Medienspiegel 4. August 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Kollektivunterkunft in Wolfisberg: Es gibt eine Verzögerung
Der Kanton Bern braucht dringend mehr Platz für die Unterbringung von Asylsuchenden. Auch Zivilschutzanlagen werden wieder hochgefahren. Priorität haben jedoch nach wie vor oberirdische Unterkünfte, wie zum Beispiel in Wolfisberg bei Niederbipp. Doch die der Widerstand ist gross.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kollektivunterkunft-in-wolfisberg-es-gibt-eine-verzoegerung?id=12431396


++++SCHWEIZ
Scheintaufe: Asyl dank Religionswechsel? – Rendez-vous
Gibt es in der Schweiz Asylsuchende, die ihre Religion wechseln, um ihre Chancen auf Asyl zu erhöhen? Diese Frage stellt sich beispielsweise dann, wenn ein muslimischer Asylsuchender zum Christentum konvertiert, weil Christinnen und Christen in seiner Heimat verfolgt werden. Dann steht bald einmal der Verdacht der Scheinkonversion im Raum. Zurecht?
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/scheintaufe-asyl-dank-religionswechsel?partId=12431567
-> Studie: https://www.evref.ch/religioese-konversion-als-herausforderung-im-asylverfahren-die-eks-legt-studie-vor/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/asylbewerber-wechseln-glauben-kann-eine-taufe-die-konversion-von-muslimen-beweisen


Menschen ohne Pass – Bald Reisepapiere für in der Schweiz lebende Afghanen?
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hoffen Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz, bald ins Ausland reisen zu können.
https://www.srf.ch/news/schweiz/menschen-ohne-pass-bald-reisepapiere-fuer-in-der-schweiz-lebende-afghanen



blick.ch 04.08.2023

Zustrom von Asylsuchenden im Herbst: Kantone bereiten Notunterkünfte vor

Die Kantone bereiten sich auf den wachsenden Zustrom an Asyl- und Schutzsuchenden aus der Ukraine und anderen Ländern vor. In mehreren Kantonen stehen Zivilschutzanlagen bereit.

Tobias Ochsenbein

Es war das wichtigste Projekt der neuen Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59). Um auch im Herbst noch über genügend Plätze für Schutz- und Asylsuchende zu verfügen, hat der Bundesrat im April ein Konzept für zusätzliche temporäre Unterkünfte in Auftrag gegeben. Kostenpunkt: 133 Millionen Franken. Nur: Der Ständerat versenkte den Plan.

Nun rüsten die Kantone hinter den Kulissen auf. So stellt sich etwa der Kanton Bern darauf ein, bereits im September, spätestens aber im Oktober, zusätzliche Schutz- und Asylsuchende unterbringen zu müssen, wie er diese Woche mitteilte. Basierend auf den Prognosen des Staatssekretariats für Migration (SEM) für die kommenden Monate bereitet sich der Kanton Bern auf die Unterbringung von zusätzlich rund 1200 Personen vor.

St. Gallen rechnet mit bis zu 1500 Personen

Die kantonale Gesundheits-, Sozial und Integrationsdirektion (GSI) unter der Leitung von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (60) hat darum entschieden, bereits Notunterkünfte vorzubereiten. Somit soll sichergestellt werden, dass Bern die zugewiesenen Personen weiterhin unterbringen kann.

Die Asylgesuchszahlen steigen auch im Kanton St. Gallen an. Je nach Szenario rechnet der Ostschweizer Kanton mit 600 bis 1500 Personen in der zweiten Jahreshälfte. Entsprechend laufen dort ebenfalls Vorbereitungen, wie die Behörde auf Anfrage mitteilt.

Es gebe ein Notfallkonzept, das verschiedene Eskalationsstufen berücksichtige. Darin sei auch die Nutzung von Zivilschutzanlagen vorgesehen. Allerdings konzentrierten sich die Bemühungen derzeit primär noch auf eine höhere Belegung der bestehenden Zentren. Gleichzeitig werden zusätzliche Kapazitäten an neuen Standorten geprüft, um entsprechend schnell handeln zu können.

Nofallplanung auch im Aargau

Ähnlich klingt es im Kanton Aargau. «Die kantonalen Unterbringungsstrukturen sind angespannt», lässt der kantonale Sozialdienst verlauten. Es bestehe eine Notfallplanung für die unterirdische Unterbringung von Geflüchteten, die umgesetzt werde, falls die regulären Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.

In Muri und Birmenstorf würden bereits erste unterirdische Anlagen betrieben – allerdings nur so kurz wie möglich und so lange wie nötig, heisst es weiter. Zusätzlich seien bereits heute weitere sechs unterirdische Anlagen definiert, die im Bedarfsfall eröffnet werden könnten und Platz für bis zu 800 Geflüchtete böten.

Basel-Stadt hat noch Reserven

Auch im Kanton Luzern laufen derzeit Vorbereitungen. Denn: Dort rechnet man bis Ende Jahr mit rund 950 Zuweisungen von Schutz- und Asylsuchenden. Der Innerschweizer Kanton hat bereits mehrere Zivilschutzanlagen vorbereitet, die bei Bedarf als Notunterkünfte genutzt werden können. Diese bieten Platz für bis zu 500 Personen, wie die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen mitteilt.

Der Kanton Basel-Stadt geht derzeit davon aus, dass selbst bei steigenden Zuweisungen in den Herbstmonaten noch ausreichend Reserveplätze vorhanden sind. Sollten dennoch ausserordentliche Entwicklungen eintreffen, stünden auch in Basel-Stadt bereits mehrere unterirdische Anlagen bereit, die kurzfristig betrieben werden könnten.
(https://www.blick.ch/politik/zustrom-von-asylsuchenden-im-herbst-kantone-bereiten-notunterkuenfte-vor-id18809516.html)


+++DEUTSCHLANND
Abschiebung verschärfen – politische Inhalte verschieben?!
https://www1.wdr.de/fernsehen/aktuelle-stunde/alle-videos/video-abschiebung-verschaerfen—politische-inhalte-verschieben-100.html


Abschiebungen: PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, die Grundrechte zu schützen
PRO ASYL kritisiert die Pläne des Bundesinnenministerium für schärfere Regeln bei Abschiebungen scharf und fordert Innenministerin Nancy Faeser dazu auf, sich in der Migrationspolitik von populistischen Forderungen fern zu halten und den Rechtsstaat zu stärken.
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/abschiebungen-pro-asyl-fordert-die-bundesregierung-auf-die-grundrechte-zu-schuetzen/


BAMF soll Cloud-Speicher von Asylsuchenden auslesen
Das Bundesinnenministerium will noch tiefer als bisher in die Privatsphäre Geflüchteter eingreifen. Behörden wie das BAMF sollen nicht nur ihre Smartphones, sondern ganze Cloud-Speicher auslesen. Das unterläuft ein aktuelles Gerichtsurteil, sagt die Gesellschaft für Freiheitsrechte.
https://netzpolitik.org/2023/innenministerium-bamf-soll-cloud-speicher-von-asylsuchenden-auslesen/


+++FRANKREICH
Gewalt und Pushbacks an der italienisch-französischen Grenze
Der neue Bericht «Denied Passage – The continuous struggle of people on the move pushed-back and stranded at the Italian-French border» zeigt auf, wie Menschen auf der Flucht an der französisch-italienischen Grenze oftmals Gewalt ausgesetzt sind.
https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/artikel/gewalt-und-pushbacks-der-italienisch-franzoesischen-grenze


+++NIGER
Niger: Die Hotspot-Strategie der EU schlug fehl
In der Zustimmung zum Putsch drückt sich die Unzufriedenheit der nigrischen Bevölkerung mit der Destabilisierung des Landes aus
Der Landeskenner Olaf Bernau fordert eine vermittelnde Strategie Deutschlands im Umgang mit den Putschisten in Niger. Der Fokus auf europäische Interessen habe zu großer Unzufriedenheit im Land geführt.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175258.putsch-im-niger-niger-die-hotspot-strategie-der-eu-schlug-fehl.html


+++GASSE
Nach Basler Vorbild: Die SVP will Betteln im Kanton Bern verbieten
Mehrmals ist die SVP beim Versuch gescheitert, in der Stadt ein Bettelverbot durchzusetzen. Nun lanciert sie einen Vorstoss auf kantonaler Ebene.
https://www.derbund.ch/die-svp-will-betteln-im-kanton-bern-verbieten-768889400780
-> Motion: https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=9a5f74e4081c45ef808f22cef3e54192
-> https://www.nau.ch/ort/bern/svp-mochte-im-kanton-bern-das-betteln-verbieten-lassen-66564898
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/svp-fordert-bettelverbot-152826529
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/svp-will-betteln-verbieten-fremdenpolizei-sieht-keinen-handlungsbedarf-152822833?autoplay=true&mainAssetId=Asset:152826640


Praxis verschärft – Nach Bundesgerichtsurteil: Basel weist ausländische Bettler weg
Für das Bundesgericht ist Betteln keine Erwerbstätigkeit und legitimiert so auch keinen Aufenthalt in der Schweiz. Bettelnde aus Osteuropa müssen zurück in ihre Heimat.
https://www.srf.ch/news/schweiz/praxis-verschaerft-nach-bundesgerichtsurteil-basel-weist-auslaendische-bettler-weg


Schweiz aktuell vom 04.08.2023
Themenwoche «Im Quartier»: Teil 5 «Dreirosenanalage im Matthäus-Quartier Basel-Stadt» – Moderatorin Sabine Dahinden zeigt, wie Menschen in den unterschiedlichsten Quartieren der Schweiz leben – und was sie beschäftigt. Mit einem Ausländeranteil von über 50 Prozent ist das Kleinbasler Matthäus-Quartier multikulturell geprägt – das geht nicht ohne Konflikte. Die Dreirosenanlage ist das grüne Herz und Lunge des Quartiers, doch die Grünfläche ist bedroht: Durch den geplanten Ausbau der Autobahn würde sie kleiner. Dagegen wehren sich viele Menschen im Quartier.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/schweiz-aktuell-vom-04-08-2023?urn=urn:srf:video:ca209ffe-dc02-4c4a-a729-dc103ff1aad2


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
limmattalerzeitung.ch 04.08.2023

Hat ein Critical-Mass-Teilnehmer nun doch eine Bewilligung beantragt? Die Stadt hält sich bedeckt

In einem Telegram-Kanal behauptet ein Nutzer, ein Bewilligungsgesuch für eine Kunstaktion eingereicht zu haben – ihr Name: «Monatlicher Veloausflug».

Sven Hoti

52 Verzeigungen hagelte es an der letzten Critical Mass am 28. Juli. Es war die erste Ausgabe der Velodemo, die bewilligungspflichtig war. Dies nach einer Verfügung des Zürcher Statthalters, die festhielt, dass die Critical Mass sehr wohl eine Demo ist und nicht, wie von den Teilnehmern behauptet, ein «spontanes, grosses Verkehrsaufkommen von Velos». Seither muss die Polizei, solange keine Bewilligung vorliegt, gegen die Velodemo vorgehen.

Nun könnte sich das Blatt aber wenden. Wie einem einschlägigen Telegram-Kanal zu entnehmen ist, hat eine Person aus dem Kreis der Critical Mass ein Bewilligungsgesuch bei der Stadt eingereicht. In einem Projektbeschrieb, den der Nutzer in den Kanal gestellt hat, heisst es: «Das Live-Kunststück namens ‹Monatlicher Veloausflug› beginnt auf der Stadthausanlage mit einem Treffen von Menschen und deren Fahrrädern. Auf einmal setzt sich ein Velokorso in Bewegung und wird Teil des öffentliche Strassenverkehrs. Das Kunststück bezieht alle Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung ein.»

Einzigartig am «Kunststück» sei der «Drive-in-Aspekt»: «Noch nie gab es in der Schweiz die Gelegenheit, vom eigenen Auto und von einem öffentlichen Verkehrsmittel aus Live-Action-Kunst zu bestaunen.» In einem dazugehörigen, ebenfalls im Telegram-Kanal eingefügten Dokument ist von einer «Serie von kulturellen Live-Performances beginnend August 2023» die Rede. Der Nutzer hat gemäss eigenen Angaben am 31. Juli eine Bewilligung für seine «Performance» beantragt.

Es wäre eine Kehrtwende

Das städtische Sicherheitsdepartement möchte sich auf Anfrage nicht zum Gesuch äussern. Der Administratorin des Telegram-Kanals zufolge hat aber die Stadtpolizei ihr gegenüber bestätigt, dass ein solches Gesuch sehr wohl eingegangen sei. Die Critical Mass findet jeweils am letzten Freitag im Monat statt. Die nächste Ausfahrt wäre also am 25. August.

Eine bewilligte Critical Mass wäre eine Kehrtwende in ihrer über 30-jährigen Geschichte. Die Velodemo kennt gemäss eigenen Angaben keinerlei Organisatoren oder Mediensprechende, sie ist offiziell selbst organisiert und versteht sich nicht als Demo. Auch deshalb dürfte eine bewilligte Ausgabe der Critical Mass – oder wie auch immer eine solche Veloausfahrt dann konkret heissen würde – einige Critical-Mass-Teilnehmer vor den Kopf stossen. Bereits im Vorfeld der letzten Demo hatte sich so manche Nutzerin im Telegram-Kanal dagegen gewehrt, an einer von der Stadt vorgegeben Route mitzufahren.

Wie ernst diese «Kunstaktion» letztlich gemeint ist, ist fraglich. Sie dürfte in erster Linie als humoristische Kritik an der jetzigen Bewilligungspflicht verstanden werden. Hinzu kommt, dass das Bewilligungsgesuch ohnehin abgelehnt werden dürfte, wie der dafür verantwortliche Nutzer festhält: «Die sogenannte Fachstelle für Kunst findet, meine Kunst sei keine Kunst.» Ausserdem sei «das Wiederkehrende», sprich die Regelmässigkeit, mit der die Aktion durchgeführt würde, ein Problem.

Drohen härtere Strafen als angenommen?

Bis zur voraussichtlich nächsten Ausgabe der Critical Mass am 25. August dauert es noch eine Weile. Sollte bis dann noch immer keine Bewilligung vorliegen, wird die Polizei im Fall einer tatsächlichen Durchführung wohl weiter Verzeigungen aussprechen. Die Betroffenen müssten mit Bussen von mehreren hundert Franken rechnen – für so einige ein vertretbares Risiko. Zumal die Critical-Mass-Kommune diese offenbar solidarisch bezahlen möchte.

Im Telegram-Kanal machte vor kurzem jedoch das Gerücht die Runde, dass bei der letzten Ausfahrt einzelne Teilnehmer nicht nur mit einer Busse wegen Übertretung gebüsst worden seien, sondern sogar wegen Nötigung im Strassenverkehr – was ein weitaus schwerwiegenderes Delikt darstellt. Im Minimum würden den Betroffenen Strafen von zwei bis drei Monaten Gefängnis bedingt drohen, wie Rechtsprofessor Hans Giger gegenüber der NZZ ausführte.

Vielleicht erledigt sich das Problem für Behörden und Critical Mass aber auch von selbst: Der Zürcher Gemeinderat hat Ende März eine Motion an den Stadtrat überwiesen, die Bussen für die Teilnahme an unbewilligten Demos abschaffen möchte.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-haben-die-critical-mass-teilnehmer-ein-bewilligungsgesuch-eingereicht-die-stadt-haelt-sich-bedeckt-ld.2495274)


+++REPRESSION DE
linksunten-Razzien in Freiburg
Am 2. August 2023 durchsuchten Bullen des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA), des Polizeireviers Freiburg und der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) vier Wohnungen von fünf Linken in Freiburg. Die Durchsuchungen fanden wieder bei den Leuten statt, deren Wohnungen auch im August 2017 durchsucht worden waren.
Die Linken sollen linksunten.indymedia.org, die im August 2017 verbotenen Nachrichtenplattform, weiter fortgeführt haben. Als statisches Archiv oder strafbares Denkmal – je nach Framing.
https://autonome-antifa.org/breve8756


Freiburger Indymedia-Razzien: Es könnte sogar nützen
Sechs Jahre nach dem Verbot durchsucht die Polizei wegen Indymedia Wohnungen. Es wirft ein Licht auf den damaligen Schlag gegen die Pressefreiheit.
https://taz.de/Freiburger-Indymedia-Razzien/!5948154/


+++SPORT
Video zeigt Luzerner Fans im Vögeligärtli – Schlägereien, Wasserwerfer, Festnahmen: Das geschah nach dem FCL-Spiel
Nach dem Spiel zwischen dem FC Luzern und dem Djurgårdens IF Stockholm drohte die Lage zu eskalieren. Beim Vögeligärtli gelang es der Polizei mit einem Wasserwerfer, ein direktes Aufeinandertreffen der Fangruppen zu verhindern.
https://www.zentralplus.ch/sport/fc-luzern/fan-krawalle-luzerner-polizei-nimmt-zwei-personen-fest-2568002/
-> https://news.lu.ch/html_mail.jsp?params=OPfkMZbcJv13eYAN2rw7dGXQ%2B838AKRldDSNMyKFQ0tLWrmhDl6lRkxoJrwxZfcAx4bAIWqT9XiZfiwd%2FJLKETLjqCu2XOgHedZuB9TIKLg%3D
-> https://www.20min.ch/story/zwei-festnahmen-nach-fussballspiel-in-luzern-441147300946


Gesperrter Gästesektor: FCSG und Polizei erwarten ruhiges Spiel
Beim Spiel des FC St. Gallen gegen den FC Luzern am Sonntag bleibt der Gästesektor geschlossen. Grund dafür sind Ausschreitungen zwischen Fans im Frühling dieses Jahres. Dass Luzerner Fans trotzdem zum Spiel kommen, ist sicher. Wie bereitet man sich in St. Gallen vor? (ab 05:39)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/gesperrter-gaestesektor-fcsg-und-polizei-erwarten-ruhiges-spiel?id=12431594
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/wie-peter-zeidler-mit-dem-fcsg-den-erzrivale-luzern-knacken-will-152826472


+++FORENSIK
Polizei will mit neuer DNA-Methode alte Fälle löse
Seit Anfang August dürfen die Strafverfolgungsbehörden DNA-Proben detaillierter aufschlüsseln. Damit lassen sich Merkmale wie die Augenfarbe, das Alter oder die Herkunft ableiten. Ostschweizer Ermittler erhoffen sich durch die ausgeweiteten Möglichkeiten, neue Erkenntnisse zu sogenannten «Cold Cases» zu gewinnen – also zu ungelösten Fällen, die weit in der Vergangenheit zurück liegen.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/polizei-will-mit-neuer-dna-methode-alte-faelle-loese-152826509
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/neues-dna-gesetz-soll-helfen-cold-cases-zu-loesen?urn=urn:srf:video:02c0bb4a-6114-4159-bda2-6e8aaa532317
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/dna-phaenotypisierung-so-wird-die-erweiterte-dna-analyse-eingesetzt


+++POLICE BE
derbund.ch 04.08.2023

Aufwendige Videofahndung: Kapo Bern will Täter mit intelligenter Software aufspüren

Die automatisierte Videoanalyse könnte die Polizeiarbeit vereinfachen. In Bern zeigt man Interesse an der Technik. Die umstrittene Gesichtserkennung ist jedoch kein Thema.

Michael Bucher

Hochrisikospiel in Bern: Nach Spielschluss gehen die Hooligans der verfeindeten Fussballclubs aufeinander los. Es fliegen Steine und Flaschen – auch gegen die Polizei. Diese filmt die Straftaten. Bei der späteren Sichtung dann die Ernüchterung: Sämtliche Chaoten sind während der Ausschreitung vermummt, eine Identifikation ist nicht möglich. Das ist kein fiktives Beispiel, sondern eine wiederkehrende Realität.

Für solche Fälle möchte die Kantonspolizei Bern künftig ein Werkzeug zur Hand haben, das ihr die Videoanalysen erleichtern soll und womöglich doch zu einem Fahndungserfolg verhelfen könnte. Konkret geht es um eine Software, die Filmmaterial nicht nur speichern und bearbeiten, sondern auch automatisiert auswerten kann. In einem Vorabverfahren sondiert die Kapo derzeit den Markt der IT-Anbieter. Erstmals darüber berichtete letzte Woche das Branchenportal «Inside IT».
-> https://www.inside-it.ch/kapo-bern-will-gewalttaeter-mit-intelligenter-software-aufspueren-20230727

Wegen Kleidung überführt

Doch wie würde dies funktionieren? Statt die Videos in aufwendiger Manier manuell auszuwerten, kann die intelligente Software automatisiert nach übereinstimmenden Elementen suchen. Im genannten Beispiel mit den vermummten Chaoten könnte ein Täter zum Beispiel wegen seiner Kleidung oder seiner Schuhe überführt werden. Dann etwa, wenn die Software in Videos Sequenzen findet, in denen der Träger dieser Kleidung ohne Maske zu sehen ist. Auch könnte so festgestellt werden, ob die Person womöglich noch weitere Straftaten begangen hat.

Dazu muss gesagt sein, dass die Identifikation anhand von Kleidern bei Fussball-Hooligans auch mit ausgefeilter Videotechnik eine Herausforderung bleiben dürfte. Im Wissen darum, dass sie gefilmt werden, bedient sich jene Klientel schon heute eines Dresscodes, der möglichst wenig individuelle Anhaltspunkte liefert. Bluejeans, schwarzer Hoodie und weisse Sneakers sind dabei meist die «Standard-Uniform». Ähnliche Muster lassen sich auch bei Demos der linksextremen Szene beobachten.

Neben den vermummten Hooligans nennt die Kantonspolizei in ihrer Ausschreibung auch das Beispiel eines Tötungsdeliktes, bei dem die Software helfen könnte. Dies dürfte jedoch weit seltener der Fall sein als bei Straftaten an Demos oder Sportanlässen.

Riesige Datenmengen

Geht es um Videoüberwachung im öffentlichen Raum, läuten bei den Datenschützern die Alarmglocken. Wie ist es in diesem Fall? Der kantonale Datenschutzbeauftragte Ueli Buri hat von der Marktanalyse der Kapo Bern erst durch den Medienbericht erfahren. Er werde das Thema beim nächsten regelmässigen Treffen mit der Polizei aufs Tapet bringen. Eine fundierte rechtliche Einschätzung könne er erst danach geben. Die Kantonspolizei betont ihrerseits, dass vor einer allfälligen Beschaffung eine vorgängige Studie zu Schutzbedarf und Rechtsgrundlagen unabdingbar sei.

Buri geht prima vista jedoch nicht von einem Eingriff aus, der massenhaft unbescholtene Bürgerinnen und Bürger betreffen könnte. Zumal die Kapo Bern in den Unterlagen festhält: «Es geht nicht um Echtzeitüberwachung, sondern um die Auswertung von gespeicherten Videos.»

Kommt hinzu, dass das Berner Polizeigesetz der Videoauswertung enge Grenzen setzt. Ein Beispiel: Weil sie mit Gewaltpotenzial rechnet, filmt die Polizei den unbewilligten Demoumzug der Antifa durch Bern mit ihrem Kamerawagen. Verläuft dieser friedlich und es gehen keine Anzeigen ein, muss die Polizei die Aufnahmen spätestens nach 100 Tagen unbearbeitet löschen. Und selbst wenn eine Straftat aufgezeichnet wurde und in ein Verfahren mündet, so darf nur jene Sequenz aufbewahrt werden, in der diese zu sehen ist. Diese Vorgaben schränken die Auswahl an verwertbarem Videomaterial ein.

Trotzdem rechnet die Kantonspolizei in ihrer Ausschreibung mit riesigen Datenmengen, die es auszuwerten gäbe. Die Rede ist von bis zu 10 Petabyte in den nächsten fünf Jahren, das sind rund 10’000 Terabyte. Eigene Videoaufnahmen würden laut Kapo dabei nur einen kleinen Teil ausmachen. Die Mehrheit der Daten würde aus fremden Überwachungsanlagen stammen. Um beim Hooligan-Beispiel zu bleiben: Die Polizei würde in dem Fall mit der Software auch die Aufnahmen der zahlreichen Kameras im Wankdorfstadion durchforsten.

Gesichtserkennung auf dem Vormarsch

Kein Thema in der Ausschreibung ist die automatische Gesichtserkennung – die bekannteste und auch umstrittenste Art der intelligenten Videoanalyse. «Ein automatisierter Gesichtsbildabgleich ist nicht gefordert und nicht geplant», teilt die Kantonspolizei mit.

Was in der Schweiz umstritten ist, ist in vielen anderen Staaten bereits etabliert. Deutschland nutzt ein solches System beispielsweise seit 2008. Doch Gesichtserkennungssoftware wird auch hierzulande mehr und mehr zur Realität. Kürzlich hat der Bundesrat beschlossen, das System zum Abgleich von Fingerabdrücken (Afis) ab 2026 um ein Modul für den Gesichtsabgleich zu ergänzen.

Die Afis-Datenbank der Bundespolizei (Fedpol) enthält Fingerabdrücke von 900’000 Personen, aber auch eine Million Gesichtsbilder von rund 390’000 Menschen. Bisher war es nicht möglich – etwa nach einem Raubüberfall auf einen Tankstellenshop –, ein Bild der Überwachungskamera mit den in Afis gespeicherten Porträts abzugleichen und so auf die Spur von Verdächtigen zu kommen. Der Ausbau der Software soll das nun möglich machen.

Bei dieser nachträglichen Gesichtserkennung wird nicht in Echtzeit überwacht. Eine solche liesse das Schweizer Gesetz auch nicht zu. Doch die Befürchtung, dass die Entwicklung genau in diese Richtung geht, wächst in gewissen Kreisen. In mehreren Stadt- und Kantonsparlamenten werden inzwischen Verbote von automatischer Gesichtserkennung im öffentlichen Raum diskutiert – so zum Beispiel in St. Gallen, Basel-Stadt, Zürich, Lausanne oder Winterthur.

Wie weit die Live-Gesichtserkennung gehen kann, demonstrierte Grossbritannien diesen Frühling bei der Krönung von Charles zum König. Die Polizei liess dabei präventiv neuralgische Orte mit intelligenten Kameras überwachen, um Gesichter in Echtzeit mit einer Liste von verurteilten Verbrechern und Terroristen abzugleichen. Als abschreckendes Beispiel erwähnt sei noch China. Dort wird die automatisierte Gesichtserkennung eingesetzt, um Minderheiten oder Journalisten zu überwachen. Von solchen Zuständen ist die Schweiz weit entfernt.
(https://www.derbund.ch/kapo-bern-will-taeter-mit-intelligenter-software-aufspueren-789705426234)


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Wasserversorgung eingestellt: Streit zwischen Fahrenden und Behörden in Yverdon VD eskaliert
In Yverdon-les-Bains VD eskalieren die Spannungen zwischen den Behörden und einer Gruppe von Fahrenden aus Frankreich.
https://www.blick.ch/politik/wasserversorgung-eingestellt-streit-zwischen-fahrenden-und-behoerden-in-yverdon-vd-eskaliert-id18809032.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/streit-zwischen-fahrenden-und-behorden-in-yverdon-vd-eskaliert-66565041
-> https://frapp.ch/de/articles/stories/fahrende-besetzen-areal-in-yverdon-vd


+++RASSISMUS
Juden unerwünscht
Ein deutsches Reiseunternehmen weigert sich, Ferienhäuser in der Schweiz an jüdische Familien zu vermieten
https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/juden-unerwuenscht-3/


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagesanzeiger.ch 03.08.2023

Extremismus in Winterthur: Rechtsextreme plakatieren in der Stadt

Die Junge Tat marschierte am Wochenende in Wien mit anderen Rechtsextremen mit, kurz vor dem Nationalfeiertag kleisterte sie in Winterthur rund ums Stadtzentrum illegal Propagandaplakate an die Wände.

Gregory von Ballmoos

Am 29. Juli demonstrierten in Wien rund 500 Personen für eine «Remigration» eine konsequente Ausschaffung von Geflüchteten und anderen ausländischen Staatsangehörigen. Mit dabei war auch der prägende Kopf der Mass-voll-Bewegung und Nationalratskandidat Nicolas Rimoldi. Er hielt in Wien gar eine Rede, er sprach dabei von einem «Angriff der globalen Elite» – und er war nicht der einzige Schweizer, der dort öffentlich auftrat. Auch der Winterthurer Manuel C. war in Wien.

Manuel C. ist der ehemalige Kunststudent, der wegen seiner rechtsextremen Ansichten von der Zürcher Hochschule der Künste ausgeschlossen wurde. Auch Tobias L., ein weiteres Mitglied der Jungen Tat, war in Wien dabei. Das zeigen Fotos, die in den sozialen Medien kursieren.

Doch der Ausflug nach Wien war nur ein kurzer. Bereits in der Nacht auf den Nationalfeiertag kleisterten Mitglieder der Jungen Tat in mehreren Schweizer Städten Plakate an Stromkästen und Hauswände. Ähnlich wie das die Linksaussen-Organisationen der Revolutionären Jugendbewegung Winterthur oder das Antifaschistische Aktion-Bündnis tun. Personen aus diesem Umfeld standen im Januar vor Gericht, weil die Stadt Winterthur geklagt hatte. Die Staatsanwaltschaft forderte damals bedingte Freiheitsstrafen von einem Jahr. Das Gericht entschied auf eine bedingte Geldstrafe.

Mit Sturmhaube

Ihre Taten dokumentierte die Junge Tat auf ihrem Telegram-Kanal. Ganz in Schwarz gekleidet, zogen sie in Gruppen durch Solothurn, Basel, Zürich, Bern und St. Gallen. In diesen Städten sind bekannte Mitglieder der Jungen Tat zu Hause. Das Gesicht durch eine weisse Sturmhaube verdeckt, teilweise mit der Tyr-Rune drauf. Dieser Pfeil nach oben war ein Treueabzeichen der Reichsführerschulen in der Nazi-Zeit.

Auch in Winterthur, gemäss Telegramchat dem «Mittelpunkt des Widerstandes», war die Junge Tat aktiv. Drei junge Männer klebten die Blätter und posierten dabei, unter anderem mit dem White-Power-Zeichen. Dabei werden der kleine, der Mittel- und der Ringfinger abgespreizt, sie symbolisieren das W. Mit dem Zeigefinger und dem Daumen wird ein Kreis geformt – zusammen mit dem mit dem Unterarm gibt das ein P. Auf den Plakaten wirbt die Junge Tat um neue Mitglieder und fordert, «die Heimat zu verteidigen».

Unterwegs waren die Rechtsextremen unter anderem auch im Neuwiesenquartier. An der Wart- oder der Flüelistrasse beispielsweise kleben noch immer Reste der Plakate. Das zeigt ein Augenschein vor Ort. Die Plakate wurden offensichtlich an mehreren Stellen bewusst beschädigt und entfernt. Davon zeugt ein Schriftzug an einem Stromkasten beim Sportplatz Flüeli. «Hier wurde Nazi-Propaganda entfernt», heisst es dort in blauer Schrift über einem halb abgerissenen Plakat der Jungen Tat.
(https://www.tagesanzeiger.ch/rechtsextreme-plakatieren-in-der-stadt-237441816641)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Wahlen 2023 – Listenverbindung mit Mass-Voll: Schadet sich die SVP selbst?
In Solothurn geht die SVP mit der massnahmenkritischen Bewegung zusammen. Die Listenverbindung sorgt für Diskussionen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/wahlen-2023/wahlen-2023-listenverbindung-mit-mass-voll-schadet-sich-die-svp-selbst


«Kampfansage an die Demokratie»: Juso will Skeptiker-Festival stoppen
Die Juso Zürich Oberland will ein Festival von Massnahmen-Skeptikern stoppen und hat darum einen offenen Brief an die Gemeinde Volketswil ZH geschrieben. Diese kann jedoch nichts tun.
https://www.blick.ch/politik/kampfansage-an-die-demokratie-juso-will-skeptiker-festival-stoppen-id18810487.html
-> https://www.blick.ch/politik/das-meint-blick-zu-verbotsforderungen-fuer-ein-skeptiker-festival-gerade-diese-intoleranz-gefaehrdet-die-demokratie-id18810499.html
-> https://twitter.com/JusoZHOberland/status/1687408777857777664


+++HISTORY
luzernerzeitung.ch 04.08.2023

Skandalöses Unrecht: Erfolgreicher Bauer wird 20 Jahre lang in Irrenanstalten eingesperrt

Der wohlhabende Engelberger Bauer Friedrich Amstutz war ein Aussenseiter und Rebell. Ihn deswegen jahrzehntelang als «Irren» wegzusperren, war dennoch eine Ungeheuerlichkeit. Dies belegt der frühere Bundesrichter Niccolò Raselli in einem aufregenden Buch.

Romano Cuonz

Anfang der 1980er-Jahre gelangte eine 90-jährige Engelbergerin wiederholt ans Obwaldner Obergericht. Die verbitterte Frau gab an: Man habe sie um ihr Erbe gebracht! Dabei war alles längst geteilt worden. Der damalige Obergerichtspräsident und spätere Bundesrichter Niccolò Raselli erinnert sich: «Aufgrund meiner Erfahrung, dass hinter jedem Querulanten eine Geschichte steht, wollte ich wissen, um was es geht.» Deshalb habe er einen Mitarbeiter nach Engelberg entsandt.

Dieser stiess dort auf eine nachgerade unglaubliche Geschichte aus den 1930er-Jahren. Leidtragender war der Bruder der monierenden Frau, der 1971 in Münsingen verstorbene Friedrich Amstutz. Warum Raselli das Schicksal dieses «Nobodys», so viele Jahre danach, in einer Seite für Seite erschütternden Dokumentation haarklein aufgearbeitet hat, begründet er so: «Ich möchte Friedrich Amstutz späte Gerechtigkeit widerfahren lassen, zumal der Name dieses Bauern für einen beispielhaften Fall wiederholten behördlichen und ärztlichen Versagens steht.»

Reich, streitlustig und rebellisch

Friedrich Amstutz wird 1891 in Engelberg geboren. Die Familie hat viele Kinder. Gemächlich bäuerliches Bodenrecht übernimmt Friedrich den ganzen Hof. Seine Schwestern haben das Nachsehen. Er wird zu einem vermögenden und erfolgreichen Produzenten landwirtschaftlicher Produkte werden. Mitten im Engelberger Dorfkern, in Nachbarschaft zu eben aufblühenden Hotels, betreibt er einen Schweinestall. Wegen des Gestanks und anderer Emissionen entbrennt heftiger Streit mit den Nachbarn. Namentlich mit einem Engelberg Gemeinderat, der die Angelegenheit in seine eigenen Behörde trägt.

Zugegeben: Friedrich Amstutz bleibt den Behörden keine Antwort schuldig. Starrköpfig gibt er sich. Respektlos und rebellisch. Selbst der nachvollziehbaren Weisung, sämtliche Schweine zu entfernen und die Mist- und Jauchegrube so in Ordnung zu bringen, damit die Gesundheit der Bevölkerung nicht mehr weiter gefährdet werde, leistet er keine Folge. «Nicht in 48 Stunden und nicht ohne Entschädigung», so seine Forderung. Behörden sind für Amstutz quasi natürliche Feinde.

Engelberg will den Unbequemen loswerden

So lässt er sich zu diversen Bagatell-Straftaten hinreissen. Einmal sägt er beim ungeliebten Nachbar eine Tanne ein. Auch verbale Delikte, die mit Geldbussen geahndet werden, gibt es immer wieder. Die Folge: Der Gemeinderat verdächtigt Amstutz bei jedem Vorkommnis. Beweise aber werden nie vorgelegt. Es ist klar: Die Behörden wollen Amstutz loswerden. Dabei greifen sie zu fragwürdigen Mitteln.

Beim Erlass der Verfügung, die am Ursprung einer fatalen Entwicklung stand, wirkte der mit ihm verfeindete Gemeinderat mit. Weiter belegt Autor Raselli : „Selbst der Obwaldner Justizdirektor Walter Amstalden trat beim Beschwerdeentscheid des Regierungsrates nicht im Ausstand, obwohl er zuvor die Gemeinde als Anwalt bei ihrem Vorgehen beraten hatte.»

Der für vormundschaftliche Massnahmen zuständige Bürgergemeinderat beantragte schliesslich: Amstutz solle in die Zürcher Irrenanstalt Burghölzli eingewiesen und sein Geisteszustand untersucht werden. Im August 1933 wird Friedrich Amstutz von den kantonalen Untersuchungsbehörden verhaftet und alsbald von der Strafanstalt in die Irrenanstalt Burghölzli überführt. Auch das Bundesgericht sieht später über die gutachtliche Feststellung, «dass eine Geistesschwäche mit Sicherheit auszuschliessen sei», hinweg. Der vorbestrafte Bauer bleibt in den Fängen der Psychiatrie.

Sogar Elektroschocks muss er erleiden

Was sich nun während 20 Jahren abspielt, ist eine unfassbare, menschliche Tragödie. Autor Raselli stellt fest: «Der erste psychiatrische Gutachter Herbert Binswanger, Oberarzt in der Psychiatrischen Heilanstalt Burghölzli Zürich, stellt auf kolportierte Gerüchte ab, statt eine systematisch Befragung und Untersucherung durchzuführen.» Ja, Binswanger ist sich dessen, wie er selbst andeutet, bewusst. Er lässt sich dazu manipulieren, Amstutz als gemeingefährlich zu taxieren.

Sein für das Schicksal von Friedrich Amstutz verhängnisvolles Gutachten – obwohl in entscheidenden Punkten widersprüchlich – wird vom Direktor im Burghölzli durchgewinkt. In der Folge sperrt man den angeblich geisteskranken «Patienten Amstutz» weg. Vom Burghölzli geht es nach St.Urban, dann ins Franziskusheim Zug und schliesslich in die Berner Universitätsklinik Waldau. Zwanzig Jahre lang bleibt Amstutz nichts erspart. Nicht einmal Elektroschocks gegen passiven Widerstand! Alle späteren Verfügungen fussen auf dem ursprünglichen Gutachten.

Warum Jakob Wyrsch Verrat an der Psychiatrie übte

Das geht so bis 1952. Dann aber stellt ihm der bekannte Nidwaldner Psychiater Jakob Wyrsch beim Eintrittsgespräch in der Waldau im Rahmen eines Tests eine entscheidende Frage. Ob Amstutz wisse, was der Satz «Viele Hunde sind des Hasen Tod» bedeute? Amstutz bejaht. Sagt gemäss Protokoll: «Genau dies hat mir schulterklopfend schon Doktor Binswanger gesagt, als ich ihm erklärte, ich könne gegen sein Gutachten nichts machen. Die Behörden wollten es so!»

Bald darauf hält Professor Wyrsch in einem Gespräch mit dem Obwaldner Regierungsrat Oskar Heimann fest: Der Patient könne seiner Ansicht nach entlassen werden. Er halte ihn nicht für gemeingefährlich. Worauf Heimann mit leicht spöttischem Lächeln gefragt haben soll: «War er es überhaupt einmal?» Darauf, so Jakob Wyrsch, habe er zum einzigen Mal bewusst Verrat an der Psychiatrie ausgeübt. Dies, indem er beteuert: «Herr Regierungsrat, Sie mögen recht haben; er war es nie.»

Er verzichtet auf Vermögen und wird Knecht

Wiederholt versucht Professor Jakob Wyrsch, Friedrich Amstutz dazu zu bewegen, nach Engelberg zurückzukehren und sein verbliebenes Vermögen von über 50’000 Franken zu übernehmen. Erfolglos! Der frühere Rebell erklärt, Talgemeinde und Kanton hätten ihm seine Rechte und Liegenschaften gestohlen. Die von ihm geltend gemachte Entschädigungsforderungen in der Höhe von 300’000 Franken anerkennt die Bürgergemeinde nicht. Darauf weigert sich Amstutz, nach Engelberg zurückzukehren.

1954 tritt er aus der Waldau aus und nimmt auf dem Gut Herrenbächlen bei Fritz Gfeller in Münsingen eine Stelle als Knecht an. Dort bleibt er zwanzig Jahre lang. Bis zu seinem Tod. Der heutige Besitzer Ernst Gfeller – damals noch ein Kind – sagt: «Friedrich war ein ganz normaler Mitarbeiter, der nie Ferien wollte und sich an uns Kindern freute.»

Das Buch:

Niccolò Raselli: Friedrich Amstutz – Ein Innerschweizer Leben in den Fängen von Psychiatrie und Justiz. Schwabe Verlag. 128 Seiten.
Buchvernissage: Metzgern Sarnen, 20. September, 20.00 Uhr.
(https://www.luzernerzeitung.ch/kultur/zentralschweiz/innerschweiz-skandaloeses-unrecht-erfolgreicher-bauer-wird-20-jahre-lang-in-irrenanstalten-eingesperrt-ld.2494697)