Medienspiegel 26. April 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++AARGAU
Aargauer Gemeinde wehrt sich gegen Asylunterkunft – Schweiz Aktuell
Das Hotel Aarehof im aargauischen Möriken-Wildegg soll schon bald bis zu 140 männliche Asylsuchende beherbergen – eine Petition dagegen läuft bereits. Im bernischen Steffisburg hat sich der Widerstand gegen die Umnutzung eines Altersheims in eine Asylunterkunft inzwischen etwas gelegt.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/aargauer-gemeinde-wehrt-sich-gegen-asylunterkunft?urn=urn:srf:video:4c6d5464-5e92-4641-9a1a-f74504bee466
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/moeriken-wildegg-ag-geplante-asylunterkunft-ein-dorf-probt-den-aufstand


Beschäftigungsprogramm: Aargauer SVP fordert, dass Asylbewerber gemeinnützige Arbeit leisten
Sie sollen Abfall neben Autobahnen einsammeln, Problempflanzen ausreissen und Schnee räumen: Die Aargauer SVP fordert ein kantonales Beschäftigungsprogramm für Asylbewerber.
https://www.telem1.ch/aktuell/beschaeftigungsprogramm-aargauer-svp-fordert-dass-asylbewerber-gemeinnuetzige-arbeit-leisten-151212302


+++ZÜRICH
Pilotprojekt des Roten Kreuz: Laien-Therapeuten für Geflüchtete
Ab Mai gibt es im Kanton Zürich ein neues Pilot-Projekt, das Geflüchteten Unterstützung bieten soll. Spirit heisst das Projekt: Geflüchtete sollen dabei generell psychisch gestärkt werden und lernen, besser mit Stress umgehen zu können.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/pilotprojekt-des-roten-kreuz-laien-therapeuten-fuer-gefluechtete?id=12376698 (ab 02:19)


Wo ich wohne
Die Situation von Tomas ist ein Beispiel, wie kleine Gemeinden die ihnen zugeteilten Geflüchteten unterbringen. Es gibt unseres Wissens dafür keine Mindest-Standards. Die Quoten-Zuteilung schafft grosse Ungleichheiten. Die Qualität der zugewiesenen Unterkunft ist Resultat einer Lotterie. Die Lebensqualität der Betroffenen ist – nicht erst seit dem Ukraine-Krieg – oft prekär, die Möglichkeiten, sie zu verbessern gering. Die Isolation kann ein grosses Mass annehmen.
https://www.papierlosezeitung.ch/de/artikel/wo-ich-wohne


Zwischennutzung verzögert sich: Nachbarn wehren sich gegen geplante Asylunterkunft auf dem Hardturm
Weil das Stadionprojekt auf dem Hardturm durch Rekurse blockiert ist, wollte die Stadt Zürich hier vorübergehend Flüchtlinge unterbringen. Doch auch dagegen gehen Anwohner vor.
https://www.tagesanzeiger.ch/nachbarn-wehren-sich-gegen-geplante-asylunterkunft-auf-dem-hardturm-741456434111
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/pilotprojekt-des-roten-kreuz-laien-therapeuten-fuer-gefluechtete?id=12376698


Fällanden: Turnhalle wird zur Unterkunft für Asylsuchende – vorübergehend
Fällanden hat zu wenig Platz für Geflüchtete und muss dringend handeln: Die Asylsuchenden sollen in einer Turnhalle untergebracht werden. Dies jedoch nur vorübergehend, bis Wohncontainer als Unterkunft fertig gebaut sind.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/turnhalle-wird-zur-unterkunft-fuer-asylsuchende-voruebergehend-151192335


+++SCHWEIZ
Keine Lehrabbrüche von Asylsuchenden, die bereits in den schweizerischen Arbeitsmarkt integriert sind
Die Kommission beantragt einstimmig, die von Nationalrätin Christa Markwalder (RL, BE) eingereichte und vom Nationalrat angenommene Motion 20.3322 abzulehnen. Die Motion beauftragt den Bundesrat, die gesetzlichen Grundlagen und die Praxis dahingehend anzupassen, dass Asylsuchende, die mit einem gültigen Lehr- oder Ausbildungsvertrag bereits im schweizerischen Arbeitsmarkt integriert sind, ihre Lehren und Ausbildungen weiterführen und abschliessen können, auch wenn ihr Asylgesuch abgelehnt wurde. Aus Sicht der Kommission muss die Motion einerseits aus formellen Gründen abgelehnt werden. Der Nationalrat und der Ständerat nahmen nämlich in der Sommer- bzw. in der Wintersession 2022 die Motion 22.3392 («Erweiterte Härtefallregelung zum Zugang zu beruflichen Ausbildungen») der SPK-N an. Diese verfolgt im Wesentlichen dasselbe Anliegen wie die an der Sitzung beratene Motion, ihr Anwendungsbereich ist allerdings weiter gefasst. Der Bundesrat wurde also bereits beauftragt, die erforderlichen Änderungen der rechtlichen Grundlagen auszuarbeiten. Andererseits zeigen die vom Staatssekretariat für Migration (SEM) vorgelegten Zahlen nach Ansicht eines Teils der Kommission, dass potenziell nur sehr wenige Personen von der Motion Markwalder profitieren würden.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-s-2023-04-26.aspx



ajour.ch 26.04.2023

Deutlich mehr Marokkaner ersuchen die Schweiz um Asyl – obwohl kaum je ein Gesuch gutgeheissen wird

Migranten aus Marokko gelangen vermehrt via die Türkei in den Schengenraum. Das bekommt auch die Schweiz zu spüren: Die Asylgesuche sind deutlich angestiegen.

Maja Briner

Die Anzahl Asylgesuche von Marokkanern ist sprunghaft angestiegen. Von Januar bis März ersuchten 497 um Asyl, wie aus der Statistik des Staatssekretariats für Migration (SEM) hervorgeht. Das sind fast so viele wie im gesamten Jahr 2022. Marokko figuriert neu an dritter Stelle der Herkunftsländer – wenn auch mit klarem Abstand zu Afghanistan und der Türkei. Auf den Monat heruntergebrochen wird der Anstieg besonders deutlich: 2022 wurden im Schnitt monatlich 44 Asylgesuche von Marokkanern und Marokkanerinnen registriert, im laufenden Jahr sind es 166.

Der Anstieg habe primär zwei Gründe, heisst es beim SEM. Erstens die erhöhte Abwanderung aus Marokko aufgrund der wirtschaftlichen Situation; zweitens «die deutlich stärkere Nutzung der Migrationsroute von Marokko via Türkei und den Balkan». Die Türkei ist für Marokkaner und Marokkanerinnen zwar ein Umweg – aber im Gegensatz zu Schengenländern wie Spanien oder Italien können sie visumsfrei in die Türkei einreisen. Anschliessend schlagen sie sich illegal in den Schengenraum durch.

«Die Route via die Türkei besteht schon länger, jedoch hat sich seit Sommer 2022 das Volumen der Migration via die Türkei deutlich erhöht», sagt SEM-Sprecher Samuel Wyss. Die Zahl der Asylgesuche von marokkanischen Staatsangehörigen sei europaweit gestiegen. In Österreich machten sie im Januar gar 28 Prozent aller Anträge aus, wie österreichische Medien berichteten.

Davon ist die Schweiz weit entfernt: Der Anteil beträgt im laufenden Jahr – trotz des Anstiegs – lediglich rund 8 Prozent. Mit Abstand am meisten Asylsuchende kamen in den ersten drei Monaten des Jahres aus Afghanistan (1457 Gesuche) und der Türkei (1188). Dahinter folgen Marokko (497) und Eritrea (489).

Hunderte werden an der Grenze aufgegriffen

Als Treiber für die Migration aus Marokko sieht das SEM die wirtschaftliche Situation: «Aufgrund der Pandemie und der Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Lebenshaltungskosten sehen viele Marokkanerinnen und Marokkaner in ihrer Heimat keine Perspektiven mehr.» Einen weiteren Grund nennt die Schweizerische Flüchtlingshilfe: Die marokkanischen Behörden hätten 2022 ihre Schikanen und Repressionen gegen Aktivistinnen und Kritiker verstärkt.

Die Zunahme an Migranten aus Marokko macht sich auch an den Schweizer Grenzen bemerkbar. Seit Dezember meldet das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, die rechtswidrig eingereisten Migrantinnen und Migranten seien «hauptsächlich afghanischer und marokkanischer Nationalität». Allein im Januar wurden 949 marokkanische Staatsangehörige aufgegriffen. Seither sinkt die Zahl indes.

Die Zahl der Aufgegriffenen zeigt auch: Längst nicht alle stellen in der Schweiz ein Asylgesuch. Und wenn sie es tun, stehen ihre Chancen äusserst schlecht. 2022 wurde lediglich zwei marokkanischen Staatsangehörigen erstinstanzlich Asyl gewährt, eine weitere Person wurde vorläufig aufgenommen. Im laufenden Jahr erhielten bisher alle abschlägigen Bescheid.

Die «überwiegende Mehrheit» der marokkanischen Asylsuchenden seien alleinstehende Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, heisst es beim SEM. Sie machten vor allem wirtschaftliche oder medizinische Schwierigkeiten sowie Verfolgung durch Dritte geltend – und erhalten daher kein Asyl. Viele sind zudem Dublin-Fälle; für das Asylverfahren ist also ein anderes Land zuständig.

«Schweizer Praxis ist sehr restriktiv»

Nach Ansicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) urteilen SEM und Bundesverwaltungsgericht in manchen Fällen aber zu hart. Die Schweizer Praxis sei selbst in Bezug auf problematische Situationen, wie zum Beispiel jene von LGBTQI+-Personen, sehr restriktiv, sagt Sprecher Lionel Walter. Dem stehe die SFH kritisch gegenüber.

Dass Italien das Dublin-Verfahren seit Dezember ausgesetzt hat, spielt in Bezug auf marokkanische Staatsangehörige übrigens kaum eine Rolle: Derzeit können laut SEM rund 300 Personen, für deren Asylgesuch Italien zuständig wäre, nicht überstellt werden – davon sind lediglich vier marokkanische Staatsangehörige.
(https://ajour.ch/de/story/73639/deutlich-mehr-marokkaner-ersuchen-die-schweiz-um-asyl-obwohl-kaum-je-ein-gesuch-gutgeheissen-wird)



Bundesrat trifft Vorbereitungen zur Bewältigung steigender Asylzahlen
Der Bundesrat schafft die Grundlagen zur Bewältigung der steigenden Zahl von Asylgesuchen. Er hat am 26. April 2023 im Grundsatz entschieden, bei Bedarf zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen. Damit sollen die ausgelasteten Kollektivstrukturen von Bund und Kantonen entlastet werden. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, eine Gesamtstrategie und ein Konzept zur Erstellung temporärer Unterkünfte auszuarbeiten und zum Entscheid vorzulegen. Um rasch auf erhöhten Bedarf reagieren zu können, beantragt er dem Parlament vorsorglich einen Kredit von 132,9 Millionen Franken. Das EJPD ist beauftragt, mit den Kantonen ihren Beitrag an die Betriebskosten zu definieren.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94622.html
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/bundesrat-will-fuer-130-millionen-franken-asylunterkuenfte-schaffen-151212499
-> https://www.watson.ch/schweiz/bundesrat/600029288-bundesrat-will-fuer-130-millionen-franken-asylunterkuenfte-schaffen
-> https://www.blick.ch/politik/wegen-steigender-asylzahlen-bundesrat-will-fuer-130-millionen-franken-asylunterkuenfte-schaffen-id18523631.html
-> https://www.derbund.ch/bundesrat-plant-container-doerfer-fuer-asylsuchende-563841544009
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/zusaetzliche-unterkuenfte-bundesrat-will-fuer-132-9-millionen-franken-asylzentren-schaffen


Schweiz kann auch im Mai Flüchtlinge nicht an Italien zurückgeben
Die Schweiz kann auch im Mai keine Flüchtlinge an Italien zurückschicken. Das südliche Nachbarland will nach Angaben des Bundes den seit Dezember verhängten Aufnahmestopp mindestens einen weiteren Monat lang aufrecht halten.
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/schweiz-kann-auch-im-mai-fluechtlinge-nicht-an-italien-zurueckgeben-00210911/
-> https://www.blick.ch/politik/obwohl-es-zustaendig-waer-schweiz-kann-weiter-keine-fluechtlinge-nach-italien-zurueckschicken-id18523473.html



derbund.ch 26.04.2023

Diphtherie in Europa und der Schweiz: Asylsuchende haben sich auf der Flucht angesteckt

Die vergessene potenziell tödliche Krankheit ist nach Europa zurückgekehrt. Forschende haben den Ausbruch analysiert. Die Infektionen kamen mit Asylsuchenden auch in die Schweiz. Die Impfung bleibt der wichtigste Schutz.

Anke Fossgreen

Es gibt Krankheiten, die heute – dank einer wirksamen Impfung – kaum noch jemand kennt. Die Diphtherie zum Beispiel kommt in der Schweiz seit den 1960er-Jahren kaum mehr vor. In den letzten zehn Jahren erfasste das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nur noch einen bis höchstens zehn Fälle pro Jahr.

Doch 2022 hatte die bakterielle Infektionskrankheit ein überraschendes Comeback. Es gab europaweit und auch in der Schweiz den grössten Ausbruch von Diphtherie der letzten Jahrzehnte. Im letzten Jahr erfasste das BAG 84 Menschen, die sich mit dem Diphtherie-Erreger (Corynebacterium diphtheriae) infiziert hatten und teilweise daran erkrankt waren, die meisten davon in der zweiten Jahreshälfte. Bei den Diphtheriepatienten handelte es sich hauptsächlich um junge Männer im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Fast alle von ihnen kamen als Asylsuchende in die Schweiz.

Die meisten Betroffenen hatten die mildere Variante der Krankheit mit Hautläsionen, bei der sich die Bakterien in der Haut vermehren und über direkten Kontakt verbreiten können. Aber auch die gefährlichere respiratorische Art der Diphtherie trat zum Beispiel im letzten August in einem Bundesasylzentrum in Bern auf. Die Atemwegsdiphtherie ist gefürchtet, weil die Bakterien im Rachen hartnäckige Beläge bilden, welche die Atemwege derart einengen können, dass die Patienten daran ersticken können. Vor allem Kinder sind dabei gefährdet.

33 Prozent hatten keinen ausreichenden Impfschutz mehr

Die respiratorische Diphtherie verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion beim Husten oder Niesen. Manche Diphtheriebakterien bilden ein Gift, das Organe wie das Herz oder die Nerven schädigen und so zum Tod führen kann. Diejenigen Betroffenen, die in der Schweiz mit einer respiratorischen Diphtherie diagnostiziert worden waren, hätten allerdings «keinen schweren Verlauf» gehabt, teilt das BAG mit.

In anderen europäischen Ländern sah es 2022 ähnlich aus: Grossbritannien machte 73 Fälle aus, statt der gewöhnlichen etwa 12 pro Jahr, Deutschland erfasste bis zum März 169 infizierte Migranten. Und Forschende aus Österreich nahmen die 62 dort entdeckten Diphtheriefälle zum Anlass, Blutproben der Bevölkerung daraufhin zu untersuchen, ob sie noch genügend Abwehrkräfte gegen eine mögliche Ansteckung hätten. Sie untersuchten, wie viele Antikörper, die sich nach der Impfung bilden, noch vorhanden waren.

Die Wissenschaftlerinnen präsentierten das Ergebnis ihrer Untersuchung letzte Woche an einem Kongress in Kopenhagen. Gemäss der Blutprobenanalysen haben 33 Prozent der fast 16’000 untersuchten Personen keinen ausreichenden Impfschutz mehr gegen Diphtherie. Das fasste das Team um Ursula Wiedermann-Schmidt und Angelika Wagner von der Medizinischen Universität Wien zusammen.

Das BAG sieht die Situation in der Schweiz gelassen. Aufgrund der hohen Durchimpfungsrate bestehe für die Schweizer Bevölkerung keine Gefahr. Mit einer vollständigen Impfung gemäss Schweizerischem Impfplan könne sich jede Person individuell sehr gut vor einer respiratorischen Diphtherie schützen, schreibt das BAG auf Anfrage.

Im Jahr 2022 habe es nur zwei Fälle in der Schweiz gegeben, die keine Asylsuchenden betroffen hätten, teilte das BAG mit. Davon arbeitete eine Person in einem Asylzentrum, in dem Diphtheriefälle aufgetreten sind. Bei einer anderen Person war nicht bekannt, wo sie sich mit dem Bakterium angesteckt haben könnte.

Wie aber kam es zu dem europäischen Ausbruch? Das wollte ein Forschungsteam um Helena Seth-Smith und Adrian Egli vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich wissen. Die Forschenden untersuchten das Erbgut von zahlreichen Diphtheriebakterien, die bei Asylsuchenden in der Schweiz in Rachenabstrichen gefunden worden waren. Sie verglichen die Ergebnisse mit den Daten aus anderen europäischen Ländern.

Seth-Smith und Egli präsentierten ihre Ergebnisse letzte Woche ebenfalls am Kongress in Kopenhagen. «Wir haben vier verschiedene Stämme von Diphtheriebakterien in der Schweiz nachgewiesen», sagt Seth-Smith. Diese Informationen über das Erbgut der Bakterien sind nun in einer Datenbank gespeichert. Diese Datenbank, Swiss Pathogen Surveillance Platform (SPSP), wird gerade ausgebaut. Damit sind Vergleiche von Bakterien oder Viren möglich. So wird die Datenbank auch genutzt, um die Ausbreitung und die Veränderungen des Coronavirus Sars-CoV-2 zu verfolgen. Nun kommen die Daten für zahlreiche andere Krankheitserreger hinzu, darunter die von Grippeviren oder Bakterien, die von Lebensmitteln übertragen werden, wie Campylobacter, Salmonellen oder Listerien.

«Mithilfe dieser Erbgutdaten können wir auch bei seltenen Infektionskrankheiten wie der Diphtherie erforschen, wie sich Ausbrüche entwickelt haben», sagt Adrian Egli. Dabei sei auch die gute Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern wichtig, betont der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie.

«Wegen der vier verschiedenen Stämme ist nun klar, dass die Menschen, bis auf die wenigen Ausnahmen, bereits infiziert in die Schweiz gekommen sind», sagt Seth-Smith. Ebenso sei aus den Daten zu sehen, dass es nicht ein einziges Land oder eine Region gegeben habe, von wo aus die Diphtherie sich auch nach Europa verbreitete, sagt die Bioinformatikerin. Der überwiegende Teil der Infizierten stamme aus Afghanistan, teilt das BAG mit. «Vermutlich haben sich die meisten Betroffenen aber auf ihrer Flucht oder in den Asylunterkünften angesteckt», sagt Seth-Smith.

Resistente Diphtherie-Erreger gegen gängige Antibiotika

Die Zürcher Forschenden haben aber noch etwas anderes im Erbgut der Bakterien gefunden – und sind beunruhigt. «Wir haben in einigen Proben Diphtheriebakterien entdeckt, die resistent sind gegen die gängigen Antibiotika Penicillin oder Erythromycin», sagt Seth-Smith. Das sei zwar nur in wenigen Proben der Fall gewesen – schätzungsweise nur in 5 Prozent –, dennoch müsse man die Resistenzen weiter beobachten, sagt Egli.

Das heisse aber noch nicht, dass eine Diphtherie mit diesen Resistenzen nicht mehr behandelt werden könne, fügt der Mikrobiologe an. Es gebe immer noch wirksame andere Antibiotika. Aber gerade in ärmeren Ländern, wo Diphtherie häufiger auftritt, sind Antibiotika wie Penicillin und Erythromycin die Behandlung der ersten Wahl.

Der beste Schutz ist hingegen die wirksame Impfung gegen Diphtherie. Die meisten der Betroffenen, die infiziert nach Europa kamen, waren vermutlich nicht oder nur unzureichend immunisiert. Das BAG hat entsprechend bereits vor einigen Monaten in den Asylzentren Massnahmen erlassen, um der Diphtherie vorzubeugen oder die Krankheit zu behandeln. Dazu gehört, dass Asylsuchende und das Personal ein Impfangebot bekommen und dass die Ärztinnen und Ärzte darauf geschult sind, die Krankheit zu erkennen.

Seit Januar 2023 gab es in der Schweiz nur noch fünf Fälle von Diphtherie.



Impfung gegen Diphterie

Kinder erhalten gemäss Impfplan bis zum 15. Lebensjahr vier Basisimpfungen gegen Diphtherie, Starrkrampf (Tetanus) und Keuchhusten (Pertussis).

Erwachsenen wird empfohlen, diese Impfungen im Alter zwischen 25 und 29 Jahren mit dem Dreifachimpfstoff gegen Diphtherie, Starrkrampf und Keuchhusten aufzufrischen. Anschliessend reicht es in der Regel, sich alle 20 Jahre gegen Diphtherie, Starrkrampf und Keuchhusten durch eine Impfung zu schützen (also mit 45 und 65 Jahren).

Senioren ab 65 Jahren sollten sich alle zehn Jahre impfen lassen. (afo)

Quelle: BAG
(https://www.derbund.ch/asylsuchende-haben-sich-auf-der-flucht-angesteckt-845418874295)


+++GROSSBRITANNIEN
‘They are criminals’: Suella Braverman on people crossing Channel on small boats – video
Suella Braverman has said migrants who cross the Channel from Calais to the UK are doing so ‘illegally’ and are ‘criminals’. The home secretary was speaking before MPs debate the illegal migration bill for the final time.
https://www.theguardian.com/politics/video/2023/apr/26/they-are-criminals-suella-braverman-on-people-crossing-channel-on-small-boats-video
-> https://www.jungewelt.de/artikel/449725.insel-macht-dicht-rechtsbruch-durchgepr%C3%BCgelt.html


+++ITALIEN
Italienische Mittelmeerinsel Hunderte Migranten erreichen Lampedusa
Noch immer wagen viele Menschen die gefährliche Flucht über das Mittelmeer. Allein seit Mitternacht kamen Hunderte Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa an. Rettungskräfte fanden auch zwei Leichen.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/lampedusa-migranten-100.html
-> https://www.watson.ch/international/migration/255135298-hunderte-migranten-auf-lampedusa-angekommen-zwei-leichen-geborgen


Im Meer getrieben: Deutsches Motorsegelschiff rettet 41 Migranten
Eine Motorsegelschiff-Crew nahm am Mittwoch die Menschen von einem überfüllten Stahlboot auf. Sie brachten sie auf die italienische Insel Lampedusa. Das Boot sei wegen eines defekten Motors manövrierunfähig im Meer getrieben.
https://www.baerntoday.ch/welt/deutsches-motorsegelschiff-rettet-41-migranten-151213157


Italien: Seenotretter ziehen gegen Melonis Behörden vor Gericht
In der Mittelmeerfrage scheint Italien die Taktik gewechselt zu haben. Jetzt erheben Rettungsorganisationen Klage in Rom. Nassim Madjidian, Doktorandin im Seevölkerrecht, über einen Rechtsstreit mit einer der rechtesten Regierungen Europas
https://www.freitag.de/autoren/oezge-inan/interview-italien-seenotretter-ziehen-gegen-melonis-behoerden-vor-gericht


++++LIBYEN
Mindestens 55 Migranten vor Küste Libyens ertrunken
Vor der Küste Libyens ist ein Schlauchboot mit Dutzenden Migranten auf dem Weg Richtung Europa gesunken. Mindestens 55 von ihnen seien ertrunken. Die Zahl der Bootsflüchtlinge ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/mindestens-55-migranten-vor-kueste-libyens-ertrunken,TcYbEA3


+++GASSE
Bern: 50 Jahre Contact – 50 Jahre Suchtarbeit
Die Stiftung CONTACT blickt auf 50 Jahre Suchtarbeit zurück: von der Abstinenzorientierung über die offene Drogenszene bis zur Schadensminderung. Als kleine Drogenberatungsstelle in Bern gestartet, präsentiert sich CONTACT heute als Kompetenzzentrum für Schadensminderung mit Angeboten im ganzen Kanton Bern. Ein Kurzfilm zum Jubiläum lässt diese Geschichte in fünf Episoden Revue passieren.
https://www.neo1.ch/artikel/die-stiftung-contact-wird-50-jaehrig


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Klimakleber-Proteste: «Sie wissen genau, dass sie mit solchen Aktionen Leute gegen sich aufbringen»
Klimakleber sind in aller Munde – nicht nur im positiven Sinn. Die Aktivistinnen und Aktivisten sorgen mit ihren Aktionen immer wieder für rote Köpfe. Warum provozieren sie bewusst? Und wo sind ihre Grenzen? Ein Experte ordnet ein.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/sie-wissen-genau-dass-sie-mit-solchen-aktionen-leute-gegen-sich-aufbringen-151190831


«Mehr Repression führt nicht automatisch zu weniger Gewalt»
Über Zürichs Problem mit linksextremer Gewalt, das Dilemma der Polizei bei unbewilligten Demonstrationen und das Verbot von Gummischrot. Der Grundrechtsanwalt Viktor Györffy im Interview mit Simon Jacoby.
https://tsri.ch/zh/interview-grundrechte-gyorffy-polizei-linksextremismus-gummischrot-demonstration.d9GvpjQ1PmjuvY1c


Aktion von Klimaaktivisten – Protest, Frust und Räumung – was bringt eine Waldbesetzung?
Zwei Wochen lang besetzen Aktivistinnen und Aktivisten den Wald in Rümlang – bis die Polizei das Camp mit einem Grossaufgebot räumte. Die Demonstrierenden wehren sich gegen den Ausbau einer Bauschutt-Deponie. Was bringt ein solcher Protest?
https://www.srf.ch/news/gesellschaft/aktion-von-klimaaktivisten-protest-frust-und-raeumung-was-bringt-eine-waldbesetzung


Klimaaktivesten wollen Uni Basel besetzen
Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten der Gruppierung End Fossil Basel wollen am 8. Mai die Universität Basel besetzen. Dies geht aus einer Ankündigung hervor, die in den sozialen Medien zirkuliert.
«Das System» habe versagt, Krisen anzugehen und «heizt diese stattdessen immer weiter an», schreibt die Gruppierung. «Es reicht! Wir besetzen, um gemeinsam den Alltag ins Stocken zu bringen und schaffen so Räume für Diskussionen». Als morgendlicher Treffpunkt am 8. Mai wird der Münsterplatz angegeben.
End Fossil Basel hat diesen Februar bereits mit einer Besetzung im Gymnasium am Münsterplatz von sich reden gemacht. (bor)
(https://www.bazonline.ch/newsticker-region-basel-297230329650)


+++POLIZEI DE
Racial Profiling : Ampel-Koalition plant Quittungen für Polizeikontrollen
Die Ampel-Koalition will gegen Diskriminierung bei Polizeikontrollen vorgehen. Wer sich ohne Anlass kontrolliert fühlt, soll künftig eine Quittung verlangen dürfen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-04/racial-profiling-bundespolizei-gesetz-kontrolle-quittung
-> https://mediendienst-integration.de/artikel/was-bringen-kontrollquittungen-bei-einsaetzen-der-polizei.html


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Hardturmbrache: «Jetzt ist die Brache noch dichter gefüllt» – Zigeunerkulturtage in Zürich
Im Mai finden die «Zigeunerkulturtage» auf der Hardturmbrache statt. Ob die ehemaligen Besetzer des Koch-Areals dem Event in die Quere kommen, erklärt Katharina Prelicz-Huber, Zürcher Nationalrätin und Mediensprecherin des Vereins Zigeunerkulturwoche.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/jetzt-ist-die-brache-noch-dichter-gefuellt-zigeunerkulturtage-in-zuerich-151105757?autoplay=true&mainAssetId=Asset:150114316


+++FRAUEN/QUEER
Twitter: Sexismus gegen rechte Frauen im Netz – auch Linke machen mit
Wenn es um rechte Frauen geht, schrecken auch Linke vor sexistischen Äusserungen nicht zurück. Das sorgt für Kritik aus den eigenen Reihen.
https://www.20min.ch/story/sexismus-gegen-rechte-frauen-im-netz-auch-linke-machen-mit-249371590171?version=1682483383989
-> https://www.watson.ch/schweiz/twitter/367167506-svp-politikerin-twittert-dieses-bild-von-sich-aufruhr-auf-twitter
-> https://www.blick.ch/politik/auch-linke-empoert-svp-nationalratskandidatin-21-sexistisch-beleidigt-id18521905.html
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/sexismus-aargauer-svp-jungpolitikerin-wird-wegen-tweet-beleidigt-und-auf-ihr-aeusseres-reduziert-ld.2447759



bernerzeitung.ch 26.04.2023

Meldeplattform gegen Belästigungen: Bern schaut hin – Denunziantentum oder wichtiges Signal?

Die Stadt Bern will mit einem Meldetool sexistische und queerfeindliche Übergriffe bekämpfen. Kritiker finden das kontraproduktiv.

Vittoria Burgunder

Wer in Bern sexuelle oder queerfeindliche Belästigung erlebt oder mitbekommt, kann dies neu beim städtischen Meldesystem «Bern schaut hin» erfassen, wie diese Zeitung berichtete. Die Stadt hat damit eine Kampagne lanciert, die Vorfälle sichtbar machen und für mehr Zivilcourage werben soll. Am Dienstagabend, nach nur einem Tag, wurden über die Plattform bereits mehr als 90 Belästigungen gemeldet.

Unter einem Video der Stadt Bern, auf dem Stadtpräsident Alec von Graffenried auf Social Media das Projekt vorstellt, klingen viele Stimmen unerfreut: Es sei «unnütz» schreiben einige. «Das nennt man Denunzianten fördern», findet ein Twitter-User. Auch der Beitrag dieser Zeitung löste Kritik aus: «Das gesellschaftliche Anprangern schafft nur neue Probleme», kommentierte eine Leserin. Ähnlich empfindet es ein Leser: «Kann so Anstand erzwingen nicht auch kontraproduktiv sein?»

«Es geht nicht um Diffamierung»

Ist an der Kritik etwas dran? Nein, findet Florence Schmid. Die Kampagne geht auf einen Vorstoss im Stadtrat zurück, den unter anderen die Jungfreisinnige einreichte. Sie glaubt nicht, dass das Meldetool übersensibles Denunzieren fördert: «Wichtig zu verstehen ist, dass sowohl für Betroffene als auch für Belästigende völlige Anonymität gilt», sagt die Stadträtin. Wer einen Vorfall erfasst, kann diesen also nicht mit einer Person in Verbindung bringen. «Wie soll das bitte Denunziantentum fördern?»

Das sieht auch Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, so: «Wer eine bestimmte Person wegen eines Übergriffs anzeigen will, muss das bei der Polizei machen, nicht beim städtischen Meldetool.» Dass durch dieses aber ein gewisser Kontrollmechanismus untereinander ausgelöst werde, sei wünschenswert, sagt er: «Es geht doch darum, dass man hinschaut und Zivilcourage zeigt, wenn man beobachtet, dass jemand belästigt wird.»

Was bringt das Meldetool noch? Die Geschlechterforscherin Fabienne Amlinger von der Universität Bern findet es nützlich, weil es auch Signalwirkung habe: «Die Tatsache, dass es das Meldetool überhaupt gibt, lässt Betroffene und deren Umfeld erkennen, dass das, was ihnen passiert ist, nicht okay ist.»

Mit ihrer Einschätzung widerspricht Amlinger den kritischen Stimmen auf Social Media: «Es geht nicht um Diffamierung, sondern um Sensibilisierung, Unterstützung und im besten Fall um Prävention.» Gäbe es für sie etwas daran zu kritisieren, dann höchstens, dass es nicht weitreichend genug sei: «Ein Meldetool schafft Sexismus und Queerfeindlichkeit nicht aus der Welt. Aber es ist ein Beitrag dazu.»

Keine Konsequenzen für Täter und Täterinnen

Die im Tool erfassten Vorfälle nutzt die Stadt zu statistischen Zwecken. «Die Auswertungen sollen die städtischen Behörden bei der Analyse der Situation im öffentlichen Raum unterstützen», sagt Marianne Kauer von der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann.

Im Rahmen der Kampagne «Bern schaut hin» werden die Auswertungen dann periodisch und mit anonymen Beispielen veröffentlicht. Eine Meldung hat somit keine direkte Konsequenz für die Täterinnen und Täter. Langfristig erhofft man sich eine gesellschaftliche Normveränderung. Kauer sagt: «Belästigungen sollten nicht mehr als ‹normal› hingenommen werden.»
(https://www.bernerzeitung.ch/bern-schaut-hin-denunziantentum-oder-wichtiges-signal-756136060678)


+++RASSISMUS
Schwarze Stimmen in einer weissen Musikwelt
Rassistische Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Studierender an Musikhochschulen in Deutschland
https://www.rosalux.de/publikation/id/50323/schwarze-stimmen-in-einer-weissen-musikwelt


Betroffene: «Ich möchte auch keinen positiven Rassismus erleben»
Das Reporting des Bundes weist für das vergangene Jahr so viele Fälle von Rassismus aus wie noch nie. Ist die Schweiz rassistischer geworden? Wir haben mit einer Betroffenen über ihre Erfahrungen gesprochen.
https://www.baseljetzt.ch/betroffene-ich-moechte-auch-keinen-positiven-rassismus-erleben/50028


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechter Influencer: Neue Masche der Neonazis | STRG_F
Neonazis verfolgen offenbar eine neue Strategie: Mit Auftritten bei Youtubern, die eigentlich nicht ins rassistische Bild der deutschen Gesellschaft passen, versuchen sie, Sympathien in neuen Milieus zu bekommen. So trat der Dortmunder Neonazi Steven Feldmann mehrmals auf nicht-rechten Kanälen auf – als netter Gesprächspartner. Diese Strategie scheint zu verfangen. In Dortmund hat sich offenbar eine Allianz zwischen deutschen Rechtsextremen und Menschen mit Migrationsgeschichte in der Familie gebildet. Junge mutmaßliche Migranten verkleben rechtsextreme Aufkleber oder bedrohen Antifaschist:innen. Wie gefährlich ist dieses Phänomen? STRG_F begibt sich auf Spurensuche.
https://www.youtube.com/watch?v=dPYM1nh9HkM


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Dort sterben Menschen und Ganser verdient sich eine goldene Nase»
Der umstrittene Historiker Daniele Ganser hält diese Woche zwei Vorträge im Basler Stadtcasino. Der Ukrainische Verein Schweiz will mit einem «stillen Protest» gegen die kontroversen Thesen des Mannes demonstrieren.
https://www.20min.ch/story/dort-sterben-menschen-und-ganser-verdient-sich-eine-goldene-nase-675893671890?version=1682487477541
-> https://www.bazonline.ch/newsticker-region-basel-297230329650


Gegenveranstaltung an der Uni: Alternativen zu alternativen Fakten
Zweimal tritt der umstrittene Historiker Daniele Ganser diese Woche im Stadtcasino auf. Gestern veranstaltete die Universität Basel ein Podium – als Gegenveranstaltung, um Verschwörungserzählungen in Bezug auf den russischen Angriffskrieg einzuordnen. Das Interesse war riesig. Und zur Halbzeit gab es einen Feueralarm.
https://bajour.ch/a/clgwq59wk124344254ixdltl8w0r/alternativen-zu-alternativen-fakten
-> https://video.telebasel.ch/content/4062/4063/207046/index.html (ab 04:00)



bzbasel.ch 26.04.2023

Die Uni Basel setzt ein Zeichen gegen den «Welterklärer» Daniele Ganser

Der umstrittene Schweizer Historiker Daniele Ganser hält am Mittwoch- und Freitagabend im Basler Stadtcasino einen Vortrag zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Die Universität Basel hat dieser Veranstaltung am Dienstagabend eine Podiumsdiskussion entgegengesetzt, in der sich Wissenschaft und Medien am Phänomen Ganser abarbeiten.

Maria-Elisa Schrade

Die Aula im Kollegiengebäude der Universität Basel ist nach wenigen Minuten komplett gefüllt. Rund 300 Personen finden hier am Dienstagabend Platz. Die restlichen Besucherinnen und Besucher müssen auf einen Hörsaal ausweichen, in dem sie die Podiumsdiskussion zu «Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen» über einen Live-Stream verfolgen können.

Organisiert wurde die Veranstaltung vom Profilbereich Osteuropa der Universität Basel in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Jüdische Studien Basel, um dem Vortrag des umstrittenen Schweizer Historikers und selbst ernannten Friedensforschers Daniele Ganser eine wissenschaftliche Diskussion zum Thema Ukrainekrieg entgegenzustellen.

Ganser war eingeladen, kommt aber nicht

«Das Vorhaben, mit Erzählungen über den Krieg Russlands Geschäfte zu machen, wollen wir nicht unkommentiert stehen lassen», sagt dazu Erik Petry, stellvertretender Leiter des Zentrums für Jüdische Studien Basel, in seiner Ansprache zur gestrigen Podiumsdiskussion.

Zur Beschreibung des Phänomens «Welterklärer» am Beispiel Daniele Gansers und zur Entlarvung seiner Theorien als Halbwahrheiten und Lügen, setzt die Uni Basel an diesem Abend auf schwere Geschütze: Zwei Professorinnen und zwei Professoren sowie zwei Journalisten werden dem Schweizer Verschwörungstheoretiker entgegengestellt – welcher einer Einladung zur Diskussion freilich nicht gefolgt ist.

Unsauberer Umgang mit Quellen

Der freischaffende Reporter Christoph Keller beginnt seine Moderation des Abends mit einer Anekdote zu seinem ersten und einzigen Interview mit Daniele Ganser. Diesen habe er gefragt: «Wo liegt die Grenze zwischen seriöser Wissenschaft und Verschwörungstheorien?» Woraufhin Ganser entgegnet haben soll: «Bei den Quellen, bei den Fakten.»

Gerade mit diesen nehme es Daniele Ganser allerdings nicht so genau, der gerne Halbwahrheiten erzähle, um seinen Verschwörungstheorien einen Anstrich von Seriosität und Glaubwürdigkeit zu verleihen, führt die Literaturwissenschafterin Nicola Gess ins Feld, die sich in ihrem Buch «Halbwahrheiten. Zur Manipulation von Wirklichkeit» intensiv mit diesem Vorgehen auseinandergesetzt hat. «Verschwörungstheorien betreiben eine Mimikry an einem wissenschaftsbasierten Diskurs», sagt Gess.

Das Geschäft mit Verschwörungstheorien ist sehr lukrativ

Soll heissen: Indem sich Daniele Ganser fortwährend auf seinen Doktortitel beruft und seine Erzählungen mit faktoiden Anteilen anreichert, verleiht er diesen den Anschein von Wissenschaftlichkeit. Dabei äussere sich Ganser zu Themenbereichen, in denen er gar keine Expertise aufweisen könne, betont der Professor für Osteuropäische Geschichte, Benjamin Schenk: «Ganser hat sich nie wissenschaftlich mit der Ukraine oder Russland beschäftigt, und er spricht auch keine der relevanten Sprachen.»

Die Anhängerinnen und Anhänger von Daniele Ganser und anderen Verschwörungstheoretikerin stört diese Tatsache offenbar nicht. Seine Veranstaltungen im Stadtcasino sind fast vollständig ausverkauft. Der Journalist und ehemalige EU- und Nato-Korrespondent des Schweizer Fernsehens Sebastian Ramspeck rechnet vor: «Ganser hält bis zu acht Vorträge im Jahr und hat rund 200 000 Bücher verkauft.» Daraus ergebe sich ein jährliches Einkommen, das vermutlich deutlich über 1 Million Franken liege.

Suggerierte Skepsis dient der Stabilisierung der eigenen Gegen-Erzählung

Doch was macht Verschwörungstheoretiker wie Daniele Ganser so erfolgreich?

Gesellschaftliche Umbrüche und eine Abfolge von Krisen hätten das Vertrauen der Bevölkerung in Medien und Politik geschwächt, erklärt Soziologe Oliver Nachtwey. Fehler in der Geopolitik der letzten zwanzig Jahre seien ausserdem nicht selbstkritisch genug aufgearbeitet worden. Dieses Feld werde Verschwörungstheoretikern wie Daniele Ganser überlassen, welcher das gezielte Schüren von Zweifeln an der medialen Berichterstattung nutze, um sich selbst als «verstossener Häretiker» an die Spitze einer «Gegengemeinschaft» zu positionieren.

Gansers Anhängerinnen und Anhänger erlebten «eine paradoxe Emanzipationserfahrung», indem sie durch das gezielte Stellen von Suggestivfragen und Andeutungen auf eine vermeintliche «Wahrheit» gestossen werden, die ihnen bislang verborgen geblieben sei, sagt Nachtwey. Sie sagten allesamt: «Daniele Ganser hat mein Leben verändert – wie ich denke und wie ich auf die Welt schaue.»

Dabei werde zwar Skepsis suggeriert, doch das ständige Infragestellen offizieller Erzählungen diene in Wirklichkeit einer Stabilisierung der eigenen Weltsicht, welche eben nicht infrage gestellt und falsifiziert werde, merkt Nicola Gess an.

Ganser wiederholt russische Propaganda in Bezug auf den Ukrainekrieg

Aber was sind denn nun die Lügen und Halbwahrheiten, die Daniele Ganser über den Ukrainekrieg verbreitet, will ein Herr aus dem Publikum zum Abschluss der Podiumsdiskussion endlich wissen.

Ganser übernehme die russische Propaganda, nach der jegliche Kritik an Russland als faschistisch gerahmt werde, und kehre die Logik von Opfer und Täter um, erklärt Slawistin Silvia Sasse.

So erzähle Daniele Ganser etwa, bei den Protesten auf dem Maidan hätten die USA im Hintergrund die Strippen gezogen, um eine neue Regierung zu installieren. Ausserdem behaupte er, in der Ukraine herrsche seit dem «Putsch» von 2014 Bürgerkrieg, fasst Sebastian Schenk zusammen. Darüber hinaus stimme die weit verbreitete Darstellung schlichtweg nicht, Russland sei in seiner Sicherheit dermassen bedroht worden, dass es gezwungen worden sei, anzugreifen. Russland habe 2004 noch kein Problem gehabt mit der Nato-Osterweiterung.

Falscher Feueralarm führt zur Unterbrechung der Podiumsdiskussion

Ebenfalls im Publikum sitzt an diesem Dienstagabend die Basler SP-Ständerätin Eva Herzog. Ihr habe die Veranstaltung sehr gut gefallen, sagt Herzog. «Ich bin froh, dass Daniele Gansers Vortrag eine fundierte wissenschaftliche Debatte entgegengestellt wird.» Auch Mitorganisator Erik Petry ist zufrieden: «Wir haben heute Abend gute Aufklärungsarbeit geleistet.» Auf die Frage, wie viele Anhängerinnen und Anhänger er im Publikum vermutet, antwortet Petry: «Etwa fünf bis zehn Prozent.»

Wenigstens ein Anhänger Gansers dürfte sich an diesem Abend mit grosser Sicherheit im Kollegiengebäude befunden haben, merkt Petry augenzwinkernd an: Nach etwa einer Stunde wurde im zweiten Stock der Feueralarm ausgelöst. Der Saal musste teilweise geräumt werden, ehe Entwarnung gegeben werden konnte. Petry und die anderen Veranstalter nahmen es gelassen. Es bleibt zu beobachten, ob Daniele Gansers Vorträge am Mittwoch- und Freitagabend reibungslos ablaufen werden.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/verschwoerungstheorien-die-uni-basel-setzt-ein-zeichen-gegen-den-welterklaerer-daniele-ganser-ld.2447178)


+++HISTORY
In Bern soll ein Erinnerungsort für die Opfer des Nationalsozialismus entstehen
Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und des Holocaust nicht in Vergessenheit geraten. An seiner Sitzung vom 26. April hat er deshalb 2,5 Millionen Franken für die Realisierung eines Erinnerungsortes für die Opfer des Nationalsozialismus bewilligt. Das Mahnmal soll in der Stadt Bern entstehen und für alle zugänglich sein. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wurde beauftragt, bis im Sommer 2023 eine entsprechende Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Stadt Bern auszuarbeiten.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94582.html
-> https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/stadt-bern-begruesst-schaffung-eines-ortes-der-erinnerung
-> https://swissjews.ch/de/news/bund-schafft-memorial-in-bern
-> https://www.blick.ch/politik/bund-zahlt-2-5-millionen-franken-in-bern-soll-ein-holocaust-gedenkort-entstehen-id18522140.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/opfer-des-nationalsozialismus-bern-erhaelt-erinnerungsort-fuer-nazi-opfer
-> https://www.derbund.ch/bundesrat-spricht-geld-fuer-gedenkort-in-bern-955335649652
-> https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/opfer-des-holocaust-erhalten-gedenkstaette-in-bern?urn=urn:srf:video:a3ecd89b-e483-4e75-b17f-068408135311
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/in-bern-und-st-gallen-bund-spricht-geld-fuer-gedenkort-fuer-nazi-opfer-151207199


Ein Holocaust-Memorial im St.Galler Rheintal
Im Raum Diepoldsau soll ein Holocaust-Memorial entstehen. Das Vorhaben steht im Zusammenhang zu einem vom Bund geplanten zentralen Erinnerungsort an die Opfer des Nationalsozialismus. Die St.Galler Regierung unterstützt die Idee.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/ein-holocaust-memorial-im-st-galler-rheintal-00210888/
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/rheintal/gedenkstaette-gegen-das-vergessen-das-rheintal-bekommt-ein-holocaust-mahnmal-ld.2448010


Worüber wir reden, wenn wir „Identitätspolitik“ sagen (und worüber nicht)
Identitätspolitik – das machen immer nur die anderen. Das suggerieren zumindest die einschlägigen deutschsprachigen Feuilleton-Debatten. Es hilft daher zu wissen, woher der Begriff kommt, wofür er zu Beginn einstand und wie er zu einer konservativen Kampfvokabel wurde.
https://geschichtedergegenwart.ch/worueber-wir-reden-wenn-wir-identitaetspolitik-sagen-und-worueber-nicht/


Jugendliche im Widerstand: Edelweißpiraten
Köln im Herbst 1944: In der kriegszerstörten Stadt leistet eine kleine Gruppe von Jugendlichen bewaffneten Widerstand gegen das Nazi-Regime. Bartholomäus Schink, Franz Rheinberger und Fritz Theilen gehören zu den sogenannten “Edelweißpiraten”, einer ursprünglich unpolitischen Jugendbewegung, die von den Nationalsozialisten verboten und verfolgt wurde.
https://www.arte.tv/de/videos/110284-000-A/jugendliche-im-widerstand-edelweisspiraten/


Problematische Schätze der Museen: Wer verkauft schon seine Gottheiten?
Albert Gouaffo, Deutschprofessor aus Kamerun, ruft zur Restitution afrikanischer Objekte aus Basler Museen auf. Leider reichte es im Foyer des Theaters nicht für eine lange Diskussion.
https://www.derbund.ch/wer-verkauft-schon-seine-gottheiten-392307253627


Buch über afrodeutschen Ak¬ti¬vis¬mus: Deutschland ist Black
US-Historikerin Tiffany N. Florvil stellte am Dienstag im „Heimathafen Neukölln“ Berlin ihr Buch „Black Germany“ über die afrodeutsche Bewegung vor.
https://taz.de/Buch-ueber-afrodeutschen-Aktivismus/!5927638/


Vom Babystrich in den Gemeinderat
Mit 15 Jahren konsumierte sie zum ersten Mal Heroin, dann geriet Silvia Eyers Leben in die Abwärtsspirale: Lügen, Beschaffungskriminalität, Verhaftungen, Prostitution. Heute ist die 38-Jährige clean, ausgebildete Yogalehrerin und seit gut 100 Tagen SP-Gemeinderätin in ihrer Heimatgemeinde Naters. Ihre Geschichte über den langen Weg vom Babystrich in den Gemeinderatssaal erzählt Silvia Eyer heute live im «TalkTäglich».
https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/vom-babystrich-in-den-gemeinderat-150788091