Medienspiegel 14. März 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++SCHWEIZ
Asylstatistik Februar 2024
Im Februar 2024 wurden in der Schweiz 2449 Asylgesuche registriert, 319 weniger als im Vormonat (-11,5 %). Gegenüber Februar 2023 ist die Zahl der Asylgesuche um 768 gestiegen. Wichtigste Herkunftsländer waren Afghanistan und die Türkei. Im Februar wurde zudem 213 aus der Ukraine geflüchteten Personen der Schutzstatus S erteilt, in 32 Fällen wurde er beendet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-100401.html


Nationalrat lehnt systematische Personenkontrollen an der Grenze ab
(sda) Keine systematischen Personenkontrollen an der Schweizer Landesgrenze, und auch keine grundsätzliche Asylverweigerung für Staatsangehörige von Ländern des Europarats: Der Nationalrat hat am Donnerstag zwei Forderungen der SVP-Fraktion eine deutliche Absage erteilt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2024/20240314120920086194158159026_bsd099.aspx
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/135894121-nationalrat-keine-systematischen-personenkontrollen-an-grenze


Regisseur aus Zürich im Porträt: «Die Geflüchteten als Individuen sehen statt als homogene Masse»
Für die Doku «Gefangene des Schicksals» hat Mehdi Sahebi Asylsuchende begleitet. Ihre Ängste und Zweifel kennt er aus erster Hand.
https://www.tagesanzeiger.ch/regisseur-aus-zuerich-im-portraet-die-gefluechteten-als-individuen-sehen-statt-als-homogene-masse-111138480563


Laien therapieren Flüchtlinge: «Der Ukraine-Krieg machte klar: Wir Fachleute schaffen es nicht allein»
Iryna Shtefen und Naser Morina helfen in der Schweiz traumatisierten Flüchtlingen, ihre Situation zu bewältigen. Die Laientherapeutin und der Psychologe sind Teil des Pilotprojekts Spirit.
https://www.derbund.ch/pilotprojekt-spirit-in-zuerich-laien-therapieren-fluechtlinge-187305826438


+++MITTELMEER
Aktivisten befürchten Dutzende Tote nach Schiffbruch im Mittelmeer
Aktivisten befürchten Dutzende Tote nach einem Schiffbruch im Mittelmeer. Seenotretter der europäischen Hilfsorganisation SOS Méditerranée teilten am Donnerstag mit, 25 Menschen von einem Schlauchboot gerettet zu haben, das mehrere Tage mit kaputtem Motor im Wasser getrieben sei.
https://www.watson.ch/international/migration/177656474-aktivisten-befuerchten-dutzende-tote-nach-schiffbruch-im-mittelmeer
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2024-03/seenotrettung-libyen-mittelmeer-sos-mediterranee


+++PSYCHIATRIE
Motion Grüne/SP: Soziale Arbeit in der Psychiatrie sichern und stärken
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=b9521755df544bc49fa3e95a8675861e


Politischer Widerstand gegen Schliessungspläne
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2024-03-14


+++FREIRÄUME
Wohnraum in Basel: Pizza-Plausch und eine Besetzung
Seit Montag besetzen mehrere Personen das Haus am St. Johanns-Ring 105. Die Besetzer*innen sind im Gespräch mit der Nutzerin der leerstehenden Liegenschaft, dem Universitätsspital. Eine Einigung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Trotz der Androhung einer Räumung wollen die Besetzer*innen bleiben.
https://bajour.ch/a/cltrfzn7y4276482sguzvhonyfd/hausbesetzung-am-st-johann-ring


+++SPORT
Massnahmen zur Vermeidung von Gewalt im Umfeld von Spielen der Super League
Bewilligungsbehörden und Swiss Football League einigen sich auf weitere Massnahmen zur Verhinderung von Gewalt bei Fussballspielen
https://www.kkjpd.ch/newsreader/massnahmen-zur-vermeidung-von-gewalt-im-umfeld-von-spielen-der-super-league.html
-> Medienmmitteilung: https://www.kkjpd.ch/newsreader/massnahmen-zur-vermeidung-von-gewalt-im-umfeld-von-spielen-der-super-league.html?file=files/Dokumente/News/2024/240314%20Medienmitteilung%20Progresso%20d.pdf
-> Gesamtbericht Progresso: https://www.kkjpd.ch/newsreader/massnahmen-zur-vermeidung-von-gewalt-im-umfeld-von-spielen-der-super-league.html?file=files/Dokumente/News/2024/231119%20Gesamtbericht%20Progesso%20d.pdf


Fangewalt in der Schweiz: Es kommt zum Knall zwischen Fussballclubs und Politik
Was eine gemeinsame Lösung für friedlichere Fussballspiele werden sollte, endet im Zerwürfnis. Die professionellen Fussballclubs lehnen das von den Behörden ausgearbeitete sogenannte Kaskadenmodell ab.
https://www.derbund.ch/fangewalt-kaskadenmodell-im-schweizer-fussball-ist-gescheitert-928135789567
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/strengere-massnahmen-gegen-fangewalt-im-fussball?id=12556613
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/swiss-steel-mit-klarem-bekenntnis-zum-standort-emmenbruecke?id=12556637 (ab 07:34)
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/gewalt-an-fussballspielen-polizei-will-hart-durchgreifen?partId=12556712
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/215448
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/zuercher-zuenfte-fuehren-einen-kodex-gegen-diskriminierung-ein?urn=urn:srf:video:8eb57973-06f8-4afc-ad97-a6b693ab3262
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/behoerden-ergreifen-neue-massnahmen-gegen-fangewalt?urn=urn:srf:video:ee62d4a5-9b4a-443f-a12b-8335ee7f44e7
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kaskadenmodell-spaltet-kantone-clubs-und-fans-156536257
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/fangewalt-bruch-zwischen-clubs-und-politik-156536053
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/kaskaden-modell-gegen-fussball-chaoten-156536127
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/krach-um-kaskadenmodell-politik-und-fussballvereine-sind-sich-uneinig-156536039
-> https://www.baerntoday.ch/sport/fussball/strengere-massnahmen-gegen-fangewalt-trotz-ablehnung-von-liga-und-clubs-156533920?autoplay=true&mainAssetId=Asset:156536589
-> https://www.watson.ch/schweiz/sport/331051532-fan-gewalt-polizei-setzt-mit-kaskadenmodell-kollektiv-strafen-durch
-> https://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/verhaertete-fronten-das-kaskadenmodell-spaltet-die-fussball-schweiz-id19535570.html
-> https://www.blick.ch/politik/massnahmen-gegen-fangewalt-behoerden-und-liga-informieren-gehts-ultras-jetzt-an-den-kragen-id19533631.html
-> https://www.baseljetzt.ch/kaskadenmodell-tritt-ab-kommender-saison-in-kraft-bald-auch-personalisierte-tickets/198378
-> https://www.zentralplus.ch/sport/fc-luzern/unverhaeltnismaessig-behoerden-boxen-kaskadenmodell-durch-2628005/
-> https://www.pilatustoday.ch/sport/fussball/deshalb-lehnt-der-fcl-die-geplanten-massnahmen-gegen-fangewalt-ab-156534005?autoplay=true&mainAssetId=Asset%3A156536148
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/fussball-ab-1330-uhr-live-das-sind-die-plaene-der-behoerden-gegen-die-fangewalt-ld.2594196
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gewalt-bei-fussballspielen-kaskadenmodell-wird-trotz-ablehnung-von-liga-und-klubs-eingefuehrt
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gewalt-bei-fussballspielen-basler-sicherheitsdirektorin-rechtfertigt-kaskadenmodell



nzz.ch 14.03.2024

Gewaltproblem im Fussball: Das gemeinsame Projekt von Politik und Profi-Klubs scheitert mit einem Knall

Die Sicherheitsbehörden führen einheitliche Massnahmen gegen Fangewalt ein. Die Liga steigt aus dem Kaskadenmodell aus – und kritisiert das Modell scharf.

Andrea Fopp, Bern

Noch vor einem Jahr klang es vielversprechend: Die Sicherheitsbehörden erklärten, einen gemeinsamen Massnahmenkatalog gegen Fangewalt einführen zu wollen. Dafür setzten sie sich mit allen involvierten Kreisen von den Fans über die SBB bis zu den Profiklubs an den Tisch. Doch jetzt ist das gemeinsame Projekt mit einem Knall gescheitert: Die Swiss Football League hat am Donnerstag angekündigt, aus dem sogenannten Kaskadenmodell auszusteigen. Die Sicherheitsbehörden dagegen wollen es trotzdem einführen.

Seite an Seite sassen die beiden Parteien im Berner Generationenhaus und gebärdeten sich wie Eltern, die ihren Kindern die Scheidung verkünden. Zwar widersprachen sie sich in fast jedem Punkt, versicherten aber, Freunde bleiben zu wollen – was konkret heisst: Sie wollen den immer wieder beschworenen «Dialog» aufrechterhalten.

So warf Karin Kayser-Frutschi, Nidwaldner Regierungsrätin und Co-Präsidentin der Kantonalen Konferenz für Justiz-und Polizeidirektoren, der Liga vor, der Zusammenarbeit beim Kaskadenmodell den «Todesstoss» zu versetzen. Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, wiederum zeigte sich überzeugt, das Modell werde zu mehr Eskalationen führen.

Schwere Gewalt in Basel

Das Zerwürfnis hatte sich in den letzten Monaten abgezeichnet. Das Kaskadenmodell ist ein Sanktionskatalog, der für die ganze Schweiz gelten soll. Er enthält Massnahmen von einfachen Verwarnungen bis zum Spielverbot. Die Idee: Je härter die Gewalttat, desto härter die Strafe. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren kann das Kaskadenmodell auch allein einführen. Es liegt in der Hoheit der städtischen beziehungsweise kantonalen Behörden, den Klubs die Bewilligung für Fussballspiele zu entziehen.

Die anfängliche Hoffnung war jedoch, dass man mit einem konzertierten Effort die Akzeptanz erhöht, vor allem auch unter den Fans. So sassen anfänglich auch die Fanarbeiter mit am Tisch, ebenso wie die SBB und ein Wissenschafter der Universität Bern, der das Projekt begleitete. Doch dann kam es zum Bruch – zuerst mit den Fanarbeitern, die bereits vor einigen Monaten ausstiegen, und jetzt eben auch mit den Klubs.

Alles nahm seinen Anfang am 4. April 2023 in Basel. Nach dem Cup-Halbfinal des FCB gegen YB passten vermummte Basler Fans Sicherheitsleute ab und griffen sie an, teilweise setzten sie Gegenstände ein. Vier Personen wurden verletzt, drei davon schwer. Die Basler Muttenzer Kurve zeigte sich selbst «schockiert» über das Ausmass der Gewalt. Und die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann zog die Konsequenzen: Sie schloss für das nachfolgende Spiel die heimische Kurve und den Gästesektor.

«Es ging mir darum, klarzumachen, dass wir solche Dinge in Zukunft nicht mehr hinnehmen», begründete Eymann den Entscheid in einem Interview mit der NZZ. Ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Kantonen sahen das ähnlich und verfügten in den folgenden Monaten aufgrund von Ausschreitungen weitere Sektorsperrungen in Bern, Genf, Lausanne, Luzern, Sitten, St. Gallen und Zürich.

Klubs verlieren Geld

Das wiederum brachte nicht nur die Fankurven auf die Barrikaden. Am 31. Januar kam es zu einer weiteren Eskalation: Die Bewilligungsbehörden schlossen die Südkurve im Zürcher Letzigrund, nachdem zehn Tage zuvor rund hundert Zürcher Fans nach einem Heimspiel des FCZ Stadtpolizisten am Bahnhof Altstetten angegriffen hatten. FCZ-Präsident Ancillo Canepa fand die Massnahme nicht gerechtfertigt. Er argumentierte, die Behörden hätten keine rechtliche Grundlage für Kollektivstrafen für Gewalttaten ausserhalb des Stadions.

Die Behörden berufen sich auf das Hooligan-Konkordat. Das Bundesgericht hatte zwar einst entschieden, es dürfte nur angewendet werden, um Gewalttaten zu verhindern, nicht aber, um Fans zu bestrafen. Entsprechend bezeichnen die Behörden Sektorschliessungen auch immer als präventive Massnahme – und nicht als Strafe. Canepa erhob Rekurs, die Sache wird vor Gericht entschieden.

Bei den Klubs geht es auch ums Geld. Claudius Schäfer von der Liga bezeichnete Ticketverkaufsverbote als «möglichen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit». Der professionelle Fussball sei ein unterschätzter Wirtschaftsfaktor in den Regionen und investiere viel Geld in Sicherheitsmassnahmen. Die Behördenvertreter erwiderten, auch die Öffentlichkeit verliere Geld. Steuerzahler, die nie ins Stadion gehen, müssen für randalierende Fans aufkommen.

Repression oder Dialog

Die Diskussion steht beispielhaft für die zutiefst unterschiedlichen Haltungen zur Gewalt im Sport. Die Justizdirektoren und ihre Polizeien fordern mehr Repression. Die Liga dagegen will auf den Dialog setzen. Schäfer sagte, die Massnahmen des Kaskadenmodells seien «für die Galerie». Es sei ihm zwar bewusst, dass es Erwartungen in der Gesellschaft gebe. Doch die Statistik zeige, dass die Gewalttaten seit Messbeginn im Jahr 2018 leicht abgenommen hätten. Ausserdem wiesen Studien darauf hin, dass Kollektivstrafen zu einer Solidarisierung unter Fans führen und die Situation eher noch eskalieren.

Die Klubs wollen solche Entwicklungen in den letzten Monaten bereits festgestellt haben: So hätten Fans in Bern nach der Schliessung der Kurve einfach Tickets in anderen Sektoren gekauft. Schäfer appellierte daher an die Behörden, sich auf das Fassen einzelner Täter zu konzentrieren, statt unschuldige Fans mitzubestrafen. Man sei sich bewusst, dass es schwierig sei, Einzeltäter in der anonymen Masse von Fans auszumachen, zumal sich diese häufig absichtlich gleich kleiden. Doch die Lösung sei mehr Ressourcen für die Polizei, nicht das Kaskadenmodell.

So weit, so zerstritten. Und doch gibt es in dieser verfahrenen Situation noch eine Einigung zu vermelden. So wollen die Klubs die SBB bei Fanreisen künftig finanziell unterstützen. Das ist ein Fortschritt: Separate Fanzüge ermöglichen ein geordneteres Anreisen und bewahren andere Passagiere vor unangenehmen Begegnungen. Doch die SBB übten immer wieder Kritik, da es zu Sachbeschädigungen und Drohungen gegen SBB-Mitarbeiter kam.

Offen ist, wie es mit den personalisierten Tickets weitergeht. Die Sicherheitsbehörden hoffen, mit solchen Billets besser nachvollziehen zu können, wer im Stadion ist. Das mache es einfacher, Einzeltäter dingfest zu machen. Bis jetzt fehlt die rechtliche Grundlage. Ein Rechtsgutachten zeigt: Für die Einführung müsste das Hooligan-Konkordat revidiert werden. Ob die Behörden das tatsächlich in Angriff nehmen, entscheiden sie im April. Die Klubs halten auch von dieser Massnahme wenig. Sie argumentieren, dass sich auch mit personalisierten Tickets Schlägereien ausserhalb des Stadions nicht aufklären liessen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/fangewalt-so-wollen-die-behoerden-und-die-liga-gegen-ausschreitungen-rund-um-spiele-der-super-league-vorgehen-ld.1822215)



luzernerzeitung.ch 14.03.2024

Knall zwischen Fussballklubs und Behörden: Wie die Liga zur Grätsche ansetzte

Eigentlich wollten die Polizeidirektoren und die Fussball-Liga gemeinsam gegen Fangewalt vorgehen. Doch im letzten Moment verweigerten die Vereine ihre Zustimmung. Die neuen Massnahmen werden trotzdem eingeführt.

Michael Graber, Maja Briner

Im Fussball hätte die Swiss Football League (SFL) für dieses Foul mindestens die gelbe Karte bekommen. In allerletzter Minute grätschte die Liga die Behörden ab. Alles war angerichtet, um das neue Kaskadenmodell einzuführen. Die Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden hatte nach Bern geladen, um die umstrittenen Massnahmen gegen Fussballgewalt vorzustellen und dabei Einheit zu demonstrieren. Dann setzte die Liga zur Grätsche an.

Am Vormittag informierten die Liga-Vertreter die Behörden, dass sich alle Super- und Challenge-League-Vereine «einstimmig» gegen das neue Kaskadenmodell ausgesprochen haben. Auch die Liga selbst ist sehr skeptisch. Es sei nicht «zielführend, einseitig und unverhältnismässig», schreibt sie in einer Mitteilung. Dabei betonten alle Seiten noch vor Jahresfrist Geschlossenheit im Kampf gegen Fussballgewalt.

Die Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden hat sich entschlossen, es trotzdem durchzuziehen. Ab der kommenden Saison gilt ein neuer Massnahmenkatalog mit verschiedenen Eskalationsstufen. Von verstärkter Kontrolle beim Einlass bis zu Geisterspielen (siehe Box). Wie die Fussballklubs «einstimmig dagegen» waren, sprachen sich alle in der Arbeitsgruppe «einstimmig für» das Kaskadenmodell aus.

Die Liga hält die wortgewaltige Gegenrede

Karin Kayser-Frutschi, Nidwaldner Regierungsrätin und Co-Präsidentin der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), und Frédéric Favre, Präsident der Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden und Walliser Staatsrat, stellten die Massnahmen vor und sprachen davon, wie wichtig geeintes Auftreten und wie «gut» die Zusammenarbeit mit der Liga gewesen sei – ausser eben beim Punkt um das Kaskadenmodell.

Absurderweise durften dann Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, und Wanja Greuel, CEO von den Young Boys, auf der gleichen Pressekonferenz zu einer Gegenrede ausholen. Vor allem Schäfer war dabei sehr gut vorbereitet und «zerpflückte», wie es ein Journalist formuliert, wortgewaltig die neuen Massnahmen. Kollektivstrafen seien nicht tolerierbar, das Modell vermische Prävention und Repression und fokussiere nicht auf die Verhinderung zukünftiger Gewalttätigkeiten.

Zudem, so Schäfer, sei es unter Umständen auch ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Clubs, und werde es so umgesetzt wie angedacht, dann führe das neue Modell gegen Fangewalt ausgerechnet zu mehr Fangewalt. Durch Sektorsperrungen komme es im und ausserhalb des Stadions vermehrt zu brenzligen Situationen.

Schäfer liess eigentlich kein gutes Haar an den Plänen, die Kayser-Frutschi und Favre nur Minuten vorher am gleichen Tisch lobgepriesen hatten. Es war ein bisschen, wie wenn die SP an einer Pressekonferenz noch die SVP einladen würde, doch auch noch ihre Sicht der Dinge darzulegen.

«Gerne auch zusammen ins Ziel geführt»

Sie sei schon «etwas enttäuscht», gab Kayser-Frutschi zu. Eigentlich hätten sie das Projekt, «das wir zusammen aufgegleist haben, auch zusammen ins Ziel führen wollen». Zwar habe man bereits im Vorfeld «skeptische Signale» von der Liga erhalten, die endgültige Absage servierten die Clubs und die SFL aber erst am Donnerstag, da war die Medieneinladung mitsamt allen Teilnehmenden längst verschickt.

Kayser-Frutschi sprach einmal von «einem Todesstoss», den die Liga hier dem Projekt versetze. Korrigierte sich aber gleich, man bleibe natürlich «im Dialog». Tot ist das Kaskadenmodell ja auch keineswegs. Am Ende können die Behörden das auch ohne den Segen der Liga einführen. Und das machen sie. Was dagegen maximal noch halblebendig ist, ist die Einigkeit.

«Alle haben das gleiche Ziel: weniger Gewalt», führte Frédéric Favre aus. Und immer wieder betonte der Walliser, dass nun die Behörden endlich einheitliche Linien hätten, um im Falle von Ausschreitungen zu reagieren. «Wir sitzen alle im selben Boot», sagte auch Wanja Greuel. Einfach über die Art der Strafen sei man sich nicht einig. Oder anders formuliert: Zwar sitzen sie zusammen im Boot – aber jeder rudert in eine andere Richtung.

Die Behörden waren vorher der Liga und den Klubs schon in mehreren Punkten entgegengekommen. Ursprünglich wollten die Polizeidirektoren, dass es eine fünfte Eskalationsstufe gibt. Dort wären Klubs bei wiederholt schweren Ausschreitungen mit Forfait-Niederlagen bestraft worden. «Auf Wunsch der SFL» wurde diese Massnahme zuerst abgeschwächt und am Ende schliesslich ganz gestrichen. Der Partner, der die Massnahmen schlussendlich ablehnte, konnte also gewichtige Änderungen anbringen.

«Es hat niemand bessere Lösung vorgeschlagen»

Dass die Liga das Modell, an dem sie lang mitgearbeitet hat, nun nicht mitträgt, begründet Schäfer auch mit den Erfahrungen der letzten Monate. Es habe sich gezeigt, dass das Kaskadenmodell nicht funktioniere, sondern sogar zur Eskalation beitragen könne, sagte er. Unter anderem waren mehrmals die Gästesektoren gesperrt worden. Das hinderte aber die Luzerner Fans nicht daran, trotzdem nach St.Gallen zu reisen, und auch die St.Galler-Anhänger feuerten ihr Team trotz gesperrtem Sektors auch in Luzern an.

Am liebsten wäre es ihr sowieso, sagt Kayser-Frutschi, wenn das Modell gar nie zum Einsatz kommen müsse. Also, wenn bereits der Strafenkatalog eine genügend abschreckende Wirkung habe. Die Nidwaldner Regierungsrätin betonte auch, dass es der Arbeitsgruppe wichtig war, ein Zeichen zu setzen. Fussballgewalt sei ein ernstes Problem.

Ob das Kaskadenmodell nun wirklich der Weisheit letzter Schluss sei, wisse sie nicht. «Allerdings hat auch niemand in der Vernehmlassung eine bessere Lösung eingebracht», so Kayser-Frutschi. Für Favre war es zudem wichtig, dass er die nun vorgestellten Massnahmen nicht «als Kollektivstrafen, sondern als Präventivmassnahmen» sehe.

Personalisierte Tickets kommen bald aufs Tapet

«Gäbe es eine richtig gute Lösung, so hätten wir die schon längst eingeführt», sagte der SFL-CEO. Gleichzeitig warnte Schäfer davor, dass man sich mit dem nun eben beschlossenen Massnahmenpaket in falscher Sicherheit wiege: «Wer meint, nur der Fussball habe ein Gewaltproblem, der liegt falsch». Sie würden alles daransetzen, dass es zu keinen Ausschreitungen kommen, «aber eine Welt ohne Gewalt ist eine Illusion.»

Zufrieden ist am Ende diese Tages also eigentlich niemand. Kayser-Frutschi wiederholte in alle Mikrofone und Kameras, sie sei enttäuscht über das Abseitsstehen der Liga. Auch diese kann jedoch nicht zufrieden sein, wird ihr doch das Kaskadenmodell gegen ihren Willen aufs Auge gedrückt.

Das Kaskadenmodell bereite ihm mit Blick auf die nächste Saison Bauchweh, sagte Schäfer auf eine entsprechende Frage eines Journalisten. Es gebe grosse Risiken. «Ich habe die Hoffnung, dass das Kaskadenmodell nur als Ultima Ratio angewendet wird.» Aus seiner Sicht reichen die heutigen Mittel aus, um gegen die einzelnen Fehlbaren vorzugehen.

Die Behörden hingegen wollen dagegen sogar noch eine weitere Massnahme in der Hinterhand haben: Sie haben ein Rechtsgutachten eingeholt, dass für die Einführung von personalisierten Tickets gegen den Willen der Veranstalter die Revision des «Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» empfiehlt. Ob die KKJPD das tatsächlich anwendet, entscheidet sie im April. Dann werden sie die Liga wohl eher nicht mehr für eine gemeinsame Medienkonferenz einladen.

«Problembewusstsein an kleinem Ort»

Reto Nause, Berner Sicherheitsdirektor und Mitte-Nationalrat, hält das Abseitsstehen der SFL für enttäuschend. «Das zeigt, dass das Problembewusstsein noch an einem kleinen Ort ist», sagt er. «Die Liga schiebt damit den Umgang mit Hooligans an die Sicherheitsbehörden ab.» Das Argument der Kollektivstrafen lässt er nicht gelten: «Mit personalisierten Tickets könnte man gezielt gegen fehlbare Fans vorgehen.» Aber das wolle die Liga ja auch nicht.

SP-Nationalrat Matthias Aebischer, selbst passionierter Fussballfan, verurteilt den Hooliganismus aufs Schärfste, wie er betont. Trotzdem lehnt er das Kaskadenmodell ab. «Es darf nicht sein, dass eine ganze Fangemeinschaft oder sogar Teams für das Verhalten einzelner bestraft werden», sagt er. Man müsse die einzelnen Fehlbaren zur Rechenschaft ziehen, und dazu sei die aktuelle Gesetzgebung ausreichend.

SVP-Nationalrat Lukas Reimann steht ausnahmsweise auf der gleichen Seite wie Aebischer. Mit dem Kaskadenmodell werde unnötig Öl ins Feuer gegossen, kritisiert er. «Das hilft niemandem, schon gar nicht der Sicherheit der Zuschauer.»



Das braucht es, damit es zu einem Geisterspiel kommt

Das neue Kaskadenmodell sieht nun vier Stufen vor. Stufe 1 wird etwa ausgelöst bei einer Gefährdung von Personen durch Zünden von einem Böller. Dann sind die Klubs verpflichtet zum Dialog mit den Behörden. Bei Stufe 2, ausgelöst unter anderem durch Werfen von Pyrotechnik, muss der Einlass «strenger» gemacht und die Videoüberwachung verstärkt werden.

Erst danach kommt es zu Sektorsperrungen. Damit Fansektoren geschlossen werden, muss es zu «Gewalt gegen Personen mit Verletzungsfolge» oder dem «Einsatz von Waffen, Pyrotechnik und Gegenstände gegen Personen» kommen. Bei einem Vorfall geraten die Klubs auf Bewährung. Gibt es in dieser Bewährungsphase einen erneuten Vorfall, dann drohen Geisterspiele. Forfait-Niederlagen wird es – anders als ursprünglich vorgesehen – nicht geben.

Entscheiden wird in jedem Einzelfall die zuständige Bewilligungsbehörde. Das Kaskadenmodell dient dabei als Leitlinie.
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/fussball-knall-zwischen-fussballklubs-und-behoerden-wie-die-liga-zur-graetsche-ansetzte-ld.2594421)


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Zürich-Altstetten: Durchgangsplatz für Fahrende bis 2038 gesichert
Der Gemeinderat Zürich hat den Weiterbetrieb des Durchgangsplatzes für fahrende Jenische und Sinti in Altstetten beschlossen.
https://www.nau.ch/politik/regional/zurich-altstetten-durchgangsplatz-fur-fahrende-bis-2038-gesichert-66726186


+++POLICE BE
Interpellation AL/Grüne: Urteil EGMR Wa Baile vs. Schweiz – Massnahmen und Konsequenzen des Urteils im Kanton Bern
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=6a7ae0076f4e48659b434fc3621ed6f1


Interpellation AL: Urteil EGMR Wa Baile vs. Schweiz – Massnahmen und Konsequenzen des Urteils im Kanton Bern
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=594ffbbf4f9343e686b6d2c75bc9f710


+++RASSISMUS
Neuer Leitfaden gegen Diskriminierung: Zürcher Zünfte wollen nicht mehr diskriminieren
Die Zünfte haben neu einen Leitfaden gegen Diskriminierung. Er ist auch eine Reaktion auf einen rassistischen Sketch, der letztes Jahr am Sechseläuten aufgeführt wurde.
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich-zuenfte-fuehren-leitfaden-gegen-diskriminierung-ein-884890257045
-> https://www.20min.ch/story/sechselaeuten-kodex-zuercher-zuenfte-haben-verhaltensregeln-bei-baslern-abgekupfert-103063404?version=1710398903574
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/im-kampf-gegen-rassismus-zuercher-zuenfte-erlassen-verhaltenskodex?id=12556562
-> Schweiu Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/zuercher-zuenfte-fuehren-einen-kodex-gegen-diskriminierung-ein?urn=urn:srf:video:8eb57973-06f8-4afc-ad97-a6b693ab3262


Interpellation SP: Besorgniserregender Anstieg von antisemitischen, islamfeindlichen und rassistischen Vorfällen auch an Schulen
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=7ee55f897fd14ffc893bc05accd6c345


Antisemitismus in der Schweiz: So erleben jüdische Prominente die Anfeindungen
Vier Personen erklären, welche Folgen die Messerattacke in Zürich auf ihr Sicherheitsgefühl hat und wie sie mit der Zunahme antijüdischer Hetze umgehen.
https://www.derbund.ch/antisemitische-vorfaelle-in-der-schweiz-wie-juden-damit-umgehen-862395255815


Die Stadt Zürich verurteilt den Auftritt eines für antisemitische Propaganda bekannten Netzwerks in der Zentralwäscherei (ab 06:33)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/im-kampf-gegen-rassismus-zuercher-zuenfte-erlassen-verhaltenskodex?id=12556562
-> https://www.20min.ch/story/zuerich-bin-fassungslos-zentralwaescherei-schweigt-zu-samidoun-auftritt-103063455


Nach dem Übergriff auf einen jüdischen Jugendlichen: Jetzt kommt die SP mit einer neuen Forderung
Der gravierende Vorfall an einer Bezirksschule zeigt für die Sozialdemokraten, dass die Politik im Kanton zu lange untätig war. Die SP fordert nun mehr Mittel für Anlaufstellen an Schulen und Prävention gegen Antisemitismus und Rassismus.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/sp-mitteilung-zu-uebergriff-auf-juedischen-schueler-ld.2593661
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/antisemitismus-sp-fordert-anlaufstellen-an-aargauer-schulen-156531733


+++RECHTSPOPULISMUS
Doppelbürger, Provokateur und Bänklischutter – so tickt Nils Fiechter
Die Jungpartei der SVP hat einen neuen Präsidenten gewählt. Nils Fiechter (27) ist Berner Grossrat, wurde wegen Rassendiskriminierung verurteilt und will den Parlamentariern das Gehalt kürzen.
https://www.20min.ch/story/neuer-jsvp-praesident-doppelbuerger-provokateur-und-baenklischutter-so-tickt-nils-fiechter-103062817