Medienspiegel 12. März 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++GLARUS
Glarus schliesst Bundesasylzentrum: Positive Bilanz
Das Bundesasylzentrum in Glarus wurde Anfang März geschlossen. Die Verantwortlichen ziehen eine positive Bilanz.
https://www.nau.ch/ort/glarus/glarus-schliesst-bundesasylzentrum-positive-bilanz-66725199


+++LUZERN
Kanton Luzern ruft erneut die Asyl-Notlage aus
Der Luzerner Regierungsrat hat wegen der anhaltenden Asylkrise erneut die Notlage ausgerufen. Er fordert die Gemeinden auf, ihm freie und zur Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden geeignete Immobilien zu melden. Auf eine feste Zuteilung der Geflüchteten auf die Gemeinden wird verzichtet.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/kanton-luzern-ruft-erneut-die-asyl-notlage-aus?id=12553670



Solinetz Luzern kritisiert Ausrufung der Notlage im Asylbereich
Die Ausrufung der Notlage im Asylbereich erlaubt dem Kanton Luzern, vermehrt auf unterirdische Zivilschutzanlagen als Notunterkünfte zurückzugreifen. In den Gemeinden Dagmersellen und Schenkon sind bereits zwei unterirdische Notunterkünfte in Betrieb – in letzterer werden sogar Familien mit Kindern untergebracht.
Die unterirdischen Notunterkünfte bieten kaum Privatsphäre und keine Möglichkeit zum Rückzug. Viele asylsuchende Personen haben auf ihrem Weg in die Schweiz traumatische Erfahrungen gemacht und sind psychisch sehr stark belastet. Duygu Yavuz aus dem Vorstand des Solinetz Luzern hält fest: «Die unterirdische Unterbringung ohne frische Luft und Tageslicht ist eine zusätzlich grosse Belastung und bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die Würde und Freiheit von asylsuchenden Menschen.» Schliesslich steht die Schweiz auch in einer humanitären Verantwortung schutzsuchenden Personen gegenüber. Eine unterirdische Unterbringung wird dieser nicht gerecht.
Aus diesen Gründen fordert das Solinetz Luzern den Kanton Luzern dazu auf, auf die unterirdische Unterbringung von asylsuchenden Personen zu verzichten. Es braucht genügend überirdischen und adäquaten Wohnraum. Und dafür ist, wie der Regierungsrat selbst schreibt, der Einsatz von Gemeinden und Kanton nötig.
In den Medien, in den Ansagen des neuen zuständigen Bundesrates Beat Jans sowie in der Kommunikation des Kantons Luzern zur gestrigen Ausrufung der Notlage im Asylbereich dominiert ein Narrativ: Asylsuchende Personen sind eine Belastung.
Das Solinetz Luzern und seine Mitgliederorganisationen erleben in ihrer alltäglichen Arbeit, wie bereichernd Migration für eine Gesellschaft sein kann. Deshalb fordert das Solinetz Luzern eine Migrationspolitik, die Migration und die gesellschaftliche Vielfalt als Chance und Bereicherung wahrnimmt – ein Narrativ des Notstandes ist dafür nicht förderlich.
(https://www.facebook.com/solinetzluzern/posts/pfbid02nDnNa8JwGq61P7E64DHEqe8NxvhZeyrRKcdRhdWX49GzWBtR2nMjanAgYV1v22U9l)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzerner-regierung-lotet-vor-und-nachteile-von-tempo-30-aus?id=12553835 (ab 03:51)
-> https://www.watson.ch/schweiz/luzern/960967212-solinetz-luzern-kritisiert-ausrufung-der-asyl-notlage
-> https://www.nau.ch/ort/luzern/ausrufung-des-asylnotstands-durch-solinetz-luzern-kritisiert-66725110
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/asylunterkuenfte-in-der-kritik-156517900


+++SCHWEIZ
900 Asylfälle mehr am Bundesverwaltungsgericht im 2023
Das Bundesverwaltungsgericht meldet für das Jahr 2023 einen Anstieg bei den Asylfällen. Über 900 Asylfälle mehr seien es gewesen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/900-asylfalle-mehr-am-bundesverwaltungsgericht-im-2023-66725308
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/900-asylfaelle-mehr-am-bundesverwaltungsgericht-im-2023-00234268/


+++ITALIEN
Italien setzt Rettungsschiff Sea Eye 4 für 60 Tage fest
Italien hat das größte Schiff der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea Eye für 60 Tage festgesetzt. Die Besatzung hatte Gerettete nicht der libyschen Küstenwache übergeben. Man weigere sich, bei Verschleppungen mitzumachen, betont Sea Eye.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/seenotrettung-italien-setzt-rettungsschiff-sea-eye-4-fuer-60-tage-fest,U6mlIgH


Boote und Babyflaschen im Meer – Überbleibsel der Migration stellen Lampedusa vor grosse Probleme
Fast 160’000 Migrantinnen und Migranten sind 2023 über das Mittelmeer nach Italien geflohen. Sie kommen in kleinen Holz- oder Metallbooten, oftmals mit dem Ziel Lampedusa. Dort stapeln sich nun die Hinterlassenschaften dieser Migration.
https://www.srf.ch/news/international/boote-und-babyflaschen-im-meer-ueberbleibsel-der-migration-stellen-lampedusa-vor-grosse-probleme


+++MITTELMEER
Hunderte Migranten vor Zypern aufgegriffen – viele Kinder
Vor der Küste Zyperns sind Hunderte Migranten innerhalb eines Tages aufgegriffen worden. Darunter waren auch zahlreiche Minderjährige.
https://www.nau.ch/news/europa/hunderte-migranten-vor-zypern-aufgegriffen-viele-kinder-66725101


+++GASSE
Synthetische Opioide – Nitazen – wie eine Droge in Grossbritannien zum Problem wird
Was ist Nitazen? Warum leidet Grossbritannien unter der Droge? Kursiert sie in der Schweiz? Die wichtigsten Antworten.
https://www.srf.ch/news/international/synthetische-opioide-nitazen-wie-eine-droge-in-grossbritannien-zum-problem-wird


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Flucki tu déranges, les toilettes sont dégenrées ! Acte 1
Ya plus de signalétique genrée aux toilettes d’unimail ! Le rectorat ne voulait pas le faire, on l’a fait nous-même !
https://renverse.co/infos-locales/article/flucki-tu-deranges-les-toilettes-sont-degenrees-acte-1-4391


We resist! Queerfeministischer Tag des Widerstandes in Bern
Die Themen für die wir heute auf die Strasse gegangen sind, sind genauso vielfältig wie wir. Wir sind Trans-, Inter-, Nonbinäre, Agender-Personen und Frauen, welche heute weltweit gemeinsam widerständig waren. Gegen Patriarchat, Kriege, Kolonialismus, Unterdrückung, Feminizide, Faschismus, Sexismus,… die Liste ist lang.
https://barrikade.info/article/6351


Bewilligungspraxis: Ein kleiner Schritt zum Demofrieden?
Im Bewilligungsverfahren für Demonstrationen ist die Datenaufnahme eine Hemmschwelle für Gesuchsteller*innen. Die Kantonspolizei verzichtet deshalb neu auf das Kopieren der ID.
https://bajour.ch/a/cltn7uybm9307612sguerku43zk/bewilligung-von-demonstrationen-basler-polizei-kopiert-ausweis-nicht-mehr


+++POLICE BE
BE: Rechtsexperten kritisieren Medienkontrolle der Regierung
Das Kantonsparlament hat die Regierung beauftragt, bei einer Berichterstattung zu einem Polizeieinsatz im Juni 2021 genau hinzuschauen. Sie soll eine Beschwerde einreichen und Korrekturen fordern. Rechtsexperten kritisieren dieses Vorgehen: Das sei nicht die Aufgabe der Regierung.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/be-rechtsexperten-kritisieren-medienkontrolle-der-regierung?id=12554006


+++POLIZEI AG
DNA-Analyse: Aargauer Ermittler seien bei einem Drogenhändler zu weit gegangen, findet das Obergericht (ab 01:57)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/schwerverletzter-nach-brand-in-langendorf?id=12553838


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Kanton Zürich plant neuen Durchgangsplatz in Glattfelden
Noch hat der Kanton Zürich nicht genug Durchgangs- und Standplätze für Fahrende. Aber es bewegt sich etwas. Zum Beispiel in Glattfelden im Zürcher Unterland. Dort plant der Kanton einen neuen Durchgangsplatz.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kanton-zuerich-plant-neuen-durchgangsplatz-in-glattfelden?id=12553691
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/chef-der-schaffhauser-kantonalbank-verkuendet-rekordergebnis?id=12553958 (ab 11:02)


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Free Moria6, gegen Antisemitismus, für antirassistische Feminismen
https://antira.org/2024/03/12/free-moria6-gegen-antisemitismus-fuer-antirassistische-feminismen/


14. Aktionswoche gegen Rassismus: «Schauen wir gemeinsam hin!»
Zwischen dem 16. und 23. März 2024 finden im Rahmen der 14. Aktionswoche gegen Rassismus der Stadt Bern über 40 Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Akteur*innen statt. Die diesjährige Aktionswoche steht unter dem Motto: «Rassismus – Schauen wir gemeinsam hin!»
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/14-aktionswoche-gegen-rassismus-schauen-wir-gemeinsam-hin


+++RECHTSPOPULISMUS
AfD-nahes Radio Kontrafunk sendet aus Steckborn
In Steckborn wird in einem Wohnhaus der Radiosender «Kontrafunk» produziert. Produzent des Radios ist Burkhard Müller-Ullrich, Mitglied der deutschen AfD. Er bezeichnet seinen Sender als «Stimme der Vernunft». Ist dieser Sender problematisch und wie wird er von der Bevölkerung aufgenommen?
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/afd-nahes-radio-kontrafunk-auf-sendung-aus-steckborn-00234303/



tagblatt.ch 12.03.2024

AfD-nahes Radio Kontrafunk sendet aus Steckborn und eckt unter anderem in Ermatingen an: «Muss nicht allen gefallen»

Aus einem Wohnhaus in Steckborn produziert AfD-Mitglied Burkhard Müller-Ullrich den Radiosender Kontrafunk, «die Stimme der Vernunft». Mit ihm arbeiten teils illustre Namen. Und mit dem Lilienberg Ermatingen gab es juristischen Streit.

Samuel Koch

Das Radio «des geistigen Widerstands», «gegen die Einseitigkeit, Selbstgefälligkeit und Dominanz der Mainstreammedien, vor allem der öffentlich-rechtlichen». So versteht Burkhard Müller-Ullrich sein Internetradio Kontrafunk, das er als Stimme der Vernunft anpreist. Seine jüngste Sonntagsrunde startete das bekennende AfD-Mitglied wie folgt: «Guten Tag, verehrte Hörer. Hier ist das deutschsprachige Lagezentrum für die Beobachtung von Regierungsschrott.»

AfD steht für Alternative für Deutschland, eine rechtspopulistische und höchst umstrittene deutsche Partei mit rechtsextremistischer Neigung. Und besonders pikant: Der Sitz von Kontrafunk liegt in Steckborn, die Sonntagsrunde seines AfD-nahen Senders produziert Müller-Ullrich aus seiner Wohnung, welche direkt am Unterseeufer liegt. «Wir sind kein Parteisender», sagt Müller-Ullrich, seine AfD-Mitgliedschaft sei Privatsache.

Ankündigungs-Tweet von AfD-Antreiber Björn Höcke

Kontrafunk gegründet hat Müller-Ullrich im Sommer 2022 im zugerischen Cham. Wenige Stunden nach der ersten Sendung setzte der rechtsextreme und wegen Volksverhetzung angeklagte AfD-Antreiber Björn Höcke einen Tweet ab: «Wer eine journalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sucht, hat nun eine echte Alternative: Seit gestern sendet Kontrafunk ein 24-Stunden-Programm.» Dazu sagt Müller-Ullrich heute: «Das war das Dümmste, was uns passieren konnte. Wir waren machtlos.»

Höcke kenne er nicht. Aber er würde ihn gerne einmal kennenlernen. Müller-Ullrich ist ein 67-jähriger deutsch-schweizerischer Doppelbürger mit langjähriger Erfahrung im Journalismus. Er war Moderator im Deutschlandfunk, Redaktor beim Schweizer Radio DRS und schrieb für viele Zeitungen wie «Die Zeit», «Der Standard» oder das «St.Galler Tagblatt». Auf X (vormals Twitter) beschreibt sich Müller-Ullrich als Dieselfahrer, Waffenbesitzer und Vielflieger.

In der Innerschweiz gab es Verbindungen zum Firmensitz von Andreas Thiel, wie der «Sonntagsblick» berichtete. Der umstrittene Satiriker produziert mit Yoyogaga seine eigene Sendung für Kontrafunk, in der er etwa über die notwendige Konkurrenz zum Staat spricht. «Wir sind ein Kind von Corona», sagt Müller-Ullrich zur Gründung seines Radiosenders, das er gerne stolz als «kleines Wunderwerk» bezeichnet.

Warum aber liegt der Firmensitz von Kontrafunk seit rund einem Jahr in Steckborn? «Ich habe schon immer dort gewohnt. Ich bin Mitglied der Bürgergemeinde. Ich und meine Familie fühlen uns hier wohl», sagt Müller-Ullrich. Seine Frau – wie Müller-Ullrich ebenfalls mit beruflicher Vergangenheit bei öffentlich-rechtlichen Sendern – arbeitet im Radio mit. Der Sohn besucht gerade die Kanti.

Müller-Ullrich mag den Thurgau als Bauernkanton, der sich mit Nein-Parolen gegen Impfungen oder die Covid-19-Abstimmungen habe zur Wehr setzen wollen. Gemäss verschiedenen Medienberichten kann Kontrafunk in der Schweiz die in Deutschland strengeren Sendeauflagen umgehen. Dies bestätigt der Schweizer Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss. Er spricht von «einer stärkeren regulatorischen Verpflichtung in Deutschland, sich an journalistische Standards zu halten».

71 mittelständische Investoren ohne Namen

«Die Stimme der Vernunft» startete mit einem Kapital von 1,2 Millionen Euro. Die monatlichen Kosten von rund 150’000 Franken deckt Kontrafunk bisher erst knapp zu zwei Dritteln durch Werbung, Merchandising, Veranstaltungen und vor allem durch Spenden ab. Letztere setzen sich gemäss Müller-Ullrich aus 71 privaten Mittelständlern zusammen, welche jeweils maximal 100’000 Franken einschiessen. Er meint:«Unser Start-up ist noch sehr investiv und muss noch zum Fliegen kommen. Aber ich bin überzeugt, dass es klappt.»

Helfen soll dabei eine Kapitalerhöhung. Namen von Geldgebern gibt Müller-Ullrich keine preis und kritisiert gleichzeitig die Mainstreammedien, welche als «milliardenteure Verlautbarungsapparate» ihre Finanzierungen auch nicht offenlegen würden.

Er wirft den Service-public-Sendern im deutschsprachigen Raum Staatsnähe und den Journalisten mangelnde Neugier vor. Das sei der Grund für die Abkehr vieler renommierter Journalisten. «Die Leute laufen der SRG, aber vor allem auch den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland reihenweise davon», meint Müller-Ullrich, der sich als Vertreter «einer sachlichen Gegenposition» sieht.

Kontrafunk seinerseits freut sich nicht nur über die Mitarbeit von Satiriker Thiel, das Webradio führt auch Stefan Millius (Mitgründer und ehemaliger Chefredaktor «Die Ostschweiz») und René Zeyer (unter anderem tätig für die «Weltwoche») in seinem Impressum. Müller-Ullrich sagt: «Wenn jemand behauptet, wir sind ein rechter Sender, dann ist das völliger Blödsinn.»

Inhaltliche Nähe gebe es weder zur SVP noch zur AfD. Müller-Ullrich behauptet: «Wir haben keine institutionellen Beziehungen.»

Kündigung der Bank, Rauswurf in Ermatingen

Der für Kontrafunk tätige René Zeyer schrieb auf dem Finanzportal «Inside Paradeplatz», dass die Liechtensteiner Bank Lindt Kontrafunk per Einschreiben mitgeteilt hat, die Bank habe das Recht, «einzelne Geschäftsbeziehungen jederzeit zu kündigen». Davon machte die Bank schliesslich Gebrauch und begründete: «Die Hintergründe für diesen Entscheid liegen in den geschäftspolitischen Überlegungen.»

Eine andere Konfrontation der unschönen Art hatte Kontrafunk mit dem Lilienberg in Ermatingen. Unter dem Titel «Skandal in Ermatingen» beschrieb Zeyer, wie Kontrafunk im Seminarhotel seine erste Versammlung mit Gästen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz abhalten wollte.

Die Führung des Lilienbergs zog allerdings zwei Wochen vorher die Handbremse, weil die begründete Annahme bestehe, dass «die Veranstaltung den reibungslosen Geschäftsbetrieb, die Sicherheit und den Ruf des Lilienberg» gefährde. Müller-Ullrich spricht von einem Rauswurf. Nach einem juristischen Streit habe man sich schliesslich gütlich einigen können. Er sagt: «Es gibt ständig Verleumdungen, aber wir haben ein dickes Fell.»

Kontrafunk als Nischenradio befinde sich zwar immer noch in der Wachstumsphase, friste aber mit seinen Zehntausenden Hörern jeden Monat längst nicht mehr ein Blasendasein. «Wir werden wahrgenommen», sagt Müller-Ullrich. Das Ziel sei es, im fünften Jahr – also ab 2027 – selbsttragend zu sein. Und Kontrafunk soll gute Qualität liefern, auch wenn es politisch nicht nach dem Gusto aller sei. «Es muss nicht allen gefallen.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/medien-afd-nahes-radio-kontrafunk-sendet-aus-steckborn-und-eckt-unter-anderem-in-ermatingen-an-muss-nicht-allen-gefallen-ld.2591267)



tagblatt.ch 12.03.2024

Wie gefährlich ist der AfD-nahe Radiosender Kontrafunk im Thurgau? Ein Experte ordnet ein

Als Medien- und Kommunikationswissenschaftler kennt Vinzenz Wyss die deutschsprachige Medienlandschaft. Der Professor für Journalistik an der ZHAW Winterthur über Kontrafunk, dessen Professionalität und gleichzeitig staatskritische Haltung sowie viele offene Fragen.

Samuel Koch

Was ist Kontrafunk?

Vinzenz Wyss: Ein Nischen-Webradio, das durch ein erstaunlich professionell gestaltetes Programm auffällt. Es versteht sich als politisch rechts positionierte Gegenöffentlichkeit zu den Service-public-Medien und richtet sich gegen sogenannte Mainstreammedien.

Ist die politische Haltung eines Mediums verwerflich?

Keineswegs. Anti-Mainstream-Medien könnten die Vielfalt einer Medienlandschaft durchaus bereichern. So ist es auch legitim, dass die Macher von Kontrafunk eine politische Perspektive einnehmen, die sie bei den etablierten Medien als vernachlässigt oder gar unterdrückt wahrnehmen.

Gibt es in der Schweiz vergleichbare Medientitel?

Kontrafunk erinnert an die «Weltwoche», den «Nebelspalter», die «Schweizerzeit» oder an jüngere Anti-Mainstream-Formate wie «Hoch2.TV» oder «Alles Schall und Rauch», von denen einige auch immer wieder mal als Quelle zitiert werden.

Worin unterscheiden sich diese Medien von klassischen Medien?

Es wird sofort deutlich, dass den Interviews und sogar den Nachrichten eine sehr einseitige Selektionslogik zugrunde liegt. Themen wie etwa Migration, Energie oder Wokeness werden im Schafspelz scheinbarer Ausgewogenheit unterschwellig staats-, wissenschafts- und medienkritisch inszeniert.

Gibt es ein aktuelles Beispiel?

Die Sendung «Kontrafunk aktuell» hat vor kurzem tatsächlich den Zürcher SVP-Kantonsrat Tobias Weidmann in der Rolle eines Experten auftreten lassen, der über die Ursache der Radikalisierung junger Muslime werweisst. Diese unwidersprochene Zuweisung von Expertenstatus an einen Politiker scheint mir schon sehr durchschaubar. Dabei bräuchte es vielmehr eine journalistisch statt politisch motivierte Vielfalt.

Wie meinen Sie das?

Journalistische Vielfalt setzt ideologische Unabhängigkeit voraus. Es braucht eine publizistische Vielfalt an Perspektiven und nicht noch mehr politisch motivierte Podcaster, die im Netz wie Pilze aus dem Boden schiessen. Auch wenn Kontrafunk primär christliche und bürgerlich-konservative Werte vertritt, sollte der journalistische Zugriff möglichst vielfältig sein. Ansonsten bleibt die dominante Narration ziemlich erwartbar.

Gibt es andere Kritikpunkte?

Vieles ist nicht transparent, so etwa die Finanzierung, also woher die Spenden kommen. Gerade von Medien sollten wir jedoch erwarten, dass die Eigentumsverhältnisse offen gelegt werden, weil davon auszugehen ist, dass Eigentümer bei solchen Medienorganisationen ohne Trennung zwischen Verlag und Redaktion viel Deutungseinfluss haben. Das zeigt sich auch in der ablehnenden Haltung von Banken oder Veranstaltern wie dem Lilienberg in Ermatingen gegenüber dem Sender Kontrafunk.

Warum wohl hat Kontrafunk aus Ihrer Sicht seinen Sitz nach Steckborn verlegt?

Die Vermutung liegt nahe, dass Gründer Burkhard Müller-Ullrich quasi in die Schweiz «geflüchtet» ist, weil man hier noch sagen kann, was man denkt. Ausserdem sind wohl die Einschränkungen für einen publizistisch tätigen Radiosender weniger streng als in Deutschland, wo es eine stärkere regulatorische Verpflichtung gibt, sich an journalistische Standards zu halten.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/interview-quasi-in-die-schweiz-gefluechtet-medienwissenschaftler-schaetzt-afd-nahen-radiosender-kontrafunk-aus-steckborn-ein-ld.2591268)



FDP-Ständeräte wollen 267 Eritreer via Transitstaat ausschaffen
Petra Gössi fordert, dass abgewiesene Eritreer in ein Drittland ausgeschafft werden. Der Bundesrat hält das für unrealistisch, die Ständerätin hält dagegen. Die Regierung müsse sich etwas einfallen lassen.
https://www.20min.ch/story/asylwesen-fdp-staenderaete-wollen-267-eritreer-via-transitstaat-ausschaffen-103062185?version=1710268091663


SVP-Grossrat Fiechter zieht Kandidatur für Justizkommission zurück
Nils Fiechter wollte Teil der bernischen Justizkommission werden. Für eine Mehrheit im Kantonsparlament kam dies aber nicht in Frage, weil Fiechter 2018 wegen Rassendiskriminierung verurteilt wurde. Jetzt hat Fiechter seine Kandidatur zurückgezogen.
https://www.baerntoday.ch/bern/svp-grossrat-fiechter-zieht-kandidatur-fuer-justizkommission-zurueck-156515193
-> https://www.bernerzeitung.ch/bern-niels-fiechter-zieht-kandidatur-fuer-justizkommission-zurueck-970665198352


+++RECHTSEXTREMISMUS
Vortrag von Martin Sellner: Hagenbuch rechnet nicht mit Auftritt von Rechtsextremist
Die Gemeinde Hagenbuch reagiert auf Spekulationen über einen Auftritt von Rechtsextremist Martin Sellner in Oberschneit. Ein solcher sei hier nicht geplant. Unterdessen kam es zu Vandalenakten im Dorf.
https://www.landbote.ch/auftritt-von-martin-sellner-hagenbuch-rechnet-nicht-mit-auftritt-von-rechtsextremist-114766591438


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Staatsverweigerer muss sich in Bülach vor Gericht verantworten
Vor dem Bezirksgericht Bülach muss sich am Dienstag ein Staatsverweigerer wegen Hinderung einer Amtshandlung verantworten. Der 48-jährige Schweizer hatte sich geweigert, der Polizei seinen Ausweis zu zeigen. Er habe sich nicht an staatliche Vorgaben zu halten, fand er.
https://www.watson.ch/schweiz/zuerich/126268431-staatsverweigerer-muss-sich-in-buelach-vor-gericht-verantworten


Seltener Blick hinter die Kulissen von «KlaTV» – 10vor10
In der Schweiz bringt «KlaTV» täglich Beiträge mit Verschwörungstheorien unters Publikum. Miriam Christ gehörte jahrelang zum inneren Kreis der Organischen Christus-Generation von Ivo Sasek. Nun steht sie erstmals vor der Kamera um über ihre Zeit auf dem Regiestuhl des Sekten-Kanals zu reden.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/seltener-blick-hinter-die-kulissen-von-klatv?urn=urn:srf:video:f25b6aa5-2eb8-4ae8-889b-98a19ecef576


+++HISTORY
Die Erinnerungen eines Verdingbuben
„Aus dir wird sowieso nie etwas werden!“ Mit diesem Glaubenssatz ist Christian Liniger als Verdingbub aufgewachsen.
https://www.neo1.ch/artikel/die-erinnerungen-eines-verdingbuben


+++ANTISEMITISMUS
Bekämpfung von Antisemitismus: Politik fordert die Stadt Bern zum Handeln auf
Stadtratsmitglieder von rechts bis links fordern eine Anlaufstelle gegen Antisemitismus. Die Sozialdirektion verweist auf bestehende Angebote.
https://www.derbund.ch/gegen-antisemitismus-in-bern-die-stadt-soll-handeln-168590704951


Antisemitismusbericht 2023 zeigt sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle
Am 12. März 2024 veröffentlichten die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) den Antisemitismusbericht 2023.
https://www.gra.ch/antisemitismusbericht-2023-zeigt-sprunghaften-anstieg-der-antisemitischen-vorfaelle/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/antisemitismus-bericht-2023-judenfeindlichkeit-in-der-schweiz-nimmt-zu
-> https://www.blick.ch/politik/neuer-antisemitismusbericht-zeigt-uebergriffe-auf-juden-in-der-schweiz-haben-sich-verzehnfacht-id19523230.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/antisemistismus-auch-in-der-region-basel-vorfaelle-nehmen-zu?id=12553667
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/kritik-an-roche-ethos-lehnt-nachhaltigkeitsbericht-an-gv-ab?id=12553781 (ab 04:01)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/antisemitismus-bericht-faelle-aus-graubuenden-aufgefuehrt?id=12553811
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/judenfeindlichkeit-in-der-schweiz-nimmt-zu?partId=12553796
-> Rendez-vous-Tagesgespräch : https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/ralph-lewin-wie-judenfeindlich-ist-die-schweiz?id=12553787
-> https://www.20min.ch/story/uebergriffe-auf-juden-nach-dem-hitlergruss-riefen-sie-ihm-dich-sollte-man-vergasen-zu-103051980
-> https://www.20min.ch/story/bericht-2023-erschreckende-zahlen-massive-zunahme-der-uebergriffe-auf-juden-103059619
-> https://www.watson.ch/schweiz/interview/320353786-antisemitismus-in-der-schweiz-juden-haben-hier-nicht-viele-freunde
-> https://www.watson.ch/schweiz/international/540030077-antisemitismus-bericht-2023-judenfeindlichkeit-in-der-schweiz-nimmt-zu
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/graubunden-wohnung-sollte-nicht-mehr-an-juden-vermietet-werden-66725126
-> https://www.derbund.ch/neuer-antisemitismusbericht-beispiellose-zunahme-von-anfeindungen-gegen-juden-945809956034
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/antisemitismus-vor-und-nach-dem-7-oktober
-> CICAD Romandie: https://cicad.ch/communiques/antisemitisme-en-suisse-romande-hausse-alarmante-des-cas-en-2023/
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/antisemitische-uebergriffe-haben-massiv-zugenommen?partId=12553976
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mehr-antisemitische-vorfaelle-auch-unter-schuelerinnen?id=12553925
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/chef-der-schaffhauser-kantonalbank-verkuendet-rekordergebnis?id=12553958
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-graubuenden/antisemitismus-bericht-mehrere-vorfaelle-in-graubuenden?id=12553931
-> https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2024-03-12
-> https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news/antisemitismusbericht-weist-auf-mehr-judenfeindlichkeit-hin-12-03-24 (ab 11:08)
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/antisemitismus-und-davos-gr?urn=urn:srf:video:4e871348-1cde-422b-ace5-651f9beb579d
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/antisemitismus-bericht-2023-judenfeindlichkeit-nimmt-zu?urn=urn:srf:video:2282b799-5a4f-47c1-8133-933da07e86b0
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/uebergriffe-auf-juden-in-der-schweiz-haben-sich-verzehnfacht-156517739
-> https://www.telem1.ch/aktuell/trauriger-rekord-so-viele-antisemtitische-angriffe-wie-noch-nie-156517677
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/wie-menschen-juedischen-glaubens-mit-judenhass-umgehen?urn=urn:srf:video:cfc129bb-9ddc-45c8-9c5f-7d156118ea6b
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/judenhass-in-der-schweiz-antisemitismus-kommt-aus-der-mitte-der-gesellschaft
-> https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rso-infomagazin/antisemitismus-in-graubuenden-wir-lassen-uns-nicht-einschuechtern-12-03-24
-> SRF Club: https://www.srf.ch/play/tv/club/video/mordversuch-an-einem-juden-weckruf-fuer-die-schweiz?urn=urn:srf:video:21550177-a255-4a29-9de9-3b3fed9e3987
-> https://www.20min.ch/story/zuerich-wegen-antisemitismus-an-schulen-stadt-richtet-meldestelle-ein-103062239
-> https://www.stadt-zuerich.ch/ssd/de/index/departement_schul_sport/medien/medienmitteilungen/2024/03/meldestelle-antisemitismus-rassismus-interreligioese-konflikte-und-radikalisierung-an-schulen.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/neue-meldestelle-filippo-leutenegger-reagiert-auf-rassismus-an-schulen-986761852408
-> https://www.bazonline.ch/baz-direkt-der-taegliche-podcast-zunehmender-antisemitismus-wie-konnte-es-so-weit-kommen-503342273334


Antisemitismusbericht: Es braucht eine Strategie gegen Antisemitismus
Die Zahlen im Antisemitismusbericht 2023 sind alarmierend. Was wenig Beachtung findet: Sie zeigen nur eine Tendenz auf, die Dunkelziffer ist nach wie vor hoch. Zudem braucht es mehr staatliches Engagement beim Monitoring von Antisemitismus. Ein Kommentar.
https://bajour.ch/a/cltojttd314547382sgu429t9p32/antisemitismusbericht-2023


Anfeindungen gegen Juden in der Schweiz: Wann ist Israel-Kritik antisemitisch? Darüber streiten auch Jüdinnen und Juden
Der Vorwurf des Antisemitismus werde inflationär erhoben: Das sagt nicht eine Palästinenser-Organisation, sondern ein jüdischer Verein in der Schweiz.
https://www.derbund.ch/wann-ist-israel-kritik-antisemitisch-auch-juden-sind-uneins-618343599675



ajour.ch 12.03.2024

Antisemitismusbericht 2023: Die jüdische Gemeinde Biel erhält Hass-E-Mails

Vor drei Jahren wurden rechtsextreme Parolen in die Tür der Bieler Synagoge geritzt. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel ist der Vorfall nur noch einer von vielen.

Mengia Spahr

Am Dienstag erscheint der Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Er untermauert, was Meldungen der letzten Monate nahelegten: Seit den Terroranschlägen der Hamas in Israel und dem Krieg in Gaza ist die Zahl der antisemitischen Vorfälle in die Höhe geschnellt.

Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Meldungen von 57 Fällen 2022 auf 155 an. Davon hätten sich alleine 114 Vorfälle zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem Jahresende zugetragen. Der Generalsekretär des SIG, Jonathan Kreutner, zählt die Meldungen aus dem Kanton Bern auf: eine Beschimpfung, zwei antisemitische Auftritte, ein antisemitisches Plakat, zwei Schmierereien und fünf Zusendungen, sprich E-Mails und Briefe.

«Davidstern an die Stirn nageln»

Aus Biel wurden eine antisemitische Schmiererei auf dem Weihnachtsmarkt registriert und mehrere E-Mails. Ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Biel (JGB) hat Sätze wie «Gaskammer wieder um dreckige stinke Juden endlich aus Erde zu bereinigen (sic!)» im Postfach vorgefunden. Es war nicht die einzige Nachricht, die klar zu Gewalt aufruft: Daniel Frank, Mitglied des Vorstands der JGB, erzählt, dass eine unbekannte Person geschrieben habe, Juden sollen sich den Davidstern mit Bolzen an die Stirne nageln.

Laut Frank hat die Jüdische Gemeinde Biel bereits in der Vergangenheit Hass-E-Mails und Drohbriefe mit rechtsextremem Gedankengut erhalten, doch seit dem 7. Oktober habe es gleich vier solche Zusendungen gegeben. Es sei nicht klar, ob es auch eine islamistische Urheberschaft gebe. «Wir gehen davon aus, dass es leider auch in der Region Biel in gewissen Kreisen einen latenten Antisemitismus gibt», so Frank. Die JGB habe Anzeige erstattet.

Jonathan Kreutner vom SIG zufolge ist die Häufung in Biel etwas Aussergewöhnliches. «Auch aus anderen Städten sind Zuschriften gemeldet worden, aber diese Wiederholung gibt zu denken.»

Schändung der Synagoge war einmal ein Ausnahmefall

Biel war bereits vor drei Jahren wegen eines schwerwiegenden antisemitischen Vorfalls in den Schlagzeilen. Im Februar 2021 hatten Unbekannte ein Hakenkreuz und antisemitische Parolen in die Tür der Synagoge geritzt. Die Jüdische Gemeinde sprach von einer Schändung. Laut Kreutner konnte die Täterschaft bisher nicht zur Rechenschaft gezogen werden, die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen sistiert.

Kreutner zufolge handelte es sich um einen der schwerwiegendsten Vorfälle schweizweit – bis anhin. Seit vergangenem Oktober sei eine solche Sachbeschädigung leider kein Ausnahmefall mehr. Vielmehr sind im aktuellen Antisemitismusbericht sogar Tätlichkeiten aufgeführt: Während in der Vergangenheit jeweils höchstens eine Tätlichkeit registriert wurde, waren es 2023 deren zehn.

Am 2. März wurde in Zürich Selnau ein jüdischer Mann mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. «Der Antisemitismus hat einen neuen Höhepunkt erreicht, insbesondere mit dem Vorfall vergangene Woche», sagt Kreutner. Von den gemeldeten Tätlichkeiten hat sich keine im Kanton Bern zugetragen. Kreutner zufolge wird das daran liegen, dass die jüdischen Gemeinschaften kleiner und deshalb auch weniger sichtbar sind.

Die Gemeinschaft ist besorgt

Die Jüdische Gemeinschaft in Biel zählt rund 60 Mitglieder und noch einmal so viele Sympathisantinnen und Sympathisanten. Vorstandsmitglied Daniel Frank zufolge sind viele Mitglieder 60 Jahre und älter. Gegen aussen seien sie nicht als Jüdinnen und Juden wahrnehmbar, zumal es keine orthodoxe Gemeinschaft gebe wie etwa in Zürich.

Trotzdem seien die Mitglieder beunruhigt. Frank schliesst nicht aus, dass sich ein Anschlag wie derjenige in Zürich auch in Biel zutragen könnte. Er beobachtet, dass manche Mitglieder der Gemeinde ihr Verhalten angepasst haben, um sich nicht zu exponieren. Einige wenige verzichteten etwa im Moment darauf, die Synagoge zu besuchen.

Die Jüdische Gemeinde versuche aber, trotz allem eine Normalität zu schaffen. Der SIG unterstütze sie dabei und habe Empfehlungen abgegeben, wie sich die Mitglieder verhalten sollen, wenn sie Opfer oder Zeugen von antisemitischen Vorfällen werden. Ausserdem habe die JGB den bereits engen Kontakt mit der Kantonspolizei intensiviert, wobei Frank nicht über konkrete Massnahmen informieren will.

Wichtig ist ihm, dass die Bevölkerung und die Politik ihre Solidarität ausdrücken. «Bei Vorfällen wie dem Angriff in Zürich ist es für uns wichtig, zu spüren, dass Politik und Bevölkerung auch in Biel hinter uns stehen und auch entsprechende Massnahmen ergriffen werden.»
(https://ajour.ch/de/story/498193/antisemitismusbericht-2023-die-j%C3%BCdische-gemeinde-biel-erh%C3%A4lt-hassemails)



nzz.ch 12.03.2024

Antisemiten kennen seit dem 7. Oktober keine Scham mehr: «Ich freue mich über die Sonderbehandlung der Juden durch die Hamas»

Die Plattform Telegram wird immer mehr zur Dreckschleuder für Judenhasser. Das zeigt der neuste Antisemitismusbericht.

Erich Aschwanden

Das Leben vieler Jüdinnen und Juden in der Schweiz hat sich seit dem 7. Oktober 2023 drastisch verändert. Nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel wurden Menschen, die eine Kette mit Davidstern trugen, geschlagen, angespuckt und beschimpft. Tätlichkeiten, Beschimpfungen, antisemitische Schmierereien, aber auch Hassbotschaften in den sozialen Netzwerken haben seither explosionsartig zugenommen. Dies zeigt der an diesem Dienstag veröffentlichte Antisemitismusbericht.

Die vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) und von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) jedes Jahr publizierte Aufstellung bezeichnet die Anschläge vom 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Krieg Israels im Gazastreifen als einen «sehr starken Trigger». Drei Viertel aller 155 Vorfälle (2022: 57) in der realen Welt fielen nämlich auf den Zeitraum nach dem Kriegsausbruch und das Jahresende. «Die versuchte Tötung eines Juden Anfang März dieses Jahres stellt einen Kulminationspunkt dieser Dynamik dar», schreiben die beiden Organisationen in einer Medienmitteilung.

Viel mehr Tätlichkeiten

Die Tonart der antisemitischen Äusserungen hat sich dabei verschärft. So erhielt der SIG im Oktober eine E-Mail, in der stand: «Wir werden euch Jagen und alle Töten das so lange biss von euch niemand mehr lebt» (sic!). Eine jüdische Gemeinde erhielt einen Brief mit der Botschaft: «Ich freue mich über die Sonderbehandlung der Juden durch die Hamas. Eine wunderschöne Aktion.» Gezeichnet war das Schreiben mit «Heil Hitler!».

Doch es blieb nicht bei derart schockierenden Beschimpfungen: Im vergangenen Jahr kam es gemäss dem Bericht zu zehn Tätlichkeiten. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, gibt es doch keine Meldepflicht für solche Vorfälle. 2022 hatten die beiden Verbände in ihrem Antisemitismusbericht lediglich eine Tätlichkeit registriert. Bei den Auseinandersetzungen gab es vor dem Anschlag von Anfang März 2024 nur mit Glück keine Verletzten. Im Walliser Ferienort Saas-Fee wurde ein jüdischer Tourist im August auf einem Parkplatz von einem Einheimischen beschimpft. Anschliessend stieg der Angreifer in sein Auto und versuchte den Feriengast zu überfahren.

Die Schule ist für jüdische Schülerinnen und Schüler kein sicherer Ort, kam es doch zu mehreren Übergriffen. So wurde im April ein jüdischer Schüler an einer Sekundarschule im Kanton Basel-Landschaft als «Scheiss-Jude» beleidigt und geschlagen. An einer Aargauer Bezirksschule wurde ein Schüler beschimpft, indem ihm Mitschüler den Hitlergruss zeigten und sagten: «Dich sollte man vergasen!» Auch dieser Schüler wurde geschlagen, und ihm wurden die Hosen heruntergezogen. Einer jüdischen Schülerin im Kanton Bern wurde von Mitschülern gesagt: «Jüdin, Jüdin. Wir müssen die Juden besiegen für das Deutsche Reich.»

Von Corona zu Putin und den Juden

Vergleichsweise geringfügig angestiegen sind die antisemitischen Vorfälle in der digitalen Welt, und zwar von 853 auf 975 erfasste Fälle. Jedoch ist auch in diesem Bereich der Anstieg nach dem 7. Oktober 2023 signifikant. Über die Hälfte der antisemitischen Posts, nämlich deren 459, wurden nach diesem Datum abgesetzt. Als eigentliche Dreckschleuder erweist sich weiterhin Telegram. Auf dieser Plattform ist gemäss dem Bericht offener Antisemitismus ungehindert möglich, ohne dass entsprechende Posts gelöscht oder User gesperrt werden.

Nach Telegram mit 68 Prozent (2022: 75 Prozent) werden mit 17 Prozent am meisten antisemitische Botschaften über X, früher Twitter, verbreitet. Der Anteil von Facebook ist von 5,5 auf 7,3 Prozent gestiegen. Der Anteil der Fälle in Kommentarspalten von Onlinemedien hat sich auf 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.

Der Inhalt und die Erscheinung der Telegram-Kanäle passten sich jeweils an gerade aktuelle Themen an, stellen die Autoren fest. Wie schon beim Ukraine-Krieg, als sich viele der Gruppen von Massnahmengegnern zu Putin-Propagandisten gewandelt hätten, habe nach dem 7. Oktober eine erneute Wandlung zu Pro-Palästina und Anti-Israel stattgefunden. Eine politische Zuordnung der Verfasser antisemitischer Kommentare ist oftmals nicht einfach. Es handle sich jedoch um die bekannten Milieus: Rechtsextreme, Linksextreme, Islamisten, die sogenannte Mitte der Gesellschaft, die nicht eindeutig dem klassischen Links-rechts-Schema entspreche.

Hakenkreuz soll endlich verboten werden

Zum wiederholten Mal verlangen die jüdischen Verbände, dass die Politik die Verwendung von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit verbietet. Der Wille dazu sei offenbar da, doch die zahlreichen hängigen Vorstösse im Parlament würden zu einer uferlosen Debatte und einer unnötigen Verzögerung führen. Der SIG fordert in einem ersten Schritt, einen klaren Katalog von Nazi-Symbolen wie das Hakenkreuz, den Hitlergruss, die Sieg-Rune der SS, den SS-Totenkopf sowie den gelben Judenstern zu verbieten.

Um alle von SIG und GRA geforderten Punkte sinnvoll und gezielt umzusetzen, brauche es eine nationale Strategie gegen Antisemitismus. Der Nationalrat hat in der vergangenen Woche eine entsprechende Motion seiner Sicherheitspolitischen Kommission klar angenommen. Als einzige Partei wehrte sich die SVP gegen einen solchen Aktionsplan. In einem nächsten Schritt kommt das Geschäft nun in den Ständerat. Sollte auch die kleine Kammer den Vorstoss unterstützen, muss der Bundesrat die Forderung umsetzen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/ich-freue-mich-ueber-die-sonderbehandlung-der-juden-durch-die-hamas-antisemitische-vorfaelle-haben-explosionsartig-zugenommen-ld.1821633)