Medienspiegel 25. Oktober 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation 090-2021 Walpoth (Bern, SP) Gesundheitsvorsorge bei Migrantinnen und Migranten im Kanton Bern.
https://www.rr.be.ch/rr/de/index/rrbonline/rrbonline/suche_rrb/beschluesse-detailseite.gid-476804ca4d8541e7a54e9ffe97a3367d.html


+++POLEN
Polen erhöht Zahl der Soldaten an Grenze zu Belarus
Etwa 10.000 Soldaten sollen an der EU-Außengrenze eingesetzt werden, hat Verteidigungsminister Błaszczak angekündigt. Langfristig plant Polen eine dauerhafte Befestigung.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-10/polen-belarus-grenze-migration-soldaten-flucht-mariusz-blaszczak


Humanitäre Krise droht in Grenzregion
Lage der über Belarus kommenden Flüchtlinge verschlechtert sich – Zivilgesellschaft ruft zum Handeln auf
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko versucht, aus dem Leid der Schutzsuchenden politisches Kapital zu schlagen. Tausende befinden sich erschöpft und frierend in den polnischen Grenzregionen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157972.fluechtlinge-humanitaere-krise-droht-in-grenzregion.html


+++EUROPA
Frontex und EuropolWie Geflüchtete digital verfolgt werden
EU-Agenturen raten, verstärkt Mobiltelefone von Asylsuchenden auszulesen und geben dazu Handreichungen. Apps zur Verschlüsselung oder Verschleierung von Standorten werden in einem neuen Bericht als „Gegenmaßnahmen“ zur Überwachung beargwöhnt.
https://netzpolitik.org/2021/frontex-und-europol-wie-gefluechtete-digital-verfolgt-werden/


EU-Asylpolitik zwischen Illusion und Abschreckung
Eine gemeinsame Strategie ist nicht in Sicht. Stattdessen setzen immer mehr Mitgliedsstaaten auf Rechtsbrüche, während andere Lösungsansätze rar sind
https://www.derstandard.at/story/2000130592756/eu-asylpolitik-zwischen-illusion-und-abschreckung?ref=rss


+++FREIRÄUME
Gemeinderatsantwort auf Interfraktionelle Interpellation GB/JA!, AL (Anna Leissing/Rahel Ruch, GB/Jemima Fischer, AL): Schützenmatte: Wann gibt es endlich Freiraum statt Parkplätze?
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-25-oktober-2021/interfraktionelle-interpellation-gbja.pdf/download


Gemeinderatsantwort auf Interpellation Eva Gammenthaler (AL)/Nicole Bieri (JUSO)/Simone Machado (GaP): Demontage der Bänke unter dem Baldachin oder Demontage von Floskeln der Regierungsparteien?
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-25-oktober-2021/interpellation-gammenthaler-demontage-der-banke.pdf/download


Gemeinderatsantwort auf Motion Tabea Rai (AL)/Jelena Filipovic (GB)/Zora Schneider (PdA)/Mohamed Abdirahim (JUSO)/Simone Machado (GaP): Keine Kommerzielle Werbung im Aussenraum; Revision von Reklamereglement und ggf. Bauordnung der Stadt Bern
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-25-oktober-2021/motion-rai-keine-kommerzielle-werbung-im.pdf/download


+++REPRESSION FR
Illegal über die Grenze geschafft
Die Ausweisung eines Journalisten durch französische Behörden im Jahr 2019 war rechtswidrig
Auf Grundlage von Informationen des Bundeskriminalamts durfte der Journalist Luc Śkaille 2019 nicht über den G7-Gipfel in Biarritz berichten. Er war damals festgenommen und mit Hand- und Fußfesseln zur deutsch-französischen Grenze gebracht worden – rechtswidrig, wie sich nun rausstellte.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158001.luc-%C5%9Bkaille-illegal-ueber-die-grenze-geschafft.html


+++SPORTREPRESSION
Nach Pyro-Skandal im Derby sucht die Schweiz nach Lösungen: Franzosen stellen faltbare Zäune vor die Fankurven
Zehn Jahre nach der Schande von Zürich ist der Letzigrund wieder Schauplatz von hässlichen Fanausschreitungen. Chaoten des FCZ werfen Pyros in den GC-Fansektor. Man ist fassungslos ob so viel Hirnlosigkeit.
https://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/nach-pyro-skandal-im-derby-sucht-die-schweiz-nach-loesungen-franzosen-stellen-faltbare-zaeune-vor-die-fankurven-id16932944.html
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/frust-nach-ausschreitungen-von-fcz-hooligans?urn=urn:srf:video:b007509d-cf59-4914-a73c-eafbc3c59c21
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/derby-ausartung-die-clubs-haben-die-kurven-nicht-im-griff-144133955
-> https://www.derbund.ch/jetzt-kommt-das-verbot-von-gaestefans-aufs-tapet-546074631546


+++KNAST
Masterplan Umsetzung Justizvollzugsstrategie: Gefängnisneubau: Begehung des möglichen Standortes Witzwil
Im Rahmen der vertieften Prüfung der beiden Standorte Witzwil und Prêles für den Bau einer neuen Vollzugseinrichtung im Raum Berner Jura-Seeland haben der Sicherheits- sowie der Wirtschafts-, Energie und Umweltdirektor zu einer Begehung der Domäne Witzwil eingeladen. Teilgenommen haben die Präsidentin und der Präsident der Gemeinden Gampelen und Ins sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Raumplanung, Landwirtschaft und Justizvollzug. Eine Begehung in Prêles ist ebenfalls vorgesehen.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2021/10/20211022_1554_gefaengnisneubaubegehungdesmoeglichenstandorteswitzwil


Regierungsratsantwort auf Interpellation 085-2021 Graber (La Neuveville, SVP) Wiedereröffnung des ehemaligen Jugendheims Prêles, um den Mangel an geschlossenen Vollzugsplätzen für jugendliche Straftäter aus der Westschweiz zu beheben?
https://www.rr.be.ch/rr/de/index/rrbonline/rrbonline/suche_rrb/beschluesse-detailseite.gid-d17113a58334493eb242c181166b5a3c.html


+++BIG BROTHER
Gesichtserkennung: Einführung durch die Hintertür – Echo der Zeit
Software zur Gesichtserkennung wird immer häufiger eingesetzt. Die Fraktion der Grünen im EU-Parlament versuchte herauszufinden, wie häufig. Die Bestandesaufnahme ist beunruhigend: Der staatliche Einsatz von Gesichtserkennungs-Software ist in Europa weiter verbreitet als vermutet.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/gesichtserkennung-einfuehrung-durch-die-hintertuer?partId=12077745


+++POLICE BE
«Free Mehdi»: Kundgebung gegen Polizeigewalt in Bern
Am Montagnachmittag versammelten sich drei Dutzend Menschen, um gegen eine umstrittene Festnahme im vergangenen Juni zu protestieren.
https://www.derbund.ch/kundgebung-gegen-polizeigewalt-in-bern-210753580125
-> Fotos: https://www.facebook.com/migrantsolidaritynetwork/photos/pcb.858711118175886/858710668175931/
-> Demoaufruf: https://migrant-solidarity-network.ch/2021/10/25/free-mehdi/


Gemeinderatsantwort auf Interfraktionelle Interpellation GB/JA!, AL/GaP/PdA (Lea Bill, GB/Eva Gamm-enthaler, AL): I can’t breathe – es reicht!
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-25-oktober-2021/interfraktionelle-interpellation-gbja-i-cant.pdf/download


+++POLIZEI ZH
«Verhalten schockiert mich» – Polizist überwältigt Mann mit Tritt in Bauch
Auf Whatsapp kursiert zurzeit ein Video eines Polizeieinsatzes in Zürich. In den Aufnahmen sieht man, wie einem Mann ein Schlag gegen den Bauch verpasst wird.
https://www.20min.ch/video/verhalten-hat-mich-schockiert-polizist-ueberwaeltigt-mann-mit-tritt-in-den-bauch-640468839798
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/brutalo-verhaftung-in-zuerich-hier-wird-ein-mann-mit-knie-kick-festgenommen-id16934922.html


+++POLIZEI CH
nzz.ch 25.10.2021

Die Tiger der Bundeskriminalpolizei geraten in der Affäre Berset ins Visier der parlamentarischen Aufsicht

Die Kritik an Polizeikräften des Bundes erhält ein neues Kapitel. Die Geschäftsprüfungskommission beider Räte überprüft die Beteiligung der Einsatzgruppe «Tigris» am Transport der Ex-Geliebten von Bundesrat Berset nach Bern.

Georg Häsler, Bern

Die Affäre Berset hat ein politisches Nachspiel: Am Montag haben die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) der eidgenössischen Räte eine Untersuchung angekündigt. Die GPK wollen wissen, ob sich der Bundesrat nach der Erpressung durch eine frühere Geliebte korrekt verhalten hat.

Zu diesem Zweck setzt die parlamentarische Aufsicht zwei Subkommissionen ein. Die eine soll abklären, ob bei der Bewältigung der Affäre Bundesmittel eingesetzt wurden. Die andere beschäftigt sich mit der Rolle der Einsatzgruppe «Tigris» bei der Polizeiaktion gegen die Frau.

Angehörige dieser Einsatzgruppe der Bundeskriminalpolizei waren anwesend, als eine Ermittlerin und ein Ermittler der Bundeskriminalpolizei die alleinerziehende Mutter in ihrem Zuhause ansprachen. Weil es sich bei der Erpressung um ein Delikt gegen einen Bundesrat handelte, war die Bundesanwaltschaft für den Fall zuständig. Nur sie und das Bundesamt für Justiz können «Tigris»-Einsätze auslösen.

Die Spezialkräfte im Taschenformat

Die Tiger spielen in der Affäre Berset zwar nur eine Nebenrolle, gehören aber zum Katalog der regelmässig wiederkehrenden Mysterien der Bundesverwaltung. Das Fedpol, sonst sehr weitschweifig im Storytelling, wird wortkarg, wenn es um «Tigris» geht.

Die Einsatzgruppe taucht weder im eidgenössischen Staatskalender noch auf der Website des Bundesamts für Polizei auf. Auch jüngste Anfragen der NZZ wurden sehr zurückhaltend beantwortet, jetzt herrscht – mit Verweis auf die laufende Untersuchung der parlamentarischen Aufsicht – totale Funkstille. Auch wie viele Einsätze «Tigris» 2020 geleistet hat, will das Fedpol nicht preisgeben.

Es war ein Artikel in der «Weltwoche», der 2009 zu einer ersten Überprüfung von «Tigris» durch die GPK des Ständerats (GPK-S) führte. Dank dem parlamentarischen Bericht von damals kennt man die wichtigsten Eckpunkte über Entstehung und Aufgaben der Tiger.

Am Anfang ihrer Gründung stand die sogenannte Effizienz-Vorlage, die das Parlament im Dezember 1999 verabschiedet hatte. Der Bund erhielt damit mehr Kompetenzen – unter anderem bei der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, der Geldwäscherei oder in Fällen von Korruption.

Dies führte in den 2000er Jahren zu einem personellen Ausbau der Bundeskriminalpolizei, der Gerichtspolizei der Bundesanwaltschaft. 2006 wurden die Verantwortlichen für Zielfahndung, Erstmassnahmen und Vorermittlungen zur Einsatzgruppe «Tigris» fusioniert. Die GPK beschreibt die Tiger in ihrem Bericht als «Schnittstelle zu Interventionseinheiten der Kantone und Städte».

Der Auftrag der Gruppe umfasst vor allem Massnahmen, die nicht von den kantonalen Polizeikorps übernommen werden können – dazu gehören unter anderem zeitkritische Festnahmen. «Tigris»-Angehörige instruieren die bewaffneten Kolleginnen und Kollegen des Fedpol zudem im Umgang mit deren Dienstwaffen.

Laut dem GPK-Bericht waren 2009 insgesamt vierzehn Bundespolizisten bei den Tigern eingeteilt. Diese Zahl hat sich dem Vernehmen nach bis heute nicht gross verändert. Die Ausrüstung von «Tigris» entspricht etwa dem Standard der kantonalen Interventionseinheiten. Es handelt sich bei den Tigern also um polizeiliche Spezialkräfte im Taschenformat. Doch der Mythos um sie wächst mit jedem Akt der Verschwiegenheit, der Geheimnistuerei.

Der «Sturm im Wasserglas»

In ihrem Artikel von 2009 beschrieb die «Weltwoche» «Tigris» als «schwerbewaffnete und millionenteure Kampfeinheit ohne politischen Auftrag, ohne transparentes Budget und ohne parlamentarische Kontrolle», die überdies von der Bundeskriminalpolizei «heimlich» aufgebaut werde. Das Fedpol reagierte damals mit einer Informationsoffensive. Das Schweizer Fernsehen durfte in der Kaserne Worblaufen mit einem «Tigris»-Mann drehen, der angab, einen Tiger tätowiert zu haben, entsprechend dem Logo der Gruppe.

Die GPK-S sah die Sache gelassener und sprach schliesslich von einem «Sturm im Wasserglas». Alle, die darüber hätten Bescheid wissen müssen, seien über den Aufbau von «Tigris» informiert gewesen – insbesondere die Kantone. Auch die gesetzlichen Grundlagen seien vorhanden: «allerdings in verschiedenen Erlassen verstreut».

Dieser Nebensatz weist auf die grundsätzliche Problematik der Truppe hin: Die polizeiliche Hoheit liegt bei den Kantonen. Der Bund hat ausser an der Landesgrenze mit dem Zoll und im Kriegsfall militärisch nur wenig Kompetenzen, die er mit bewaffneten Kräften erfüllen muss. Fast alles andere erledigen die kantonalen Korps.

Der lange Schatten der «Busipo»

Die Machtlosigkeit des Bundes galt lange auch im Fall eines Terroranschlags. Erst 2015, unter dem Eindruck der jihadistischen Gewalttaten des Islamischen Staats (IS) und der Kaida, wurde ein nationaler Führungsstab Polizei geschaffen. Dieser sollte die Zusammenarbeit unter den Kantonspolizeien koordinieren.

Auch die Armee spielt unterhalb der Kriegsschwelle keine Hauptrolle. Sie wird subsidiär eingesetzt. Am WEF in Davos unterstehen die Truppen des Bundes der Kantonspolizei Graubünden. Für den Einsatz der Infanteristinnen und Infanteristen, die während der ersten Welle der Pandemie diplomatische Einrichtungen in Genf bewachten, war die dortige Police internationale verantwortlich.

Die vergleichsweise schwache polizeiliche Macht des Bundes ist gewollt. Am 3. Dezember 1978 war die Errichtung einer Bundessicherheitspolizei vor dem Volk gescheitert. 56% der Stimmenden lehnten die Vorlage ab. Der damalige Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, Bundesrat Kurt Furgler, erlitt mit der «Busipo» eine krachende Niederlage.

Dieser politische Absturz einer Sicherheitspolizei, deren Schaffung im Parlament noch eine satte Mehrheit gehabt hatte, verhindert bis heute Bestrebungen, dem Bund stärkere Polizeikräfte an die Hand zu geben. Der Widerstand kam damals vor allem aus linken Kreisen. Sie befürchteten, die Sicherheitspolizei des Bundes würde zur Unterdrückung von Streiks und Demonstrationen eingesetzt, wie das Abstimmungsbüchlein die Position des Bundesrats paraphrasierte.

Wesentlich für die Ablehnung der Vorlage war aber wohl der Widerstand derjenigen, die in einer Polizeitruppe unter Führung des Bundes den Föderalismus in Gefahr sahen. Dabei wäre diese Sicherheitspolizei «aus Angehörigen kantonaler Polizeikorps gebildet worden, nach dem Baukastenprinzip», wie der Bundesrat damals in seinen Erläuterungen zur Vorlage schrieb: «Es wird somit weder eine neue noch eine stehende Polizeitruppe geschaffen.»

Die Taktik der Masse

Die Kritik, die die «Weltwoche» 2009 an «Tigris» äusserte, stand im Zusammenhang mit Nachwehen der Affäre um den 2006 zum Rücktritt gedrängten Bundesanwalt Valentin Roschacher. Der Artikel wies prominent auf die Verbindungen damaliger Exponenten der Bundeskriminalpolizei zu Roschacher hin. Der Reflex, bei einer Einsatzgruppe der Polizei genau hinzuschauen, darf aber auch in die Tradition der «Busipo»-Kritik eingeordnet werden.

Die öffentliche Berichterstattung hatte Folgen: «Tigris» wurde nicht weiter ausgebaut. Jedenfalls muss die Truppe heute offenbar nur wenige Hochrisikoaufträge ausführen. Deshalb werden die Tiger auch bei Routineeinsätzen zur Unterstützung der Bundesanwaltschaft eingesetzt: beispielsweise dann, wenn es darum geht, die Ex-Geliebte eines Bundesrats zur Befragung nach Bern zu eskortieren.

Ob der Einsatz von «Tigris» gerechtfertigt war, wird die Untersuchung der GPK zeigen. Doch es gibt gute Gründe für den Beizug der Gruppe. Auch scheinbar harmlose Situationen können eskalieren – etwa dann, wenn sich Dritte einmischen. Mehr Leute bedeutet in den meisten Fällen weniger Gewalt. Allerdings ging die Einsatzleitung offenbar nicht von einer grossen Gefahr aus: Die Tiger trugen laut «Weltwoche» Zivilkleidung.

Der Einsatz der Gruppe «Tigris» ist nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens als Courant normal zu bewerten. Die Tiger spielten wohl nur eine Nebenrolle. Dennoch wird ihr Name in Bern nur noch mit einem Augenzwinkern genannt. Alain Berset pflegte nämlich im Mail-Austausch mit seiner damaligen Geliebten den Absender «Alain Tigrillo» zu verwenden.
(https://www.nzz.ch/schweiz/die-tiger-der-bundeskriminalpolizei-geraten-in-der-affaere-berset-ins-visier-der-parlamentarischen-aufsicht-ld.1651927)


+++POLIZEI DE
Internationale Pressekonferenz der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Neue Erkenntnisse im Fall Oury Jalloh:
Originalgetreue Rekonstruktion des Tatortes Zelle 5 / Polizeirevier Dessau
Am Mittwoch, 3.11.2021 zwischen 10 und 11 Uhr veröffentlichen wir in Berlin ein neues Gutachten des britischen Brandexperten Iain Peck im Fall von Oury Jalloh.
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2021/10/24/internationale-pressekonferenz-der-initiative-in-gedenken-an-oury-jalloh/


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Klage gegen Frontex, Demo gegen polnische Grenzpolitik, Protest gegen Inhaftierungen in Lybien
https://antira.org/2021/10/25/klage-gegen-frontex-demo-gegen-polnische-grenzpolitik-protest-gegen-inhaftierungen-in-lybien/


Bei Corona spielt die Hautfarbe eine Rolle – aber nicht so wie Sie denken
Dass Afroamerikaner ein höheres Risiko für schwere Corona-Verläufe haben als Europäer, hat nichts mit ihren Genen zu tun. Und was in Amerika für Afroamerikaner gilt, gilt in der Schweiz teilweise für Migranten.
https://www.tagblatt.ch/leben/covid-19-bei-corona-spielt-die-hautfarbe-eine-rolle-ld.2204953


Rassistischer Rentner sprüht Eritreer grundlos mit Pfefferspray frontal ins Gesicht
In der Stadt St.Gallen hat ein 78-jähriger Schweizer im Juli einen eritreischen Clubbesitzer mit einem Pfefferspray angegriffen und übel beschimpft. Gegen den Strafbefehl wegen Tätlichkeiten, der Beschimpfung und des Aufrufs zu Rassendiskriminierung hat der Mann Rekurs eingelegt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/rassismus-rassistischer-rentner-sprueht-eritreer-grundlos-mit-pfefferspray-frontal-ins-gesicht-ld.2204931


+++RECHTSPOPULISMUS
Wüten gegen die Städte: Die SVP ist auf dem Kriegspfad
Die Partei läuft Sturm gegen Regierung und grosse Städte – und applaudiert dem Bundespräsidenten.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/wueten-gegen-die-staedte-die-svp-ist-auf-dem-kriegspfad-id16931313.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
DER KAMPF GEGEN RECHTS IST NICHT UMSONST!
Seit 30 Jahren beobachtet das apabiz die extreme Rechte und ihre rassistischen, antisemitischen und neonazistischen Ideologien. Es ist das umfangreichste Archiv dieser Art – und es ist so viel mehr: Die systematische Auswertung und Aufarbeitung des gesammelten Materials sind unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen rechts, sie machen die Sammlung für Forschung, Wissenschaft, Medien und die Zivilgesellschaft nutzbar.
https://auf-dauer.apabiz.de/


14 Merkmale des Ur-Faschismus nach Umberto Eco
Woran erkennt man ein faschistisches System? Heutzutage werden viele diktatorische Regime und politische Parteien als faschistisch bezeichnet.
https://www.pressenza.com/de/2017/10/14-merkmale-des-ur-faschismus-nach-umberto-eco/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Falschinformationen in Zeiten der Pandemie – Rendez-vous
Die Corona-Pandemie hat sich auch auf den öffentlichen Diskurs ausgewirkt. Behauptungen und Falschinformationen sind heute deutlich weiter verbreitet, als vor der Pandemie. Dabei spielen vor allem die Social-Media-Plattformen eine wichtige Rolle. Dies zeigt das neuste Jahrbuch zur Qualität der Schweizer Medien.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/falschinformationen-in-zeiten-der-pandemie?partId=12077595
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/qualitaet-der-medien-fake-news-haben-hochkonjunktur-auch-wegen-der-pandemie


Neuenburger Sektion kassiert Rüffel von nationaler Partei: Mitte-Politiker verbreiten Corona-Fake-News
Die Präsidentin der Mitte Neuenburg und ihr Parteisprecher machen mit corona-skeptischen Aussagen auf sich aufmerksam. Der nationalen Partei passt das nicht.
https://www.blick.ch/politik/neuenburger-sektion-kassiert-rueffel-von-nationaler-partei-mitte-politiker-verbreiten-corona-fake-news-id16934037.html


Propaganda im Schaufenster: Skeptiker-Beck sorgt für Aufregung in Winterthur
Zwei Filialen einer Winterthurer Traditionsbäckerei sorgen mit Corona-skeptischen Aussagen für Aufregung. Der Inhaber wettert gegen Masken und die Impfung. Für die Missachtung der Maskenpflicht hat es auch schon Bussen gehagelt.
https://www.blick.ch/wirtschaft/corona-skepsis-im-schaufenster-schwurblerbeck-sorgt-fuer-aufregung-in-winterthur-id16934738.html
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/baecker-in-winterthur-macht-werbung-gegen-die-corona-massnahmen-144133971


Desinformation bei den deutschen Bundestagswahlen – Echo der Zeit
Gemäss einer Umfrage machen sich rund 50 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Sorgen über die Verbreitung von Falschinformationen. Gespräch mit Julia Smirnowa. Sie ist Analystin beim «Institute for Strategic Dialogue» und hat unter anderem die Desinformation im deutschen Bundestagswahlkampf untersucht.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/desinformation-bei-den-deutschen-bundestagswahlen?partId=12077763



derbund.ch 25.10.2021

Organisatorin der Covid-Demo: Grün und gegen das Covid-Gesetz

Die Berner Stadträtin Simone Machado kämpft an vorderster Front gegen das Covid-Gesetz. Warum tritt sie zusammen mit Freiheitstrychlern und SVP-Politikern auf?

Sophie Reinhardt

Im Berner Stadtparlament sitzt sie ganz links aussen, die grün-alternative Stadträtin Simone Machado. An den Covid-Demonstrationen trägt sie ein SVP-Anliegen mit, die Kritik am Covid-Gesetz. Die 52-jährige Juristin hat die Samstagsdemo im Namen der Freien Linken Schweiz mitorganisiert. Dort trat sie auch auf der Bühne auf, wo sie sich in ihrer Rede gegen das «Zertifikat, Diskriminierung und Massenüberwachung» aussprach. Sie sei gegen das Zertifikat, nicht aber gegen sämtliche Massnahmen, sagt Machado auf Nachfrage.

Was sagen ihre grünen Kollegen im Parlament zu ihrem Engagement in dieser Sache? In ihrer kleinen grünen Splitterpartei, der GaP, trägt man Machados Haltung mit, ihre Partei empfiehlt die Stimmfreigabe bei der Abstimmung über das Covid-Gesetz am 28. November. Auch GaP-Urgestein Luzius Theiler war an der bewilligten Manifestation am Wochenende dabei, wie er auf Anfrage bestätigt. Es habe dort «eine gute Stimmung» geherrscht.

Keine grüne Einigkeit

An der Delegiertenversammlung der nationalen Grünen Partei sprach sich Machado ebenfalls für die Stimmfreigabe zum Covid-Gesetz aus – und scheiterte damit krachend. Die Grüne Partei empfiehlt das Covid-Gesetz zur Annahme, dies wird voraussichtlich auch die Grüne Freie Liste an ihrer Delegiertenversammlung am Mittwoch beschliessen, sagt Tanja Miljanović, Co-Präsidentin der GFL. Beim Grünen Bündnis heisst es, es gebe keinen Grund, das Gesetz abzulehnen. Zudem wolle man keinesfalls gemeinsam mit Rechten, Verschwörungstheoretikern und Freiheitstrychlern an einer Veranstaltung auftreten.

Machado entgegnet, dass es sich bei der Veranstaltung vom Wochenende keineswegs um eine Demonstration von Anhängern kruder Verschwörungstheorien handelte – auch wenn unter den Tausenden Demo-Teilnehmern wohl auch einige von «rechts aussen» teilnahmen. Doch sie widerspricht, dass die Kritik am Covid-Gesetz ein SVP-Anliegen sei und sie sich mit den Rechten verbündet habe: «Die Demonstration ist vor allem von Bürgerorganisationen wie dem ‹Aktionsbündnis Urkantone› organisiert worden.» Zudem sei das «Verteidigen der Grundrechte» eine der wichtigsten Anliegen der GaP.

Machado sagt denn auch, dass es durchaus Linke und grüne Kritiker der staatlichen Massnahmen gebe – sie würden nur nicht laut auftreten. Sie hat trotzdem keine Berührungsängste mit «der Basis der SVP», präzisiert sie. Davon zeugen auch zahlreiche Vorstösse im Stadtparlament, welche sie gemeinsam mit der Rechtspartei einreichte.

Zusammenarbeit mit rechts

Machados Kampfgeist ist gross: Mitte April reichte sie beim Bundesgericht eine Beschwerde ein gegen die im Februar vom Regierungsrat beschlossene Beschränkung der Anzahl Demo-Teilnehmer auf fünfzehn – und bekam recht.

Lob für ihr Engagement in Sachen Corona-Politik erhält Machado denn auch von rechts: «Wir arbeiten punktuell immer wieder sehr gut mit ihr zusammen, etwa bei Baugeschäften wie beim Widerstand gegen die Planung Hirschengraben oder das gefährliche Velofahren auf den Trottoirs», so Alexander Feuz, Fraktionspräsident der SVP im städtischen Parlament. Während man bei der Kritik der Wachstumspolitik des Gemeinderats eine gemeinsame Haltung finde, habe man aber etwa bei der Reitschule oder der Steuerpolitik eine diametral entgegengesetzte Haltung, sagt Feuz.
(https://www.derbund.ch/gruen-und-doch-gegen-das-covid-gesetz-336827880750)


+++HISTORY
Protest in der Baggerschaufel
Vor 30 Jahren protestierten die beiden Gruppierungen ARNA und GONA zusammen gegen den Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen. Der Bau konnte nicht direkt gestoppt werden und doch wurde vieles erreicht. Eine Spurensuche.
https://www.saiten.ch/protest-in-der-baggerschaufel/


Wie die Südstaaten mit ihrer Vergangenheit umgehen
Schauplatz ist eine Hafenstadt in den USA: Über ein Drittel aller Sklavinnen und Sklaven setzten in Charleston, South Carolina erstmals einen Fuss auf US-amerikanischen Boden. Die ganze Stadt wurde auf Grundlage der Sklavereiwirtschaft errichtet, darum prosperierte sie auch gut 200 Jahre lang. Noch jetzt findet man dutzende Herrschaftsvillen, in denen Sklavinnen und Sklaven arbeiten mussten und natürlich war auch die Landwirtschaft um Charleston herum geprägt gewesen von unbezahlter Arbeit.
Unser Kollege in New York, Max Böhnel, ging in der Stadt in South Carolina auf Reportage. Er wollte herausfinden, wie die USA ihre dunkle Vergangenheit aufarbeiten. Was wird in de Schule gelehrt? Und wie berichten Museen und die Menschen vor Ort darüber?
https://rabe.ch/2021/10/25/wie-die-suedstaaten-mit-ihrer-vergangenheit-umgehen/


Gedenktafel für dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte eingeweiht
Im Hof des Basler Rathauses ist am Montag eine Gedenktafel für die Opfer von Fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen bis 1981 enthüllt worden.
https://telebasel.ch/2021/10/25/gedenktafel-fuer-dunkles-kapitel-der-schweizer-geschichte-eingeweiht
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/fuersorgerische-zwangsmassnahmen-gedenkanlass-in-basel-stadt?urn=urn:srf:video:4378338b-0f95-4e34-a825-27a05b171f21
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt-wir-sassen-alle-einmal-weinend-und-wartend-auf-einer-treppe-mahnmal-erinnert-an-leiden-der-verdingkinder-ld.2205762
-> https://www.bazonline.ch/gedenktafel-fuer-betroffene-von-fremdplatzierungen-in-basel-622333712550


Medikamententests: TG-Politiker fordern Entschädigung
https://www.tvo-online.ch/aktuell/medikamententests-tg-politiker-fordern-entschaedigung-144133677


Basel hat keinen Bührle, aber …
In Zürich hat es der Erweiterungsbau des Kunstmuseums, der die Sammlung des umstrittenen Kriegsgewinnlers Emil Bührle beherbergt, bis in die «New York Times» geschafft. Nicht eben positiv. Mit dem Finger darauf zeigen, sollte man als Basler*in aber nicht.
https://bajour.ch/a/Na7uk51bLNXQfrzA/raubkunst-und-das-basler-kunstmuseum


+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 25.10.2021

«Ich war der Einzige, der an mich geglaubt hat»: Wie ein ehemaliger Asylsuchender aus St.Gallen Flüchtlingen das Leben erleichtern will

Der Grüne Jeyakumar Thurairajah greift in einer Interpellation ein Thema auf, das ihn selber beschäftigt hat: Warum arbeiten nicht mehr vorläufig Aufgenommene als Pflegehilfen? Mit der Antwort des Stadtrates ist er unzufrieden. Ihm fehlen Vorschläge für konkrete Massnahmen.

Diana Hagmann-Bula

«Ich war der Einzige, der an mich geglaubt hat.» So beschreibt Jeyakumar Thurairajah seine ersten Jahre in der Schweiz. Ein Leben in Sicherheit, versprach er sich hier. Heimweh, die Sehnsucht nach seiner Familie und seinen Freunden, das nahm er im Gegenzug hin. Nicht aber, dass ihm niemand etwas zutraut.

Thurairajah war 18 Jahre alt, als er 1988 aus seiner Heimat Sri Lanka flüchtete. Damals tobte dort der Bürgerkrieg. Thurairajah verliess das Land per kleinem, vollgestopften Boot nach Indien, dann flog er weiter in die Schweiz.

Nicht nochmals Kraft dafür

Heute ist Thurairajah 50 Jahre alt und hier daheim. Aus dem Flüchtling ist ein Vater, Ehemann, diplomierter Pflegefachmann und Politiker geworden. Er sitzt seit 2014 für die Grüne Partei im Stadtparlament und hat Ende September eine Interpellation eingereicht, die vorläufig Aufgenommenen helfen soll, den gleichen Weg wie er zu gehen. Nur leichter. «Ich weiss nicht, woher ich damals die Kraft für meine Integration bekommen habe. Noch einmal hätte ich sie nicht.»

In der Interpellation erkundigen sich Jeyakumar Thurairajah, Jürg Brunner (SVP), Magdalena Fässler (GLP) und Rebekka Schmid (Junge Grüne) sowie 33 Mitunterzeichnende, welche Möglichkeiten der Stadtrat sehe, um vorläufig Aufgenommene als Pflegehilfskräfte zu rekrutieren. Thurairajah ist mit der Antwort des Stadtrates unzufrieden. «Weil er darin keine konkreten Massnahmen aufzeigt», sagt er. Der 50-Jährige verwendet ausgewählte Wörter, muss im Gespräch kein einziges Mal nachfragen. «Dennoch habe ich mir die Antwort auf die Interpellation von einem Parlamentskollegen inhaltlich übersetzen lassen müssen», sagt er.

Im Fachjargon antwortet der Stadtrat auf die Fragen rund um ein sehr menschliches Thema. Zurzeit würden 382 vorläufig aufgenommene Personen und 737 anerkannte Flüchtlinge in der Stadt St.Gallen leben, schreibt er. Die Sozialen Dienste würden regelmässig mit diesen Personen in Kontakt stehen und die Integrationsarbeit koordinieren. Ein wichtiger Partner sei dabei die Regionale Potenzialabklärungs- und Arbeitsintegrationsstelle (Repas) des Trägervereins Integrationsprojekte St.Gallen (TISG). Auch mit weiteren Akteuren wie Sprachschulen sowie Anbietern von Massnahmen beruflicher und sozialer Integration werde zusammengearbeitet. «Entwickelt sich im Integrationsprozess das berufliche Ziel einer Anstellung im Pflegebereich, kann gezielt an der Erreichung gearbeitet werden. Es gibt dafür bestehende Angebote für diese Zielgruppe, die über die Integrationspauschale refinanzierbar sind.»

«Hohe Anforderungen, wenig potenzielle Teilnehmerinnen»

Es sei unbestritten, dass im gesamten Pflegebereich Fachkräfte gesucht würden und es dringend nötig sei, auf allen Stufen Personal auszubilden, zu fördern und zu stärken, so der Stadtrat weiter. Es sei jedoch herausfordernd, die für die Ausbildung nötigen Voraussetzungen zu erreichen, anschliessend auf dem Stellenmarkt zu bestehen und eine Anstellung zu bekommen. «Die hohen Anforderungen und Erwartungen des Arbeitsmarktes reduzieren den Kreis potenzieller Teilnehmerinnen und Teilnehmer beträchtlich», schreibt der Stadtrat. Zu Beginn seiner Antwort listet er auf, welche Voraussetzungen Pflegehelferinnen und Pflegehelfer für den entsprechenden Kurs des Schweizerischen Roten Kreuzes mitbringen müssten. Flexibilität und Teamfähigkeit, Bereitschaft zum Selbststudium, körperliche und psychische Gesundheit. Aufgrund der Erfahrungen der Sozialen Dienste der Stadt St.Gallen sei es darüber hinaus wichtig, dass interessierte Personen einen ersten Einblick in den pflegerischen Bereich genommen hätten. Und: Deutschkenntnisse mündlich müssten zumindest auf Niveau B2, schriftlich auf Niveau B1 liegen. Thurairajah meint: «Zu hoch angesetzt.»

Er habe Niveau B1 noch nicht erreicht gehabt und dennoch eine zweijährige Lehre zum Pflegeassistenten absolviert, sich an der Höheren Fachschule zum Pflegefachmann ausbilden lassen und zwei Jahre Führungsausbildung abgelegt – «ohne ein Jahr zu wiederholen».

Immer wieder an die Türe geklopft

49 Personen hätten im Schuljahr 2019/2020 ein Qualifizierungsprogramm, eine Integrationsvorlehre oder den Pflegehelferinnenkurs besucht, fünf Personen aus der Stadt waren darunter. Im Schuljahr 2020/2021 waren es acht Personen aus der Stadt, im laufenden Jahr neun. Die Kurse seien auf längere Zeit ausgebucht, stellten die Interpellanten fest und erkundigten sich nach zusätzlichen Kursen. Der Stadtrat meint: «Das Kursangebot wird aufgrund der Nachfrage bestimmt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine (zusätzliche) Finanzierung durch die Stadt als nicht sachgerecht.»

«Sie dürfen in der Reinigung und in der Gastronomie arbeiten», sagten die Zuständigen zu Thurairajah, kurz nachdem er in der Schweiz eingetroffen war. So begann er als Tellerwäscher, arbeitete elf Stunden am Tag, «in einem schlechten Klima», wie er sagt. Die Stelle gefiel ihm nicht, er wechselte in die Reinigung im Kantonsspital. Fünf Jahre lang war er im Putzdienst tätig, lernte abends in Kursen Deutsch, tagsüber bei der Arbeit aber Italienisch und Portugiesisch. «Wir Flüchtlinge waren im Putzdienst unter uns. Ich wollte die Abteilung wechseln, um mit Menschen zu tun zu haben, die Deutsch reden.» Immer wieder klopfte er beim Personalwesen an, immer wieder hiess es: keine Chance. «Ich habe trotzdem nicht aufgegeben.» Eines Tages zahlt sich sein Wille aus. Er bekommt eine Hilfsstelle auf der Dialyse, «einer Abteilung mit alten Maschinen und schwerem Material». Thurairajah hilft den diplomierten Pflegefachleuten, grosse Kanister zu schleppen, bringt Patientinnen und Patienten Tee, spricht ihnen gut zu. «Da habe ich zum ersten Mal erfahren, dass man mich in der Schweiz als Mensch schätzt.»

Eine Aufenthaltsbewilligung hat Thurairajah zwar noch nicht. Dennoch darf er sich während zweier Jahre zum Pflegeassistenten ausbilden lassen. Einzige Bedingung: Er muss mit seiner Unterschrift bezeugen, dass er die Schulung sofort abbricht, falls er einen negativen Asylentscheid erhalten sollte. Bekommt er nicht. Sieben Jahre nach seiner Ankunft in der Schweiz gilt Thurairajah als aufgenommen, seit 2011 ist er Schweizer Bürger, vor ein paar Monaten hat er erstmals seinen Pass erneuern lassen müssen. Dankbar sei er dafür, sagt er.

Wärme geben, die Hand halten

Und erzählt von Bekannten, denen es weniger gut ergangen ist. Von einem Iraner, einem Arzt, der hier auf dem Markt Mangos verkaufen musste. Von einem Mann aus Ex-Jugoslawien, der wegen der Flucht sein Medizinstudium abgebrochen hat, und nun als Handwerker Geld verdient. «Sie hätten hier in der Schweiz zumindest Pflegehelfer sein können. Damit wäre beiden Seiten gedient: den Neuankömmlingen und der Pflegebranche mit ihrem Fachkräftemangel. Wir müssen die Branche entlasten.» Mit den Patienten spazieren gehen, statt sie im Bett liegen zu lassen, ihnen die Hand halten und einfach da sein, statt unter Zeitdruck Medikamente abfüllen zu müssen: Arbeiten, für die kein perfektes Deutsch nötig sei, sondern Zuwendung, sagt Thurairajah. «Wärme ist Wärme. Flüchtlinge können sie sogar besser geben, weil sie selber Beziehung brauchen. Sie vermissen ihre Familie.»

Sagt er und betont, dass er seine Patienten stets so liebevoll gepflegt habe, als wären es seine eigenen Eltern. «Das haben diese Menschen und meine Vorgesetzten gespürt.»

Obwohl man ihm im Kantonsspital die Zulassung zur Ausbildung als Pflegefachmann zugesagt hat, kommt es nach einem Wechsel in der Personalabteilung trotzdem nicht dazu. Doch Thurairajah will weiterkommen. Er wechselt in ein Altersheim, muss dort zehn Prozent seines Lohnes als «Ausbildungspauschale» abgeben. Dafür klappt es mit dem Lehrgang. Nachts putzt er nebenbei in Firmen und liefert Pizzas aus, um seine Familie durchbringen zu können. Niveau DN1 genügt, heisst es plötzlich auch hier. Doch Thurairajah will mehr, er wechselt ins Blindenheim, leitet eine Abteilung und geht weiterhin an die Höhere Fachschule. Später besucht er einen Führungslehrgang, beginnt sogar den Bachelor. Er bricht ihn ab, «weil das Geld und die Zeit mit den Kindern knapp wurde». Schliesslich ist er nun auch Stadtparlamentarier, leitet eine Jugendriege und betreut den Verein Nalavalu, in dem sich schweizweit Gesundheitspersonal mit tamilischem Hintergrund vernetzt.

Anerkennung und Dankbarkeit als Lohn

Heute arbeitet er wieder am Kantonsspital. Nicht mehr als Hilfe, sondern als diplomierter Pflegefachmann. Sri Lanka vermisst er kaum. «Das Leben, in dem ich dort unbeschwert mit meinen Geschwistern gespielt habe, gibt es nicht mehr.» Seit der Flucht ist Thurairajah nie mehr in die Heimat zurückgekehrt.

Thurairajah hat sich sogar an den Nebel und den Winter in der Schweiz gewöhnt. Beides machte ihm anfänglich zu schaffen. Er sagt: «Ich weiss nun, wie ich mich anziehen muss, um auch im Schnee joggen gehen zu können. Man trifft mich privat eher im Wald als in der Innenstadt.»

Minderwertigkeitskomplexe hat er keine mehr, wie er betont. Doch es gibt sie, die Rückschläge. Etwa, wenn er, wie in letzter Zeit, vermehrt Rassismus erfahren muss. In jenen Momenten tröstet ihn der Gedanke, wie viel er seit der Einreise erreicht hat. Dass er Tochter und Sohn eine schöne Kindheit geboten hat, ihnen eine gute Ausbildung ermöglicht. Sie studiert Internationales Management, er besucht die Informatikmittelschule. Seine Frau lässt sich gerade zur Fachfrau Gesundheit ausbilden. «Ich konnte sie mit meinem Wissen und Netzwerk unterstützen.»

Ende Monat liege noch immer nicht viel Geld auf seinem Konto, sagt er. Und doch sei er reich. «Was immer übrig bleibt, sind Anerkennung und Dankbarkeit.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/asylwesen-ich-war-der-einzige-der-an-mich-geglaubt-hat-wie-ein-ehemaliger-asylsuchender-aus-stgallen-fluechtlingen-das-leben-erleichtern-will-ld.2204200)