Medienspiegel 28. März 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++AARGAU
Lage bleibt angespannt: Kanton Aargau eröffnet eine weitere Notunterkunft für Geflüchtete
Im Aargau fehlen weiterhin Unterbringungsplätze für Asylsuchende. Nun soll eine weitere kantonale Notunterkunft in Dottikon in Betrieb gehen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylwesen-lage-bleibt-angespannt-kanton-aargau-eroeffnet-eine-weitere-notunterkunft-fuer-gefluechtete-ld.2600261
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/der-kanton-solothurn-praesentiert-rote-zahlen?id=12563792 (ab 04:24)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/neue-asylunterkunft-in-aargau-150-platze-ab-juli-66735464
-> https://www.ag.ch/de/aktuell/medien/medienmitteilungen?mm=notunterkunft-fuer-gefluechtete-in-dottikon-2074c9c3-de76-49a0-9b18-2de67c68ee6f_de


+++LUZERN
Wegen unterirdischer Asylunterkunft: SP bezeichnet Vorgehen des Stadtrats als «nicht akzeptabel»
Der Kanton Luzern nimmt ab Mai 2024 die Zivilschutzanlage Utenberg als Asylunterkunft in Betrieb. Laut einem SP-Grossstadtrat sei dieses Vorgehen «schlicht nicht tolerierbar», da der Stadtrat zwei überwiesene Postulate übergehe.
https://www.zentralplus.ch/regionales-leben/sp-bezeichnet-vorgehen-des-stadtrats-als-nicht-akzeptabel-2632034/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/stadt-luzern-im-utenberg-wohnen-ab-mai-80-asylbewerber-ld.2600413
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/luzern/fuer-80-asylsuchende-kanton-luzern-nimmt-im-mai-zivilschutzanlage-utenberg-in-betrieb-id19583794.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/das-stueck-die-aerztin-verhandelt-identitaet-rassismus-und-macht?id=12563948 (ab 02:24)
-> https://news.lu.ch/html_mail.jsp?id=0&email=news.lu.ch&mailref=000jkp00000ti0000000000000uvvjvq


+++THURGAU
Der Ruf nach strengeren Regeln für Asylzentren im Thurgau löst bei den Parteien gemischte Reaktionen aus (ab 03:32)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/innerrhoder-traditionsbahn-feiert-geburtstag?id=12563891


+++SCHWEIZ
Ausschaffungsflüge: Das emsige Staatssekretariat
Im vergangenen Jahr brüstete sich die deutsche Bundesregierung damit, in den Verhandlungen mit dem Irak einen Durchbruch erzielt zu haben. Ähnlicher Stolz schwang nun mit, als SP-Justizminister Beat Jans vor zwei Wochen im Ständerat verkündete, «substanzielle Verbesserungen» in der migrationspolitischen Zusammenarbeit mit der Regierung in Bagdad erzielt zu haben. «Die intensive Migrationsdiplomatie trägt Früchte», sagte Jans.
https://www.woz.ch/2413/ausschaffungsfluege/das-emsige-staatssekretariat/!H0YG476595D


Zwei Vernehmlassungsantworten der SFH: Grundrechte und spezifische Bedürfnisse von Geflüchteten stärker berücksichtigen
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat zwei Antworten zu Vernehmlassungen eingereicht. Die eine betrifft die Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), die andere die Stärkung der Kinderrechte. Im Zusammenhang mit dem AIG lehnt die SFH insbesondere die neu vorgesehene Anwesenheitspflicht in der Unterkunft ab, die für abgewiesene Asylsuchende gelten soll.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/zwei-vernehmlassungsantworten-der-sfh-grundrechte-und-spezifische-beduerfnisse-von-gefluechteten-staerker-beruecksichtigen


Schweizerisches Zollmuseum eröffnet Saison mit einer Ausstellung über Migration und einer neu gestalteten Ausstellung zu geschützten Arten
Am Ostersonntag, dem 31. März 2024, öffnet das Schweizerische Zollmuseum wieder seine Tore. Auf die Besucherinnen und Besucher warten in dieser Saison zwei Neuerungen: Die erste ist eine Wanderausstellung eines Reuters-Fotojournalisten zum Thema «Migration – eine Fotoausstellung von Darrin Zammit Lupi», die einen einzigartigen Blick auf die langen Reisen von Migrantinnen und Migranten bietet. Die zweite ist die neu gestaltete Ausstellung über durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützte Arten.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-100545.html


+++SERBIEN
»Serbiens Grenzen sind Schauplatz von illegalen Pushbacks und Polizeigewalt«
Serbien ist das letzte Land auf der Balkanroute, das nicht zur EU gehört – aber an gleich vier EU-Staaten grenzt. Die versuchte Abschottung der europäischen Außengrenzen wird dort also besonders deutlich. Milica Svabic von unserer Partnerorganisation klikAktiv berichtet zur Situation vor Ort.
https://www.proasyl.de/news/serbiens-grenzen-sind-schauplatz-von-illegalen-pushbacks-und-polizeigewalt/


+++EUROPA
Fakten gegen die Mythen des EU-Türkei-Deals
Vor acht Jahren trat der EU-Türkei Deal in Kraft, mit dem Flucht in die Europäische Union verhindert werden sollte. Obwohl der Deal bis heute zu massivem Leid von Schutzsuchenden führt, halten sich falsche Behauptungen und der Mythos einer »Erfolgsgeschichte« hartnäckig. PRO ASYL kritisierte den Deal von Anfang an und setzt Fakten dagegen.
https://www.proasyl.de/news/fakten-gegen-die-mythen-des-eu-tuerkei-deals/


++++FREIRÄUME
Bührerareal Biel: Vereinbarung mit Besetzerkollektiv «l’équipe»
Im Sommer 2023 hat eine kurze Besetzung des Bührerareals in Biel stattgefunden. Die Besetzerinnen und Besetzer haben den Ort anschliessend freiwillig verlassen und mit dem Kanton seither über eine mögliche Zwischennutzung verhandelt. Nun hat sich der Kanton Bern mit dem Kollektiv «l’équipe» auf eine Zwischennutzung des Areals geeinigt. Nach konstruktiven Verhandlungen wurde für einen Teil des Geländes, ohne das Wohnhaus, ein Baurechtsvertrag für 15 Jahre abgeschlossen. Der Kanton ist erfreut, dass diese Lösung gefunden werden konnte. Für das Wohnhaus prüft er aktuell eine Zwischennutzung durch den Kanton.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=c14b119f-b4c4-47a9-9862-6f6c830ffed6



ajour.ch 28.03.2024

Bührer-Areal – 15 Jahre Zwischennutzung für «l’équipe»: Kanton lässt Bieler Hausbesetzer wieder einziehen

Die Fabrikantenvilla am Unteren Quai wird wieder belebt. Der Kanton hat sich mit den einstigen Hausbesetzern auf eine Zwischennutzung geeinigt.

Matthias Gräub

Der Kanton Bern hat sich mit dem Bieler Kollektiv «l’équipe» geeinigt: Die Gruppe, die im Sommer 2023 die Fabrikantenvilla auf dem Bührer-Areal am unteren Quai besetzt hatte, darf wieder einziehen. Dies teilt der Kanton am Gründonnerstag, kurz nach 17 Uhr 30, in einem Communiqué mit.

Wie die Bau- und Verkehrsdirektion mitteilt, habe man konstruktive Verhandlungen mit dem Kollektiv geführt und nun für einen Teil des Geländes einen Baurechtsvertrag für 15 Jahre unterzeichnet.

Der Vertrag beinhaltet nicht das Wohnhaus auf dem Bührer-Areal. Für dieses will der Kanton aktuell eine eigene Zwischennutzung prüfen.

Verhandlung statt Räumung

Im Juni des vergangenen Jahres war das Kollektiv «l’équipe» in das leerstehende Haus am Unteren Quai 30 gezogen und hatte auch das dazugehörige Areal zwischen Schüss und Wydenauweg besetzt.

Das Kollektiv wollte auf dem Areal Vereinsprojekte, Ateliers, Musiklokale und nicht profitorientierte Aktivitäten aufziehen.

Der Kanton hat rasch darauf Anzeige gegen das Kollektiv eingereicht und auf dem Areal Strom und Wasser abgeschaltet.

Anfang Juli, gut drei Wochen später, verliessen die Besetzer das Haus: Ihnen war die Räumung angedroht worden. «Wir haben stets den gewaltfreien Dialog gesucht und wollten keine Konflikte», sagte damals ein Sprecher des Kollektivs. «Eine polizeiliche Intervention wäre nicht in unserem Sinn gewesen.»

Stattdessen begann das Kollektiv, mit dem Kanton über eine legale Zwischennutzung zu verhandeln – mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt.
(https://ajour.ch/de/story/502356/15-jahre-zwischennutzung-f%C3%BCr-lquipe-kanton-l%C3%A4sst-bieler-hausbesetzer-wieder-einziehen)


+++GASSE
BS: Dabei auf einer Polizeipatrouille: Wir begleiten Polizisten bei einer Schwerpunktaktion, bei der Personenkontrollen durchgeführt werden. (ab 09:14)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/axpo-plant-reservekraftwerk-in-muttenz?id=12563978


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Der Countdown läuft: Urteilsverkündung im Fall der KlimaSeniorinnen am 9. April
Ein historischer Tag für die Klimagerechtigkeit steht bevor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird am 9. April sein Urteil über die Klage der KlimaSeniorinnen fällen.
https://www.greenpeace.ch/de/story/107068/der-countdown-laeuft-urteilsverkuendung-im-fall-der-klimaseniorinnen-am-9-april/



hauptstadt.be 28.03.2024

Der Gerichtssaal als Protestbühne

Im Frühling gehen die Berner Klimaprozesse weiter. Mit zunehmender Dauer der Verfahren bröckelt jedoch die Entschlossenheit einiger Aktivist*innen für den juristischen Weg.

Von Flavia von Gunten (Text) und Manuel Lopez (Bilder)

Am 21. September 2020 zogen um die 400 Menschen auf den Bundesplatz. Sie forderten eine klimagerechte Welt und Netto Null Emissionen bis 2030.

Im Parlamentsgebäude tagten derweil die eidgenössischen Räte – Demonstrationen auf dem Bundesplatz waren deswegen nicht erlaubt. Stadt und Polizei duldeten jedoch die Aktivist*innen, auch der Wochenmarkt konnte stattfinden.

Dann die Wende: In der Nacht auf den 23. September räumte die Kantonspolizei den Platz auf Anordnung der Berner Stadtregierung. 200 Aktivist*innen wurden kontrolliert, 80 verhaftet.

Welche Wirkungen der «Rise up for Change»-Protest (RUFC) auf politischer und gesellschaftlicher Ebene lostrat, lässt sich schwer fassen. Doch für einzelne Aktivist*innen gab es juristische Folgen – in Form von Strafbefehlen, die einige Monate später in ihren Briefkästen lagen.

Anfang 2021 erhielt Mara, die eigentlich anders heisst, einen Strafbefehl. «Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen» und «Hinderung einer Amtshandlung» werden ihr vorgeworfen. Von anderen RUFC-Teilnehmer*innen vernahm sie gleiches. Insgesamt stellte die Berner Staatsanwaltschaft 151 Strafbefehle aus. Die meisten Menschen akzeptierten sie.

Nicht so Mara und ihre 17 Mitstreiter*innen. «Wir haben uns zu einem ‹Legal Team› zusammengeschlossen, um koordiniert vor Gericht zu gehen.» Denn wer einen Strafbefehl anfechtet, wird zu einer Gerichtsverhandlung eingeladen. Keine leichte Sache für juristische Lai*innen. So war auch ein Gründungsgrund des Legal Team, sich gemeinsam juristisches Wissen anzueignen und zu teilen.

Zentral aber war der politische Aspekt. Mara: «Der Bundesplatz war die erste Bühne unseres Protests, der Gerichtssaal sollte die zweite werden.» Der RUFC-Protest reiht sich ein in die Geschichte des zivilen Widerstands: Menschen protestieren friedlich gegen eine Politik, die aus ihrer Sicht falsch läuft. Ob auf der Strasse, oder im Gerichtssaal.

Bundesgericht lehnt Vereinigung ab

Als Vorbild für das Berner Legal Team dienten die Prozesse von Klimaaktivist*innen in Lausanne, über die viele Medien prominent berichtet hatten – und so den Anliegen der Aktivist*innen erneut Aufmerksamkeit bescherten. Die erste Instanz sprach sie frei, die zweite schuldig. Das Bundesgericht bestätigte den Schuldspruch, worauf die Aktivist*innen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einlegten, die noch hängig ist.

Um geeint vor Gericht ziehen zu können, beantragte das Berner Legal Team, alle einzelnen Verfahren zu einem einzigen zusammenzuschliessen. So gäbe es nur eine Verhandlung, dafür eine grössere. Und mehr Medienaufmerksamkeit, so die Hoffnung der Aktivist*innen. Doch das Regionalgericht Bern lehnte den Antrag ab, später auch das Bundesgericht.

Für den Berner Rechtsanwalt und SP-Stadtrat Dominic Nellen ist es unverständlich, warum die Verfahren nicht vereinigt und zusammen behandelt werden: «Diese Einzelbehandlung ist weder effizient noch sinnvoll.» Die Kosten seien höher und die Verteidigung der einzelnen Betroffenen schwieriger. Er habe den Eindruck, dass das Gericht verhindern will, dass die Betroffenen eine gemeinsame Bühne erhalten.

So stand zwei Jahre nach dem Protest auf dem Bundesplatz der erste Aktivist alleine vor Gericht. Das Regionalgericht Bern sprach Emil, der auch anders heisst, schuldig. Er legte Berufung ein. Aber nach der Lektüre des begründeten Urteils akzeptierte er den Schuldspruch. «Ich tauschte mich mit meinem Anwalt und dem Legal Team aus. Die Chancen, vor Obergericht zu gewinnen, wären minimal gewesen.» Das Risiko, noch höhere Anwalts- und Prozesskosten anzuhäufen, hingegen sehr gross.

Bei der Lektüre des begründeten Urteils von Emil, das der «Hauptstadt» vorliegt, fällt auf, dass sich das Gericht kaum mit den inhaltlichen Anliegen des Protests beschäftigt hat. Zwar sei es legitim, so schreibt das Gericht, auf den Klimawandel hinzuweisen – jedoch nicht mit illegitimen Mitteln wie einer unbewilligten Protestaktion.

«Richter*innen handeln immer politisch»

Die meisten Richter*innen würden es ablehnen, sich mit der Problematik des Klimawandels näher auseinanderzusetzen, schreibt der Sozialwissenschaftler Jevgeniy Bluwstein in einer juristischen Fachzeitschrift. Er leitet an der Universität Bern das vierjährige Forschungsprojekt «Verrechtlichung der Klimapolitik durch Klimaaktivismus und Klimaprozesse in der Schweiz». Dazu hat er mehr als 200 Urteile gesichtet, die in der Schweiz  im Zusammenhang mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Klimapolitik ergangen sind.

Bluwstein beobachtet, dass viele Aktivist*innen und ihre Anwält*innen die Prozesse als politischen Akt darstellen, während die Richter*innen betonen, dass Klimapolitik nicht in den Gerichtssälen gemacht werde. Dieser Haltung widerspricht Bluwstein: «Richter*innen haben einen Spielraum, wie sie die Gesetze auslegen. Dadurch ist ihr Handeln immer politisch.» Er versteht die Aktionen des zivilen Ungehorsams darum als Kampf für Grundrechte und gegen staatliche Repression.

Das Recht auf Protest zu verteidigen, war für Emil ein wichtiger Grund, Einsprache gegen seinen Strafbefehl zu erheben. «Mir geht es darum, dass Polizei und Staatsanwaltschaft sorgfältig arbeiten müssen. Es darf nicht sein, dass sie Copy-Paste-Strafbefehle erlassen, sondern jeden Fall einzeln anschauen.» Ansonsten würden Menschen abgeschreckt, an weiteren Kundgebungen teilzunehmen.

Die Taktik anpassen

Das Gericht bezeichnete Emils Prozess als «Pilotprozess». Diesen Charakter hatte er auch für das Legal Team. Emils Taktik vor Gericht war, die aus seiner Sicht mangelnde Beweislage zu beanstanden. Doch sie verfing nicht, weil das Gericht den Prozess zweimal unterbrach, um zusätzliche Beweismittel einzuholen. «Meine Mitstreiter*innen können daraus lernen und eine andere Strategie fahren.»

Das tat Caterina Toffoletto, deren Verhandlung im letzten November stattfand und die mit ihrem richtigen Namen an die Öffentlichkeit tritt. Sie argumentierte, dass ihr Protest ein legitimes Interesse verfolgte und von der Versammlungs- und Meinungsfreiheit geschützt sei. Doch auch sie wurde vom Regionalgericht Bern verurteilt. Anders als Emil akzeptiert sie ihren Schuldspruch nicht und will vors Obergericht ziehen. Wann die Verhandlung stattfindet, weiss Toffoletto noch nicht.

Die Terminplanung der Gerichte und die unberechenbare Taktik der Aktivist*innen erschwert, den Überblick über die Verfahren zu behalten. Am 28. März hätte der dritte erstinstanzliche RUFC-Prozess am Regionalgericht Bern stattfinden sollen. Doch die angeklagte Person hat ihre Einsprache zum Strafbefehl zurückgezogen. Nach Angaben des Gerichtssekretärs ist die nächste RUFC-Verhandlung für Mitte April geplant. Und während Emil schon verurteilt worden ist und Caterina Toffoletto auf ihren Termin vor dem Obergericht wartet, wurde Mara noch gar nicht vom Gericht aufgeboten.

Sie wird es wahrscheinlich auch nicht mehr. Denn sie hat vor, ihre Einsprache gegen den Strafbefehl zurückzuziehen und die Strafe zu akzeptieren. In den drei Jahren, die ihr Verfahren schon dauert, hat sich ihre Einstellung dazu verändert. «Anfangs war ich überzeugt, dass Klimaproteste nicht nur auf der Strasse, sondern auch vor Gericht stattfinden müssen. Und ich wollte das Recht, protestieren zu dürfen, verteidigen.» Dass die Gerichte die Vereinigung der Verfahren abgelehnt haben, sei für sie ein grosser Dämpfer gewesen: «Mir ist es wichtig, dass mein Prozess einen politischen Effekt hat. Aber den sehe ich nicht, wenn ich alleine vor Gericht stehe.»

Prozesskosten

Nebst emotionaler und juristischer Unterstützung möchte das Legal Team seinen Mitstreiter*innen bald auch finanzielle Unterstützung bieten. «Wir möchten ein Crowdfunding machen, aber die Details stehen noch nicht fest», erzählt Mara.

Rund 10’000 Franken hat Emils Prozess gekostet. Die eine Hälfte bezahlte er selbst, die andere deckten Spenden.

Fast noch einschneidender als die Kosten empfindet Emil aber den Eintrag ins Strafregister, den seine Verurteilung zur Folge hatte. «Kürzlich musste ich an einem Bewerbungsgespräch erklären, wie der Eintrag zustande gekommen ist.» Den Job habe er trotzdem gekriegt. «Aber ich finde es unangenehm, mich im beruflichen Umfeld derart persönlich und politisch exponieren zu müssen.» Und nicht alle Arbeitgebenden hätten so viel Verständnis wie in seinem Fall.

Mara und Emil führen ihr Engagement gegen die Klimakrise abseits des juristischen Weges weiter. Sie nehmen an Demos teil und unterstützen andere Aktivist*innen bei ihren Tätigkeiten. Sie wollen sich nicht einschüchtern und einschränken lassen von möglichen staatlichen Repressionen – sondern ihre Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsäusserungsreiheit aktiv ausüben.
(https://www.hauptstadt.be/a/berner-klimaprozesse)



aargauerzeitung.ch 28.03.2024

Juso-Politikerin in St.Gallen wegen Schmierereien verurteilt – im Aargau kassierte die Klimaaktivistin nach einer Waldbesetzung einen Strafbefehl

Die 22-jährige Miriam Rizvi, die für die Juso im Stadtparlament von St. Gallen sitzt, wurde zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Die Politikerin hatte ein Restaurant besprayt und eine Bauabschrankung beschädigt. Dass sie nun rund 7500 Franken zahlen muss, hat auch mit einer Vorstrafe aus dem Aargau zu tun.

Fabian Hägler

Es ist ein Fall, der Schlagzeilen macht: Wie das St. Galler Tagblatt und der Blick berichten, hat die Jungsozialistin Miriam Rizvi eine unbedingte Geldstrafe von 4200 Franken kassiert. Grund für den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft St. Gallen sind mehrere Delikte: Rizvi hatte die Fassade eines Restaurants mit Farbe beschmiert, Bauverkleidungen zerschnitten und antikapitalistische Transparente aufgehängt, dies bei einem Co-Working- und Wohnungsbauprojekt sowie einem Betonproduzenten.

Verurteilt wurde die 22-Jährige wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und Hinderung einer Amtshandlung – sie widersetzte sich nach der Festnahme den Polizisten, die ihre Fingerabdrücke abnehmen wollten. Gemäss dem Strafbefehl wurde die Juso-Politikerin bereits im Oktober 2022 von der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Rizvi sei «mehrfach einschlägig vorbestraft» und habe «aus ihren Verfehlungen nichts gelernt», schreibt die Staatsanwaltschaft St. Gallen.

Juso-Politikerin auch im Aargau verurteilt

Warum die Jungpolitikerin im Aargau eine bedingte Geldstrafe kassierte, geht aus dem Strafbefehl aus St. Gallen nicht hervor. Recherchen der AZ zeigen aber: Miriam Rizvi war Anfang April 2022 an der Besetzung eines Waldstücks am Geissberg in Villigen beteiligt. Damals errichteten Klimaaktivisten dort ein Protestcamp, um gegen die Erweiterung des Steinbruchs des Zementproduzenten Holcim zu demonstrieren. Sie stiegen in die Bäume und wollten so Rodungen oder Sprengungen verhindern.

Lange dauerte die Besetzung jedoch nicht, bereits am zweiten Tag hatte die Polizei das Camp geräumt. Später reichte Holcim mehrere Anzeigen wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ein – die gleichen Delikte, für die Miriam Rivzi nun in St. Gallen verurteilt wurde. Der Ausdruck «einschlägig vorbestraft» bedeutet genau dies: dass eine beschuldigte Person früher wegen der gleichen Straftatbestände verurteilt wurde.

Klimaaktivistin widersetzte sich der Polizei

Rivzi wurde im Aargau nicht verurteilt, weil sie verbotenerweise das Waldstück von Holcim betreten oder dort etwas zerstört hätte. Alex Dutler, Sprecher der Staatsanwaltschaft, hält auf Anfrage fest, der Strafbefehl sei nicht wegen Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruchs ergangen. Er bestätigt aber, «dass die Person zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 50 Franken verurteilt wurde, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren».

Zum konkreten Inhalt des Strafbefehls gibt der Sprecher «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Beschuldigten» keine weitere Auskunft. Er hält lediglich fest, die junge Frau habe damals – weil die Strafe bedingt ausfiel – nur eine Busse von 200 Franken und die Verfahrenskosten zahlen müssen. Doch die AZ weiss: Miriam Rizvi hat sich bei der Räumung des Protestcamps der Polizei widersetzt. Sie wurde deshalb auch im Aargau wegen Hinderung einer Amtshandlung verurteilt.

Wie ein Beitrag von Tele M1 zur Besetzung zeigt, gab Rizvi dem Regionalsender damals ein Interview. Die vermummte Politikerin sagt, die Aktivistinnen und Aktivisten hätten ein Camp errichtet, «auch mit Seilen in den Bäumen». Sie wollten solange bleiben,« bis wir weggeräumt werden, oder der Wald geschützt ist». Die Besetzer wollten die Rodung verhindern und das Klima schützen, sagt die Jungsozialistin im TV-Beitrag.

Aus der bedingten Strafe wird eine unbedingte

Auch zwei weitere Klimaaktivisten erhielten aus demselben Grund einen Strafbefehl, über diese Fälle berichtete die AZ im Oktober 2022. Demnach forderte die Polizei die Personen auf, das Grundstück zu verlassen und sich zwecks Kontrolle auszuweisen. Die zwei Aktivisten weigerten sich und blieben im Wald sitzen, «sodass sie durch Polizeibeamten angehoben und ins Polizeifahrzeug getragen werden mussten». Die beiden Männer wurden mit bedingten Geldstrafen von 1100 und 300 Franken belegt.

Weil die neuen Delikte der Juso-Politikerin noch innerhalb der Probezeit der bedingten Geldstrafe im Aargau liegen, wurde diese wohl widerrufen. Das bedeutet, dass sie in eine unbedingte Strafe umgewandelt wird und die junge Frau den Betrag nun zahlen muss. Wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft St. Gallen die früheren bedingten Strafen für Rizvi zusammengenommen und daraus eine Gesamtstrafe gebildet. Gemäss dem «St.Galler Tagblatt» und dem «Blick» ist der aktuelle Strafbefehl gegen die Jungpolitikerin noch nicht rechtskräftig, sie kann diesen gerichtlich anfechten und es gilt die Unschuldsvermutung.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/staatsanwaltschaft-juso-politikerin-in-stgallen-wegen-schmierereien-verurteilt-im-aargau-kassierte-die-klimaaktivistin-nach-einer-waldbesetzung-einen-strafbefehl-ld.2600452)



tagblatt.ch 27.03.2024

«Absolutes No-Go» und «Gesetz in krasser Art und Weise ignoriert»: Die Rücktrittsforderungen gegen die St.Galler Juso-Politikerin Miriam Rizvi werden lauter

Nach Bekanntwerden von mehreren Straftaten der Juso-Stadtparlamentarierin fordern die Jungfreisinnigen mit Nachdruck ihren Rücktritt. Auch FDP, Mitte und SVP kritisieren die 22-Jährige scharf.

Sandro Büchler

Abermals fordern die Jungfreisinnigen von St.Gallen-Gossau den Rücktritt von Miriam Rizvi. Wie am Dienstag publik wurde, hat die Juso-Stadtparlamentarierin kürzlich einen Strafbefehl wegen mehrerer Delikte erhalten, etwa wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Hinderung einer Amtshandlung. Die 22-Jährige hatte die Fassade eines Restaurants mit Farbe beschmiert, Bauverkleidungen zerschnitten und antikapitalistische Transparente aufgehängt, etwa bei einem im Bau befindlichen Co-Working- und Wohnungsbauprojekt und bei einem Betonproduzenten.

Bei der Einvernahme kann die Polizei keine Fingerabdrücke von Rizvi nehmen, weil sie sich weigert. Weil die Parlamentarierin in den Augen der Staatsanwaltschaft eine unbelehrbare Wiederholungstäterin ist, kassiert sie eine unbedingte Geldstrafe von 4200 Franken.

Bereits im vergangenen Juli, als Rizvis Festnahme wegen der Schmierereien bekannt wurde, forderten die Jungfreisinnigen die Juso-Politikerin dazu auf, zurückzutreten. Nun «intensivieren» die Jungfreisinnigen diese Forderung in einer Medienmitteilung am Mittwoch. Rizvis jüngster Vandalismus, gekoppelt mit dem Hausfriedensbruch von 2021 beim Betonhersteller im Westen der Stadt St.Gallen, zeigt gemäss den Jungfreisinnigen «ein wiederkehrendes Muster von Rechtsverstössen».

Toleriert die Juso Rechtsverstösse?

Der Jungfreisinnige Oliver Wick, der erst vor acht Tagen für den zurückgetretenen Konstantin Hälg ins Stadtparlament nachrückte, kritisiert die Jungsozialistin scharf: «Miriam Rizvi ist eine Gesetzgeberin, die sich selbst über das Gesetz stellt.» Wick und Rizvi waren an der Kantonsschule am Burggraben einst in der gleichen Klasse – politisch aber offensichtlich diametral unterschiedlicher Meinung.

Die Jungfreisinnigen kritisieren auch Rizvis Partei, die Juso, «für ihre anscheinende Toleranz gegenüber Rechtsverstössen, die ihrer Agenda entsprechen». Rizvi und ihre Parteigenossen hatten vor knapp zwei Monaten im Vorfeld der Kantonsratswahlen bereits für Aufsehen und Kopfschütteln gesorgt, als sie in einer vom Handy abgelesenen wirren Videobotschaft sagten: «Sprengen wir die HSG und den wohlstandsversifften Rosenberg gleich mit.»

Bereits damals zeigten sich die Jungfreisinnigen irritiert und appellierten an die Juso-Politikerin, ihr Amt niederzulegen. Sie solle sich künftig einer parlamentarisch adäquaten Sachpolitik befleissigen und sich billiger und plumper Hetze enthalten, so die Jungfreisinnigen damals.

Jetzt fordern sie auch von der SP/Juso/PFG-Fraktion im Stadtparlament ein klares Zeichen: Nämlich, dass die Fraktion ihre Zusammenarbeit mit Rizvi beende, «um Extremismus im politischen Spektrum keinen Raum zu geben». Die Delikte gingen über eine persönliche Angelegenheit hinaus. «Es betrifft die Integrität unserer Demokratie und die Achtung vor dem Gesetz», unterstreichen die Jungfreisinnigen.

Mitte: «Als Vorbild versagt»

Anders sieht das Felix Keller, Fraktionspräsident von FDP und Jungfreisinnigen. Die Vorwürfe seien Privatsache von Rizvi. Allfällige Konsequenzen seien Angelegenheit von Rizvis Partei respektive ihrer Fraktion. «In unserer Fraktion würde aber ein solches Verhalten in keiner Art und Weise toleriert werden», so Keller.

Auch Patrik Angehrn, Fraktionspräsident der Mitte/EVP-Fraktion, äussert sich auf Anfrage. Eine einmalige Sachbeschädigung könnte als jugendlicher Übermut abgetan werden. «Es entsteht jedoch der Eindruck, dass die Straftaten vorsätzlich erfolgten und auch jetzt noch keinerlei Unrechtsbewusstsein bei Frau Rizvi besteht.» Dies stehe im Widerspruch mit ihrer Tätigkeit im Stadtparlament – «notabene der gesetzgebenden Staatsebene», sagt Angehrn.

Bemerkenswert sei zudem die radikale Verweigerungshaltung bei der Beweisaufnahme. «Dadurch werden die vom Gesetzgeber an die Polizei und Strafverfolgungsbehörde übertragenen Aufgaben in krasser Art und Weise ignoriert.»

Angehrn fügt hinzu, die Tätigkeit im Stadtparlament setze nicht voraus, frei von einer Straftat zu sein. «Ohne eine solche Grundlage kann kein Rücktritt erzwungen werden.» Es liege nun vielmehr an der SP/Juso/PFG-Fraktion, mit ihrem Mitglied zügig und schonungslos über das «Wie weiter?» zu diskutieren. «Die SP-Fraktion und Miriam Rizvi müssen sich ernsthaft fragen, ob dieser Vertrauensverlust ein weiteres Mitwirken im Stadtparlament zulässt. Als Vorbild hat Miriam Rizvi auf jeden Fall versagt.»

SVP: «Absolutes No-Go»

Das sieht Donat Kuratli, Präsident der SVP-Stadtpartei St.Gallen, genauso. «Wir führen den politischen Diskurs gewaltfrei und in einer würdevollen Debatte, welche auch mal hitzig sein darf. Aber dass man straffällig wird, um auf seine nur vermeintlich richtige Position aufmerksam zu machen, ist für eine Parlamentarierin ein absolutes No-Go.»

Kuratli sagt aber auch, dass nach dem Weiterzug des Strafbefehls weiter die Unschuldsvermutung gelte. «Man stelle sich nur das Geschrei vor, wäre es statt der Juso-Politikerin ein SVP-Vertreter gewesen.»

Der SVP-Präsident fordert nun Konsequenzen von der SP. «Bei extremistisch auffälligen Personen würde die SVP umgehend einen Ausschluss in die Wege leiten.» Für Kuratli ist klar: «Zumindest ein Austritt aus dem Präsidium des Parlaments muss unseres Erachtens bereits jetzt erfolgen.» Denn Rizvi wurde im Januar als eine von drei Stimmenzählerinnen ins Präsidium des Stadtparlaments gewählt. Die SVP-Mitglieder im Waaghaus hatten sich bei dieser Wahl mehrheitlich ihrer Stimme enthalten.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/strafbefehl-absolutes-no-go-und-gesetz-in-krasser-art-und-weise-ignoriert-die-ruecktrittsforderungen-gegen-die-stgaller-juso-politikerin-miriam-rizvi-werden-lauter-ld.2599853)


+++SPORT
tagblatt.ch 28.03.2024

Fandurcheinander mit Ansage und ein nächstes absurdes Kapitel: Wie sich der FCSG und die Polizei auf den unerlaubten Besuch aus Luzern vorbereiten

Am Ostermontag tritt Luzern in St.Gallen an. Der Gästesektor im Kybunpark ist gesperrt, doch kündigen sich viele Luzerner Fans an. Es wird kompliziert.

Ralf Streule und Patricia Loher

Die Partie vom kommenden Montag ist emotional aufgeladen. Wenn Luzern in St.Gallen spielt, erwarten die Fussballfans eine Vorentscheidung am Trennstrich, in jener Frage also, wer in der zweiten Saisonhälfte zur Championship Group gehören wird und wer nicht.

Doch auch anderweitig gilt das Spiel als aufgeladen: In einer Fan-Geschichte, die bald ein Jahr alt ist, kommt es zum nächsten absurden Kapitel.

Wie es dazu kam

Nach Fan-Randalen mit vier Verletzten im Mai 2023 nach einem Spiel der St.Galler in Luzern beschloss die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren (KKJPD), dass bei Partien zwischen St.Gallen und Luzern in dieser Saison die Gästesektoren gesperrt werden.

Auch Zürich, Bern, Lausanne und Genf waren schon von solchen Massnahmen betroffen. Bei den einen wurde der eigene Fansektor gesperrt, bei anderen, wie in St.Gallen und Luzern, der Auswärtssektor. Seither protestieren die Fankurven in der ganzen Schweiz gegen die sogenannten «Kollektivstrafen».

Am Ostermontag, 1. April, kommt die Regel nun also wieder zum Tragen. Im Kybunpark erwartet man auf den Rängen wenig Lustiges.

Polizei warnt, Fangruppen kommen trotzdem

Schon im vergangenen August führten die Luzerner Fans diese Sperre ad absurdum, weil sie sich im Kybunpark einfach Tickets für den B3-Sektor neben dem Gästesektor kauften, wo sie Pyros zündeten und durch weitere Provokationen auffielen.

Es fand eine Durchmischung mit St.Galler Anhängerinnen und Anhängern statt, die Sicherheitsvorkehrungen wurden in der Folge harsch kritisiert. Logisch, ist man derzeit in St.Gallen nervös, was dieses Thema anbelangt.

Die Stadtpolizei St.Gallen, die für die Sicherheit rund um das Stadion verantwortlich ist, hat jedenfalls gegenüber den Luzerner Fans diesmal klar kommuniziert, was ihre Erwartung ist.

In einem Schreiben bittet sie die Fans, nicht nach St.Gallen zu reisen. Da es im vergangenen August zu «Belästigungen und Gesetzesverstössen» seitens der Luzerner Fans gekommen sei, gelten folgende Regeln: Eine geschlossene Anreise von mehr als zehn Personen ist verboten, wie auch «ein geschlossenes Auftreten von mehr als zehn Personen innerhalb wie ausserhalb des Stadions».

Verboten ist weiter das Mitbringen von Fahnen oder Banner ins Stadion. Die Stadtpolizei behält sich ID-Kontrollen vor. Und «weitere Massnahmen», würden die Regeln nicht befolgt. Es sei ein Schreiben, wie es vor heiklen Partien oft an die Fanklubs adressiert werde, erklärt Stadtpolizeisprecher Dionys Widmer auf Anfrage.

Aus Luzerner Fankreisen gibt es nun aber die Meldung, dass «mehrere hundert» Fans anreisen werden. Tickets, die von Privaten gekauft wurden, sollen über den Fanverbund konzertiert vergeben worden sein, eine gemeinsame Anreise, wohl in Cars, ist geplant.

Die Stadtpolizei wird viel zu tun bekommen, will sie die Regeln tatsächlich durchsetzen. Man werde «verhältnismässige Massnahmen treffen», sagt Widmer. Ob zusätzliches Personal aufgeboten wird, kommuniziert er nicht. Auf Konfrontationskurs wird die Polizei aber kaum gehen: «Die Sicherheit hat die grösste Priorität.»

Relativ problemlos verlief das Auswärtsspiel der St.Galler im Februar in Luzern, als der Gästesektor ebenfalls gesperrt war. Die Luzerner Polizei hatte verfügt, dass online keine Tickets gekauft werden konnten. Fans mussten sich die Billette vor Ort besorgen.

Zudem war es einem Anhänger nicht möglich, mehr als vier Tickets zu kaufen. Am Spiel, das die Ostschweizer mit 0:1 verloren, waren zwar ebenfalls St.Galler Fans zugegen – jedoch weniger, als am Ostermontag im Kybunpark aus Luzern erwartet werden.

Der FC St.Gallen in einer schwierigen Position

Für das anstehende Spiel waren Tickets online verfügbar. Ob und wie der Verkauf in die Innerschweiz geregelt wurde, bleibt unklar. Der FC St.Gallen beantwortet entsprechende Anfragen in seinem Statement (Kasten) nicht konkret.

Die von den Behörden durchgesetzte Kollektivstrafe führt den Klub in eine schwierige Ausgangslage. Präsident Matthias Hüppi machte zuletzt kein Geheimnis daraus, dass er Kollektivstrafen nicht als Lösung für die Fan-Problematik sieht – so wie es die meisten Klubs der Liga sehen.

Wie die Gästefans im Stadion platziert werden, kommunizierte der FC St.Gallen bisher nicht.

Glaubt man den Meldungen aus Luzern, gingen insbesondere Tickets der Sektoren B3 und C1 in die Zentralschweiz – also jener beiden Bereiche, die neben dem gesperrten Gästesektor liegen. Offenbar rechnen Luzerner Fans aber damit, dass sie wie im vergangenen August im Sektor B3 zusammengefasst werden.

Einiges deutet darauf hin, dass der FC St.Gallen hier Hand bietet, um die Situation besser kontrollieren zu können.

Problematisch könnte die Sache abermals für St.Galler Saisonabonnentinnen und Saisonabonnenten der B-Sektoren werden. Werden sie wiederum versetzt? Betroffene Personen erklären auf Nachfrage, bisher nicht über das Vorgehen des Klubs informiert worden zu sein.

Auffallend ist aber, dass in keinem der B-Sektoren auf der östlichen Stirnseite des Stadions noch Tickets erhältlich sind, während in den meisten anderen Sektoren bis am Mittwochnachmittag noch einzelne Billette zur Verfügung standen.

Sperrte der Klub diese Sektoren, um sich die Handhabe mit den Luzerner Fans zu vereinfachen? Oder sind viele der Tickets aus der Innerschweiz gekauft worden?

Keine Ende absehbar im Katz- und Mausspiel

Sicher ist: Das Katz- und Mausspiel zwischen Behörden und Fans geht weiter, die Fronten sind verhärtet. Es ist letztlich die Politik, die am längeren Hebel sitzt. Das Kaskadenmodell, das ab der kommenden Saison in Kraft tritt, sieht bei einer nächsten Eskalationsstufe Geisterspiele vor.

Die Behörden dürften bei weiteren Vorfällen schon in dieser Meisterschaft nicht davor Halt machen, diese Strafe zu verhängen. Denn das Kaskadenmodell wurde schon angewandt, bevor es, entgegen dem Willen der Vereine, Mitte März beschlossen wurde

Mit der Sperre von Sektoren geraten die Klubs wirtschaftlich unter Druck, nicht nur, weil die Fans ausgeschlossen werden.

So macht sich im Umfeld des FC St.Gallen zusehends Besorgnis breit nach den Vorfällen vom August. Gut möglich, dass sich manch ein Saisonkarteninhaber von betroffenen Sektoren überlegt, das Spiel gegen den FC Luzern nicht zu besuchen – und auch bald kein Abo mehr lösen wird.



Die Stellungnahme des FC St.Gallen

«Die Entscheidung der Behörden, den Gästesektor für das Heimspiel gegen den FC Luzern am Ostermontag zu schliessen, stellt den FC St.Gallen vor immense Herausforderungen. Der FC St.Gallen steht im engen Dialog mit den Sicherheitsbehörden, dem FC Luzern und allen weiteren involvierten Parteien. Oberste Priorität hat dabei immer die Sicherheit aller Fans, die das Spiel besuchen werden. Die Sektorschliessungen bei anderen Klubs der Swiss Football League haben deutlich gezeigt, dass die Gästefans in andere Sektoren ausweichen können, auch wenn Ticketing-Restriktionen, wie beispielsweise am Spiel Luzern – St.Gallen vom 4. Februar 2024, implementiert werden. Aufgrund der hohen Zuschauerauslastung im Kybunpark stellt dies den FCSG, im Vergleich zu anderen Klubs, vor zusätzliche Herausforderungen. Um einen möglichst reibungslosen Ablauf am Spieltag zu gewährleisten, wird der FC St.Gallen verhältnismässige Massnahmen ergreifen.» (pd)
(https://www.tagblatt.ch/sport/fcstgallen/fussball-fandurcheinander-mit-ansage-und-ein-naechstes-absurdes-kapitel-wie-sich-der-fcsg-und-die-polizei-auf-den-unerlaubten-besuch-aus-luzern-vorbereiten-ld.2600166)


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 28.03.2024

Teilrevision des Polizeigesetzes: Mario Fehr will die Zürcher Strassen lückenlos überwachen

Mit intelligenten Kameras soll die Verbrecherjagd effizienter werden. Doch die Datenschützerin warnt vor nicht angebrachten Eingriffen in die Privatsphäre.

Daniel Schneebeli

Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) ist wieder einmal im Clinch mit dem Zürcher Datenschutz. Vor zehn Jahren hatte Fehr in Italien für die Kantonspolizei eine Spionagesoftware beschafft.

Weil er das im Geheimen getan hatte, artete es darauf fast zu einer Staatsaffäre aus. Die Jungsozialisten reichten sogar eine Strafanzeige gegen Fehr ein, die GPK setzte eine Sonderkommission ein, und der damalige Datenschützer Bruno Baeriswyl kritisierte, Fehr habe seine Kompetenzen überschritten.

In der Sache wurde Fehr durch die GPK entlastet, er habe korrekt und verhältnismässig gehandelt, auch wenn die Beschaffung ein Flop und die Software nur kurz in Betrieb war. Ob die Rechtsgrundlage für sein Handeln genügte, hat die GPK hingegen nicht geprüft.

Eingriff in die Grundrechte

Diesmal kommt die Kritik von Baeriswyls Nachfolgerin, Dominika Blonski. Fehr hat letztes Jahr seine Pläne zur Modernisierung des kantonalen Polizeigesetzes bekannt gegeben. Er will den Austausch von Polizeidaten mit anderen Korps im In- und Ausland vereinfachen und den Einsatz von neuen Informatikprogrammen ermöglichen, insbesondere im Strassenverkehr.

Ziel ist die Überwachung des Strassenverkehrs mit intelligenten Kameras, die Autonummern ablesen und innert Sekunden mit Fahndungslisten abgleichen können.

Blonski sieht zwar, dass der Einsatz dieser neuen Fahndungsmittel eine Revision des Gesetzes nötig macht, doch die Kritik am Entwurf des Gesetzes fällt deutlich aus. Sie hat dem Sicherheitsdirektor ihre Empfehlungen zur geplanten Verkehrsüberwachung rechtzeitig mitgeteilt, doch übernommen hat er sie in seinem Gesetzesentwurf bei weitem nicht vollständig.

Blonski schreibt darum in ihrer Vernehmlassungsantwort von schweren und unverhältnismässigen Eingriffen in die Grundrechte der Bevölkerung. Es müsse klar geregelt sein, wann und wozu automatisierte Fahrzeugfahndung eingesetzt werden dürfe. Mit den intelligenten Kameras sei eine praktisch lückenlose Überwachung der Strassen im Kanton Zürich möglich, schreibt Blonski. Die Kontrolle und die Verwendung der gesammelten Daten sind für sie in Fehrs Gesetzesentwurf ungenügend geregelt.

Für die Datenschützerin ist der Entwurf in mehreren Teilen zu unpräzise. So ist von «besonderen Informatikprogrammen» die Rede. Es müsse aber klar sein, welche Programme gemeint sind. Würden etwa Programme zur Bearbeitung von biometrischen Daten – etwa Gesichtserkennung – oder Staatstrojaner eingesetzt, müsse deren Einsatz detailliert geregelt sein. Blonski stützt ihre Kritik auf die Rechtssprechung des Bundesgerichts ab.

Weiter fordert Blonski für die Fahrzeugfahndung einen Katalog, in dem namentlich aufgeführt ist, bei welchen Delikten sie zum Einsatz kommen darf. Der aktuelle Gesetzestext ermögliche eine «sehr weitreichende Verwendung» der erfassten Daten.

«Bei der Kamerafahndung muss ein gewichtiges öffentliches Interesse vorliegen, damit dieser Eingriff in die Grundrechte gerechtfertigt ist», präzisiert Blonski ihre Vernehmlassungsantwort gegenüber dieser Redaktion. Der Einsatz von intelligenten Kameras gegen Parksünder werde zwar mit Fehrs Gesetzestext ausgeschlossen. Doch bereits bei Vermögensdelikten dürften die Daten verwendet werden. Dies ist aus Sicht der Datenschützerin unverhältnismässig.

Kritisiert werden Fehrs Pläne auch von den Demokratischen Juristen und den linken Parteien, gut kommen sie bei den Gemeinden an. Sowohl der Gemeindepräsidentenverband wie auch die Stadt Winterthur sind vollständig einverstanden. Die Stadt Zürich begrüsst die Gesetzesrevision ebenfalls. Sie verlangt aber höhere Hürden beim Erstellen von Bewegungsprofilen, da es sich dabei um einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte handle, wie Katharina Schorer, Sprecherin des Sicherheitsdepartementes, ausführt.

Fehr zeigt sich kompromissbereit

Sicherheitsdirektor Mario Fehr will sich nicht detailliert äussern, sagt aber: «Wir nehmen die Kritik der Datenschützerin ernst.» Seine Mitarbeitenden seien derzeit daran, den Gesetzesentwurf zu überarbeiten. Danach wird der Regierungsrat den modifizierten Entwurf zuhanden des Kantonsrates verabschieden.

Bereits viele Kameras in Betrieb

Der Kanton Zürich ist im Übrigen nicht der einzige Kanton, der automatische Kamerafahndung ausweiten möchte. Landesweit sind gemäss Recherchen dieser Redaktion bereits rund 450 solche Kameras installiert, ein grosser Teil davon vom Schweizer Zoll. Dazu kommen 5000 Überwachungskameras, welche das Bundesamt für Strassen an Autobahnen aufgestellt hat. Allerdings eignet sich nur ein kleiner Teil davon für die Fahrzeugfahndung, da sie zu wenig scharfe Bilder liefern.

Dennoch gibt es unterdessen so viele Kameras, die sich für die automatische Fahrzeugfahndung eignen, dass theoretisch Bewegungsprofile von allen Autofahrern gemacht werden könnten.

Bei der Nutzung dieser Daten gilt Bern als Pionierkanton. So wurden dort schon Personen gestellt, die ohne Führerausweis unterwegs waren. Über alle Deliktskategorien werden im Kanton Bern laut Auskunft einer Polizeisprecherin rund 150 Treffer pro Monat registriert.
(https://www.tagesanzeiger.ch/teilrevision-des-polizeigesetzes-mario-fehr-will-die-zuercher-strassen-lueckenlos-ueberwachen-490808467604)


+++INTERPOL
Wie Interpol von Diktatoren missbraucht wird – Rendez-vous
Interpol hilft den Behörden, Kriminelle über Landesgrenzen hinweg zu verfolgen und festzunehmen. Doch Autokraten missbrauchen die Organisation seit längerem, um auch Regimegegner aufzuspüren. Um das zu verhindern, hat Interpol Kontrollmechanismen eingeführt. Doch diese zeigen nur bedingt Wirkung.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/wie-interpol-von-diktatoren-missbraucht-wird?partId=12563822


+++KNAST
Kunst hinter Gittern – Wie geht Kultur im Knast? – Kulturplatz
Macht Kunst uns zu besseren Menschen? In Schweizer Gefängnissen ist sie jedenfalls ein Mittel zur Resozialisierung der Gefangenen. «Kulturplatz» geht der Frage nach, welche Bedeutung Theater, Literatur und Malerei für eingesperrte Menschen haben kann.
https://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/kunst-hinter-gittern—wie-geht-kultur-im-knast?urn=urn:srf:video:15816702-93ea-4a8d-9d39-f25d9e6a2fb7


+++BRIAN
Brian muss ständig Selfies machen – für ihn gefährlich
Ex-Häftling Brian Keller ist bei jungen Menschen beliebt. Er hat nämlich das, was sich viele ebenfalls wünschen würden, klärt Experte Dirk Baier auf.
https://www.nau.ch/news/schweiz/brian-muss-standig-selfies-machen-fur-ihn-gefahrlich-66733231


+++POLIZEI CH
tagesanzeiger.ch 27.03.2024

Anstieg der Kriminalität: Ausländer werden häufiger Opfer von Gewalt als Schweizer

In der Diskussion um Kriminalität geht die Opferperspektive oft vergessen. Dabei zeigen die Daten, dass Ausländerinnen und Ausländer stärker betroffen sind als Personen mit Schweizer Pass.

Yannick Wiget, Patrick Meier, Marc Brupbacher

Die Zahl der Straftaten ist in der Schweiz gestiegen. Und einmal mehr gibt zu reden, dass Ausländer vergleichsweise häufig beschuldigt werden. Die Kriminalstatistik zeigt aber auch, dass sie in überproportionaler Weise Opfer von Gewalt werden. «Diese Perspektive geht in der öffentlichen Diskussion, die stark auf die Täter fokussiert, oft verloren», sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

So werden Menschen mit Schweizer Pass insgesamt zwar häufiger Opfer von Gewaltstraftaten – anteilsmässig aber deutlich seltener als Ausländer. Fast 63 Prozent der 35’000 Gewaltdelikte, die im vergangenen Jahr begangen wurden, betrafen Schweizer. Pro Kopf waren Ausländer jedoch mehr als eineinhalbmal, Asylsuchende mehr als dreimal so häufig betroffen. Noch deutlicher ist die Diskrepanz bei schweren Gewaltdelikten.

Baier geht davon aus, dass die Opferbelastung der ausländischen Bevölkerung in der Kriminalstatistik sogar unterschätzt wird, weil nur angezeigte Taten registriert werden. «Ausländerinnen und Ausländer dürften aber seltener Anzeige erstatten, weil sie mit dem System der Schweiz nicht vertraut sind, weil sie der Polizei weniger vertrauen, weil sie in der Familie oder der Verwandtschaft stärker kontrolliert werden», sagt der Kriminologe.

Wenn man sich bestimmte Straftaten wie schwere Körperverletzung und versuchte Tötungsdelikte anschaut, sind die Unterschiede zwischen Schweizern und Ausländern noch grösser. Letztere werden zwei- bis zweieinhalbmal so häufig Opfer davon. Ähnlich sieht es bei Tätlichkeiten und Schlägereien (Raufhandel) aus. In der Asylbevölkerung sind die Opferzahlen noch einmal um ein Vielfaches höher. Asylbewerberinnen werden beispielsweise fast viermal so häufig vergewaltigt wie Schweizerinnen, Asylbewerber fast achtmal so häufig Opfer von schwerer Körperverletzung.

Warum sind Ausländerinnen und Ausländer überproportional betroffen? «Gewalt spielt sich innerhalb eines Milieus ab», erklärt Baier. Das heisst: Täter und Opfer stammen oft aus der gleichen Bevölkerungsgruppe. Unter häuslicher Gewalt zum Beispiel leiden vor allem Familienmitglieder – und viele Familien setzen sich aus Personen derselben Herkunft zusammen. Und wenn es zu Gewalt in einer Asylunterkunft kommt, sind selbstredend vor allem Asylsuchende davon betroffen.

Das Risiko für einen Schweizer, Opfer einer schweren Gewalttat durch eine ausländische Person zu werden, tendiert laut Baier statistisch betrachtet gegen null. Die Gewalt von ausländischen Tatpersonen trifft meist ausländische Opfer. Und die Daten zeigen, dass Ausländer pro Kopf gut dreimal häufiger für Straftaten beschuldigt werden als Schweizer. Sie werden aber auch eher angezeigt als Einheimische, wie Untersuchungen ergaben.

Zudem zeigt die Forschung, dass die Kriminalitätsraten in der Bevölkerung um ein Vielfaches überschätzt werden. Tatsächlich wurden im Jahr 2023 nur gut 2 Prozent der Ausländerinnen und Ausländer einer Straftat beschuldigt. Wenn man nur die Gruppe der Ausländer mit Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung betrachtet – Kriminaltouristen und Illegale ausgeklammert –, beträgt die Rate noch 1,3 Prozent. Verurteilt wurde lediglich 1 Prozent. Im Umkehrschluss heisst das: 98 bis 99 von 100 ausländischen Personen in der Schweiz sind nicht kriminell.

Trotzdem identifizieren Behörden Ausländer als Hauptgrund für den Kriminalitätsanstieg. «Natürlich sind solche Erklärungen Humbug», sagt Baier. «Erstens sind nie nur Ausländer für Kriminalitätsveränderungen verantwortlich. Zweitens hat das Ausländersein nichts mit Kriminalität zu tun; es sind immer soziale und persönliche Umstände, die Kriminalität verursachen.»

Laut dem Kriminologen wird das Bild vom Ausländer bei der Berichterstattung über Kriminalität negativ geformt. Ausländische Opfer seien kaum Thema, weil sie weniger Interesse auslösten. «Das perfekte Opfer für die Medien ist eine junge Schweizer Frau oder eine ältere Person, die unschuldig und wehrlos erscheint», so Baier. In dieses Narrativ passt das männliche ausländische jugendliche Opfer nicht.
(https://www.tagesanzeiger.ch/anstieg-der-kriminalitaet-auslaender-werden-haeufiger-opfer-von-gewalt-als-schweizer-401387967644)


+++RASSISMUS
SP-Stadträtin schockiert mit «Kindermörder»-Aussage
In einer Insta-Story benutzte Judith Schenk den antisemitisch vorbelasteten Begriff «Kindermörder». Ihre Fraktion distanziert sich von der Aussage, Schenk selber entschuldigt sich.
https://www.20min.ch/story/bern-sp-stadtraetin-schockiert-mit-kindermoerder-aussage-103072889


Anti-Hass-Workshops in Bern: «Baba News» bedauert geteiltes Rap-Video
Anti-Hassrede-Workshops von «Baba News» lösten Debatten aus. Die Stadt Bern traf sich mit den Workshop-Verantwortlichen.
https://www.derbund.ch/bern-baba-news-bedauert-geteiltes-rap-video-291610314236
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/nach-gespraech-mit-stadtbehoerden-baba-news-bedauert-geteiltes-rap-video-156673187


Institutionelle Diskriminierung gegen Menschen aus Magrebstaaten stoppen
Mit pauschalisierenden und stigmatisierenden Vorurteilen und mit einseitigen und entrechtenden Massnahmen diskriminert Bundesrat Jans gezielt Menschen aus Maghrebstaaten. Damit verstösst er gegen das Diskriminerungsverbot der Verfassung. Jans will abschrecken, mit dem Ziel, „dass weniger Menschen kommen aus Ländern, bei denen wir wissen, dass die Kriminalität besonders hoch ist. Das gilt namentlich für Maghrebländer“.
https://migrant-solidarity-network.ch/2024/03/28/institutionelle-diskriminierung-gegen-menschen-aus-magrebstaaten-stoppen/


+++RECHTSPOPULISMUS
«Wir müssen aufhören, über jedes Stöckchen zu springen, das uns die Hetzer:innen hinhalten»
Das neuste Buch aus der Essayreihe der Edition Patrick Frey untersucht den Kampf gegen «Gender-Wahn» in Polen. Im Gespräch mit Tim Haag erklären die Herausgeber:innen Peter Schneider und Alexandra Papadopoulos, warum das Thema so viele Gemüter in Wallung zu bringen vermag.
https://www.pszeitung.ch/wir-muessen-aufhoeren-ueber-jedes-stoeckchen-zu-springen-das-uns-die-hetzerinnen-hinhalten/


Neuer SVP-Asylchef Pascal Schmid zu Kriminellen aus den Maghreb-Staaten: «Ich will keinen Zaun an der Grenze, aber …»
Im vergangenen Jahr gab es deutlich mehr Ladendiebstähle in der Schweiz. Dabei fallen Personen aus nordafrikanischen Ländern negativ auf – Richter müssten schärfere Strafen aussprechen, sagt der Nationalrat und Asylchef der SVP, Pascal Schmid.
https://www.blick.ch/politik/neuer-svp-asylchef-pascal-schmid-zu-kriminellen-aus-den-maghreb-staaten-ich-will-keinen-zaun-an-der-grenze-aber-id19577093.html


SVP-Politiker Adrian Spahr aus Lengnau rückt in den Grossen Rat nach
Im letzten Jahr wurde Adrian Spahr als Lengnauer Vize-Gemeindepräsident gewählt. Nun nimmt er eine neue Herausforderung an. Er wird Grossrat des Kantons Bern. Er rückt dort für Christine Gerber nach, die zurücktritt.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/svp-politiker-adrian-spahr-aus-lengnau-rueckt-in-den-grossen-rat-nach-156669807



ajour.ch 28.03.2024

Christine Gerber tritt zurück: Der Lengnauer SVP-Politiker Adrian Spahr rutscht in den Grossen Rat nach

Was Christine Gerber zum Rücktritt bewegt hat, was sie Adrian Spahr mit auf den Weg gibt, und welchen Fokus der Lengnauer setzen will.

Vanessa Naef

Nach der Wahl zum Lengnauer Vize-Gemeindepräsidenten im letzten Jahr übernimmt der Lengnauer SVP-Politiker eine neue Aufgabe: Er wird Grossrat des Kantons Bern. In diesen rutscht er für Christine Gerber nach. Die Bäuerin und Gemeindepräsidentin von Radelfingen tritt per 18. Mai 2024 zurück. Während acht Jahren war sie Grossrätin, zuletzt Teil der Justizkommission. Jetzt legt sie ihr Amt zugunsten ihrer beruflichen Tätigkeit nieder.

Anstand und Respekt

Christine Gerber ist Chefexpertin bei der Bäuerinnenschlussprüfung und wird dort ihr Pensum erhöhen. «Ich hätte dadurch im Grossen Rat zu viel gefehlt», sagt sie. Daneben steht auch das Seeländische Schwingfest 2025 an, wo sie im OK engagiert ist. Eine grosse Familie, ein anspruchsvoller Beruf, vielfältige Engagements und dann noch die Politik. Auf keinen Fall möchte sie, dass sie diesen komplexen Themen nicht mehr gerecht wird und verzichtet daher nun auf die kantonale Politik.

«Zuhören und respektvoll miteinander umgehen, auch wenn man nicht gleicher Meinung ist», das möchte sie ihrem Nachfolger mitgeben. Im persönlichen Umgang erlebe sie Adrian Spahr als korrekt und anständig, sagt Gerber, und das sei das, was sie sich von einem Grossrat wünsche.

Bleibt seinen Themen treu

Adrian Spahr freut sich auf die Herausforderung, bald im Berner Rathaus politisieren zu können. Vor genau zwei Jahren gaben 7255 Personen Spahr ihre Stimme. So erzielte er das siebtbeste Resultat auf der Wahlkreisliste Biel-Seeland der SVP – und landete auf dem ersten Ersatzplatz. Und kam so, mindestens in den Augen seiner Wähler, unbeschadet aus einer schweizweiten Diskussion heraus: Nur rund drei Wochen zuvor hatte das Bundesgericht geurteilt, dass er und Nils Fiechter 2018 mit einer Karikatur gegen Fahrende zu weit gegangen waren. Das oberste Schweizer Gericht befand diese als rassendiskriminierend. Auch Fiechter hat die Verurteilung politisch kaum geschadet. Vor zwei Wochen wurde er zum Präsidenten der Jungen SVP Schweiz gewählt, im Grossen Rat ist er seit November.

Der Berner Regierungsrat muss Adrian Spahr noch als gewählt erklären. Ob er dies an der Sitzung von heute Donnerstag macht, konnten die Parlamentsdienste am Mittwoch nicht sagen.

Zu seinen inhaltlichen Schwerpunkten sagt Spahr: «Ich möchte mein Wissen als Polizist in die Sicherheitspolitik einbringen. Die Leute sollen sich wieder sicher fühlen.» Herausforderungen sieht er im Bereich der Kriminalität, was auch die Kriminalstatistik des Bundes zeige, die diese Woche veröffentlicht worden ist.

Neben der Sicherheitspolitik will er die Politik im Umgang mit Fahrenden sowie die Migrations- und Asylpolitik verschärfen. Entsprechend seiner Interessen präferiert er die Sicherheitskommission, er könne sich als Neuer aber mit jeder Kommission arrangieren.

Es ist die Partei, welche die Kandidaten für die Kommission vorschlägt, der Grosse Rat wählt diese dann. Seinem Mitstreiter Nils Fiechter wurde das Bundesgerichtsurteil in diesem Zusammenhang jüngst doch noch zum Verhängnis: Weil er rechtskräftig verurteilt ist, taxierten ihn mehrere Fraktionen als nicht wählbar für die Justizkommission und verweigerten ihm die Wahl in diese, wählten dafür sogar jemanden, der gar nicht zur Wahl stand. Der Grosse Rat setzte eine erneute Ersatzwahl für diesen Posten ein; Fiechter ist nun in der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen.

Die Justizkommission sei für ihn kein Thema, sagt Adrian Spahr.

Mit Spahr ist neben Nils Fiechter und der Bielerin Sandra Schneider bereits der dritte Vertreter einer jungen Generation von SVP-Politikern im Grossen Rat. Alle drei sind in der Parteileitung der kantonalen JSVP und bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

«Ich denke, ich bin auch gerade aus diesem Grund bestgewählter Lengnauer Gemeinderat», sagt Spahr. «Weil ich die Dinge gerade hinaussage.»

Neben SVP-spezifischen Themen möchte Spahr aber auch die Anliegen Lengnaus auf kantonaler Ebene vertreten. «Als Gemeinderat merke ich, wie man wegen kantonalen Gesetzen manchmal ansteht.» Etwa beim Thema Verdichtung. «Das hat ins Ortsbild von Lengnau eingegriffen.» Konkret werde er sich etwa dafür einsetzen, dass Dörfer weniger verdichtet werden können und Grünflächen erhalten bleiben. Für diese brauche es, anders als für Städte, einen anderen Massstab.

Ämter reduzieren

Beruflich ist der Polizist zu 100 Prozent im Generalsekretariat der SVP Schweiz als Kommunikationsmitarbeiter und Verantwortlicher für Delegiertenversammlungen tätig. Beruf, Vize-Gemeindepräsident und zahlreiche parteipolitische Ämter. Nun kommt auch noch das Grossratsmandat hinzu. Wie er das alles unter einen Hut bringen will? «Bis jetzt geht das wunderbar auf.» Schliesslich arbeiten die anderen Grossräte auch, so Spahr. «Ich nehme meine politische Aufgabe rund um die Uhr wahr – ausser, wenn ich schlafe.»

Dennoch überlege er sich, parteipolitische Ämter abzugeben oder sein Pensum zu reduzieren. Klar sei für ihn allerdings, dass er sein Vize-Gemeindepräsidium nicht abgebe.
(https://ajour.ch/de/story/501735/der-lengnauer-svppolitiker-adrian-spahr-rutscht-in-den-grossen-rat-nach)



aargauerzeitung.ch 27.03.2024

Nach Vorfall: Glarner distanziert sich von Sellner, verteidigt aber den Präsidenten der Jungen SVP Aargau

Die Junge SVP Aargau solidarisierte sich mit dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner und bezeichnete ihr Programm als deckungsgleich wie jenes der «Jungen Tat». Zuletzt forderten frühere führende Mitglieder der JSVP den Rücktritt des aktuellen Präsidenten Ramon Hug. Dieser und Andreas Glarner schwiegen dazu – nun nimmt der SVP-Aargau-Präsident erstmals Stellung.

Fabian Hägler

«Wer sich mit der Jungen Tat identifiziert, muss umgehend aus der Partei austreten.» Das forderten zwei frühere Präsidenten und weitere ehemalige Führungsmitglieder der Jungen SVP Aargau in einem Schreiben an die aktuelle Parteileitung. Rechtsextremismus habe in der Jungpartei keinen Platz, schrieben sie weiter und legten JSVP-Präsident Ramon Hug den Rücktritt nahe. Dieser hatte sich mit einem Post auf X (früher Twitter) mit dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner solidarisiert, der auf Einladung der «Jungen Tat» in Tegerfelden aufgetreten war.

In den letzten zehn Tagen äusserten sich weder Hug noch SVP-Aargau-Präsident Andreas Glarner zur Solidarisierung. Dies kritisierten die ehemaligen Führungsmitglieder der Jungen SVP – und sie stellten weitere Forderungen auf. Eine öffentliche Stellungnahme seitens der Parteileitung, eine lückenlose Aufarbeitung der Vorfälle und eine klare Haltung der SVP Aargau. Sie finden es falsch, dass sich die Jungpartei und die SVP Aargau «nach dem unmöglichen Post» in Schweigen hüllten und hielten fest, Abwarten sei das falsche Mittel.

SVP Aargau nimmt erstmals Stellung

«Wir erwarten innert einer Frist von 48 Stunden erste Konsequenzen, Massnahmen und deren Kommunikation», schrieben die früheren Parteileitungs-Mitglieder der Jungen SVP in ihrem Brief, der am Dienstag verschickt wurde. So lange hat es nicht gedauert, bis die Mutterpartei sich erstmals zur Solidarisierung der JSVP mit Rechtsextremen äusserte. Am Mittwochnachmittag verschickte die SVP Aargau folgende Stellungnahme:

«Die SVP Aargau distanziert sich klar von extremen Positionen und bekennt sich als Regierungspartei – wie sie es immer getan hat – klar zur Demokratie und zum Rechtsstaat. Wir lehnen extreme und menschenverachtende Haltungen klar ab. Gleichzeitig stehen wir ein für freie Meinungsäusserung.»

Weiter schreibt die SVP: «Es darf nicht sein, dass legale Veranstaltungen wegen linken Chaoten staatlich beschränkt und aufgelöst werden. Andere politische Positionen und Haltungen müssen – solange sie sich in legalen Banden bewegen – frei geäussert und gehört werden können, auch wenn man deren Inhalt nicht teilt. Auch die Junge SVP Aargau teilt diese Haltung und ist daran, die Angelegenheit intern aufzuarbeiten.»

Glarner: «Unbedarfte Aktion unserer Jungpartei»

Auf Nachfrage der AZ sagt Glarner, die Solidarisierung der JSVP mit Sellner sei aus seiner Sicht «eine unbedarfte Aktion unserer Jungpartei» gewesen. Er habe dem Vorstand der Jungen SVP Aargau unter Führung von Präsident Ramon Hug umgehend mitgeteilt, «dass sie zu weit gegangen sind». Auf die Rücktrittsforderungen an Hug – zuerst von der Juso, dann von früheren JSVP-Leitungsmitgliedern – wolle man aber nicht eingehen.

«Ramon Hug ist ein integrer junger Mann, der weit entfernt ist von einem Rechtsextremen», betont Glarner. Auf die Nachfrage, warum der JSVP-Präsident das Programm seiner Partei dann als deckungsgleich mit dem der Jungen Tat bezeichne, sagt Glarner: «Diese Aussage fiel in einem internen Chat unter Parteikollegen, sie war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, und Ramon Hug würde sie auch öffentlich nicht machen.»

Ausschaffung krimineller Ausländer, aber keine Deportation

In der Mitteilung der SVP Aargau heisst es, politische Positionen müssten – solange sie sich in legalen Banden bewegen – frei geäussert werden können. Auf die Frage, ob Martin Sellners Aussagen legal seien, sagt Glarner: «Das kann man diskutieren, aber es ist bedenklich, dass Linke sofort protestieren und mobil machen, wenn wir oder rechte Bewegungen einen Anlass ankündigen, und dieser dann nicht stattfinden kann.»

Auf die Nachfrage, wie er zu Sellners Forderung nach «Remigration» steht, hält Glarner fest: «Ausländer auszuschaffen, die sich nicht oder schlecht integriert haben, wie es Herr Sellner fordert, würde einer Deportation von Millionen von Menschen entsprechen. Das unterstütze ich nicht, ich verstehe das Wort in einem anderen Sinn.»

Der SVP-Aargau-Präsident erklärt, «Remigration» bedeute für ihn «die Ausschaffung von straffälligen oder seit langem von der Sozialhilfe abhängigen Ausländern, wie dies unsere Verfassung und Gesetze vorsehen». Dafür setze er sich ein, und dazu stehe er auch, sagt Glarner: «Das ist nicht rechtsextrem, sondern die Umsetzung des Volkswillens.»

Er erläutert weiter, innerhalb der Jungen SVP werde der Vorfall nun aufgearbeitet, allerdings ohne Beteiligung der früheren Mitglieder der Parteileitung. Dass diese der SVP ein Ultimatum von 48 Stunden für eine Reaktion gesetzt hatten, kritisiert Glarner als unnötig.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/junge-tat-nach-vorfall-glarner-distanziert-sich-von-sellner-verteidigt-aber-den-praesidenten-der-jungen-svp-aargau-ld.2599914)


+++HISTORY
Schweizer Kolonialismus: Plötzlich tritt ein Sklavenhändler aus dem Archiv
Nur eine Generation nach Kolumbus war ein Schweizer massgeblich am Aufbau der Sklaverei beteiligt: Historikerinnen arbeiten die Geschichte von Hieronymus Sailer in einem neuen Buch auf. Warum blieb er so lange unentdeckt?
https://www.woz.ch/2413/schweizer-kolonialismus/ploetzlich-tritt-ein-sklavenhaendler-aus-dem-archiv/!VWKGF3J1YPHT


GAG444: Die Erfindung von Heroin und Aspirin
Eine Geschichte über ein Wundermittel, das zur Droge wurde
Innerhalb von 11 Tagen wurden in einem Labor der Farbenfabriken im Jahr 1897 vom Chemiker Felix Hoffmann zwei Substanzen hergestellt, die Geschichte schreiben sollten: Diacetylmorphin und Acetylsalicylsäure – besser bekannt unter ihren Markennamen Heroin und Aspirin. Beide Wirkstoffe verbreiten sich weltweit, aber ihre Wege könnten gegensätzlicher nicht sein.
Wir sprechen in der Folge über die Entstehung der Pharmaindustrie, wie Heroin vom Arzneimittel zur Droge wurde und diskutieren die Frage, wer eigentlich Aspirin erfunden hat.
https://www.geschichte.fm/archiv/gag444/