Am 9. Februar 2014 hat ein Teil der stimmberechtigten Bevölkerung über die SVP-„Masseneinwanderungsinitiative“ abgestimmt und entschieden die Diskriminierung von Migrant_innen in der Verfassung zu verankern. Seit Dezember 2016 haben die parlamentarischen Kräfte – die ursprünglich gegen die SVP-Initiative waren – einer Umsetzung zugestimmt. Es ist die Rede von einem Inländervorrang light. Das Bleiberecht Kollektiv Bern sagt, das ist rassistische Ausbeutung hard. Der SVP geht die Umsetzung zu wenig weit. Am 18. März mobilisiert sie nach Bern um eine rassistischere Umsetzung der Initiative zu fordern.
Gefunden auf bleiberecht.ch
Die Widerstandsformen sind verschieden. Die Proteste in den USA, Rumänien, in Frankreich oder der Türkei zeigen, wie rechtspopulistischen Kräften entgegengetreten werden kann. Nicht alle haben den Mut und die Freiheit, dies zu tun. Das Bleiberecht-Kollektiv Bern ruft deshalb alle auf, dort wo sie gerade stehen, ihren möglichen Beitrag gegen die SVP und den Rassismus zu leisten, sei es im Betrieb, im Quartier, im Freundes- oder Bekanntenkreis oder am 18. März auf der Strasse in Bern.
Auch der berner Gemeinderat hätte es in der Hand. Wenn der Gemeinderat seinen eigenen Argumenten treu bliebe, könnte er Position beziehen und der SVP-Demo am 18. März die Bewilligung entziehen. Unserer Ansicht nach, müsste er nur seiner grundrechtsverletzenden Argumentationslogik, die er jeweils gegen antirassistische Demonstrationen anwendet, auch bei der Bewilligungsanfrage dieser rechtspopulistischen Demo folgen. So hat er mit Verweis auf die Sicherheitslage am 4. Februar 2017 eine antirassistische Demo auf Nebenstrassen verbannt. 2014 verbot er gar eine antirassistische Demonstration, die sich gegen die Masseneinwanderungsinitiative richtete (vgl. hierzu die Argumente im Entscheid des Regierungsstatthaltes).
Auch den Gewerkschaften könnte etwas mehr Konsequenz nicht schaden. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative forderten sie (1) eine Umsetzung im Einklang mit den Bilateralen Verträgen, (2) die Stärkung der flankierenden Massnahmen (FlaM) und (3) den Respekt des Nichtdiskriminierungsprinzip. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund erklärte damals: „Nur unter Einhaltung dieser Grundsätze, kann die Initiative umgesetzt werden, ohne dass die Arbeitnehmenden die Zeche für die Zustimmung zur SVP-Initiative bezahlen müssen“ (vgl. Brief der Gewerkschaften an den Bundesrat).
Heute stehen die Gewerkschaften an einem anderen Punkt. Die im Parlament beschlossene Umsetzung der Initiative heissen sie gut. Diese steht jedoch höchstens im Einklang mit den Bilateralen Verträgen. Dagegen unterstützen sie mittlerweile aktiv den Inländer_innenvorrang (vgl. NZZ-Artikel vom März 2016). Und die Forderung nach einem Ausbau der flankierenden Massnahmen wurde von der parlamentarischen Rechten abgeblockt. Somit wurde Punkt 1 der gewerkschaftlichen Ziele erreicht, Punkt 2 konnte nicht durchgesetzt werden und bei Punkt 3 werden die Nicht-Inländer*innen auf dem Arbeitsmarkt systematisch diskriminiert. So steht es also schlecht um Kontrollen und Sanktionen gegen Lohndruck und -dumping in der Schweiz, wie auch die ernüchternde Analyse der Gewerkschaften selber zeigt (vgl. Gewerkschaftsbilanz im Bericht der Arbeitsgruppe zum Verbesserungsbedarf von Vollzug und Missbrauchsbekämpfung der FlaM zuhanden des Bundesrats im Oktober 2016).
Auch die hier ansässigen Arbeiter_innen, die aus Angst vor Entlassungen und Lohndruck den „Inländervorrang“ gutheissen, könnten sich bemühen, die Augen zu öffnen. Wer Inländer_innenvorrang als einen Schutz verkauft, tut so, als hätten die Migrant_innen und nicht die Unternehmen die Macht über Entlassungen und Löhne zu bestimmen. Zudem wird ausgeblendet, dass Unternehmen, die Lohnabhängige entlassen, um billigeres Personal einzustellen und so die Löhne zu drücken, durch eine RAV-Meldepflicht der Unternehmen selber nicht gestoppt werden. Im Gegenteil, die RAV-Meldepflicht könnte sich sogar gegen die Arbeitslosen richten, die im Rahmen der sogenannten „Zumutbarkeit“ künftig vermehrt vom RAV gezwungen werden können, schlecht bezahlte Jobs zu akzeptieren.