Racial Profiling in der Schweiz, Externalisierungspolitik in Albanien, Hanau ist überall

Was nun?

300 Mio. für die Abschottung Europas? Nein!

Das Referendum für Bewegungsfreiheit startet, falls es genügend Zusagen gibt. antira.org unterstützt. Um was geht es?

Das Budget für die rassistische Abschottung Europas ist erneut gestiegen. Insgesamt 6,24 Milliarden Euro zahlen die Schengenstaaten in einen Geldtopf, aus dem neue Projekte zur Grenzabwehr finanziert werden. Ob sich die Schweiz als assoziierter Schengenstaat mit 300 Millionen Franken beteiligt, entscheidet das Parlament am 15. März.

Sagt das Parlament Ja, antworten wir mit Nein. Ab Mitte März haben wir 100 Tage Zeit, um 50’000 gültige Unterschriften für ein Referendum zu sammeln. Wir wollen diese rassistische Todespolitik nicht weiter hinnehmen. Es braucht dringend Alternativen zu Sterbenlassen, Abschottung, Polizeibrutalität, Rassismus, Kolonialismus.

Bist du dabei? Das Referendum startet, falls es genügend Zusagen gibt. Hier kannst du dein Sammelziel anmelden. Politorgas, Bezugsgruppen, WGs, (Wahl-)Familien, Arbeitsteams usw. können sich ebenfalls eintragen.

Die Idee für das Referendum kam in der Gruppe „Bewegungsfreiheit für alle“ (Bfa) auf. Zusammen mit dem Collective Climate Justice (CCJ) und weiteren Personen wird das Referendum gestartet, falls es genügend Zusagen gibt. Solidarité sans Frontières (SosF), Migrant Solidarity Network, NoFrontex unterstützen die Idee ebenfalls. Es braucht uns alle.

www.bewegungsfreiheit.ch

Was ist neu?

Racial Profiling: Schweiz vom EGMR verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall Wa Baile gegen die offizelle Schweiz entschieden. Mohamed Wa Baile wurde in allen Punkten Recht zugesprochen, und die offizielle Schweiz wurde verurteilt wegen Verletzung des Verbots rassistischer Diskriminierung, mangelhafter Untersuchungen durch die Justizbehörden und unzureichender Rechtsmittel für den Beschwerdeführer. 

Das Verfahren dauerte über neun Jahre, getragen wurde es von der Allianz gegen Racial Profiling. Die Allianz gegen Racial Profiling wollte mit dem Verfahren einen «europaweiten Leitentscheids» erreichen, was nun gelungen ist. 

Die Medien sind sich einig: «Das Urteil ist bahnbrechend» – titelt beispielsweise der Bund. Das Urteil habe weitreichende Auswirkungen auf die Schweizer Gesellschaft sowie auf Betroffene von diskriminierenden Polizeikontrollen in ganz Europa. 

Gleichzeitig formuliert die Allianz gegen Racial Profiling klare Forderungen. In ihrer Medienmitteilung schreibt die Allianz: «Mit dem Urteil wird nun deutlich, dass Behörden auf allen Ebenen des Gemeinwesens eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen haben.» 
So müssen unabhängige Untersuchungen aller Polizeikorps mit Empfehlungen für Massnahmen zur Prävention und Intervention von institutionellem Rassismus und Polizeigewalt eingeführt werden. Verantwortungsträger*innen müssen anerkennen, dass institutioneller Rassismus der Polizei eine Herausforderung ist, der sie sich stellen müssen.
Die Allianz gegen Racial Profiling fordert zudem die Einrichtung von Meldestellen für Racial Profiling und Polizeigewalt. Darüber hinaus wird eine Monitoring-Stelle gefordert, um Fälle von Rassismus in Polizei und Justiz zu erfassen und öffentlich zu machen. 

https://www.stop-racial-profiling.ch/site/assets/files/1228/medienmitteilung_wa_baile_20_2_24_def.pdf

Danke an Mohamed Wa Baile für den jahrelangen Kampf.

Was geht ab beim Staat?

Albanien: Sieg der europäischen Externalisierungspolitik

Die Idee, das europäische Asylregime in sogenannte „Drittstaaten“ auszulagern, ist einen Sieg weiter. Das Parlament Albaniens gibt grünes Licht für den Deal mit Italiens faschistischer Präsidentin Meloni. 

In Italien wurde der Deal bereits gutgeheissen. Schon bald dürften also italienische Grenzpolizist*innen Personen, die sie auf See aufgreifen, direkt nach Albanien verschleppen.Das Asylverfahren bliebe ein italienisches, doch die Zeit bis zum Entscheid müssten die asylsuchenden Personen in Albanien verbringen. Bis zu 3.000 Personen sollen in zwei Camps festgehalten werden. Ein Aufnahmecamps ist in der Hafenstadt Shëngjin an der Adria geplant, ein zweites Camp in Gjadër.

Die Externalisierungspolitik ist ein älteres Projekt der Schengenstaaten. Was im Herzen der Festung gewünscht wurde, wird nun vom Rechten Rand aus implementiert.

https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-02/albanien-italien-gefluechtete-asyl-lager
https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-02/albanien-italien-gefluechtete-asyl-lager

https://www.srf.ch/news/international/migrationsdeal-italien-darf-auf-albanischem-boden-fluechtlingslager-bauen
https://www.derbund.ch/migrationsabkommen-albanien-stimmt-fuer-fluechtlingslager-deal-mit-italien-456359956496

Der Hafen von Shëngjin: Hier soll eines der beiden Lager für Migranten entstehen. © Adnan Beci/​AFP/​Getty Images

Wo gabs Widerstand?

Hanau ist überall – Gedenkdemos in 80 Städten

In Erinnerung an: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

#SayTheirNames
Das sind die Namen der neun Menschen, die am 19. Februar 2020 in Hanau Opfer eines rassistischen Attentats wurden. Çetin Gültekin – Gökan Gültekins Bruder – sagt: „Wir tragen eure Namen überall hin. Seit vier Jahren. Und wir werden keine Ruhe geben.“

Im Aufruf zur bundesweiten Gedenkdemonstration der Initiative 19. Februar Hanau heisst es weiter: „Jedes Jahr, jeden Monat, sagen wir 9 Namen und meinen alle Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. (…) Ihre Namen erinnern uns und fordern uns auf, den rassistischen Normalzustand im Alltag, in Behörden, Politik, Medien und in den Sicherheitsapparaten konsequent zu bekämpfen. Dieser Zustand ist der Nährboden, auf dem der Hass der Täter überhaupt erst gedeihen kann. (…) Rassistische Anschläge, wie am 19. Februar 2020, werden durch die strukturelle Inkompetenz und durch den Unwillen von Behörden weder verhindert noch aufgeklärt. Das ist das Zusammenspiel, das in den Anschlägen seine mörderische Folge findet und deswegen sind rechte Terrorakte niemals Einzeltaten. (…) Wir fordern ein genaues Zuhören und eine Solidarisierung mit den Betroffenen. (…) In Hanau und in vielen Städten setzen wir uns genau deshalb tagtäglich für eine lückenlose Aufklärung rechter, antisemitischer und rassistischer Morde und Gewalttaten ein. Für Gerechtigkeit und politische Konsequenzen. Für ein angemessenes Erinnern. Und vor allem: Für eine Gesellschaft, in der Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus nicht die Normalität sind, für niemanden. In der wir nicht auf den nächsten Anschlag warten, sondern sicher und gemeinsam leben können.“

Nach wie vor ist das Behördenversagen rund um das Attentat unzureichend aufgearbeitet:
Dass der Notruf der Hanauer Polizei in der Tatnacht teilweise unbesetzt war, dass der Notausgang am zweiten Tatort aufgrund regelmässiger rassistischer Razzien verschlossen war, dass viele der an den Tatort gerufenen SEK-Beamt*innen in rechtsextremen Chatgruppen aktiv waren. Dass der damalige hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) nicht zurückgetreten ist. Dass er den zuständigen Polizeipräsidenten Roland Ullmann kurz nach dem Attentat beförderte.
Dass ein Untersuchungsausschuss im Landtag erst auf Drängen der Angehörigen zustande kam. Im Dezember legte der Ausschuss seinen Abschlussbericht vor. Ajla Kurtović – die Schwester von Hamza Kurtovićs – kommentierte dazu: “642 Seiten voller behördlicher Fehler.“

In über 80 Städten gab es Gedenkveranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen:
Aachen, Ahrensburg, Aschaffenburg, Augsburg, Bad Nauheim, Bamberg, Berlin, Bernau, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bottrop, Braunschweig, Bremen, Chemnitz, Cottbus, Darmstadt, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt, Freiburg, Friedburg, Fulda, Gelsenkirchen, Graz, Görlitz, Göttingen, Hagen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Heusenstamm, Ingolstadt, Innsbruck, Jena, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Köln, Koblenz, Konstanz, Krefeld, Leipzig, Limburg, Lübeck, Lüneburg, Mainz, Mannheim, Marburg, München, Münster, Nürnberg, Oberhausen, Offenbach, Oldenburg, Osnabrück, Paderborn, Potsdam, Regensburg, Reutlingen, Rostock, Rosenheim, Saalfeld, Saarbrücken, Seligenstadt, Siegen, Stuttgart, Trier, Tübingen, Ulm, Villingen-Schwenningen, Waldheim, Weiden in der Oberpfalz, Weimar, Wien, Wiesbaden, Worms, Wuppertal. Auch auf Lebsos wurde Solidarität bekundet.

https://19feb-hanau.org/

Die Demonstration in Hanau, zu der 8.000 Menschen kamen, setze auch ein Zeichen gegen „die Normalisierung rassistischer Politik, gegen Vertreibung, Ausgrenzung und Gewalt.“

Familie von Qader B. erstattet Anzeige

Er habe es nicht verdient zu sterben: Die Familie von Qader B. hat eine Anzeige gegen die Waadtländer Polizei eingereicht. Auch die Kollektive Kiboko und Outrage verurteilen die tödliche Gewalt.

Die Familie des asylsuchenden Qader B​​​​​​​., welcher am 08.02 dreizehn Personen in einem Zug in der Nähe von Yverdon (VD) gefangen hielt, sieht seinen Tod als nicht gerechtfertigt an und hat Klage eingerreicht. So erklärt sein Bruder: ‚Wir unterstützen seinen Akt nicht, jedoch hat er nicht verdient, getötet zu werden‘. Die Familie fordert zudem eine Rückgabe seines Sarges. 

Auch die Kollektive Kiboko und Outrage verurteilen das Verhalten der Polizei. Sie verurteilen die einseitige Medienerstattung, welcher die Handlungen der Polizei als Selbstverteidigung darstellt und strukturelle Ungerechtigkeiten sowie das Leid der Angehörigen ignoriert. Es stellt sich die Frage, warum die Polizei nicht in der Lage war, den Mann ohne tödlichen Ausgang zu überwältigen – insbesondere angesichts des Fakts, dass er keine Schusswaffe besass. 

Sie fordern auf, das Geschehene kritisch zu hinterfragen und nicht nur in ‚Gut und Böse‘ zu unterteilen. So wird die Situation, die ihn zu so drastischen Mittel greifen liessen, überhaupt nicht beleuchtet. Die Gewalt, die das Asylsystem produziert, ist zwar verborgen, bleibt aber bei weitem nicht ohne Folgen. Die Asylverfahren und die Verwaltung in den Unterkünften entmenschlichen und isolieren die Menschen, die Asyl beantragen. Sie sind gezwungen, aus ihrem Land zu fliehen, um eine sicherere Zukunft zu haben, und sind täglich institutioneller Gewalt ausgesetzt. Die Asylverfahren werden beschleunigt und allzu oft ohne soziale und psychologische Betreuung durchgeführt, stattdessen wird die Verwaltung überwiegend von Sicherheitsbeamten übernommen. Dies ist der Kontext eines Systems, das dringend überdacht werden muss.

Oder in den Worten der Kollektive Kiboko und Outrage​​​​​​​ formuliert: “Angesichts der traurigen Geschichten von Polizeigewalt im Kanton Waadt, die die Namen Mike, Nzoy, Lamin und Hervé zu trauriger Berühmtheit gebracht haben, argumentieren wir, dass migrantische Personen […] zu abschiessbaren Körpern degradiert werden, obwohl sie in den Augen unseres Staates und seines rassistischen Systems bereits einschliessbare und vernachlässigbare Körper waren.”

https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/familie-des-geiselnehmers-von-yverdon-les-bains-erstattet-anzeige?urn=urn:srf:video:b21f7cba-7312-4f40-9c75-c85b3dead0af

Positionen von zwei Kollektiven aus der Romandie: https://renverse.co/infos-locales/article/drame-d-essert-sous-champvent-reaction-des-collectifs-kiboko-et-outrage-4355

Solidarität mit dem Arbeitskampf bei Presto!

Beitrag auf barrikade.info

Die Arbeiter:innen des Zeitungszustellers Presto AG befinden sich im Arbeitskampf. Sie fordern eine Lohnerhöhung von 19 auf 21 Fr. pro Stunde. Unterstützen wir sie und involvieren wir das ganze Quartier!

Die Frühzusteller:innen von Presto tragen bei Wind und Wetter die Tageszeitungen aus. Manche von Ihnen stellen den Wecker auf 2:30 Uhr. Dann bringen sie den Blick, den Bund, die NZZ oder das Tagblatt pünktlich ins Haus. Meistens arbeiten sie täglich nur sehr kurze Zeit und verdienen sich damit ein Zubrot von aktuell 19 Fr. pro Stunde.

Die Presto AG gehört der Schweizerischen Post. Der gelbe Riese bemüht sich nach aussen zwar um ein bevölkerungsnahes Image, kämpft hinter den Kulissen aber knallhart um die Profite im umkämpften Logistiksektor – auf Kosten der Arbeiter:innen.

Im April läuft der bestehende GAV aus. Die Arbeiter:innen fordern seit Längerem eine Erhöhung des Stundenlohns auf 21 Fr. und weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Presto weigert sich bisher hartnäckig, auf die Forderungen einzugehen. Doch die Arbeiter:innen wollen sich nicht mit billigen Kompromissen abspeisen und drohen mit dem Streik!

Im Verwaltungsrat von Presto sitzen auch die grossen Verlage. Darum ist zu erwarten, dass in den Zeitungen kaum ein Wort über den Arbeitskampf derjenigen stehen wird, die sie ausliefern. Es liegt an uns, die Forderungen der Presto-Zusteller:innen zu verbreiten und eine Solidaritätsbewegung aufzubauen. Beteiligt euch an der Aktionswoche der Solidarität vom 26.02.-03.03.!

https://barrikade.info/article/6315

Was steht an?

Und weitere Demos:

Freitag 8. März 18:30 Uhr De Wette Park Basel

Freitag 8. März 20:00 Uhr Steinberggasse Winterthur

Samstag 9. März 13:30 Uhr Paradeplatz Zürich

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Lettre juive à la CICAD
Lettre en réponse au communiqué et aux affirmations de la CICAD concernant la Campagne AFZ et à l’affirmation que l’antisémitisme et l’antisionisme c’est «exactement la même chose».
https://renverse.co/infos-locales/article/lettre-juive-a-la-cicad-4370

Geflüchtete in Brüssel: Der Staat kümmert sich nicht
Geflüchtete müssen in Belgien auf der Straße leben. Längst kämpfen Anwält*innen landesweit für Unterkünfte und Verpflegung
Frauen ohne Papiere haben in Brüssel ein Hotel besetzt, weil sie sonst obdachlos wären. Längst kämpfen Anwält*innen landesweit für Unterkünfte und Verpflegung.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180142.asylpolitik-gefluechtete-in-bruessel-der-staat-kuemmert-sich-nicht.html