Medienspiegel 9. März 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

++++NIGER
Die Migration durch Niger nimmt wieder zu – Echo der Zeit
Zwischen Niger und der EU gab es seit 2015 ein Abkommen, das die illegale Migration in Richtung Europa regulieren sollte. Doch putschte Ende Juli das Militär in Niger und es hob das Gesetz auf, das die Migration durch Niger reguliert hatte und Grundlage für das Abkommen mit Europa war. Seither steigt die Migration aus dem Land wieder. Das Gespräch mit Ulf Laessing von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/die-migration-durch-niger-nimmt-wieder-zu?partId=12552764


+++FREIRÄUME
derbund.ch 09.03.2024

Kulturlokal Café Mokka in Thun: Postulat sendet für Gemeinderat «doppelt falsches Signal»

Weil die Café-Bar Mokka Preisgeld gewonnen hat, wollen die Bürgerlichen die städtischen Beiträge kürzen. Das sende ein «doppelt falsches Signal», kritisiert der Gemeinderat.

Gabriel Berger

Die Burgergemeinde Bern verlieh dem Team der Café-Bar Mokka in Thun für das jahrelange Engagement für eine «qualitativ hochwertige Kulturlandschaft» im vergangenen Herbst einen Preis in der Höhe von 50’000 Franken.

Vor wenigen Wochen schlugen die Stadtratsfraktionen von SVP und FDP/Mitte in einem Postulat dann vor, dieses Preisgeld an die Betriebsbeiträge der öffentlichen Hand für die Jahre 2025 bis 2027 anzurechnen. Die bürgerlichen Parteien bezeichneten das Mokka zwar als «wichtige kulturelle Institution des Thuner Nachtlebens», wo «gute Arbeit» geleistet werde, dennoch zielte der Vorstoss unmissverständlich auf eine Reduktion des städtischen Beitrags ab.

Bereits im letzten Sommer hatte der Stadtrat den neuen vierjährigen Mokka-Leistungsvertrag zur Überarbeitung an den Gemeinderat zurückgewiesen. Die jüngste Idee der Bürgerlichen löste in den Kommentarspalten dieser Zeitung zahlreiche mehrheitlich kritische Reaktionen aus.

«Verdiente Auszeichnung»

Am 21. März ist das Mokka-Postulat nun im Stadtrat traktandiert. Der Thuner Gemeinderat empfiehlt dem Parlament, den dringlichen Vorstoss abzulehnen. Man beabsichtige «schon aus grundsätzlichen Überlegungen nicht, Preisgelder solcher Körperschaften indirekt in den Thuner Steuerhaushalt abzuführen».

Aus Sicht der Regierung ist der Preis für den Verein Mokka eine «verdiente Auszeichnung». Und Unterstützungen wie jene, die die Burgergemeinde Bern ausschütte, seien für kulturelle Vorhaben «sehr wichtig». Das Postulat setze daher ein «doppelt falsches Signal».

Es träfe die Ehrenamtlichen

Was der Gemeinderat damit meint: Zum einen müssten Organisationen wie die Burgergemeinde künftig befürchten, dass ihre Preisgelder letztlich im Thuner Steuerhaushalt landen – wodurch gewisse Preisgelder womöglich ausblieben. Zum anderen träfe der Schritt die unterstützten Institutionen selbst, «die sich um die Früchte ihrer häufig ehrenamtlichen Tätigkeiten gebracht sähen», wie der Gemeinderat in seiner Vorstossantwort schreibt.

Zusammenfassend hält die Regierung fest, dass sie «grundsätzlich nicht bereit» sei, im Kontext des verliehenen Preises mit dem Verein Mokka über eine Reduktion des städtischen Beitrags zu verhandeln.
(https://www.derbund.ch/mokka-in-thun-gemeinderat-stuetzt-das-kulturlokal-125129821847)
-> Postulat: https://www.thun.ch/vorstoesse/2073514


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
BE:
Tag des queerfeministischen Widerstands – Demo in Bern mit über 500 Personen
Am Freitagabend versammelten sich am Bahnhof Bern mehrere hundert Personen, darunter vor allem Frauen, zu einer Kundgebung. Das Kollektiv, welches zur Demo aufgerufen hat, interpretiert den Tag der Frau als «Tag des queerfeministischen Widerstands».
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/tag-des-queerfeministischen-widerstands-demo-in-bern-mit-ueber-500-personen-156492261


BS:
“Gestern sehr starke #8März-Demo in #Basel! Trotz Kessel & Gummischrot letztes Jahr, trotz Einschüchterungsversuchen und Grossaufgebot dieses Jahr: Wir nehmen uns selbstbestimmt und kämpferisch die Strasse! Kommuniqué & Bilder vom rev. antipatriarchalen Bündnis Basel im Thread”
Mehr: https://twitter.com/lotta_basel/status/1766426416805986526
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/215301


ZH:
Weltfrauentag in Zürich: Hunderte an unbewilligter Frauendemo, eine Festnahme
Am Samstagnachmittag haben sich rund 1000 Personen am Zürcher Paradeplatz versammelt. Laut der Polizei gab es Sachbeschädigungen, eine Frau wurde verhaftet.
https://www.tagesanzeiger.ch/kundgebung-weltfrauentag-rund-1000-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich-630717332172
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/rund-1000-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich-156495477?autoplay=true&mainAssetId=Asset%3A156495581
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/rund-1000-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich-00234049/
-> https://www.watson.ch/schweiz/frauenstreik/298346261-rund-1000-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerichna
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zurich-polizei-bereitet-sich-auf-grosse-frauen-demo-vor-66723532
-> https://www.blick.ch/schweiz/verkehr-muss-umgeleitet-werden-unbewilligte-demo-in-zuerich-paradeplatz-blockiert-id19513681.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/zum-weltfrauentag-rund-1000-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/rund-tausend-personen-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich-156496591
-> https://www.20min.ch/story/zuerich-farbanschlaege-bei-unbewilligter-demonstration-zum-weltfrauentag-103059992
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/frauen-demo-in-zurich-person-wegen-vandalismus-festgenommen-66723656
-> https://www.stadt-zuerich.ch/pd/de/index/stadtpolizei_zuerich/medien/medienmitteilungen/2024/03/unbewilligte_demonstrationinderinnenstadt.html


Solidarität sprengt Grenzen!
Communiqué Demonstration 8.März 2024 in Winterthur
Das feministische, antifaschistische und revolutionäre Bündnis FAR hat heute zur unbewilligten feministischen Demonstration zum 8. März in Winterthur aufgerufen. Über 500 Flintas besammelten sich, um gegen die Gewalt, die wir tagtäglich im patriarchalen und kapitalistischen System erleben, zu demonstrieren. Wir gehen auf die Strasse, um eine Welt, zu fordern in der das ausbeuterische System des Kapitalismus abgeschafft wird. Wir haben uns selbstbestimmt und militant, trotz grossem Polizeiaufgebot, die Strasse genommen. Es war eine starke, laute und mutige Demo!
https://barrikade.info/article/6346
-> https://www.landbote.ch/feministischer-kampftag-8-maerz-demo-in-winterthurer-innenstadt-verlaeuft-friedlich-802295263825


CH:
Korrektur der Plakate der Putzkraftvermittlungsplattform Batmaid
In den letzten Nächten haben wir unsere eigene Version der Plakate der aktuellen Werbekampagne vom Unternehmen Batmaid auf die Strassen gebracht.
https://barrikade.info/article/6348


+++POLIZEI CH
Patriarchat und Polizei
Wir gehen der Frage nach, wie die Polizei im Patriarchat verwoben ist. Vier Personen vom Netzwerk „Offensiv gegen Feminizide“ sprechen über ihre Arbeit. Sie haben sich im letzten Jahr besonders damit beschäftigt, wieso die Polizei keine Lösung ist, um patriarchale Gewalt zu beenden und weshalb es wichtig ist, der Annahme zu widersprechen, dass nur Staat und Polizei uns vor patriarchaler Gewalt schützen. Wir hören Geschichten, in denen die Polizei nicht als Freund*in und Helfer*in agiert, sondern patriarchale Gewalt reproduziert. Und natürlich gibts passende Musik. Ni una menos!
https://rabe.ch/2024/03/09/patriarchat-und-polizei/


+++RASSISMUS
Judenfeindliche Übergriffe an Schulen: «Ich gebe dir 10 Sekunden, dann bist du tot»
Drohungen, Beschimpfungen, Mobbing: In den letzten Monaten kam es an Schweizer Schulen zu zahlreichen Übergriffen auf Jüdinnen und Juden. Der Israelitische Gemeindebund sagt, das Problem habe sich massiv verschärft.
https://www.blick.ch/schweiz/judenfeindliche-uebergriffe-an-schulen-ich-gebe-dir-10-sekunden-dann-bist-du-tot-id19516754.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Nils Fiechter neuer Präsident der Jungen SVP Schweiz

Der 27-jährige Nils Fiechter übernimmt die Parteileitung der Jungen SVP Schweiz. Die Delegierten der Jungpartei wählten den Berner Oberländer mit 125 Stimmen zum Präsidenten. Fiechter war bereits Co-Präsident der Jungen SVP des Kantons Bern und ist Mitglied im Kantonsparlament.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nils-fiechter-neuer-praesident-der-jungen-svp-schweiz-156496766


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagesanzeiger.ch 09.03.2024

Fragwürdiger Auftritt: Kommt Rechtsextremist Martin Sellner nach Hagenbuch?

Der österreichische «Remigrations»-Aktivist ist am 16. März von Schweizer Mitstreitern für einen Vortrag eingeladen worden. Die Polizei ist gewarnt – sie kontrollierte schon im Herbst rund 50 Personen in Hagenbuch bei Winterthur.

Pascal Unternährer

«Ob es ein brisantes Geheimtreffen wird?» Das schreibt der Chef der «Jungen Tat», Manuel C., in einem Beitrag in den sozialen Medien und versieht die Frage mit einem Smiley. Er weiss, dass ein Besuch von Martin Sellner für viel Aufsehen sorgt.

Sellner ist der Exponent der österreichischen Identitären Bewegung, die als rechtsextrem gilt. Sellner schreibt selbst, er sei ein Neonazi gewesen. Der 35-Jährige hat Deutschland in Aufruhr versetzt, weil er im vergangenen November an einem Treffen unter anderen mit AfD-Vertretern in Potsdam war, an dem über einen «Masterplan zur Remigration» gesprochen wurde.

Krude Ausschaffungsfantasien

Damit ist die Ausschaffung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland und Europa gemeint. In der Folge gingen aus Protest Hunterttausende Menschen auf die Strasse. Die «Junge Tat», hervorgegangen aus der Winterthurer «Eisenjugend», ist ebenfalls rechts aussen zu verorten.

Sellner soll am Samstag, 16. März, im Kanton Zürich einen Vortrag über «Ethnische Wahl und Remigration» halten. Er selbst sagt in einem Video, er weiche aus «in den Süden, in die Alpen», weil Deutschland eine Einreisesperre gegen ihn erlassen wolle.

Veranstaltungen in der Scheune

Wo der österreichische Rechtsextremist seinen Vortrag halten wird, ist noch unklar. Laut Antifa Bern, einer linken Recherchegruppe, soll dies in Hagenbuch bei Winterthur stattfinden. Der Exponent der «Jungen Tat» soll da Zugang zu einer Scheune haben, in welcher schon zahlreiche Aktivitäten der Gruppe stattgefunden hätten. Manuel C. reagierte nicht auf Anfragen. Der Inhaber der Scheune sagte am Telefon, er wisse von nichts.

Mutmasslich werden an der Veranstaltung problematische Inhalte verbreitet, allenfalls sind Störungen durch linksaktivistische Kreise zu erwarten. Die Kantonspolizei Zürich will sich nicht dazu äussern. Sprecher Alexander Renner bestätigt bloss: «Eine am 16. März im Kanton Zürich geplante Veranstaltung ist der Kantonspolizei bekannt.» Über das Einsatzdispositiv gibt er aus polizeitaktischen Gründen keine Auskunft.

Bereits Polizeieinsatz im Herbst

Es wäre nicht der erste Polizeieinsatz in Hagenbuch. Wie die lokale Sicherheitsvorsteherin Claudia Meile sagt, gab es bereits vergangenes Jahr eine Veranstaltung, bei welcher die Polizei das halbe Dorf abgeriegelt habe.

Die Kapo bestätigt den Einsatz, der bisher nicht bekannt war. «Im Herbst 2023 fand in Hagenbuch eine private Veranstaltung statt, bei der die Kantonspolizei Zürich im Vorfeld rund vier Dutzend Personen kontrollierte», sagt Renner. Verhaftet wurde niemand. Der Hintergrund bleibt unklar, weitere Details gibt die Polizei nicht bekannt.

Gemeindepräsident «nicht erfreut»

Von einem Anlass am 16. März im Dorf weiss weder die Sicherheitsvorsteherin noch Hagenbuchs Gemeindepräsident Rolf Sturzenegger. Er ist «nicht erfreut» über diese Aktivitäten auf dem Dorfgebiet. Aber: «Da die Scheune auf Privatgrund steht, sind uns die Hände gebunden.»

Antifa Bern berichtet von zahlreichen Veranstaltungen der Rechtsradikalen in einem Weiler zwischen dem Dorf und der Nachbargemeinde Wiesendangen. Klagen aus der Bevölkerung habe er aber keine erhalten, sagt der Gemeindepräsident.

Gut möglich ist, dass die rechtsradikale Veranstaltung schliesslich nicht in Hagenbuch stattfindet. Für derartige Anlässe haben die Organisatoren oft unterschiedliche Optionen in der Hinterhand, und sie informieren die Teilnehmenden kurzfristig per Messengerdiensten.

Einreiseverbot für Sellner?

Als der Auftritt von Martin Sellner bekannt wurde, forderte die Kantonspolizei Zürich vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) eine Einreisesperre gegen Martin Sellner. Ob dies geschah, bleibt unklar. Über Einreiseverbote gegen konkrete Personen gibt Fedpol aus Gründen des Amtsgeheimnisses keine Auskunft, wie Sprecher Patrick Jean sagt.

Fedpol spricht Einreiseverbote gegen Personen aus, «wenn diese die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden». Fedpol-Sprecher Jean bestätigt aber: «Wir sind im Zusammenhang mit einer Veranstaltung am 16. März in Kontakt mit der Kantonspolizei Zürich.»

Vor allem Spione auf der Liste

Im Jahr 2022 hat Fedpol 312 Einreisesperren verfügt, wobei der grösste Teil (276) wegen verbotenen Nachrichtendiensts geschah, also wegen Spionage. 19 Einreiseverbote erfolgten wegen Terrorismus, zwei wegen Gewaltextremismus und 15 wegen organisierter Kriminalität.

Die hohe Zahl der Spionagefälle im Jahr 2022 steht im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg, den Russland im Februar 2022 begonnen hat. In den Vorjahren waren jeweils gegen 20 bis 70 Personen Einreisesperren wegen Spionage erlassen worden. 2020 stach heraus, dass 144 von insgesamt 167 Einreiseverboten wegen Terrorismus verfügt wurden. Für 2023 und 2024 stehen noch keine Zahlen zur Verfügung.
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich-kommt-rechtsextremist-martin-sellner-nach-hagenbuch-434019197859)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Gegen WHO: Hunderte Massnahmen-Gegner protestieren in Brunnen
Grossaufmarsch der Massnahmen-Kritiker in Brunnen: 400 bis 500 Personen demonstrierten am Samstag gegen einen internationalen Vertrag zur Pandemieprävention. Für die Kundgebung lag laut «Bote der Urschweiz» keine Bewilligung vor.
https://www.pilatustoday.ch/zentralschweiz/schwyz/hunderte-massnahmen-gegner-protestieren-in-brunnen-156496219



luzernerzeitung.ch 09.03.2024

Hunderte WHO-Kritiker an Protestmarsch in Brunnen

Trommler, Transparente und Fahnen im Föhn: In Brunnen demonstrierte man am Samstag gegen die Pandemiepläne der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Geri Holdener

400 bis 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren es laut einer Schätzung der Polizei, die am frühen Samstagnachmittag durchs Dorf Brunnen gezogen sind, deutlich mehr als von den Veranstaltern im Vorfeld angegeben.

Für den Protestmarsch war keine Bewilligung eingeholt worden, weil man laut den Organisatoren nicht mit derart vielen Teilnehmenden gerechnet habe. Die ursprünglichen Pläne für einen Spaziergang auf dem Trottoir mussten angepasst werden. Die Kapo führte den Marsch durch die Nebenstrassen, um die Verkehrsachsen freizuhalten. So wurde verhindert, dass Hauptstrassen gesperrt werden mussten. Die Organisatoren hatten unterstützend einen privaten Sicherheitsdienst engagiert.

Die Demo, an der unter anderem die Freiheitstrychler und Angehörige der Bewegung «Mass-Voll!» teilnahmen, richtete sich primär gegen die Weltgesundheitsorganisation WHO, beziehungsweise deren internationalen Vertrag zur Pandemieprävention. Diese Pläne würden nach Ansicht der Demonstrierenden eine Bedrohung für Demokratie und Gesundheit darstellen.

«Raus aus der WHO» war eine der Forderungen auf den Transparenten, die zwischen den Fahnen im starken Föhn in der Luft herumzappelten. Lautstark begleitet wurde die Kundgebung durch die Allgäuer Freiheitstrommler, die auch glatt als auswärtige Guugger durchgegangen wären. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben Werbematerial an Passanten ab, etwa für das Aktionsbündnis Urkantone. Ausserdem stopften einige Demonstranten reihenweise Zettel in die Briefkästen entlang der Route.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/brunnen-hunderte-who-kritiker-an-protestmarsch-ld.2591294)


+++HISTORY
luzernerzeitung.ch 09.03.2024

Wie ein Luzerner Bankier den Nazis dabei half, Geld in der Schweiz zu verstecken

Zu den Kunden des Bankiers Alfred Kurzmeyer gehörten hochrangige Nationalsozialisten. Die Geschichte eines berüchtigten Mittelsmannes am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Simon Mathis

Im Januar 1945 kaufte der Bankier Alfred Kurzmeyer (1880–1968) bei einem Luzerner Uhrenhändler rund tausend Armbanduhren und liess sie über die deutsche Grenze nach Konstanz befördern. Dort wurden die Uhren von diversen hochrangigen Nationalsozialisten abgeholt. Dreissig von ihnen gingen wohl an den Juristen und SS-Führer Leo Volk – und ganze achthundert an Oswald Pohl, einen General der Waffen-SS. Solche und weitere Geschäfte brachten Alfred Kurzmeyer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ins Visier der Justiz.

Wenn es um finanzielle Beziehungen der Schweiz mit Nazi-Deutschland geht, taucht der Name Alfred Kurzmeyer immer mal wieder auf. So auch in einem aktuellen «Report on Historical Issues», den die Credit Suisse 2023 anfertigen liess. Der Report ist eine Antwort auf eine kritische Intervention des Simon Wiesenthal Centers, einer jüdischen Menschenrechtsorganisation. Ein Resultat des Berichts ist die Identifikation eines Kontos in der CS-Vorgängerbank, der Schweizerischen Kreditanstalt. Das Konto lief auf den erkenntlichen Namen Alfred Kurzmeyer und den durchgestrichenen Namen eines SS-Offiziers.

Vom Zürcher Nachrichtendienst beschattet

Was hat es damit auf sich? Licht ins Dunkel bringt die Bergier-Kommission, die von 1996 bis 2001 im Auftrag des Bundes die Vermögenswerte untersuchte, die während der nationalsozialistischen Herrschaft in die Schweiz gelangt waren. Die Kommission widmet Alfred Kurzmeyer in ihrer Publikation «Tarnung, Transfer, Transit» ein zwanzig Seiten starkes Kapitel. Der Bericht zeichnet klar, aber auch differenziert nach, welche Rolle Kurzmeyer als Mittelsmann zwischen den Schweizer Banken und seinen deutschen Kunden respektive Vorgesetzten spielte.

Diese Rolle kann als ambivalent bezeichnet werden. Einerseits hält die Kommission unmissverständlich fest, dass Kurzmeyer kein Nazi war. Er unterhielt freundschaftliche Kontakte zu Personen, die dem NS-Regime kritisch gegenüberstanden. Andererseits nutzte er sein Ansehen und seine Position als «neutraler» Schweizer, um den Interessen des Dritten Reiches zu dienen.

Alfred Kurzmeyer entstammte einer angesehenen Luzerner Bürgerfamilie. Bereits im Alter von zwanzig Jahren verliess er die Schweiz nach Brüssel, wie die Bergier-Kommission schreibt. Um 1910 trat er dann eine Stelle bei der Berliner Privatbank Mendelssohn & Co. an. Im Zuge der «Arisierung» ging Mendelssohn & Co. 1938 an die Deutsche Bank über, bei der Kurzmeyer schliesslich Karriere machte. Als «Generalbevollmächtigter der Auslandabteilung» zog er Ende 1943 an den Zürcher Paradeplatz. Der Grund: Der Verwaltungsrat der Bank fürchtete eine Sperre deutscher Vermögen. Durch die Übertragung der Konten an einen Schweizer in der Schweiz wollte man das Geld «unantastbar» machen.

1944 begann die Zürcher Kantonspolizei, sich für Kurzmeyer zu interessieren. Sie beobachtete ihn, wie er «ab und zu ganze Mappen, ja sogar Köfferchen mit Schmuck aller Art und Goldstücken» transportierte und verkaufte. Es stand das Gerücht im Raum, Kurzmeyer würde «Schiebergeschäfte» tätigen. Der Zürcher Nachrichtendienst überwachte ihn. Schliesslich beantragte sie eine Hausdurchsuchung und vorläufige Festnahme Kurzmeyers.

Mit dubiosen Geldern deutsche Schulden getilgt

Dazu kam es allerdings nicht. Erst, als am 16. Februar 1945 die deutschen Vermögen in der Schweiz gesperrt wurden, kam Bewegung in die Sache. Die britischen Besatzungsbehörden verlangten mehr Informationen zu deutschen Konten in Kurzmeyers Verantwortung. Er verweigerte jegliche Aussage – und erhielt dabei Rückendeckung vom Schweizer Staat. Aber auch den Schweizer Behörden gegenüber gab sich Kurzmeyer geheimniskrämerisch. Die Folge waren eine Strafanzeige sowie diverse Rechtsstreite, die grösstenteils ergebnislos versandeten. In Luzern zögerte ein Strafverfolger unter anderen auch, weil Alfred Kurzmeyer einer angesehenen Familie angehörte. Es wurde darauf verwiesen, dass Alfreds Neffe Amtstatthalter der Stadt Luzern war. Es handelte sich um Werner Kurzmeyer, den Vater des kürzlich verstorbenen alt Stapis Franz Kurzmeyer.

Immerhin deckten die Untersuchungen einige unangemeldete Vermögenswerte auf. Besonders interessant sind die Vorgänge um den Budapester Juden August Wild, der im Sommer 1944 von den Deutschen gefangen genommen wurde. Kurzmeyer war seinen Kontakten von der SS dabei behilflich, die Kontrolle über Wilds Konto in der Schweiz zu erlangen. Indem er als Gewährsmann auftrat, konnte er das Zögern von Wilds Treuhänder zerstreuen, der schliesslich etwa 223’000 Franken auszahlte. Was danach mit Wilds Vermögen geschah, konnte die Bergier-Kommission nicht feststellen. Sie weist aber darauf hin, dass Kurzmeyer nach dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin «der einzige damals noch in Freiheit befindliche Zugangsberechtigte» war. Das passt auch zu den aktuellen Erkenntnissen im CS-Report, in dem das entsprechende Konto identifiziert wird.

In anderen dubiosen Geschäften ging es um wesentlich mehr Geld – um Millionenbeträge, die teilweise höchstwahrscheinlich aus Raubgold geschöpft wurden. Laut Bergier-Report sieht es ganz so aus, als wurden viele dieser Gelder dafür genutzt, um deutsche Schulden bei Schweizer Firmen zu tilgen. Unter anderem dieser Umstand sorgte dafür, dass die Vorgänge für die Schweizer Behörden «nicht mehr klärungsbedürftig» waren – denn das Geld lag ja nun in der Schweiz. Das gab auch Alfred Kurzmeyer die Gelegenheit, sich als Vertreter Schweizer Belange zu präsentieren. Oder, wie die Bergier-Kommission bilanziert: «Jahrzehntelang hatte er für deutsche Interessen gearbeitet, nun war er ganz Schweizer.»

Quellen

– Report on Historical Issues. Credit Suisse 2023.
– Tarnung, Transfer, Transit: Die Schweiz als Drehscheibe verdeckter deutscher Operationen (1938–1952). Zürich: Chronos Verlag 2001, S. 154-174.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/geschichte-wie-ein-luzerner-bankier-den-nazis-dabei-half-geld-in-der-schweiz-zu-verstecken-ld.2576632)