Was ist neu?
Corona kennt keine Grenzen, die offizielle Schweiz schon
Bereits in der vergangenen Woche hat der Bundesrat Beschränkungen für die Einreise auf dem Landweg und für den Luftreiseverkehr aus Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich und Spanien und allen Nicht-Schengen-Staaten beschlossen. Nun werden die verschärften Einreisevoraussetzungen auch gegenüber sämtlichen verbleibenden Schengen-Staaten mit Ausnahme des Fürstentums Liechtenstein angewendet. Die Schweiz hat also geschlossene Grenzen, die zusätzlich von der Armee mit Militärpolizist*innen und einem Milizbataillon gesichert werden. Bewaffnet versteht sich. Die offizielle Schweiz legitimiert ihr Vorgehen damit, dass die Ausdehnung der Einreisebeschränkungen auf alle Länder dem Prinzip der Gleichbehandlung Rechnung tragen würde. Das Prinzip der Gleichbehandlung mag vielleicht gegenüber Staaten gelten, doch gegenüber Menschen verschiedener Herkunft hat sich die Ungleichheit vor der Grenze nochmals verstärkt. Denn gewisse Menschen dürfen die Grenze passieren, gewisse nicht. Wer im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz ist, wer eine Arbeitsbestätigung in der Schweiz hat oder wer sich in einer Situation absoluter Notwendigkeit befindet, darf trotzdem einreisen. Menschen auf der Flucht befinden sich in den Augen der offiziellen Schweiz irgendwie nicht einer Situation absoluter Notwendigkeit. Sie werden an der geschlossenen Grenze abgewiesen, um die „Schweizer Bevölkerung zu schützen“, während privilegierte Schweizer-Tourist*innen mit nie dagewesenen Rückholaktionen in Sonderflügen zurück in die Schweiz geflogen werden. Letzte Woche hat ein erster Flug die Schweiz in Richtung Costa Rica verlassen. Aktuell ist eine Airbus A-340 von Edelweiss mit Ziel Kolumbien unterwegs. In den nächsten Wochen plant das EDA dutzende zusätzliche Flüge nach Lateinamerika, Asien und Afrika. Schon mal dran gedacht, Menschen mit Sonderflügen aus den libyschen Lagern zu holen? Oder aus dem Hotspot-Camp auf Lesbos?
Auch Deutschlands Innenminister Seehofer hat die Einreisebeschränkungen an den deutschen Grenzen auf Asylsuchende ausgedehnt. Menschen auf der Flucht werden ab sofort auch an der deutschen Grenze abgewiesen, wenn sie ein Asylgesuch stellen wollen. Für die Rechtmässigkeit der geschlossenen Grenzen berufen sich die Staaten auf Art. 20 der Dublin-Verordnung. Da heisst es, dass jener Staat für die Prüfung eines Asylgesuches zuständig ist, auf dessen Hoheitsgebiet sich die Person befindet. Wenn also die Schweiz Asylsuchende bereits an der Grenze zurückweist, befinden sich diese noch auf dem Staatsgebiet der umliegenden Staaten und müssen dort ein Asylgesuch stellen. Die schweizerische Flüchtlingshilfe widerspricht dieser Haltung des Bundes und hält das Vorgehen für völkerrechtswidrig. Asylsuchende an der Grenze abzuweisen, ohne ihnen den Zugang zu einem Asylverfahren zu gewähren, verstösst gegen zwingendes Völkerrecht und gegen die Dublin-Verordnung. Das Deutsche Institut für Menschenrechte gibt der Flüchtlingshilfe recht. Laut ihnen setzt sich die offizielle Schweiz während Corona über Völkerrecht und Dublin hinweg, was von Betroffenen grundsätzlich eingeklagt werden kann. Nicht vergessen werden sollte auch, dass für staatliche Politik oft gilt: Was mal aufgebaut wurde, wird so schnell nicht wieder abgebaut. Erinnern wir uns z.B. an Frankreich, wo der Ausnahmezustand nach den Terroranschlägen von 2015 über zwei Jahre andauerte und dann auch nur beendet wurde, weil er von ähnlich restriktiven Anti-Terror-Gesetzen abgelöst wurde. Wie wird das mit den Grenzen aussehen? Wird der Bund irgendwann in den nächsten Wochen entscheiden, dass die „Krise“ nun vorbei ist und die Grenzen wieder geöffnet werden? Oder wird er vielleicht eher entscheiden, dass sie erstmal für Schengen-Staaten geöffnet werden und so gegen Winter dann vielleicht auch wieder für Personen aus Drittstaaten? Oder eher so in zwei Jahren, weil ja immer noch ein klitzekleines Risiko für die Bevölkerung bestehen könnte? Wie dem auch sei, nebst der Tatsache, dass die Abweisung von Asylsuchenden gegen internationales Recht verstösst, fordern wir aus einer antinationalistischen und antirassistischen Perspektive eine sofortige Öffnung der Grenzen, zumindest für Menschen auf der Flucht. Denn genauso wie sich wohl in den Augen des Bundes die schweizer Tourist*innen irgendwo in Peru in einer Situation absoluter Notwendigkeit befinden, befinden sich sämtliche Menschen auf der Flucht in einer Situation absoluter Notwendigkeit.
https://www.srf.ch/news/schweiz/asylrecht-in-der-coronakrise-ist-das-vorgehen-der-schweiz-rechtens
https://www.afp.com/de/nachrichten/3966/focus-asylbewerber-werden-deutschen-grenzen-wegen-corona-krise-abgewiesen-doc-1q78am4
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78550.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78563.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78599.html
Griechische Marine verbietet Monitoring-Arbeit der Mare Liberum
Eine neue Verordnung der griechischen Behörden verbietet Sportbooten, sich auf der Ägais zwischen Griechenland und der Türkei zu bewegen. Fischerboote, Handelsschiffe und natürlich Militärboote dürfen weiterhin fahren. Begründet wird das Verbot mit der Einrichtung einer militärischen Sperrzone, in der aktuell Militärübungen durchgeführt würden. Das einzige Sportboot, das sich um diese Jahreszeit in der Region bewegt, ist die Mare Liberum. Das zivile Seenotrettungsschiff ist vor Ort, um staatliche Gewalt gegen Geflüchtete auf dieser Fluchtroute zu dokumentieren. Davon gab es in den vergangenen Wochen zuhauf. Zentraler Akteur: Das griechische Militär. Es wurde beispielsweise gefilmt, wie von Schiffen der griechischen Küstenwache aus die Schläuche der Boote mit Geflüchteten darauf zerschnitten wurden. Auch zahlreiche Push-backs wurden dokumentiert. Ein Vorgehen der Küstenwache hier: Den Fluchtbooten den Motor abnehmen, sie manövrierunfähig zurücklassen und warten, dass die türkische Küstenwache sie zurückholt. Die griechische Küstenwache ist dabei kein alleiniger Akteur. Sie arbeitet eng mit Frontex zusammen, die unter anderem durch die Schweiz und die EU finanziert wird.
https://soundcloud.com/user-762131270-508817154/na-oben-treten-nach-unten-die-hand-reichen
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/03/lesbos-mare-liberum-berlin-schiff-fluechtlinge.html
64 Leichen aus LKW-Container in Mosambik geborgen
Wahrscheinlich erstickten die Personen allesamt. Nur 14 Menschen überlebten. Der LKW war unterwegs von Malawi nach Südafrika. Es wird vermutet, dass es sich um Menschen aus Äthiopien handelt. Mosambik ist für Menschen aus Äthiopien ein wichtiges Transitland, um nach Südafrika zu gelangen. Dort hoffen sie, Arbeit zu finden. Da auch diese Migrationsbewegungen illegalisiert werden, müssen sich Menschen auch auf diesen Migrationsrouten in lebensberohende Lagen begeben. Grenzen töten.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-03/lastwagen-flucht-container-tote-erstickung-fluechtlinge-mosambik
Acht Nazis von „Revolution Chemnitz“ verurteilt
Der „Nationalsozialistische Untergrund“ solle im Vergleich zu ihnen wie eine „Kindergarten-Vorschulgruppe“ wirken. Befeuert von den rassistischen Hetzjagden 2018 in Chemnitz gründeten die Nazis den Chat „Revolution Chemnitz“. Nun wurden acht von ihnen verurteilt. Im Chat schrieb einer der Verurteilten: „Jeder von uns ist lange genug in der Szene dabei (Hooligan, Skinhead, Neonazi, Mitglied einer terroristischen Vereinigung) und hat unterschiedliche Erfahrungen sammeln können und so spezielle Fähigkeiten ausbauen können. Dieses machen wir uns zunutze und können so Welten bewegen.“ Von Waffen und faschistischen Anschlägen, die über diesen Chat organisiert werden sollten, wollen die Nazis vor Gericht alle nichts gewusst haben. „Ich bin nicht der grosse Leser“ oder „Ich war eher ein kleiner Mitläufer.“ Trotzdem sah das Oberlandesgericht Dresden bei den acht Angeklagten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung als erwiesen an. Einer der Nazis muss sich auch für die Gründung der Organisation verantworten. Die ausgesprochenen Freiheitsstrafen liegen zwischen zwei Jahren und drei Monaten sowie fünfeinhalb Jahren. Wie es in faschistischen Chats zu und her geht, deckten diese Woche die Antifaschist*innen von Unicorn Riot auf. Sie veröffentlichten einen Chatverlauf der Gruppe Feuerkrieg Division (FKD). Auch in diesem Chat rufen Faschos offen zu Massenschiessereien und anderen Angriffen auf, um den von ihnen gewünschten „Rassenkrieg“ zu starten.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/haftstrafen-im-prozess-um-revolution-chemnitz-verhaengt-a-450a89fd-4558-4e9e-b933-798bbd993cfa
https://unicornriot.ninja/2020/leaked-neo-nazi-terrorist-feuerkreig-division-organizing-chats/
Keine Entschädigung für Haft in der Schweiz für Nekane
Fast siebzehn Monate lang sass Nekane Txapartegi in schweizer Auslieferungshaft, bevor sie im September 2017 nach langen Protesten frei kam. Das höchste spanische Gericht erklärte ihre Strafe für verjährt, worauf das Auslieferungsgesuch zurückgezogen wurde. Nekane verlangte für die 527 Tage dauernde Inhaftierung von der Schweiz eine Entschädigung in der Höhe von rund 100’000 Franken. Das Bundesgericht lehnte die Beschwerde nun ab. Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass Spanien das Auslieferungsgesuch zurückgezogen hat und damit Ansprüche nicht an die Schweiz, sondern an Spanien zu stellen seien. Dabei ist es völlig absurd, an das Land, das einem noch immer verfolgt, Forderungen zu stellen. Zumal dasselbe spanische Gericht im Mai ein neues Verfahren gegen die baskische Aktivistin eröffnete und erneut beim Bundesamt für Justiz ein Rechtshilfegesuch gestellt hat. Nekane, deren Asylgesuch von der Schweiz abgelehnt wurde, droht damit eine erneute Inhaftierung. Nekane wird von den spanischen Behörden gesucht, weil sie wegen angeblicher Unterstützung der ETA im Jahr 2007 in einem Massenprozess, gestützt auf ein unter Folter erzwungenes Geständnis, zu einer Gefängnisstrafe von 11 Jahren und dann nach einem Rekursverfahren zu 6 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt worden war, der sie sich durch Flucht entzogen hat.
https://www.watson.ch/schweiz/spanien/891958511-fall-nekane-keine-entschaedigung-fuer-haft-in-der-schweiz>
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/strafen/folterverbot/foltervorwuerfe-spanien-nekane-txapartegi>
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://10-03-2020-1C_611-2019&lang=de&zoom=&type=show_document
https://www.woz.ch/-9cc
Neue Studie zu Antiziganismus ist auf dem strukturellen und nationalistischen Auge blind
3.000 Personen der Dominanzgesellschaft wurden zu ihren „Einstellungen gegenüber Menschen mit fahrender Lebensweise“ befragt. Simon Röthlisberger von der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende fasst die Ergebnisse so zusammen: „Die Mehrheit weiss zwar nicht allzu viel über die Jenischen, Sinti und Roma, aber sie will mit diesen Minderheiten zusammenleben. Einige befürchten allerdings Schmutz und Lärm, wenn ein Platz in der Nähe ist. Aber die Mehrheit der Befragten anerkennt nicht nur die Ansprüche auf Halteplätze als legitim (74.5%), sie befürwortet sogar explizit Halteplätze, weil so klare und geregelte Verhältnisse möglich sind (82.3%).“ Auch die Auftraggeberin der Studie, die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) des Bundes, vermittelt den Eindruck, als gäbe es in der Schweiz nicht das geringste Problem mit Antiziganismus: „Fahrende Lebensweise ist in der Schweiz akzeptiert“, betitelt die FRB ihre Medienmitteilung zur Studie. antira.org war zuerst erstaunt, denn immerhin schreiben wir fast wöchentlich über antiziganistische Vorfälle und bereits am Tag nach der Veröffentlichung der Studie liessen die bernischen Behörden einen der wenigen provisorischen Plätze für nicht-schweizer Fahrende schliessen, und dies trotz Corona. Wir haben uns die Studie also mal genauer angeschaut und finden sie macht es sich zu einfach. Erstens stellte die FRB keine Fragen zum strukturellen Antiziganismus, somit geraten wesentliche Aspekte des Problems aus dem Blickfeld. Nicht die Bevölkerung, sondern die Behörden, Politiker*innen und Medienschaffende, die historisch und aktuell gegen fahrende Menschen Stimmung machen, sollten von der FRB thematisiert werden. Vorwiegend institutionelle Player waren es, die den fahrenden Romas, Sinti und Jenischen in den letzten Jahren das Leben schwer gemacht haben: mit neuen antiziganistischen Gesetzen, Racial Profiling, der Nichtanerkennung der Roma als „Minderheit“, der Nicht-Schaffung von Stand- und Transitplätzen und der chronischen Vertreibung von fahrenden Roma, Jenischen und Sinti überall dort, wo sie selbstbestimmt sein wollen. All diese Probleme werden durch die Studie unsichtbar gemacht. So vermittelt die FRB den Eindruck, Antiziganismus sei ein individuelles Vorurteilsproblem, das es in der Schweiz nicht gebe. Zweitens thematisieren weder die FRB noch die Schweizer Verbände von Jenischen, Roma und Sinti öffentlich, dass beobachtete Akzeptanz schwindet, wenn es sich um nicht-schweizer Fahrende handelt. Sind z.B. Plätze für Schweizer*innen bestimmt, sprechen sich rund 70% dafür aus, dass sie im eigenen oder in einem anderen Kanton eingerichtet werden. Liegt der mögliche Platz in der eigenen Gemeinde, sind es immer noch 60%. Bei Nicht-Schweizer*innen befürworten nur 46% bzw. 48% einen Platz im eigenen oder in einem anderen Kanton, nur gerade 42% in der eigenen Gemeinde.https://www.bernerzeitung.ch/transitplatz-fuer-fahrende-in-gampelen-oeffnet-wegen-virus-spaeter-240757617171
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/migration-integration/zusammenleben-schweiz.assetdetail.12167214.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78554.htm
Wer sich zu den 75% zählt, die findet, dass es „mehr Aufklärung zur Geschichte und Kultur der Jenischen und Sinti in der Schweiz braucht“, kann sofort aktiv werden und diesen Bericht lesen:
lhttps://www.gfbv.ch/wp-content/uploads/fahrenderoma_de_low-1.pdf
Nun fällt auch die letzte Pseudo-Legitimation für Abschiebehaft
Dass Menschen in Haft gesteckt werden, ohne ein Verbrechen begangen zu haben und nur mit dem Ziel, sie zwangsauszuschaffen, wird von linker Seite immer wieder kritisiert. Die Behörden legitimieren dieses Vorgehen stets damit, dass es halt nötig sei, weil die Person sonst untertauchen könnte und die Ausschaffung nicht effizient durchgeführt werden könne. Unter Corona entfällt nun aber selbst diese behördliche Legitimation für Ausschaffungshaft, da jedenfalls in Dublin-Staaten momentan nicht ausgeschafft werden kann. Ausschaffungen in Drittstaaten wurden von der Schweiz nicht grundsätzlich ausgesetzt, sind jedoch unter den derzeitigen Bedingungen auch nur erschwert durchführbar. Wir finden, dass es immer ein Akt von staatlicher Gewalt und nie legitim ist, eine Person zu inhaftieren, nur um sie zwangsweise auszuschaffen. Doch in der momentan Situation entfällt der Ausschaffungshaft auch jegliche gesetzliche Grundlage. Dazu kommt, dass sich Menschen in Haft aufgrund der prekären Platzverhältnisse nicht genügend vor dem Virus schützen können. Viele Haftanstalten haben deshalb bereits Inhaftierte entlassen und kurze Haftstrafen werden aufgeschoben. Wir fordern, dass dieses Vorgehen auch für Menschen in Ausschaffungshaft gilt und somit deren sofortige Freilassung. In Genf wurden letzte Woche die Ausschaffungsknäste geöffnet. Nur die Insass*innen, die mit dem Covid-19-Virus infiziert waren, wurden in das überfüllte Champ-Dollon-Gefängnis transferiert. Auch und in Niedersachsen wurden Menschen entlassen und in den USA gab es Aufrufe, die Menschen freizulassen. Diese wurden aber vom obersten Gerichtshof abgelehnt.
https://taz.de/Corona-und-Abschiebegewahrsam/!5673036/
https://www.swissinfo.ch/ger/politik/politique-migrat_generelle-aufhebung-des-asylverfahrens-steht-derzeit-nicht-zur-debatte/45638962
https://www.nzz.ch/schweiz/coronavirus-im-gefaengnis-polizei-legt-fokus-auf-schwerkriminelle-ld.1547602?mktcid=smch&mktcval=twpost_2020-03-21
https://www.theguardian.com/uk-news/2020/mar/26/high-court-rejects-call-to-free-736-detainees-at-risk-from-coronavirus
https://renverse.co/Vers-la-fin-de-la-detention-administrative-2492
Handelsschiffe übernehmen für EU Pushbacks nach Libyen
Auf dem Mittelmeer hat sich eine neue Praxis privatisierter Push-backs etabliert. Handelsschiffe, die ihre Pflicht auf Seenotrettung wahrnehmen, sind gezwungen, den Weisungen offizieller Stellen wie der sogenannten libyschen Küstenwache zu folgen. Anders als zivile Seenotrettungsschiffe, die in Berufung auf den Krieg und die humanitären Zustände in Libyen eine Rückführung dorthin verweigern und auf einen „sicheren“ Hafen in Europa beharren, wurden seit November 2018 dreissig Fälle dokumentiert, in denen Handelsschiffe mehr als 1.800 Personen nach Libyen zurück brachten. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. In einigen Fällen ist bekannt geworden, dass die italienische Küstenwache in dieses Vorgehen involviert ist. Das Handelsschiff Nivin beispielsweise hatte im November 2018 auf Anweisung der italienischen Seenotrettungsleitzentrale in Rom (MRCC) nach einer Meldung der NGO Alarmphone, das als erstes den Notruf erhielt, 95 Menschen aus einem sinkenden Boot in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste geholt und zurück nach Libyen geschleppt. Das MRCC Rom war also direkt involviert und hatte nicht, wie sonst üblich, darauf verwiesen, eine Seenotrettungsstelle in Libyen anzurufen. Vor zwei Wochen forderte die maltesische Rettungsstelle die sogenannte libysche Küstenwache auf, ein Holzboot mit 49 Geflüchteten an Bord aus der maltesischen SAR-Zone nach Libyen zurückzubringen. Ein weiterer Fall ist der der El Hiblu 1 (mehr dazu unter „Was nun“). Mit der Nutzung der Handelsschiffe für „Seenotrettung“ und Push-backs lagert die EU ein weiteres Mal ihre Grenzsicherung aus und gibt Verantwortung ab. Die Grenze verschiebt sich immer weiter in den Süden. Nach der Einstellung eigener Seenotrettungsstrukturen und der wiederholten Kriminalisierung und Boykottierung von zivilen Rettungsschiffen, die diese Lücke zu füllen versuchten, ist dies ein weiteres Kapitel europäischer Menschenverachtung. Seit Wochen ist kein einziges ziviles Rettungsboot auf dem Mittelmeer im Einsatz. Einschränkungen in den Werften behindern Reparaturen, Reiseeinschränkungen erschweren das Crewing und auch ein zukünftiges Anlegen von Rettungsschiffen in europäischen Häfen scheint unmöglich. Wann sich die Situation ändert, ist unklar. Die neue EU-Marinemission „Irini“, Nachfolgerin der Mission „Sophia“, ist noch nicht gestartet. Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 16. März 2020 haben bereits 219 Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren. Mindestens 940 Personen wurden in dieser Zeit von der sogenannten libyschen Küstenwache in das Bürgerkriegsland zurückgeschleppt.
https://www.migazin.de/2020/03/20/keine-seenotrettung-wegen-corona-pandemie/
https://www.nytimes.com/2020/03/20/world/europe/mediterranean-libya-migrants-europe.htmlhttps://ffm-online.org/privatized-pushbacks-how-merchant-ships-guard-europe/
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-staaten-einigen-sich-auf-libyen-mission-im-mittelmeer-16697937.html
https://alarmphone.org/en/2020/01/05/central-mediterranean-regional-analysis/
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/Salvinis%20Italien%202%20-%20Abschottungspolitik%20auf%20Kosten%20von%20Menschen%20in%20Seenot.pdf
https://euobserver.com/migration/147768
Was geht ab beim Staat?
Bundesrat und Parlament sind gegen besseren Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen
Bieten Verfassungen oder Gesetze einen wirksamen Schutz vor rassistischer Diskriminierung? antira.org sagt nein, denn sie sind Teil des Problems. Sie sind eine Art DNA des Staatsgebildes, das wiederum als eine Art Skelett der Nation funktioniert. Zusammen halten sie Rassismus in grossen Teilen aufrecht, fördern und fordern ihn. Mit etwas anderen Argumenten kam 2016 das Schweizer Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) zum gleichen Schluss. Der Zugang zur Justiz bei Diskriminierung sei nicht genügend gegeben. In der Hoffnung auf Veränderungen formulierte das SKMR Empfehlungen, die im hier und jetzt ohne Systemwechsel umsetzbar wären und Diskriminierung wirksam mindern könnten. Fast vier Jahre später fällt die Bilanz vernichtend aus: (1) Vom geforderten Diskriminierungsverbot will der Bundesrat nichts wissen. Er verzichte, „um keine falschen Erwartungen zu wecken“ und wolle deshalb den Persönlichkeitsschutz im Zivilgesetzbuch nicht weiter ausbauen. (2) Das SKMR empfahl dem Bundesrat auch eine Ausweitung der Rassismusstrafnorm, damit „die xenophobe Herabsetzung und Hasspropaganda gegenüber bestimmten Nationalitäten oder aufgrund des ausländerrechtlichen Status (Asylsuchende, Flüchtlinge) strafbar sein soll“. Auch davon wollte der Bundesrat nichts wissen. (3) Einen Prozess gegen Rassist*innen zu eröffnen, ist sehr riskant, anstrengend und teuer. Im Moment sind nur rassismusdiskriminerte Einzelpersonen befugt, Rassist*innen anzuklagen. Damit diese antirassistische Arbeit nicht immer bei ihnen hängen bleibt, hat die SKMR ein sogenanntes Verbandsklagerecht vorgeschlagen. Antirassistische Organisationen könnten so ebenfalls Rassist*innen vor Gericht bringen. Ratet mal was die Antwort des Bundesrates darauf war? Er überlegt es sich noch. (4) Wer nicht lernen will, soll fühlen, fand die SKMR und schlug krassere Strafen vor. Der Bundesrat und das Parlament sind dagegen. (5) Sie sind auch gegen eine erleichterte Beweislast in zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verfahren oder (6) gegen eine Sensibilisierungskampagne, um dem heftigen Rassismus auf dem Wohnungsmarkt entgegenzutreten. (7) Bei der Ungerechtigkeit ist es kein Wunder, dass die Dunkelziffer betreffend rassistischer Gewalt und Diskriminierung in der Schweiz sehr hoch ist. Die SKMR forderte aber auch hier vergebens, dass diskriminierungsrelevante Daten systematisiert und verbessert erhoben und ausgewertet werden. So geht das leider eben im schweizer Rechtsstaat.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/geschlechterpolitik/publikationen/diskriminierungsstudie.html?zur=2
Lohnabhängige (Migrant*innen) tragen Coronarisiken, weil Bundesrat und Kapitalist*innen Verluste vermeiden wollen
Noch am 16. März hiess es klar und deutlich: Besonders gefährdete Personen – sprich Personen ab 65 Jahren oder Personen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, schwachem Immunsystem oder Krebs sollen „zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden». Falls kein Home-Office möglich sei, sollen sie „vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt“ werden. Nur vier Tage später gab der Bundesrat dem Druck der Unternehmenden nach und lockerte die Verordnung wieder. Neu müssen besonders gefährdete Lohnabhängige, die nicht von zuhause aus arbeiten können, zur Arbeit gehen. Ausser die Unternehmen schaffen es nicht, «mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz» zu befolgen. Worin diese Massnahmen bestehen, lässt der Bundesrat bewusst völlig offen. Einerseits verhängt der Bundesrat also für besonders gefährdete Personen ein absolutes ÖV-Verbot und fordert sie auf, das Haus in der Freizeit ausser für Ärzt*innenbesuche oder Einkauf nie zu verlassen. Anderseits ermöglicht er, dass Unternehmende durch irgendwelche Alibimassnahmen diese Personen zur Lohnarbeit zwingen können. Auf dem Bau, im Detailhandel, in der Industrie oder in der Reinigung gibt es kein Home-Office. Just in den Branchen mit strengen Arbeitsbedingungen und oft schlechter Bezahlung, in denen vorwiegend Migrant*innen arbeiten. Zufall? Nein, ein klassischer Angriff auf die klassistisch-rassistisch diskriminierten Menschen der kapitalistischen Wertschöpfungskette.
https://www.sgb.ch/corona-virus/details/besonders-gefaehrdete-arbeitnehmende-muessen-sofort-wieder-geschuetzt-werden?pk_campaign=newsletter&pk_kwd=26032020
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/besonders-gefaehrdete-menschen.html
Was ist aufgefallen?
15% der negativen Asylentscheide sind nicht korrekt
Asylverfahren können per Definition nicht „fair“ sein. Niemals und unter keinen Umständen wollen wir es jemals als fair bezeichnen, wenn irgendeine Behörde darüber entscheiden kann, ob eine Person hier leben darf oder zurück in das Land muss, in welchem sie offensichtlich nicht mehr leben will. Asylverfahren können höchstens formal-rechtlich korrekt oder nicht ablaufen. Der neuste Bericht des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) zeigt, dass ein grosser Teil der in der Schweiz getroffenen Asylentscheide nicht korrekt abläuft. Sogar das SVP-domminierte BVGer musste seit der Einführung des neuen Asylgesetzes im März 2019 15 Prozent der Fälle, die durch einen Rekurs vors BVGer gezogen wurden, ans SEM zurückweisen. Bei den Entscheiden nach altem Asylrecht betrug der Anteil 6.5 Prozent. Die Rückweisungen erfolgten in den weitaus meisten Fällen, weil das SEM den Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt hatte. Dies betraf in erster Linie den Asylgrund. Zweithäufigste Ursache war, dass das SEM die medizinischen Probleme der Asylsuchenden zu wenig abgeklärt hatte. Diese Zahlen zeigen, dass es im Falle eines negativen Entscheides enorm wichtig ist, Rekurs dagegen einzulegen, da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass das SEM formal inkorrekt entschieden hat. Die Frist für einen Rekurs ist unter dem neuen Asylgesetz mit nur 5 bis 7 Arbeitstagen enorm kurz. Bereits unter „normalen“ Bedingungen ist es fraglich, ob die Rechtsweggarantie hier noch gegeben ist, da es schwierig ist, in einer so kurzen Zeit juristische Unterstützung für einen Rekurs zu finden. Unter Corona hat sich die Situation nochmals enorm verschlechtert, da der Zugang zu Fürsprechenden und Rechtsvertretungen nicht mehr gegeben ist. Dies hat zur Folge, dass Asylsuchende in der momentanen Situation einen Negativentscheid kaum mehr anfechten können. Trotz dieser Tatsache, laufen die Asylverfahren im Moment ganz normal weiter und es sei laut SEM nicht vorgesehen, irgendetwas daran zu ändern. Mehrere NGOs und Basisorganisationen üben seit Wochen Kritik an diesem Vorgehen und fordern, dass entweder momentan keine negativen Asylentscheide getroffen werden dürfen oder dass die Beschwerdefristen während der Corona-Massnahmen stillstehen. Unterschreibe den folgenden Appell oder überlege dir andere Wege, dagegen zu protestieren.
https://riseagainstborders.org/2020/03/20/appeal-to-the-federal-council-and-the-sem-appell-an-den-bundesrat-und-ans-sem/
https://www.bvger.ch/bvger/de/home/medien/medienmitteilungen-2019/mm-asylbilanz-0320.htm
Rechtsextreme in Bern sind im Aufbruch
Die Fachstelle GGG-Fon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus verzeichnet einen Anstieg an Meldungen über rassistische, diskriminierende Vorfälle. 2017 gingen 17, 2018 32 und 2019 57 Meldungen ein, die explizit rechtsextreme Komponenten aufwiesen. Ob dieser Anstieg auch eine Zunahme der Vorfälle widerspiegelt oder ob sich nur die Anzahl der Meldungen erhöht hat, lässt sich schwer überprüfen. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) registrierte im Jahr 2018 keine rechtsextreme Gewalttat (echt jetzt?). Die Meldungen von rechtsextremen Ereignissen wie Versammlungen und Demonstrationen habe sich hingegen verdoppelt. Die Szene verfüge über Waffen, übe den Umgang damit und trainiere Kampfsportarten, schreibt der NDB weiter. Dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und jede*n betrifft, nicht nur die rechtsextreme Szene, schien ein Sprecher des GGG-Fon aber nicht ganz verstanden zu haben. Er vermeldete, ein muslimischer Junge sei von seinen Mitschüler*innen rassistisch beleidigt, sowie sein Arm gebrochen worden. Bei einer Aussprache habe sich herausgestellt, dass dafür jedoch keine ideologischen Gründe vorlagen, sondern „weil sie den Jungen nicht mochten“. Die Situation habe sich daraufhin entspannt. Die Frage ist: Für wen hat sie sich entspannt? Für alle weissen / christlichen Beteiligten, die sich den unangenehmen Vorwürfen des Rassismus entziehen konnten? Dass rassistische Stereotype überhaupt als Beleidigungen benutzt werden können, zeigt auf, wie tief verwurzelt rassistische Denkmuster in der Gesellschaft sind.
https://www.bernerzeitung.ch/berner-rechtsextreme-sind-im-aufbruch-958651178971
Moria, Idlib, Pazarkule – Dem Corona-Virus und der Gewalt der Regierungen schutzlos ausgeliefert
Das Camp Moria ist in der vergangenen Woche abgeriegelt worden, um ein Einschleppen des Virus ins Camp zu verhindern. Denn auf Lesbos gibt es erste Corona-Fälle. Zudem ist innerhalb des Camps die Krätze ausgebrochen und hat sich schnell verbreitet. Neben einer weiter reichenden medizinischen Versorgung, wäre die Reinigung des gesamten Camps und ein ausreichender Abstand der Menschen nötig. Doch weder Abstands- noch Hygienemassnahmen, wie sie derzeit aufgrund des Coronavirus empfohlen werden, können eingehalten werden. Dies war schon vor mehreren Jahren nicht möglich. Bereits dann hätte eine Lösung gefunden und das Camp evakuiert werden müssen. Heute fordert dies neben unzähligen NGOs auch der Innenausschuss des EU-Parlaments. Es ist zu erwarten, dass diese Forderung auch weiterhin kein Gehör findet. Gleichzeitig nutzte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas die Situation aus, um die seit letztem Jahr geplanten geschlossenen Camps zu bewerben. In diesen müssten die Geflüchteten und Migrant*innen zwei Mal täglich ihre Anwesenheit bestätigen und würden weiter isoliert. Des weiteren hatte die EU die Evakuierung von 1.600 minderjährigen Geflüchteten aus den griechischen Lagern gewährleisten wollen, hat diese Pläne jedoch bis jetzt nicht umgesetzt. Doch warum liegt der Fokus vor allem auf Moria? Auch an vielen anderen Orten sind Geflüchtete stark bedroht. Rund eine Million Vertriebene harren in der syrischen Provinz Idlib unter elenden Bedingungen aus. Sie sind dem Coronavirus, aber auch dem Krieg nahezu schutzlos ausgeliefert. Die Menschen leben in verlassenen Gebäuden, zu Sammelunterkünften umfunktionierten Schulen und Moscheen oder in Zelten. Fliessendes Wasser gibt es nur in bestimmten Dörfern und Städten. Auf 10.000 Menschen kommen im Schnitt sechs bis acht medizinische Fachpersonen. Ausserdem gibt es extrem wenige Krankenhäuser. Auch deshalb, weil diese vom syrischen Regime mithilfe der russischen Luftwaffe gezielt beschossen werden. Seit Dezember wurden mehr als 84 medizinische Einrichtungen zerstört. Und auch an der griechisch-türkischen Grenze am Grenzübergang Kastanies / Pazarkule harren Schätzungen zufolge noch 2000 bis 5000 Menschen aus. Nachdem der türkische Präsident Erdogan am 29. Februar die Grenzen geöffnet hatte, wurden diese am Donnerstag wieder geschlossen. Grund dafür dürfte eine Video-Konferenz zwischen Erdogan, der deutschen Bundeskanzlerin Merkel, dem britischen Premierminister Johnson und dem französischen Präsidenten Macron gewesen sein. In dieser wurden der türkischen Regierung EU-Mittel zugesichert, wenn diese die Grenzen wieder schliessen würde. Infolgedessen berichten Bewohner*innen des Camps an der Grenze nun von gezielten Aushungerungstaktiken türkischer Behörden: Essensverteilungen sollen eingestellt worden sein und Geflüchtete würden daran gehindert, sich in umliegenden Dörfern Lebensmittel zu beschaffen. Unterdessen werden dieselben von griechischen Grenzsoldat*innen mit Tränengas und Gummischrot beschossen. Um lokale Strukturen und Kämpfe gegen die vorherrschenden Verhältnisse in Griechenland und der Türkei zu unterstützen, gibt es einen Spendenaufruf von #riseagainstborders:
https://riseagainstborders.org/2020/03/19/support-local-structures-and-struggles-in-greek-and-turkey/https://www.nzz.ch/international/wie-schuetzt-man-fluechtlingslager-vor-corona-ld.1547867
https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-in-idlib-syrien-wir-schlittern-in-eine-katastrophe-a-e1689813-7e80-4843-8302-2f20759f43f2
https://www.srf.ch/news/international/fluechtlingslager-auf-lesbos-die-kraetze-frisst-die-menschen-in-moria-lebendig-aufuf-lesbos-die-kraetze-frisst-die-menschen-in-moria-lebendig-auf
https://www.op-marburg.de/Mehr/Welt/Politik/EU-Parlament-fordert-Raeumung-von-Fluechtlingslagern-auf-griechischen-Inseln
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1134679.tuerkisch-griechische-grenze-gegen-traenengas-hoffnungslosigkeit-und-corona.html
https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-angst-auf-lesbos-die-kinder-fragen-ob-sie-an-dem-virus-sterben-werden-a-104f11f4-6be8-4632-a504-c081a0de6f86
https://taz.de/Warnung-vor-Epidemie-in-Syrien/!5674188/
https://daslamm.ch/schliesst-endlich-diese-lager/
Europarat stellt Deutschland Armutszeugnis aus
Steigende Islamfeindlichkeit, vermehrter Rassismus und zu wenig Aufklärungsarbeit, so lautet das Fazit des sechsten Länderberichts des Anti-Diskriminierungs-Ausschusses des Europarats (ECRI). Zudem würden rechtsextreme Angriffe zunehmen und auch mit der Polizei verknüpft sein. Die ECRI hat in den Jahren 2014-2019 die Entwicklungen bezüglich Rassismus in Deutschland beobachtet. Die Autor*innen der Studie raten zu Anti-Diskriminierungskursen in Schulen, Universitäten und speziell für den Polizeiapparat. Denn obwohl z.B. weitläufig Racial Profiling betrieben würde, seien sich dessen nach wie vor viele Polizeibeamt*innen nicht bewusst oder sie leugneten dessen Existenz. Des weiteren wurden die engen Verbindungen der Polizei zur rechtsextremen Szene lange Zeit als Einzelfälle abgetan. Das Ausmass dieser Fälle ist jedoch beträchtlich. Die Bandbreite reicht von rechtsradikalen Stickern und Abzeichen, die auf Uniformen oder Polizeitransportern prangen, über „Sieg Heil“-Rufe vor Synagogen und das Abspielen von Hitlerjugend-Liedern, bis hin zu Mitgliedschaften in der AfD oder rechtsextremen Gruppierungen, die Waffen horteten und Anschläge planten. Die Liste der Geschehnisse reisst nicht ab: Polizist*innen gaben private Daten von anti-rassistischen Aktivist*innen bekannt, liessen Beweismittel gegen mutmassliche Rechtsextremist*innen verschwinden, schrieben Drohungen an eine Anwältin – unterzeichnet mit NSU 2.0 – und ein Beamter verweigerte einer Frau, die Kopftuch trug, den Zugang zu seinem Büro. Darüber hinaus werden die Folgen der Verharmlosung rechtsextremer Netzwerke in Deutschland anhand einer jahrelangen Untersuchung des Bundeskriminalamtes (BKA) deutlich. Die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt wurde widerrufen. Die Bundesregierung hatte diese zuvor mit 63 seit der Wiedervereinigung angegeben. Das BKA spricht jedoch nun von 849 Menschen, die von Rechtsextremist*innen getötet oder lebensgefährlich verletzt wurden.
https://www.migazin.de/2020/03/26/rassismus-bericht-europarat-deutschland-armutszeugnis/0/03/26/rassismus-bericht-europarat-deutschland-armutszeugnis/
EU schweigt zum Aussetzen des Asylrechts durch Griechenland
Seit die griechische Regierung fand, sie setzte das Recht auf Asyl aus, ist es von Seiten der EU erstaunlich still. Eines der Grundrechte der Europäischen Union wird gebrochen. Es geht kein Aufschrei durch Europa. An der griechischen Grenze wird gerade massivste staatliche Gewalt gegen Geflüchtete angewendet. Statt Kritik gibt es Lob von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen : „Ich möchte Griechenland dafür danken, dass es unser europäischer Schutzschild ist“. Die Verantwortung aus zwei Weltkriegen und die festgeschriebenen „gemeinsamen Werte“ der EU sind in der Praxis nicht so unverhandelbar wie sie scheinen. In Ungarn ist es seit Jahren nahezu unmöglich, Asyl zu erhalten. Das Land hat beispielsweise keine eigenständige Asylbehörde mehr. Anträge können nur noch in zwei Transitlagern an der ungarisch-serbischen Grenze gestellt werden. Es werden immer wieder Fälle bekannt, in denen das Land Geflüchtete hungern lässt. Es laufen mehrere Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Ungarn. An der Praxis hat das bisher nichts geändert. Die EU-Kommission leitete auch gegen Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Unvereinbarkeit des nationalen Asylrechts mit den Rechtsvorschriften der EU ein. Griechenland ist also kein Einzelfall wo die EU ihre angeblichen „Werte“ vergisst.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/sendung-vom-22032020-100.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-griechenland-un-1.4854422https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/report-2018-annual-report-monitoring-application-eu-law_de.pdfhttps://www.heise.de/tp/features/Die-Aussengrenze-der-EU-als-Schutzschild-4675610.html
Social Distancing in Asylcamps unmöglich
Die Platzverhältnisse in den Asyllagern sind zu beengt, um sich vor Corona zu schützen. Küche, sanitäre Einrichtungen, Schlaf- und Aufenthaltsräume: alles wird gemeinschaftlich genutzt. Im Bundesasyllager in Basel leben 200 Menschen auf engstem Raum. Bis zu zwölf Personen teilen sich einen Schlafsaal. Die Sanitäreinrichtungen sind absolut unzureichend und gewähren weder Privatsphäre, noch erfüllen sie die hygienischen Mindeststandards. Bewohner*innen berichten, dass alle kranken Personen, ob mit Corona-Symptomen oder ohne, in einem Raum untergebracht werden. In anderen Kantonen befinden sich 8, 12 oder 20 Personen in einem Raum. Gruppen von maximal fünf Personen? Nicht möglich. Abstand von zwei Metern? Nirgends. Ein Bewohner des Asyllagers in Rohr (ZH) sagt: «Wir sind hier auf engem Raum etwa 60 Leute, an uns denken sie nicht. Wenn wir das Coronavirus schnell stoppen wollen, dann müssen auch wir weniger werden». Während das Solinetz Zürich eine dezentrale Unterbringung der Bewohner*innen fordert, müssen diese im Kanton Zürich weiterhin ein- bis zweimal täglich ihre Anwesenheit im Asyllager bestätigen, um die mickrigen 8,50 Fr. zu erhalten, die ihnen pro Tag zustehen. Im Kanton Luzern drohen Repressionen, wenn man sich aktuell nicht in den Asyllagern aufhält. Für Personen, die in privaten Netzwerken eine sichere Umgebung gefunden haben, verschlechtert sich die Situation trotz Alternativen. In einigen Kantonen ist man sich bewusst, dass Social Distancing in den Asyllagern eine Illusion ist. Es sollen weitere Asyllager eröffnet werden, um die Situation zu entschärfen. Wann und wo dies geschehen soll, ist vielerorts noch unklar. Auch ist fraglich, ob angesichts der Platzverhältnisse die weiteren Massnahmen wie Informationen zu Corona, angeblich verbesserte Hygienebedingungen und Sicherheitsstandards zu einer Verbesserung der Situation führen werden. Klar ist, dass die Menschen in den Asyllagern durch das ausgesprochene Besuchsverbot und die Anwesenheitspflicht nun noch mehr isoliert sind, als es sowieso schon der Fall ist. Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten, Privatsphäre, Perspektiven. Viele können über die Worte des Zürcher Regierungsrats Mario Fehr nur den Kopf schütteln: „Wenn alle solidarisch sind, werden wir diese Krise gemeinsam meistern.ind, werden wir diese Krise gemeinsam meistern.“ Wenngleich Regierungsvertreter*innen allerorts ihren Einsatz im Asylbereich rühmen, fühlen sich die Menschen in den Unterkünften vergessen.Wegen des Coronavirus verzichtet der Kanton Bern vorerst darauf, Asylsuchende mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid in speziellen sogenannten „Rückkehrzentren“ (Ausschaffungslagern) zu isolieren. Diese Zentren werden vorerst nicht eröffnet. Gleichzeitig teilte die bernische Sicherheitsdirektion gestern mit, dass man trotz Corona grundsätzlich am Fahrplan festhalten wolle und das Na-Be-Projekt, eine der grössten Umstrukturierungen im Berner Asylwesen, per 1. Juli 2020 umsetzen wolle. Somit müssten in den kommenden drei Monaten drei neue Ausschaffungslager eröffnet werden, fünf neue Campbetreiberorganisationen müssten die bisherigen Campbetreiber*innen abgelöst haben, und damit hunderte Dossiers übergeben, hunderte Asylsuchende umplatziert, Leute eingearbeitet, Lager aufgelöst und neue eingerichtet werden. Wir finden es wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass das Asyllagerregime der Schweiz und Europas immer kritisiert gehören und nicht erst jetzt, in dieser ganzen Corona-Solidaritätswelle. Wir lehnen es grundsätzlich ab, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus in Lager gesteckt werden, ständig kontrolliert und überwacht werden, sich nicht frei bewegen dürfen, in Abhängigkeitsverhältnisse zum Staat gesteckt werden und in keinem Moment frei darüber entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten möchten. Wir hoffen, dass die momentan breit geteilte Kritik an den Zuständen in den Asyllagern nach Corona nicht abreisst.
https://3rgg.ch/
https://tsri.ch/zh/60-menschen-auf-engem-raum-social-distancing-im-asylzentrum-corona/
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/wegen-coronakrise-asylsuchende-muessen-nicht-in-rueckkehrzentren-137358373https://www.bernerzeitung.ch/eroeffnung-der-asyl-rueckkehrzentren-aufgeschoben-255020476684https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/coronavirus-massnahmen-zur-ausserordentlichen-lage-im-asylbereichhttps://rabe.ch/2020/03/26/umstrittene-umbau-plaene-im-asylwesen
UNO-Behindertenrechtskonvention, oder wie es wäre, wenn Behörden diskriminierte Gruppen gleich behandeln würden
antira.org ist diese Woche über eine Meldung des schweizer Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) gestolpert. Darin geht es, um die Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention. Die offizielle Schweiz hat diese 2014 anerkannt. Im Vergleich zum Schutz anderer disriminierter Gruppen geht die Konvention systemimmanant gesehen ziemlich weit, was wir toll finden. Wir haben das realisiert als wir uns ein Gedankenspiel erlaubt und uns vorgestellt, die UNO und die Behörden würden rassismusdiskrimierte Personen gleichermassen schützen, wie Menschen mit einer Behinderung. Der Wortlaut der umgeschriebenen Meldung der SKMR klingt leider realitätsfremd: „Die UNO-Antirassismuskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, rassismusdiskriminerten Menschen ein unterdrückungsfreies Leben und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen. In der Schweiz sind für die Umsetzung dieser Bestimmungen der Bund, die Kantone und die Gemeinden zuständig. (…) Im Sinne einer Bestandesaufnahme präsentiert das SKMR Praxisbeispiele aus sechs Kantonen auf einer eigens programmierten Website: brk-praxisbeispiele.ch. Die Website richtet sich in erster Linie an Personen, die beruflich mit der Umsetzung der UNO-Antirassismuskonvention betraut sind: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesverwaltung, von kantonalen Verwaltungen, Gemeinden, Institutionen und Organisationen sowie weitere interessierte Personenkreise. Die vorgestellten Massnahmen, Projekte und Gesetze sollen mögliche Strategien zur Umsetzung der UNO-Antirassismuskonvention vermitteln und einen Austausch anregen. Die Website soll aber auch rassismusdiskriminerten Menschen als Informationsquelle dienen. Sie ist deshalb vielsprachig programmiert. Inhaltlich fokussiert die neue Website auf das unterdrückungsfreies Leben – ein zentrales Anliegen der UNO-Antirassismuskonvention. Konkret geht es dabei um die Themen Wohnen, Arbeit und Ausbildung, Unterstützung und Assistenz, Zugang zu Dienstleistungen und Einrichtungen, Mitbestimmung sowie die Sicherung der Existenz. Zu jedem Thema wird eine kurze Einführung gegeben, dann werden Umsetzungsmassnahmen aus sechs ausgewählten Kantonen präsentiert. Hintergrundinformationen zu nationalen und kantonalen Gesetzen und Beispiele von antirassistischen Zusammenarbeiten runden die Website ab.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/institutionelle-fragen/publikationen/umsetzung_behindertenrechte_schweiz.html?zur=2
Kopf der Woche – Valentin Landmann
Rechtsanwalt Valentin Landmann (SVP) verlangt, dass bei sogenannten Hassdelikten die Strafe verschärft wird. Er schlägt vor, den Artikel 47 im schweizerischen Strafgesetzbuch wie folgt zu ergänzen: «Begeht der Täter ein Delikt aus Hass auf eine Menschengruppe, die durch Behinderung, Geschlecht, Nationalität, Rasse, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung, politische Haltung, Alter oder ähnliche menschliche Gruppeneigenschaften gekennzeichnet ist, so ist die Strafe zu schärfen.» Dass ausgerechnet ein SVP-Exponent eine Strafverschärfung bei Hassdelikten vorschlägt, macht erstmal stutzig. Auch deshalb, weil die Partei einer Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm stets ablehnend gegenüberstand. Irgendwann wird dann aber doch klar, worum es Landmann tatsächlich geht. Hassdelikte sollen nämlich zu sogenannten Katalogtaten werden, für die aufgrund der Ausschaffungsinitiative eine Landesverweisung droht. «Wer in die Schweiz kommt, um hier Hass zu verbreiten oder auszuleben, muss wieder gehen», sagt Vogt. Bereits eingereicht hat er den Antrag, dass Personen ohne schweizer Pass, die gegen die erweiterte Antirassismus-Norm verstossen, ausgeschafft werden müssen. Die Antirassismus-Norm zu einem Instrument verkommen zu lassen, das dazu dienen soll, Menschen ohne schweizer Pass zuerst gebüsst, um dann ein abgeschoben zu werden – die rassistische Doppelbestrafung eben – das schafft auch nicht jede*r.
https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/SVP-Landmann-will-haertere-Strafen-fuer-Hassdelikte-28626431
Was war eher gut?
Rassistische Pfarrerin aus Basel tritt ab
Christine Dietrich gibt ihre Arbeit als Gemeindepfarrerin per Ende Juni 2020 auf, auch tritt sie im Herbst 2020 aus den Kirchenrat zurück. Obwohl Dietrich bereits vor Jahren bekannt geworden war, wegen ihrer islamophoben Aktivitäten beim Blog Politically Incorrect, wurde sie 2015 als Pfarrerin in Basel angestellt. Erst ihre Wahl in den Kirchenrat führte zu Kritik. An Weihnachten demonstrierten Antirassist*innen unmittelbar vor Beginn der Weihnachtsfeier in ihrer Kirche mit der Botschaft: „Frieden statt Hetze“. Nun geht Dietrich und das ist gut so.
https://hans-stutz.ch/meldungen-zu-rechtsextremismus-und-rassismus-in-der-schweiz
Stadt Bern bezahlt 25.000 Fr. für Wiederaufbau der International School of Peace“
Das Feuer in der «International School of Peace» auf Lesbos Anfang März wurde durch Brandstiftung verursacht. Das bestätigte nun die Feuerwehr. In den sozialen Medien kursieren Gerüchte und Beschimpfungen darüber, wer den Brand verursacht hat, während sich die Polizei bisher nicht zu den drei Verdächtigen geäussert hat. Die Schule wurde bei dem Brand komplett zerstört. Nun unterstützt die Stadt Bern den Trägerverein «One Happy Family» mit Sitz in Burgdorf mit 25.000 Franken für den Wiederaufbau. Wenn das jede Gemeinde täte...
https://www.mena-watch.com/eine-niedergebrannte-schule-in-der-afghaninnen-lesen-lernten/https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/unterstuetzung-beim-wiederaufbau-der-fluechtlingsschule-auf-lesbos-1
https://www.telebaern.tv/talktaeglich/talk-spezial-berner-hilfsorganisation-one-happy-family-auf-lesbos-1364438
Was nun?
Selbst vor einem Virus sind wir nicht alle gleich
In der aktuellen medialen Rhethorik um Corona sind wir alle gleich vor dem Virus. Doch wegen Sexismus, Klassismus, Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung haben nicht alle die gleichen Möglichkeiten, sich zu schützen. Die getroffenen Corona-Massnahmen haben nicht für alle gleich weitreichende Folgen und im Fall einer Erkrankung haben nicht alle die gleichen Genesungschancen. Besonders hart trifft es ohnehin diskriminierte Personen und Gruppen: Sei es aufgrund von Flucht, infolge eines illegalisierten Status oder bedingt durch andere soziale Faktoren.
Vom reduzierten öffentlichen Leben und der erhöhten Polizeipräsenz sind Sans-Papiers besonders betroffen. Die Strassen sind für sie noch unsicherer als zuvor. Es droht jederzeit eine Kontrolle. Aus diesem Grund haben Sans-Papiers auch sehr beschränkt Zugang zum Gesundheitswesen. Einerseits sind sie meistens nicht krankenversichert, andererseits ist der Gang ins Krankenhaus immer mit der Angst verbunden, entdeckt und verhaftet zu werden. Viele suchen deshalb erst dann eine*n Ärzt*in auf, wenn sie schon schwer krank sind.
Corona hat auch starke Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Vor allem Sektoren, in denen Sans-Papiers häufig Arbeit finden, sind von den Massnahmen gegen das Virus betroffen. Viele arbeiten in Privathaushalten, übernehmen Betreuungs –und Pflegearbeiten, bieten Dienstleistungen wie Coiffeur-Salons an oder sind als Sexarbeiter*innen tätig. Durch den momentanen Wegfall dieser Tätigkeiten verlieren viele Sans-Papiers ihre Existenzgrundlage. Und da sie in der Illegalität arbeiten müssen, können sie weder Kurzarbeit beantragen, noch haben sie irgendein Anrecht auf Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe.
Die Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel ruft dazu auf, finanzielle Unterstützung zu leisten, bei Erledigungen und Einkäufen zu unterstützen und aufmerksam zu sein.
https://sans-papiers-basel.ch/aufruf-solidaritat-mit-sans-papiers/
Die Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich sammelt zusammen mit dem Verein Züri City Card Geld für Essen und Krankenkassenbeiträge. Zudem können digital Briefe an Sans-Papiers versandt oder Kinderhüteangebote gemacht werden.
https://www.zuericitycard.ch/nothilfe
Kreuzfahrtschiffe für Menschen auf der Flucht!
Sea-Watch fordert EU-Kommission auf stillgelegte Kreuzfahrtschiffe zu nutzen, um Lager in Griechenland zu evakuieren.
https://sea-watch.org/kreuzfahrtschiffe-zur-evakuierung-schicken/
https://sozialismus.ch/arv/2020/am-rande-vermerkt-kreuzfahrtschiffe-in-spitaeler-verwandeln/
Petition an griechische Regierung
Eine Petition appelliert an die griechischen Regierenden: Bei einer Pandemie ist es nicht hinnehmbar, dass Tausende von Menschen in Aufnahmezentren gefangen sind!
https://secure.avaaz.org/el/community_petitions/elliniki_kyvernisi_ekkenoste_amesa_ta_kentra_ypodohis_noikiaste_adeia_katalymata_gia_toys_prosfyges_/?aNCAmfb&lgpdname=%CE%94%CE%B7%CE%BC%CE%BF%CF%83%CE%B8%CE%AD%CE%BD%CE%B7%CF%82
Border Criminologies fordert die Freilassung von inhaftierten Menschen
„As we await the outcome of today’s High Court Case arguing for urgent release of people held in detention, especially those with underlying conditions, Border Criminologies reiterates our call to prioritise the health and wellbeing and rights of migrant groups, including those in detention. It is important that the government acts now, before health services fall under increased pressure.“
https://us12.campaign-archive.com/?e=bd634ed93c&u=e99bff34e7cb5ff2ed6c2d5b3&id=83729357c0
Wie kann Protest in Zeiten von Corona stattfinden?
Unter folgendem Link gibt es eine Liste mit Ideen, wie wir trotz Corona Widerstand gegen das europäische Grenz -und Migrationsregime leisten können: https://riseagainstborders.org/2020/03/24/soli-banner-action-soli-transpi-aktion/.
Auf dieser Karte können rassistische und andere Corona-Verschwöhrungstheorien dokumentiert werden
https://www.conspiracywatch.info/la-carte-des-theories-du-complot-sur-le-coronavirus.html
Free the El Hiblu 3
Im März 2019 wurden 108 Menschen vom Öltanker El Hiblu aus Seenot gerettet. Die Geretteten sollten zurück nach Libyen gebracht werden. Drei junge Männer wehrten sich und brachten den Tanker zum Umkehren. Sie bewirkten, dass das Schiff sie nach Malta brachte und bewahrten damit 108 Menschen vor der Rückschleppung in die unmenschlichen libyschen Lager. Auf Malta werden sie als „Terroristen“ und „Piraten“ kriminalisiert. Ihnen droht lebenslange Haft. Eine Allianz von Aktivist*innen fordert Malta auf, die Anklage gegen die jugendlichen Schutzsuchenden fallen zu lassen.
https://elhiblu3.info/
https://alarmphone.org/de/2020/03/27/free-the-elhiblu3-de/?post_type_release_type=posthttps://taz.de/Kriminalisierung-auf-Malta/!5674922/
Aufruf um im Quartier Transpis aufzuhängen
Die Aktionstage „SOLIDARITÄT UND WIDERSTAND – STATT FESTUNG EUROPA!“ sind im Gange. Wir wollen gemeinsam unsere Quartiere solidarisch umgestalten. Malt mit uns Transparente zur Situation der Geflüchteten und hängt sie an Bäume, Strassenlaternen, Brücken eurer Umgebung.
https://barrikade.info/article/3313
Petition: Der Bundesrat hat die Menschen im Asylheim vergessen.
https://act.campax.org/petitions/corona-der-bundesrat-hat-die-menschen-im-asylheim-vergessen?bucket&source=facebook-share-button&time=1584783865
Appell an den Bundesrat und das SEM
Aufgrund der nicht gegebenen Rechtsweggarantie in den Asylverfahren und der katastrophalen Situation für Geflüchtete an der türkisch-griechischen Grenzen, werden zwei Forderungen an den Bundesrat und ans Staatssekretariat für Migration (SEM) gestellt: 1. Das Staatssekretariat für Migration SEM soll wegen der Corona-Pandemie keine abweisenden Asylentscheide mehr treffen.2. Der Bundesrat soll wegen der schweren allgemeinen Gefährdung an der griechischtürkischen Grenze betroffenen Geflüchteten einen effektiven Schutz anbieten. Sie sollen einen S-Ausweis für schutzbedürftige Personen gemäss Asylgesetz erhalten, um direkt in die Schweiz einzureisen. Druck den Appell aus, unterschreibe ihn und schicke ihn an die angegebene Adresse des EJPD.
https://riseagainstborders.org/2020/03/20/appeal-to-the-federal-council-and-the-sem-appell-an-den-bundesrat-und-ans-sem/
Appell von Solidarité sans Frontières an Bund und Kantone
Aufgrund von Corona fordert Solidarité sans Frontières in einem Appell an den Bund und die Kantone Schutzmassnahmen für alle, insbesondere für Migrant*innen, Asylsuchende, Sans-papiers sowie für die Menschen in den Lagern und in Administrativhaft.
https://www.sosf.ch/de/themen/asyl/informationen-artikel/appell-an-alle-behoerden.html?zur=41
Lokale Strukturen in Griechenland und der Türkei unterstützen
You don’t know what to do? The website of #riseagainstborders listet some groups which need financial support. They work at the moment at the greek-turkish border (in Lesvos or Turkey) and there is help needed! Tell it to your friends, organize solidarity events or spread it on social media.
https://riseagainstborders.org/2020/03/19/support-local-structures-and-struggles-in-greek-and-turkey/
Wo gabs Widerstand?
Antirassistische Solidarität aus den Wohnzimmern und überall
https://barrikade.info/article/3301
https://barrikade.info/article/3317
Protest in Zeiten Social Distancing in New York
https://www.vice.com/en_us/article/m7qww4/what-protests-look-like-in-a-time-of-social-distancing
Demo in Flensburg
https://twitter.com/BlackMosqCrew/status/1242879926870646784?s=19
Was steht an?
Grenzenlose Solidarität – #leavenoonebehind
Erste Seebrücke Online-Demo | Sonntag 29.3., 16–18 Uhr
https://www.facebook.com/events/212965793357000/
https://seebruecke.org/
Migrantischer Streik am 8. Mai
Aufruf: „Wir migrantischen Selbstorganisationen rufen unsere Geschwister und Genoss*innen am 08. Mai 2020 zu einem Tag des Zorns und damit einhergehenden Generalstreik auf. Wir fordern alle Menschen mit Migrationserbe, jüdische Menschen, Sinti*ze und Rom*nja, Schwarze Menschen, people of colour, #BIPoC und alle solidarischen Menschen auf, mit uns zu streiken.“
https://barrikade.info/article/3239
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Plötzlich Apokalypse
Jetzt, da es den Westen getroffen hat, herrscht auf einmal Untergangsstimmung. Aber zum Glück gibt es noch die »Sorge um Afrika«.
https://wirkommen.akweb.de/2020/03/ploetzlich-apokalypse/
Papierlose in Zürich: Schon bald regularisiert?
Letzte Woche veröffentlichte der Kanton Zürich eine Studie über Sans-Papiers. Laut Schätzungen der Autoren leben knapp 20.000 Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus im Kanton.
https://rabe.ch/2020/03/25/sans-papiers-in-zuerich-und-bern/
Doku: Lesbos Refugee Camp: The Crisis At The EU Border
https://www.youtube.com/watch?v=y6pRE9bhMzg
In Nothilfelagern wird nicht gewohnt
Asylsuchende Menschen, deren Gesuch abgelehnt worden ist, werden in Nothilfelagern untergebracht. Eine selbstbestimmte Gestaltung des Lebens wird in «totalen Institutionen» verunmöglicht. Statt um das Wohnen geht es um das Überleben.
https://www.neuewege.ch/nothilfe-lagern-wird-nicht-gewohnt
Scheisz auf Struktur
Die linke Szene ist eine Struktur der Vielfalt – von Rassismus über Islamophobie, Antisemitismus, und Roma-, Sinti und Jenische-Feindlichkeit bis hin zu Gewalt. Inklusive Intersektionen! Die folgende Polemik ist eine Übertragung eines queerfeministischen Texts auf (Alltags-)rassismus, wie er in der Szene häufig und immer wieder vorkommt.
https://barrikade.info/article/3311
Rechte Männerbilder
Die (extreme) Rechte ist männlich geprägt, männlich dominiert, männerbündisch organisiert. Doch keine rechte Partei fordert in ihrem Programm eine offensive männliche Dominanz oder gar Herrschaft. In keiner rechten Publikation wird das Patriarchat explizit verteidigt. Rechte Männer (und Frauen) halten es versteckt am Laufen und wollen es restaurieren.
https://www.apabiz.de/2020/rechte-maennerbilder-teil-1/
https://www.apabiz.de/2020/rechte-maennerbilder-teil-2/
Namen statt Nummern für die Opfer des Mittelmeers
Als 2013 vor der Küste Lampedusa ein Boot mit Flüchtlingen aus Eritrea und bald darauf eines mit syrischen Familien sank, war für Mailänder Gerichtsmedizinerin Cristina Cattaneo klar, dass die Opfer aus ethischen Gründen identifiziert werden müssen. Doch die Unterstützung aus der Forensik blieb – im Gegensatz zu anderen Ereignissen wie Flugzeugabstürzen – aus.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/tote-fluechtlinge-im-mittelmeer-die-identifizierung-der-opfer-ist-eine-ethische-pflicht
Sinn ohne Wort. Vom „Volksthum“ und anderen „Thumheiten“
https://geschichtedergegenwart.ch/sinn-ohne-wort-vom-volksthum-und-anderen-thumheiten/
Wer ist antira.org?
antira.org ist ein Zusammenhang von herrschaftskritischen Antirassist*innen in der Deutschschweiz. Wir sind autonom vernetzt, bezahlen keine Löhne und leben von solidarisch-widerständiger Arbeitszeit. Wir sind offen für Menschen, die unsere politischen Analysen, Ziele und Mittel teilen. Aktuell wird antira.org von weiss-sozialisierten Personen betrieben. Wir wollen rassistische Privilegien nutzen, um Rassismus zu bekämpfen. Dennoch sehen wir uns von Rassismus (mit-)geprägt und versuchen unsere Sozialisierung und Position innerhalb der rassistischen Gesellschaft kritisch und intersektional zu reflektieren. Für die Ausrichtung von antira.org finden wir es wichtig, im Austausch und Dialog mit nicht-weissen Personen und Zusammenhängen zu stehen und würden es begrüssen, wenn schwarze oder PoC-Kompliz*innen bei antira.org mitmachen würden. Wann immer möglich, nehmen wir auch Berichte und Analysen von BPoC-Personen, Kollektiven oder Strömungen auf. Bitte schickt uns solche Texte, Berichte, Analysen, Veranstaltungshinweise etc. an antira@immerda.ch.
Wie kannst du antira.org unterstützen?
- Abonnieren und weiterempfehlen: Facebook (https://www.facebook.com/antirapunktorg/) | Twitter (https://twitter.com/antira_org) | Newsletter (http://eepurl.com/gb9Jc1) | Telegram (https://t.me/antirapunktorg)
- Ausdrucken und auflegen: Neu gibt es eine Printversion der anitra-Wochenschau. Druck sie aus und lege sie bei dir zuhause, im Quartier, bei der Arbeit, in der Schule, im Infoladen, im Restaurant oder wo auch immer auf.
- Veröffentlichen: Kritische Artikel, Hinweise und Kommentare an antira@immerda.ch
- Mitmachen: antira.org lebt von antirassistischer Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Zusammenarbeitsformen gibt es viele. Melde dich einfach bei antira@immerda.ch.
- Spenden: Statt an uns z.B. an den Verein Ticket for Protest (https://migrant-solidarity-network.ch/ticket-for-protest/) oder den Verein Solidarität (www.solikonto.ch/bern)