi abzuschliessen. Mehr als 7 Milliarden Euro sollen nach Ägypten fliessen. 5 Milliarden werden als Darlehen in die ägyptische Wirtschaft gesteckt, 200 Mio. Euro dienen der «Migrationskontrolle». Vor allem die Grenze zu Libyen soll abgeschottet werden, sowie der Zugang zum Mittelmeer. Al-Sisi hat gute Kontakte zum ostlibyschen Warlord Khalifa Haftar.
Die Menschenrechtsverletzungen, die die EU in Ägypten immer wieder scharf kritisiert hat – das Volk, das unterdrückt wird, Kritiker*innen, die eingesperrt werden – werden nun auf einmal billigend in Kauf genommen. Und während die «Wirtschaftshilfen» – einhergehend mit kolonialen Kontinuitäten – an bestimmte Bedingungen geknüpft sind, gibt es lediglich vier Zeilen in dem Abkommen über die «Migrationszusammenarbeit».
Das Abkommen reiht sich ein in eine Reihe von Abkommen der EU mit Nordafrika – Tunesien und Mauretanien waren die letzten. Die NGO Pro Asyl kritisiert zurecht, Deals mit Diktatoren seien Teil des Problems und nicht Teil der Lösung bei der Beseitigung von Fluchtursachen.
Vor Libyen, in der libyschen Such- und Rettungszone wurde unterdessen ein Boot der NGO Ärzte ohne Grenzen von der sog. libyschen Küstenwache während einer Rettungsmission behindert. Zwei Stunden lang fuhren sie gefährliche Manöver, die das Leben der Menschen auf einem kleinen Fiberglas-Boot und einem überfüllten Holz-Boot gefährdeten und drohten der Crew von Ärzte ohne Grenzen. Ein Flugzeug der Organisation Sea-Watch filmte alles.
https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/artikel/mittelmeer-aerzte-ohne-grenzen-kritisiert-lebensgefaehrliche-manoever-von-libyscher
https://www.theguardian.com/global/video/2024/mar/18/libya-coastguard-accused-of-hampering-attempt-to-save-more-than-170-people-video
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/aegypten-kaum-eu-geld-fuer-migrationsmanagement?partId=12558989
https://www.deutschlandfunk.de/migrationsabkommen-eu-aegypten-100.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-03/aegypten-migrationsabkommen-eu-abdel-fattah-al-sissi
https://antira.org/2024/03/19/medienspiegel-18-maerz-2024/
Was ist aufgefallen?
Sellner gelingt erneut eine Medieninszenierung
Der identitäre Faschist Martin Sellner wird im Aargau von der Polizei abgeführt und alle Medien berichteten. Das aufgeregte Tun der Medien war eindeutig einkalkuliert. Ohne Medienaufmerksamkeit und Lärm in Sozialen Medien wäre das Treffen unwichtig geblieben. Dank den Medien ist es gelungen Fascho-Köpfe bekannt zu machen und Fascho-Diskurse zu normalisieren.
Verhaftungen und Polizeipräsenz waren Teil des Plans der Identitäten. Ohne diese Reaktionen hätte der Besuch weniger Medienaufmerksamkeit generiert. Die Bilder, Köpfe und Diskurse der Faschos wären nicht überall zu sehen gewesen. Nach der Aktion im Aargau erhöht sich zudem die Chance, dass die Medien auch ein nächstes Mal bei der kleinsten Regung erneut berichten.
So wird normalisiert, was nicht normalisiert werden sollte, stellt Natacha Stobel am Beispiel der Verwendung des faschistischen Konzepts «Remigration» fest: «Vor einigen Wochen wurde der Begriff noch eingehend problematisiert, mittlerweile wird er unter “” geschrieben, als wüssten alle, worum es dabei geht. Bald wird es so sein, dass er ohne Klammern und Erläuterung verwendet wird. Dann hat die Normalisierung gewonnen.»
Die Aktion im Aargau wurde interessanterweise sogar von dem Besitzer von X Elon Musk kommentiert. Dazu schreibt Basil Schöni von der Republik: «Wenn der reichste Mann der Welt auf eine rechtsextreme Aktion Bezug nimmt, dann hat das ein einziges Ziel: Der rechtsextremen Aktion Aufmerksamkeit zu verschaffen. Medien, die diese Bezugnahme als News vermelden, machen sich zum Teil der Aktion. Die spannende Frage bzgl. Musk wäre ja: Wieso interessiert sich der reichste Mann der Welt für einen österreichischen Rechtsextremen? Und wie hat er überhaupt von diesem Tweet erfahren?»
Wie sollte über solche Anlässe berichtet werden? Natacha Strobl hält fest: Keine Bilder von Faschos verbreiten. Keine Werbung für rechte Bücher und Verlage machen. Keine Interviews und Stories mit Faschos herausgeben. «Medien sollten tunlichst vermeiden, rechtsextreme Celebrities heranzüchten. Die Rolle, die diese Personen spielen, sollte aber sehr klar beleuchtet werden».
https://www.moment.at/story/martin-sellner-medien-versagen/
https://twitter.com/basil_schoeni/status/1769799979420295603?s=20
Was steht an?
NoGEAS – Infoveranstaltung zum Gemeinsamen Europäischen AbschottungsSystem
Die EU beschliesst in diesen Tagen die grösste Asyl(abbau)-Reform ihrer Geschichte, von der auch die Schweiz betroffen ist. Asylverfahren werden neu in Haftlagern an den Aussengrenzen durchgeführt, Ausschaffungen in unsichere Drittstaaten werden vereinfacht und die Dublin-Richtlinien verschärft.
Wir stellen die wichtigsten Änderungen vor und fragen: Was bedeutet die Reform für Menschen auf der Flucht? Wie wird die Schweiz betroffen sein? Und wie organisieren wir uns dagegen?
Eine Veranstaltung des Bündnis NoGEAS mit Beiträgen von
– Lara Hoeft, Pikett Asyl
– Simon Noori, Solidarité sans frontières
– Miriam Helfenstein, Solinetz Luzern
– Malek Ossi, Solinetz Zürich
Moderation: Anna Jikhareva, WOZ
Mittwoch, 27.03.2024, 19 Uhr,
Autonome Schule Zürich,
Sihlquai 125, 8005 Zürich
Demo für Bewegungsfreiheit in Bern
30. März um 14:00 Uhr auf der Schützenmatte in Bern
Der Widerstand geht weiter. Demo als stetig überfällige Reaktion auf die rassistische Todespolitik der EU! Als direkte Antwort auf die 300 Millionen, welche die Schweiz nun – wie am 15.März entschieden – zusätzlich in die Abschottungspolitik investiert! Gründet Banden zur Anreise aus abgelegenen Camps und anderen Städten! Macht möglich, dass Menschen zur Demo kommen können, denen dies systematisch erschwert wird. Bringt Transpis, Parolen, Trillerpfeifen, und alles was laut ist. Wir lassen uns nicht vereinzeln. No justice no peace.
Demo für Bewegungsfreiheit
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Racial Profiling: Das EGMR-Urteil gegen die Schweiz muss konsequent umgesetzt werden!
Bis Mitte Februar 2024 mussten Opfer von rassistischen Polizeikontrollen, die sich vor Gericht wehren wollten, einen oft jahrelangen, ressourcenintensiven und in der Regel aussichtslosen Prozess auf sich nehmen. Im Fall Wilson A. kam es nach 15 Jahren zu einem vorläufigen Freispruch der Polizisten, ebenso im Fall Mike Ben Peter, der bei der Polizeikontrolle gestorben war. Im Fall Roger Nzoy – ebenfalls Opfer einer Polizeikontrolle mit Todesfolge – will die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen. Nach der Verurteilung der Schweiz im Fall Mohamed Wa Baile müssen nun die Verantwortungsträger*innen auf allen Ebenen aktiv werden und konsequent gegen rassismusfördernde Strukturen vorgehen.
https://www.humanrights.ch/de/news/racial-profiling-egmr-urteil-schweiz-konsequent-umgesetzt
Fluchthilfe in Gefahr
Im Dezember haben die EU-Staaten und das Parlament den „Asyl- und Migrationspakt“ beschlossen und damit das Asylrecht in weiten Teilen eingeschränkt. Nun sollen auch Helfer*innen von Flüchtenden stärker verfolgt werden. Hierzu hat die EU-Kommission am 28. November ein Gesetzespaket zur „Bekämpfung des Menschenschmuggels“ vorgelegt.
https://www.cilip.de/2024/03/18/fluchthelfer-in-gefahr/
Königreich Deutschland – ein wachsendes Problem
Ein wachsendes Problem und die Notwendigkeit einer antifaschistischen Antwort
Das “Königreich Deutschland” (KRD), eine rechtsesoterische Sekte der Reichsbürger*innen-Bewegung, expandiert seit Jahren in der Schweiz, mit dem Fokus auf die Ostschweiz. Der erwartete Besuch des selbsternannten “Königs” Peter Fitzek stösst jedoch auf Widerstand. Wir erwarten, dass Fitzek die Ostschweiz erneut besuchen wird, und wir erwarten ihn mit Wut und Entschlossenheit. Eine kurze Beschreibung der Geschehnisse und ein Aufruf zu einer kollektiven antifaschistischen Antwort.
https://barrikade.info/article/6363