Hetze der SVP, Demo gegen Ausschaffungsknäste, Blackfacing in Mendrisio

Was ist neu?

Bern: Schwurbler*innentreffen mit Ueli Maurer

Am Wochenende kamen in Bern ultrarechte wie SVP-Alt-Bundesrat Ueli Maurer, Coronaleugner*innen wie Simone Machado und fundamentalistische Christ*innen zusammen, um gemäss eigenen Angaben „differenziert und ergebnisoffen“ über die Coronapandemie zu schwurbeln. Die Gruppe orghan.org hat mit Plakaten auf das Schwurbler*innentreffen aufmerksam gemacht. 

Bei diesem Anlass ging es nicht um physische oder psychische Gesundheit, sondern um Networking zwischen Ultrarechten, Konservativen, Fundamentalist*innen, Esos und Faschos. Schaut man sich die Ticketpreise des Kongresses an, könnte es sich auch um eine Finanzierungsinitiative handeln. 220 Franken für Eintritt und Verpflegung oder via Livestream für 75 Franken.

Die Pandemie zu leugnen, sie als grosse Weltverschwörung oder als spannende Diskussionsgrundlage zu sehen, ist ein Schlag ins Gesicht von Pfleger*innen, die Burnouts erlitten haben, von Detailhandelsangestellten, die dem Virus quasi schutzlos ausgeliefert wurden, von Personen, die unter Long-Covid leiden.

Der neue Schutzherr der Schwurblis ist Ueli Maurer. Es brauche «Respekt vor den Schwurblern und Leugnern – und umgekehrt”, sagt der Alt-Bundesrat am Anlass. Seit Monaten tritt er an verschiedensten Anlässen auf, um die Ideologien der wildesten rechtesten Massnahmekritiker*innen zu rechtfertigen.

https://orghan.ch/allgemein/plakate-gegen-das-fundisymposium-in-der-laenggasse/
https://www.derbund.ch/massnahmen-gegner-ueli-maurer-ruft-am-berner-corona-symposium-zur-versoehnung-auf-976165481775

Was ist aufgefallen? 

Blackfacing nervt und verletzt – auch in Mendrisio! 

In Medrisio findet in der Karwoche eine grosse katholische Prozession statt. Eine bedeutsame Tradition für viele Personen in der Region. Nach jahrelangen Abklärungen entschloss die Stiftung, die die Prozession organisiert, dieses Jahr auf Blackfacing zu verzichten. Die starken Reaktionen danach führten jedoch dazu, dass die Stiftung einknickte und ihren Entscheid zurückzog. Wir finden: Entweder soll sich die Prozession wandeln oder eingehen.

Die Schauspielenden, die die Diener von König Herodes spielen, malen sich ihr Gesicht schwarz an. Ein klassischer Fall von Blackfacing. Es ist heutzutage ein Akt des Respekts darauf zu verzichten, begründet die Stiftung ihren Entscheid. Die Tradition solle sich entwickeln, inklusiv weltoffen sein und weltweite Entwicklungen mitberücksichtigen.

Ein begrüssenswerter Entscheid, denn Blackfacing kann verletzend, beleidigend, stereotypisierend und rassistisch wirken. Blackfacing ist historisch mit diesen Zielen entstanden und wird noch heute aus diesen Gründen kritisiert und bekämpft.

Anders sehen das viele Menschen in der Region Mendrisio. Sie behaupten, ihnen werde die Tradition geraubt. Sie und nicht rassismusbetroffene Personen würden dadurch beleidigt werden. Aufgrund der starken Reaktion ist die Stiftung nun zurückgekrebst und hat ihren Entscheid auf 2025 vertagt.

Dass sich die Bevölkerung im Recht sieht, liegt auch daran, dass die Tradition von oberster Stelle unterstützt wird. 2019 wurde die problematische Prozession sogar in die UNESCO-Liste des «immateriellen Kulturerbes der Menschheit» aufgenommen. Dies auf einen Vorschlag des Bundesamtes für Kultur hin. Bei der UNESCO und beim Bundesamt für Kultur verdienen zahlreiche Expert*innen ihr Geld damit, den Wert von Tradition zu beschreiben. Dass sie nicht auf die Idee kamen, dass Blackfacing rassistisch ist, zeigt einmal mehr, wie tief der Rassismus in den Institutionen verankert ist. Traditionen dürfen nicht zu rassistischen Stereotypen und kolonialen Kontinuitäten beitragen. Entweder sollen sie sich wandeln oder eingehen. 

https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/rassismus-oder-tradition-der-streit-um-blackfacing-im-tessin?urn=urn:srf:video:06aa57f8-e0da-4d40-b3a1-36dcce984a36
https://www.srf.ch/play/tv/-/video/-?urn=urn:srf:video:60d8130f-58d5-477e-9949-802efea9f499

Was nun? 

Einmal mehr: SVP hetzt gegen geflüchtete Menschen und Migrant*innen

Die SVP hat vergangenen Mittwoch ihre Volksinitiative mit dem Titel «Keine 10-Millionen-Schweiz!» eingereicht. Darin fordert sie, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz vor dem Jahr 2050 zehn Millionen nicht überschreiten darf. Mit ihrer Initiative greift die SVP einmal mehr geflüchtete Menschen und Migrant*innen an. 

Gemäss Initiativtext soll die Bundesverfassung mit einem neuen Artikel zur «nachhaltigen Bevölkerungsentwicklung» ergänzt werden. Demnach darf die ständige Wohnbevölkerung zehn Millionen Menschen vor dem Jahr 2050 nicht überschreiten. Der Bundesrat müsse allenfalls Massnahmen ergreifen. So soll bei vorläufig aufgenommenen Personen (F-Ausweis) der Familiennachzug eingeschränkt werden. Auch dürften, wenn es nach der Initiative geht vorläufig Aufgenommene keine Niederlassungsbewilligung erhalten und nicht mehr eingebürgert werden. 

In der Praxis würde dies bedeuteten, dass geflüchtete Menschen in die Nothilfe gedrängt werden. Für viel Menschen ist eine Rückkehr ins Heimatland nicht möglich. Bei Menschen mit F-Ausweis ist dies vom Staat offiziell anerkannt. Würde ihnen das Aufenthaltsrecht entzogen, können sie nicht mehr arbeiten und müssten in der Folge von der Nothilfe leben.  (??)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) schreibt in ihrer Kritik an der Initiative: «Die Initiative macht Geflüchtete für das Bevölkerungswachstum, für Umweltprobleme und die Überlastung von Infrastruktur und Gesundheitssystem verantwortlich, obwohl Personen aus dem Asylbereich nur gerade 2,5% der ständigen Wohnbevölkerung ausmachen. Das ist absurd.» Und die JUSO, die die Einreichung der Initiative störte, schreibt: «Wie in ihren früheren Initiativen macht die SVP Menschen mit Migrationshintergrund für Probleme verantwortlich, die in Wirklichkeit systemisch sind.»

2014 wurden mit der Ecopop-Initiative ähnliche Ziele verfolgt. Auch dort wurde Bevölkerungswachstum in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit gesetzt. Während die SVP die Initiative damals ablehnte, will die SVP mit ihren rassistischen Positionen neu scheinbar für Nachhaltigkeit einstehen. Diese Erzählung deckt sich mit jenen der neuen Rechten rund um die Identitäre Bewegung. 

So ist es wenig erstaunlich, was vergangene Woche publik wurde: Sarah Regez, Strategiechefin der Jungen SVP, nahm an einem Treffen mit dem identitäre Faschist Martin Sellner und der Junge Tat teil. 

https://antira.org/2024/03/25/rassismus-vom-bundesrat-aufmerksamkeit-fuer-faschos-demo-fuer-bewegungsfreiheit/#Sellner_gelingt_erneut_eine_Medieninszenierung
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/nein-zur-aushoehlung-des-fluechtlingsschutzes

Wie die SVP die Schweiz gerne sehen würde.

Wo gab es Widerstand? 

No ai CPR! Grossdemonstration gegen die italienischen Ausschaffungsknäste (CPR)

Letzten Sonntag fand in Mailand eine Grossdemonstration gegen die italienischen Ausschaffungsknäste statt. Über 6’000 Menschen versammelten sich auf den Strassen um gegen die menschenverachtenden Ausschaffungsknäste zu demonstrieren. Sie forderten die Schliessung aller Ausschaffungsknäste und bezeichneten diese als staatliche Lager. Die Lager nehmen dabei den Menschen nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihre Gesundheit oder gar ihr Leben. 

Die Umstände in den CPRs sind gewollt katastrophal. So katastrophal, dass die Gefangenen zu brutalsten Mitteln des Protestes greifen, um dagegen anzukämpfen. Immer wieder bricht in den Lagern Feuer aus, Menschen treten in den Hungerstreik, brechen sich Gliedmassen, nähen sich ihren Mund zu oder begehen Selbstmord. Der einzige Ausweg aus dieser Hölle eröffnet sich jedoch den meisten erst nach 18 Monaten. 18 Monate werden sie ohne ausreichende ärztliche oder rechtliche Betreuung, ohne geniessbares Essen, ohne jegliche Beschäftigung in Zellen eingesperrt, mit Psychopharmaka ruhiggestellt und dem Prozess der völligen Entmenschlichung überlassen. Danach ist die maximale Dauer der administrativen Ausschaffungshaft vorbei und der Staat muss sie wieder gehen lassen. Denn tatsächlich ausgeschafft werden zum Glück nur wenige. Doch das Leid und der Terror bleiben auch denen nicht erspart, die gar nicht ausgeschafft werden können.

Voller Wut bewegte sich die Demonstration am Sonntag aus der Innenstadt Mailands heraus. Nach vielen Redebeiträgen von Direktbetroffenen, Aktivist*innen, Ärzt*innen und Anwält*innen und rund sechs Kilometern Strecke, fand sich die Demonstration an der Via Corelli wieder. Der Strasse, an welcher sich der Ausschaffungsknast Mailands befindet, am Stadtrand zwischen Industriegebiet und Brachland. Doch die Polizei blockierte mit einem Grossaufgebot den weiteren Weg zum Ausschaffungsknast. So endete die Demonstration am Anfang der Via Corelli, nur wenige hundert Meter von dem Ausschaffungsknast entfernt. 
Der Widerstand geht weiter, denn am Sonntag waren wir noch nicht alle. Noch immer fehlen die Gefangenen.

Spontane kurdische Demo für Abdullah Zeydan in Bern 

Vergangenen Sonntag fanden in der Türkei Kommunalwahlen statt. In der Stadt Van in Südostanatolien wurde Abdullah Zeydan von der DEM Partei mit 55 Prozent der Stimmen deutlich zum Bürgermeister gewählt. 

Die Wahlbehörde wollte den Wahlsieg Zeydans aber zuerst nicht anerkennen. Zeydan sass, wie viele kurdische Politiker*innen, wegen Terrorismusverdacht während fast sechs Jahren hinter Gittern. Nach seiner Freilassung wurden seine politischen Rechte wieder anerkannt und er konnte so wieder für die Kommunalwahlen kandidieren. Dass sei ein Fehler gewesen, beurteilte nun das Justizministerium. Zeydan sei vorbestraft und hätte gar nicht erst zur Wahl antreten dürfen. Am Dienstag dieser Woche wurde deswegen der Zweitplatzierte Abdullahaz Arvas, ein Vertreter von Erdoğans AKP, als Bürgermeister eingesetzt. Das sorgte im Südosten der Türkei für Aufruhr. 

Laut der NZZ wurden über 80 Personen bei Demonstrationen festgenommen. Demonstriert gegen den Amtsantritt Arvas haben auch in Bern gestern rund 50 Personen, hauptsächlich aus der kurdischen Diaspora. Pünktlich zum Demonstrationsauftakt wurde dann aber die frohe Botschaft verkündet: Der kurdische Politiker Abdullah Zeydan ist als Bürgermeister der ostanatolischen Stadt Wan nun doch anerkannt worden.

Während der Kommunalwahlen waren auch über zwanzig Menschen aus der Schweiz vor Ort, um in der Rolle von Wahlbeobachter*innen den Ablauf der Wahlen zu dokumentieren.

https://rabe.ch/2024/04/04/spontane-kurdische-demo-fuer-abdullah-zeydan-in-bern/
https://www.derbund.ch/bern-spontane-kurden-demo-gegen-erdogan-245653721529
https://twitter.com/gegen_oben/status/1775583587720470731
https://twitter.com/gegen_oben/status/1775540836920365373

Bern: Demo für Frieden in Gaza

Auf dem Bundesplatz demonstrierten am Samstag 500 Personen. Sie forderten einen sofortigen Stopp des Aushungerns, einen sofortigen Waffenstillstand, die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln und von willkürlich inhaftierten palästinensischen Gefangenen, ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel, die Weiterführung der Finanzierung des Uno-Hilfswerks für die palästinensischen Flüchtlinge. 

Die GSoA, Amnesty International, Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina sowie Palestine Solidarity Switzerland organisierten die Kundgebung. Leider wollten sie mit Verboten die Meinungsäusserungsfreiheit einschränken. Fahnen von politischen Parteien jeglicher Art sowie eigens mitgebrachte Plakate und Banner wurden verboten. Dieses Verbot wurde von einem privaten Sicherheitsdienst sowie von der Polizei durchgesetzt. 

Was steht an?

Grande Manif’ pour les luttes de libérations trans, contre la transphobie et l’extrême-droite
SAMEDI 13 AVRIL 2024 GENÈVE
Face à l’augmentation d’attaques politiques et médiatiques transphobes ainsi que de la montée l’extrême-droite et ces idées réactionnaires, faisons front !
https://renverse.co/infos-locales/article/grande-manif-pour-les-luttes-de-liberation-trans-et-contre-l-extreme-droite-13-4438

FREE MUMIA – FREE THEM ALL!
Am Mittwoch, 24. April 2024 wird der afroamerikanische Journalist und politische Gefangene Mumia Abu-Jamal 70 Jahre alt. Der Black Panther verbrachte 42(!) Jahre davon in Haft. Aus der Haft heraus kämpft er gegen Rassismus, Ausbeutung und Krieg und veröffentlichte unter anderem elf Bücher. Diese Bücher, Texte und Radiobeiträge sind ein fester Bestandteil der abolitionistischen Bewegung. Weder 29 Jahre Isolationshaft noch Hinrichtungsbefehle haben ihn je davon abgehalten am Ort der aktuellen Sklaverei unter anderem Namen die “Voice of the Voiceless” zu sein.

“Manche sagen, es sei unvernünftig, Widerstand gegen dieses gewalttätige System zu leisten. Ich denke, es ist unvernünftig, das nicht zu tun.” (Mumia Abu-Jamal).

Lasst uns Mumias bisherige Lebensleistung würdigen!
Zusammen gegen Rassismus, Ausbeutung und Krieg!

Mittwoch – 24. April 2024 – 18.00 Uhr
Kundgebung vor der US Botschaft
https://barrikade.info/article/6373

1. Mai

Basel: https://barrikade.info/article/6383
Winterthur: https://barrikade.info/article/6390

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Berichterstattung über den Genozid in Palästina
Der Staat Israel kolonisiert seit über 75 Jahren palästinensisches Land und unterdrückt die Palästinenser:innen. Seitdem übt er auch einen Genozid aus, der sich seit der Offensive in Gaza in den letzten 6 Monaten verschärft hat. Seit Oktober sind über 30’000 Menschen ermordet worden, davon sind ungefähr die Hälfte Kinder. Die bürgerlichen, westlichen Medien stellen sich klar auf die Seite des Unterdrückers. Mit ihrer Berichterstattung legitimieren sie den Genozid und machen sich somit Mitschuldig. Durch die gewählte Sprache und die unkritische, unkommentierte Zitierung von IDF Medienmitteilungen wird ein klares Narrativ gebaut und verbreitet.
https://lotta.info/berichterstattung-ueber-den-genozid-in-palaestina/

Schweizer Naturforschung: Von kolonialen Sammlungen zur Biopiraterie
Zehntausende von Tieren, Pflanzen und Gesteinen aus kolonialen Kontexten lagern in den Sammlungen von Schweizer Museen und Universitäten. Ihre Geschichte offenbart die enge Verbindung zwischen Naturwissenschaften und Kolonialismus, die sich bis heute in der Forschung niederschlägt.
https://daslamm.ch/schweizer-naturforschung-von-kolonialen-sammlungen-zur-biopiraterie/

Dindo | Verhör und Tod in Winterthur | 2002
Im Sommer 1984 finden in Winterhur eine Anzahl von Attentaten statt. Unter anderem wird einem amtierenden Bundesrat eine handgemachte Bombe aufs Fenstersims gelegt. 27 Jugendliche werden verhaftet. Unter dem psychischen Druck der Untersuchungsrichter erhängt sich eine junge Frau in ihrer Zelle. Ein Journalist aus Zürich macht einige Monate später eine Enquete über diesen Todesfall und schreibt ein Buch darüber. Ein junger Kunstmaler, der Freund der Toten, sitzt drei Jahre in Haft und malt hunderte von Bildern. Die Mutter des inzwischen Verstorbenen und einige Beteiligte erinnern sich. Der Film geht auf den Spuren des eindrücklichen Buches von Erich Schmid zurück in die Vergangenheit und versucht zu verstehen, was damals geschehen ist mit diesen Jugendlichen, die sich gegen die Gesellschaft aufgelehnt hatten.
https://www.youtube.com/watch?v=DBhJWMSrKEM