Medienspiegel 30. Mai 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++WALLIS
Bund plant Asylnotunterkünfte – im Wallis ist man wenig erfreut
In der 1000-Seelen-Gemeinde Turtmann im Oberwallis will das Staatssekretariat für Migration eine temporäre Containersiedlung für Flüchtlinge bauen. Dies auf dem Armeegelände, das dem Bund gehört. Die Gemeinde ist wenig erfreut über die Pläne.  (ab 02:11)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bund-plant-asylnotunterkuenfte-im-wallis-ist-man-wenig-erfreut?id=12395701


+++SCHWEIZ
Planung für zusätzliche Unterkünfte im Asylbereich konkretisiert sich
BDas Staatssekretariat für Migration (SEM) rechnet mit einer stark steigenden Zahl von Asylgesuchen in den nächsten Monaten. Um sicherzustellen, dass alle Asylsuchenden in den Bundesstrukturen aufgenommen und untergebracht werden können, plant das SEM zusätzliche temporäre Unterkünfte auf Arealen der Armee. Bis anhin konnten vier geeignete Standorte identifiziert werden, weitere mögliche Standorte werden abgeklärt. Aktuell betreibt das SEM rund 10 000 Unterbringungsplätze.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-95477.html
-> https://www.derbund.ch/bund-plant-containersiedlung-in-thun-629137967656
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/fluechtlingskrise-auf-diesen-armee-arealen-plant-der-bund-neue-asyl-notunterkuenfte
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/236859341-sem-plant-neue-asylunterkuenfte-auf-vier-armee-arealen
-> https://www.blick.ch/politik/gesuche-werden-steigen-sem-plant-neue-asylunterkuenfte-auf-vier-armee-arealen-id18621013.html
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/210405/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/fluechtlingskrise-container-asylnotunterkuenfte-das-sagen-betroffene-gemeinden
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/236859341-sem-plant-neue-asylunterkuenfte-auf-vier-armee-arealen


+++DEUTSCHLAND
Deutsch-polnische Grenze: Faeser kündigt mehr Kontrollen an
Im Kampf gegen illegale Migration weiten Deutschland und Polen ihre Grenzkontrollen aus. Bei einem Besuch im polnischen Świecko kündigte Innenministerin Faeser an, dass mehrere Hundertschaften der Bundespolizei zusätzlich eingesetzt werden.
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/faeser-grenze-deutschland-polen-100.html


»Die Türkei ist kein sicheres Land«
Nach Wiederwahl von Präsident Erdogan: Organisation fordert von Behörden in BRD Anerkennung von Gefahren für Regimegegner. Ein Gespräch mit Wiebke Judith
https://www.jungewelt.de/artikel/451738.druck-auf-asylsuchende-die-t%C3%BCrkei-ist-kein-sicheres-land.html


+++RUMÄNIEN
»Unser primäres Ziel war es, Zugang zu Informationen zu gewährleisten«
Asylsuchende in Rumänien berichten von brutalen Push-Backs, gleichzeitig erhalten ukrainische Geflüchtete mit einer eigens geschaffenen Webplattform Hilfe. Die treibende Kraft hinter dem Online Tool ist die NGO Code for Romania. Gründer und Geschäftsführer Bogdan Ivanel, der auch die NGO Commit Global leitet, berichtet im Interview von der Arbeit.
https://www.proasyl.de/news/unser-primaeres-ziel-war-es-zugang-zu-informationen-zu-gewaehrleisten/


+++MITTELMEER
Pushback nach Libyen: Boot mit über 500 Menschen zurückgeschleppt
Die Geflüchteten befanden sich in der Seenotrettungszone von Malta und wurden trotzdem nach Benghazi gebracht
Die Geflüchteten befanden sich in der Seenotrettungszone von Malta und wurden trotzdem nach Benghazi gebracht. In der Nähe kreuzte die deutsche Marine.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173594.festung-europa-pushback-nach-libyen-boot-mit-ueber-menschen-zurueckgeschleppt.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173588.eu-migrationsabwehr-kriminelle-mittelmeeranrainer.html


+++TÜRKEI
PRO ASYL fordert Schutz von in der Türkei politisch Verfolgten und ein Ende des Flüchtlingsdeals mit der Erdoğan-Regierung
Am 28. Mai 2023 wurde Recep Tayyip Erdoğan erneut zum Präsident der Türkei gewählt. In den zurückliegenden 20 Jahren wurde unter seiner Führung die Türkei zu einem autokratisch geführten Staat umgebaut. Nach dem gescheiterten Putsch-Versuch 2016 wurde insbesondere das Justizsystem weitgehend gleichgeschaltet, viele Richter*innen wurden entlassen oder inhaftiert. Die staatliche Verfolgung richtet sich gegen die kurdische Freiheitsbewegung, weitere ethnische Minderheiten, LGBTIQ, unabhängige Journalist*innen oder auch die politische Opposition.
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/pro-asyl-fordert-schutz-von-in-der-tuerkei-politisch-verfolgten-und-ein-ende-des-fluechtlingsdeals-mit-der-erdogan-regierung/


+++LIBYEN
Tote in Libyen: Drohnenangriffe gegen Ausreisewelle
Libyens Regierung lässt Küstenstädte bombardieren, um Migration übers Mittelmeer zu bremsen. Doch die Abfahrt von Booten verlagert sich.
https://taz.de/Tote-in-Libyen/!5934840/


+++FREIRÄUME
Gute Aussichten für Könizer Besetzung «Centrale Viva»
Gemütlich sitzen Jugendliche und junge Erwachsene auf der Rampe vor dem alten Fabrikgebäude von «Vater Samen», geniessen die Sonne und plaudern. Drinnen in den riesigen, holzverkleideten Hallen wird Badmington gespielt und getanzt, es hat eine Kinderecke und Töpferwaren vom Workshop am Vortag sind ausgestellt.
https://rabe.ch/2023/05/30/gute-aussichten-fuer-koenizer-besetzung-centrale-viva/


Besetzer-Kollektiv darf bleiben
Im Moment darf das Besetzer-Kollektiv «Centrale Viva» in der alten Lagerhalle in Köniz bleiben. Die Gemeinde gibt vorübergehend Grünes Licht, eine Räumung ist noch kein Thema.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/besetzer-kollektiv-darf-bleiben-151774180



derbund.ch 30.05.2023

Besetzte Lagerhalle in Köniz: Kollektiv wird bis auf weiteres geduldet

Nach einem Gespräch mit der Hauseigentümerin hält Gemeinderat Thomas Brönnimann am bisherigen Kurs fest: Derzeit ist keine Räumung geplant.

Christoph Hämmann

Das Kollektiv Centraleviva, das am vergangenen Samstag in das ehemalige Vatter-Samen-Lagerhaus neben dem Könizer Bahnhof eingedrungen ist, darf bis auf weiteres dort bleiben. «Wir schauen der Besetzung vorerst weiterhin entspannt zu», sagte der zuständige Gemeinderat Thomas Brönnimann, Direktor Sicherheit und Liegenschaften, am Dienstagnachmittag auf Anfrage.

Bei einem Augenschein vor Ort habe sich am Vormittag bestätigt, was er bereits am Pfingstabend gegenüber dieser Zeitung gesagt habe: Das Komitee sei friedlich und durchaus sensibilisiert für die Sicherheitsrisiken, die mit dem Aufenthalt im Gebäude verbunden seien.

In einem Telefongespräch habe auch die Hauseigentümerin, eine Erbin der Familie Vatter, die Ansicht vertreten, dass «kein Bedarf für eine unmittelbare Räumung» bestehe. Sie wolle in den nächsten Tagen bei den Besetzerinnen und Besetzern vorbeischauen und anschliessend mit ihm das weitere Vorgehen besprechen, so Brönnimann. Er selber werde die Besetzung in der nächsten Gemeinderatssitzung «unter Varia» thematisieren.
(https://www.derbund.ch/kollektiv-wird-bis-auf-weiteres-geduldet-432631531859)


+++SPORT
Aargauer Fan-Fehde: Polizei schätzt ein: «Potenzial bei den den Kantonsrivalen ist gross»
Mit dem Aufstieg des FC Badens in die Challenge League könnte es in den vier angekündigten Spielen gegen den FC Aarau in der kommenden Saison zu erneuten Auseinandersetzungen kommen. Wie bereitet sich die Kantonspolizei auf die explosiven Matches vor und wie schätzen sie die Situation ein.
https://www.argoviatoday.ch/sport/regio-sport/polizei-schaetzt-ein-potenzial-bei-den-den-kantonsrivalen-ist-gross-151773780


+++DEMO/AKTION/REPERESSION
Pressecommuniqué und gemeinsame Erklärung zu den Aktionstagen gegen die Stadt der Reichen
Winterthur: Aktionstage gegen die Stadt der Reichen, 26. bis 29. Mai 2023
An diesem Pfingstwochenende fand in Winterthur ein erfolgreiches Treffen gegen die profitorientierte und armenfeindliche Aufwertung der Städte statt. Insgesamt beteiligten sich über 300 Personen an der Demonstration und an den vielfältigen Diskussionen und Aktionen.
https://wohnraumverteidigen.noblogs.org/post/2023/05/30/pressecommunique-und-gemeinsame-erklaerung-zu-den-aktionstagen-gegen-die-stadt-der-reichen/


+++PSYCHIATRIE
Zwangsmassnahmen bei Kindern und Jugendlichen – Rendez-vous
In Schweizer Psychiatrien haben 2021 rund sieben Prozent der untergebrachten Kinder und Jugendlichen Zwangsmassnahmen erlebt. Zwei Kliniken schneiden im Ranking besonders schlecht ab.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/zwangsmassnahmen-bei-kindern-und-jugendlichen?partId=12395569
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/zwangsmassnahmen-bei-kindern-wenn-sonst-nichts-mehr-hilft-zwang-in-der-kinderpsychiatrie


+++BIG BROTHER
Rüffel für Kantone: Bund beschafft umstrittene Überwachungs-Software
Mehrere Kantone haben überstürzt neue Fahndungstools eingeführt. Und wurden von Gerichten zurückgepfiffen. Nun prescht auch der Bund vor, schreibt der «Beobachter».
https://www.blick.ch/politik/kantone-wurden-gerueffelt-bund-beschafft-umstrittene-ueberwachungs-software-id18620353.html
-> https://www.beobachter.ch/politik/bund-setzt-auf-gesichtserkennung-obwohl-urteil-von-bundesgericht-aussteht-603102


+++POLIZEI TI
Kopf gegen Motorhaube geknallt: Staatsanwaltschaft klagt Tessiner Polizisten an
Mit seinem Vorgehen bei einem Einsatz bei einer Tankstelle in Chiasso hat sich ein Gemeindepolizist eine Klage eingehandelt. Ein Video zeigt, wie er den Kopf eines Mannes wuchtig gegen eine Motorhaube knallt.
https://www.blick.ch/schweiz/tessin/kopf-gegen-motorhaube-geknallt-staatsanwaltschaft-klagt-tessiner-polizisten-an-id18622018.html


+++POLIZEI INT
Missbrauch von Tränengas tötet und verletzt Demonstrant*innen weltweit
Der grausame Missbrauch von Tränengas durch Sicherheitskräfte bei der brutalen Niederschlagung von Protesten im Iran, in Peru und Sri Lanka gehört zu den vielen neuen Vorfällen, die in der aktualisierten interaktiven Website «Tear Gas: An Investigation» von Amnesty International aufgezeigt werden.
https://www.amnesty.ch/de/themen/weitere/polizeigewalt/dok/2023/missbrauch-von-traenengas-toetet-und-verletzt-weltweit


+++FRAUEN/QUEER
Trans Aktivist Henry Hohmann: «Das Thema Trans ist bei den Leuten angekommen, die Entwicklung stimmt»
Viele sind skeptisch gegenüber Anliegen von trans Menschen. Trans Aktivist Henry Hohmann sagt, warum.
https://www.20min.ch/story/maenner-fuerchten-sich-davor-macht-abzugeben-476059276902?version=1685421154831
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/zwei-drittel-gegen-drittes-geschlecht-in-amtlichen-dokumenten-151763101


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Klimarassismus, Polizeimorde, Frontexausschaffungen
https://antira.org/2023/05/30/klimarassismus-polizeimorde-frontexausschaffungen/



derbund.ch 30.05.2023

Umfrage zu Rassismus: Mehrheit der Schweizer Männer findet Blackfacing unproblematisch

Als Weisser das Gesicht schwarz anmalen? Für 44 Prozent der Schweizer Bevölkerung ist das kein Problem, Männer beurteilen dies sogar mehrheitlich so. Ein Kolonial­historiker ordnet die Umfrageergebnisse ein.

Marc Brupbacher, Patrick Vögeli(Grafiken)

Ein schwarz Angemalter mit einem Knochen in der Hand reisst Witze auf der Bühne: Der Eklat an einem Zunftanlass der Zürcher Elite im Rahmen des Sechseläutens sorgte im April weitherum für Kopfschütteln. Wie die Bevölkerung zum Blackfacing wirklich steht, wusste man bisher aber nicht.

Eine repräsentative Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» zeigt jetzt erstmals im Detail, wie akzeptiert diese Sitte beim Schweizervolk noch ist. 44 Prozent sagten, sich ein schwarzes Gesicht zu schminken (Blackfacing), sei angebracht oder eher angebracht. Schweizer Männer befürworten dies sogar mit einer Mehrheit von 51 Prozent (Frauen: 36 Prozent).
-> Umfrage 1: https://datawrapper.dwcdn.net/PoGpc/11/

Die Umfrage zeigt auch: Auf dem Land stösst Blackfacing auf eine grössere Akzeptanz, ebenso bei Personen über 35 Jahren. Zudem geben 67 Prozent der SVP-Sympathisanten an, Blackfacing für angebracht oder eher angebracht zu halten. Aber selbst bei Linken hat jede vierte Person kein Problem mit Blackfacing.

Kolonialhistoriker Bernhard C. Schär, der an der Universität Lausanne forscht, überraschen die Resultate der Umfrage nicht: «Blackfacing ist keineswegs tabu und wird munter praktiziert.» Blackfacing werde in Europa und in der Schweiz seit dem Spätmittelalter praktiziert, um sich über «Wilde» oder «Primitive» lustig zu machen. Es sei Teil der schweizerischen Alltagskultur.

Die Ursache für die breite Akzeptanz von Blackfacing ortet Schär in einem Mangel an historisch-politischer Bildung, den er generell nicht als selbstverschuldetes Unwissen kritisieren möchte, sondern die Bildungsinstitutionen in die Pflicht nimmt. «In der Schweiz haben es Schulen, Universitäten und Medien zu lange versäumt, über Geschichte und Gegenwart von Rassismus aufzuklären. Vielen fehlt daher das Wissen, um informiert über das eigene Tun nachzudenken», sagt der Geschichtsprofessor.
Sind wir ein Volk von Rassisten?

Aber auch fehlende Empathie spiele eine Rolle. Privilegierten Menschen, die keine persönliche Erfahrung mit Diskriminierung hätten, falle es schwerer, sich in Positionen von Schwächeren hineinzuversetzen. Frauen hingegen hätten in der Regel mehr Erfahrung mit Herabwürdigungen, deshalb verfügten sie über mehr Einfühlungsvermögen und würden Rassismus und andere Diskriminierungen in Umfragen meist auch stärker ablehnen.

Welche Konsequenz hat es nun, wenn so viele Personen in der Schweiz kein Problem mit einem alten rassistischen Brauch haben? Sind wir ein Volk von Rassisten? Dies sei eine schwierige Frage, so Schär. Wer in der Schweiz aufgewachsen sei und nur eine einseitige, eurozentristische Bildung erhalten habe, könne sich wohl tatsächlich naiv das Gesicht schwarz anmalen ohne bewusste rassistische Absichten. Doch der Historiker ergänzt: «Er oder sie nimmt damit aber am überindividuellen, historisch über Jahrhunderte gewachsenen, strukturellen Rassismus der schweizerischen Gesellschaft teil.»

Die Umfrageteilnehmenden haben weitere Handlungen als angebracht oder unangebracht eingestuft. So wurde beispielsweise gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn weisse Personen Dreadlocks trügen oder wenn man sich an Fasnacht als indigene Person verkleide.
-> Umfrage 2: https://datawrapper.dwcdn.net/tfVzG/11/
-> Umfrage 3: https://datawrapper.dwcdn.net/3CMcu/11/

Umfrage zu RassismusMehrheit der Schweizer Männer findet Blackfacing unproblematisch
Als Weisser das Gesicht schwarz anmalen? Für 44 Prozent der Schweizer Bevölkerung ist das kein Problem, Männer beurteilen dies sogar mehrheitlich so. Ein Kolonial­historiker ordnet die Umfrageergebnisse ein.
Patrick VögeliMarc Brupbacher
Marc Brupbacher, Patrick Vögeli(Grafiken)
Publiziert heute um 05:46 Uhr

Ein schwarz Angemalter mit einem Knochen in der Hand reisst Witze auf der Bühne: Der Eklat an einem Zunftanlass der Zürcher Elite im Rahmen des Sechseläutens sorgte im April weitherum für Kopfschütteln. Wie die Bevölkerung zum Blackfacing wirklich steht, wusste man bisher aber nicht.

Eine repräsentative Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» zeigt jetzt erstmals im Detail, wie akzeptiert diese Sitte beim Schweizervolk noch ist. 44 Prozent sagten, sich ein schwarzes Gesicht zu schminken (Blackfacing), sei angebracht oder eher angebracht. Schweizer Männer befürworten dies sogar mit einer Mehrheit von 51 Prozent (Frauen: 36 Prozent).

Die Umfrage zeigt auch: Auf dem Land stösst Blackfacing auf eine grössere Akzeptanz, ebenso bei Personen über 35 Jahren. Zudem geben 67 Prozent der SVP-Sympathisanten an, Blackfacing für angebracht oder eher angebracht zu halten. Aber selbst bei Linken hat jede vierte Person kein Problem mit Blackfacing.

Kolonialhistoriker Bernhard C. Schär, der an der Universität Lausanne forscht, überraschen die Resultate der Umfrage nicht: «Blackfacing ist keineswegs tabu und wird munter praktiziert.» Blackfacing werde in Europa und in der Schweiz seit dem Spätmittelalter praktiziert, um sich über «Wilde» oder «Primitive» lustig zu machen. Es sei Teil der schweizerischen Alltagskultur.

Die Ursache für die breite Akzeptanz von Blackfacing ortet Schär in einem Mangel an historisch-politischer Bildung, den er generell nicht als selbstverschuldetes Unwissen kritisieren möchte, sondern die Bildungsinstitutionen in die Pflicht nimmt. «In der Schweiz haben es Schulen, Universitäten und Medien zu lange versäumt, über Geschichte und Gegenwart von Rassismus aufzuklären. Vielen fehlt daher das Wissen, um informiert über das eigene Tun nachzudenken», sagt der Geschichtsprofessor.

Sind wir ein Volk von Rassisten?

Aber auch fehlende Empathie spiele eine Rolle. Privilegierten Menschen, die keine persönliche Erfahrung mit Diskriminierung hätten, falle es schwerer, sich in Positionen von Schwächeren hineinzuversetzen. Frauen hingegen hätten in der Regel mehr Erfahrung mit Herabwürdigungen, deshalb verfügten sie über mehr Einfühlungsvermögen und würden Rassismus und andere Diskriminierungen in Umfragen meist auch stärker ablehnen.

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Welche Konsequenz hat es nun, wenn so viele Personen in der Schweiz kein Problem mit einem alten rassistischen Brauch haben? Sind wir ein Volk von Rassisten? Dies sei eine schwierige Frage, so Schär. Wer in der Schweiz aufgewachsen sei und nur eine einseitige, eurozentristische Bildung erhalten habe, könne sich wohl tatsächlich naiv das Gesicht schwarz anmalen ohne bewusste rassistische Absichten. Doch der Historiker ergänzt: «Er oder sie nimmt damit aber am überindividuellen, historisch über Jahrhunderte gewachsenen, strukturellen Rassismus der schweizerischen Gesellschaft teil.»

30’754 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 28. und am 29. März 2023 an der Umfrage zu Sprache, Geschlecht und zur Diskussionskultur in der Schweiz von Tamedia und «20 Minuten» teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Leewas durchgeführt. Leewas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,0 Prozentpunkten. Bei Auswertungen von Untergruppen kann dieser grösser sein.

Die Umfrageteilnehmenden haben weitere Handlungen als angebracht oder unangebracht eingestuft. So wurde beispielsweise gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn weisse Personen Dreadlocks trügen oder wenn man sich an Fasnacht als indigene Person verkleide.

Diese Handlungen werden von sämtlichen Subgruppen – mit teils grossen Mehrheiten – als unproblematisch bewertet. Am ehesten lehnen sie noch Frauen, Städter und jüngere Altersgruppen ab, aber auch unter ihnen sind jeweils mehr als 50 Prozent der Meinung, dies sei angebracht.

«Indigene Gesellschaften sind Überlebende von Genoziden und andauernder rassistischer Gewalt ausgesetzt. Wer sich zum Spass als Opfer von Massengewalt verkleidet, entwürdigt die Betroffenen», sagt Schär.

Zentral bei all diesen Fragen sei immer die Menschenwürde. Denn wer andere rassistisch entwürdige, entwürdige sich durch sein Verhalten auch selber. Schär erläutert: «Daher findet sich bei allen Religionen und Kulturen die Idee, dass eine friedliche Gesellschaft nur möglich ist, wenn alle ihre eigene Würde und jene ihrer Mitmenschen achten.»

Für den Historiker hängt es von den politischen Rechten ab, wie sich der Umgang mit Blackfacing und anderen problematischen Handlungen in Zukunft entwickeln wird. Schär sagt: «Die Rechten müssen sich entscheiden, ob sie Europa weiter amerikanisieren wollen, indem sie Minderheiten als Bedrohung für deren Freiheit darstellen und die Demokratie damit beschädigen wollen. Oder ob sie eher einen europäischen Weg einschlagen, der basierend auf historischer Erfahrung weiss, dass Menschenwürde ein verletzliches Gut ist.»



Die Umfrage

30’754 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 28. und am 29. März 2023 an der Umfrage zu Sprache, Geschlecht und zur Diskussionskultur in der Schweiz von Tamedia und «20 Minuten» teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Leewas durchgeführt. Leewas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,0 Prozentpunkten. Bei Auswertungen von Untergruppen kann dieser grösser sein.
(https://www.derbund.ch/mehrheit-der-schweizer-maenner-findet-blackfacing-unproblematisch-166703258560)


+++RECHTSPOPULISMUS
Motion Fraktion SVP (Alexander Feuz): Stopp der Diskriminierung in Betrieben, die von der Stadt gefördert werden und mit denen ein Leistungsvertrag besteht! (PDF, 16.6 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-30-mai-2023/motion-fraktion-svp-stopp-der-diskriminierung-in.pdf/download


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Interview mit Szeneforscherin: «Wer glaubt, dass die Schweiz eine Firma ist, hat eine grosse Wut»
Die Expertin Julia Sulzmann beobachtet, wie sich ehemalige Massnahmengegner radikalisieren. Vor allem bei alternativen Schulen müssten die Behörden genauer hinschauen.
https://www.derbund.ch/wer-glaubt-dass-die-schweiz-eine-firma-ist-hat-eine-grosse-wut-181940174153


Covid-Gesetz zum Dritten: Weshalb eigentlich? – Rendez-vous
Am 18. Juni entscheidet die Schweizer Stimmbevölkerung erneut über das Covid-19-Gesetz. Dabei wurde das Gesetz bereits zwei Mal deutlich angenommen. Weshalb geben die Kritikerinnen und Kritiker der Corona-Massnahmen den Kampf nicht auf?
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/covid-gesetz-zum-dritten-weshalb-eigentlich?partId=12395572