Medienspiegel 27. Februar 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Bern: Auseinandersetzung im Bundesasylzentrum
Am Sonntagabend ist es in einem Bundesasylzentrum in Bern zu zwei Auseinandersetzungen gekommen. Im Zuge dieser wurden fünf Personen verletzt. Nach der medizinischen Versorgung wurden sie vorläufig festgenommen. Ermittlungen zu den Ereignissen sind im Gange.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=2978f2d9-da50-4dd5-9f94-e3bdc35da130
-> https://www.derbund.ch/fuenf-verletzte-bei-streit-in-berner-bundesasylzentrum-884199746338
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/fuenf-verletzte-nach-schlaegerei-in-berner-bundesasylzentrum-150307084


+++AARGAU
49 Personen müssen ihre Wohnung verlassen: Aargau richtet neue Asylunterkunft ein
Der Kanton Aargau plant in Windisch bei Brugg eine Asylunterkunft für rund 100 Personen. Der Eigentümer der Liegenschaften hat dafür den bestehenden Bewohnern gekündigt. Der Gemeinderat ist empört.
https://www.watson.ch/schweiz/migration/743719055-aargau-richtet-asylunterkunft-ein-49-personen-muessen-wohnung-verlassen
-> https://www.blick.ch/news/aargauer-gemeinde-windisch-wehrt-sich-49-mieter-muessen-raus-fuer-asylunterkunft-id18354066.html
-> https://www.20min.ch/story/49-mieter-muessen-wohnung-wegen-asylunterkunft-verlassen-246788210177
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/49-kundigungen-kanton-aargau-plant-asylunterkunft-in-windisch-66433021
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/streit-in-windisch-ag-fuer-asylunterkunft-49-personen-muessen-ihre-wohnungen-verlassen
-> https://www.20min.ch/story/als-wir-die-kuendigung-erhielten-begannen-die-kinder-zu-weinen-589729177189
-> https://twitter.com/jsvpaargau/status/1630203479682588672
-> https://www.petitio.ch/petitions/15Tfl
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/679073501-5-punkte-warum-der-kanton-aargau-fuer-fluechtlinge-49-mietern-kuendigt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/kritik-an-geplanter-asylunterkunft-in-windisch?id=12343186
-> Schweiz aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/schweiz-aktuell-vom-27-02-2023?urn=urn:srf:video:9ae7f1b3-9ee5-435e-8395-67d5d5e45132
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/49-mieter-muessen-fluechtlingen-platz-machen-150309028
-> https://www.telem1.ch/aktuell/kuendigung-in-windisch-muessen-49-mieter-raus-damit-asylbewerber-einziehen-koennen-150308727
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/bewohner-in-windisch-ag-kann-nicht-mehr-schlafen-66433082
-> https://www.20min.ch/story/mieter-muessen-fuer-asylunterkunft-wohnungen-raeumen-das-sagt-der-kanton-667862015529
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/widerstand-nein-zur-asylunterkunft-windisch-junge-svp-aargau-lanciert-petition-gegen-den-rauswurf-der-mieterinnen-und-mieter-ld.2421897
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylstreit-windisch-kanton-spielt-einheimische-gegen-gefluechtete-aus-svp-sp-und-netzwerk-asyl-ueben-scharfe-kritik-ld.2421992



aargauerzeitung.ch 27.02.2023

«Zutiefst schockiert»: Kanton richtet neue Asylunterkunft in Windisch ein – 49 Mieterinnen und Mieter erhalten die Kündigung

Der Kanton Aargau plant in Windisch eine Asylunterkunft für rund 100 Personen. Um die Asylsuchenden unterbringen zu können, hat der Eigentümer der Liegenschaften die Mietverträge der bisherigen 49 Mieterinnen und Mieter per Ende Juni gekündigt. Der Gemeinderat Windisch ist zutiefst schockiert über das Vorgehen des Vermieters und des Kantons.

Fabian Hägler

Letzte Woche schlug ein Fall in Seegräben ZH hohe Wellen – dort kündigte die Gemeinde einem Mieter die Wohnung, um Flüchtlinge unterzubringen. Nun gibt es einen ähnlichen Fall im Aargau, wie aus einer Mitteilung der Gemeinde Windisch hervorgeht. Demnach plant der Kanton Aargau im Gebiet Zelglistrasse/Mülligerstrasse eine Asylunterkunft für rund 100 Personen.

«Um die Asylsuchenden unterbringen zu können, hat der Eigentümer der Liegenschaften die Mietverträge der bisherigen 49 Mieterinnen und Mieter per Ende Juni gekündigt», heisst es in der Mitteilung. Der Gemeinderat Windisch sei zutiefst schockiert über das Vorgehen des Vermieters und des Kantons.

Gemeinde will Kündigungen für Mieter nicht akzeptieren

Die Gemeinde wurde am 17. Februar an einer Besprechung mit dem Kantonalen Sozialdienst darüber informiert, dass der Kanton Aargau plant, in den Liegenschaften Zelglistrasse 9 und Mülligerstrasse 11/13 eine Asylunterkunft zu eröffnen. Die anwesenden Gemeindevertreter hätten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Liegenschaften vermietet seien und es die Gemeinde nicht akzeptiere, wenn für die Unterbringung von Asylsuchenden Mieterinnen und Mieter auf die Strasse gestellt werden.

In einem Brief an den Kantonalen Sozialdienst hat der Gemeinderat Windisch wenige Tage später seine ablehnende Haltung gegenüber dieser für die Mieterinnen und Mieter einschneidende Massnahme nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Kanton wurde darauf hingewiesen, dass die Gemeinde Windisch, wie anlässlich der Besprechung bereits mündlich vereinbart, vor der Einleitung von weiteren Schritten zu informieren sei.

Die ersten Mieter haben bereits die Kündigung erhalten

Am Freitag, 24. Februar haben erste Mieterinnen und Mieter der betroffenen Liegenschaften mit der Kündigung des Mietvertrags in den Händen die Gemeindeverwaltung aufgesucht. «Weder der Gemeinderat noch die Gemeindeverwaltung wurden vorher über den Vollzug dieser Kündigungen in Kenntnis gesetzt», heisst es in der Mitteilung. Die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung und der Gemeinderat sind «überrascht und schockiert über die Art und Weise, wie mit ihren Bürgerinnen und Bürgern umgegangen wird».

Der Gemeinderat wehrt sich vehement gegen den Rauswurf seiner Einwohnerinnen und Einwohner aus ihren Wohnungen. Gerade für Personen, welche bereits in einer finanziell angespannten Situation sind, werde es schwierig bis unmöglich sein, in der näheren und weiteren Umgebung Wohnraum in diesem niedrigen Preissegment zu finden, gibt die Behörde zu bedenken. «Wo sollen diese Menschen unterkommen, wenn sie sich bereits diese günstige Wohnung nur knapp leisten können?», fragt der Gemeinderat.

Kanton wollte trotz Notlage zuerst auf Sanitätsstellen setzen

Der Regierungsrat hatte mit der Ausrufung der Asylnotlage Mitte Januar mitgeteilt, dass die Nutzung von unterirdischen Sanitätsstellen im Vordergrund steht. Falls dereinst die Kapazitäten ausgeschöpft sein sollten, so der Regierungsrat, könnten im äussersten Notfall Gemeinden sowie Privateigentümer per Beschlagnahmungsverfügung verpflichtet werden, auch anderweitige geeignete Liegenschaften zur Verfügung zu stellen. Der Regierungsrat hat darauf hingewiesen, dass er zurückhaltend und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit mit dieser Möglichkeit umgehen wird.

Dass der Kanton nun so weit geht, dass sogar bewohnte Liegenschaften angemietet werden, im Wissen, dass dafür Mieterinnen und Mieter gekündigt werden muss, löst beim Gemeinderat grosses Befremden aus. Von Zurückhaltung und Verhältnismässigkeit sei in diesem Fall nichts zu spüren. Mit dem Vertreiben von sozial Schwächeren aus ihren Wohnungen zur Unterbringung von Asylsuchenden werde das Problem lediglich verlagert. Anstelle des Kantons sei es nun an der Gemeinde, ihre Bürgerinnen und Bürgern bei der Suche nach neuen Wohnungen zu unterstützen.

Gemeinde will sich mit allen Mitteln für Betroffene einsetzen

Die Gemeinde Windisch werde sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass die Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen bleiben können, kündigt der Gemeinderat an. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, um die Flüchtlingskrise gemeinsam zu lösen, sieht aus Sicht des Gemeinderates unter Führung von Gemeindepräsidentin Heidi Ammon (SVP) definitiv anders aus.

Der Gemeinderat hält fest, man habe sich in der Vergangenheit und auch bei der aktuellen Krise mit finanziellen und personellen Ressourcen stets dafür eingesetzt, einen Beitrag für die Bewältigung der sozialen Herausforderungen zu leisten. Daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern, «jedoch wird vom Kanton erwartet, dass er auf die Miete der betroffenen Liegenschaften verzichtet und zukünftig mit allen Betroffenen wieder fair umgegangen wird.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/fluechtlingswesen-kanton-richtet-neue-asylunterkunft-in-windisch-ein-49-mieterinnen-und-mieter-erhalten-die-kuendigung-ld.2421736)



aargauerzeitung.ch 27.02.2023

«Diese Kündigung ist das Hinterletzte»: So reagieren Mieterinnen und Mieter in Windisch auf den Rauswurf

Weil der Kanton an der Zelglistrasse 9 und an der Mülligerstrasse 11/13 in Windisch eine Asylunterkunft plant, werden alle Bewohnerinnen und Bewohner per Ende Juni aus der Wohnung geworfen. Den Grund für die Kündigung erfuhren sie erst von der AZ. Die Betroffenen sorgen sich nun um ihre Existenz.

Claudia Meier

Der Schock über die 49 Wohnungskündigungen im Gebiet Zelglistrasse/Mülligerstrasse in Windisch, wo der Kanton eine Asylunterkunft für 100 Personen plant, sitzt nicht nur bei der Gemeinde tief, sondern auch bei den Betroffenen. Bei einem Augenschein vor Ort am Montagmittag blickt ein Mädchen traurig und wie versteinert aus einem Fenster.

In diesem Haus leben viele Familien, ist später zu erfahren. Auf Briefkästen und Haustüren kleben Zettel, auf denen für Sonntag, 26. Februar, um 11 Uhr zu einer Zusammenkunft auf dem Parkplatz aufgerufen wurde, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es gehe darum, den «Einspruch bei der Schlichtungsstelle in Aarau» zu besprechen.

Das Ziel sollte sein, einen Aufschub der Kündigung zu erwirken sowie den Grund der selbigen zu erfahren. «Eine Begründung steht uns auf Verlangen zu», heisst es in Klammern. Doch nicht allen Mieterinnen und Mietern war es möglich, beim Treffen dabei zu sein. Für einige bestehen auch sprachliche Barrieren.

Sieben Mieter teilen ein Badezimmer

Die AZ trifft auf dem Parkplatz auf den Türken Zeki Dogan, der seit einem Jahr in einem Studio unter dem Dach lebt. WC, Badezimmer und Küche teilt er sich mit den sechs weiteren Parteien im zweiten Stock. Die Gemeinde Windisch bezahle seine Monatsmiete von 800 Franken, weil er von der Sozialhilfe lebe, erzählt er.

Seine Gefühlslage lässt Zeki Dogan auf dem Handy übersetzen: «Ich bin ein Flüchtling. Es wird sehr schwierig sein, ein Haus für mich zu finden.» Er habe keine Ahnung, warum er dieses Haus verlassen müsse.

Etwas weniger Sorgen macht sich die Englisch sprechende Nachbarin Cam Nhung Miller. Die Vietnamesin geht einer Arbeit nach und ist optimistisch, bis im Sommer eine Anschlusslösung zu finden. Sie lebt seit fünf Jahren in einem möblierten Studio an der Mülligerstrasse und weiss, dass es für einige Mietparteien ein grosses Problem darstellen wird, eine neue Wohnung zu finden.

Sie zeigt das Kündigungsschreiben. Auf dem Formular des Kantons, das von der privaten Eigentümerschaft verschickt wurde, ist das Feld für die Begründung leer. Was im unteren Abschnitt mit der Rechtsmittelbelehrung gemeint ist, versteht die Mieterin nicht.

Mieter dachte an einen Neubau

Im Korridor stösst Renato Haberstich zur Gesprächsrunde. Auch er wohnt bereits seit fünf Jahren hier. Entrüstet sagt er: «Diese Kündigung ist das Hinterletzte.» Dass er als Schweizer Platz für Asylsuchende machen soll, erfährt Haberstich von der AZ. Er sei davon ausgegangen, die älteren Liegenschaften würden abgerissen und durch einen Neubau mit Eigentumswohnungen ersetzt, fügt er an.

Auch er verweist auf die anderen Liegenschaften, in denen Familien mit zum Teil noch kleinen Kindern leben, aber auch Betagte, Sozialhilfebezüger und psychisch Kranke.

Die Nähe zu den Psychiatrischen Diensten Aargau sei für einige Bewohner wichtig, sagt Björn Waltert, ein anderer Bewohner. Er hat sich bereit erklärt, die Briefe zu koordinieren, mit denen der Aufschub der Kündigung erwirkt und die Begründung verlangt werden sollen. Persönlich hofft er auf Hilfe bei der Suche nach einem neuen Zuhause für sich und Hund Ambra.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylstreit-diese-kuendigung-ist-das-hinterletzte-so-reagieren-mieterinnen-und-mieter-in-windisch-auf-den-rauswurf-ld.2421826)



aargauerzeitung.ch 27.02.2023

«Wir haben keine leeren Wohnungen und müssen Flüchtlinge unterbringen»: Sozialvorsteherin fühlt sich vom Kanton im Stich gelassen

Mitte-Grossrätin Franziska Stenico ist in Beinwil/Freiamt für das Sozialwesen zuständig. Sie möchte auf Landwirtschaftsland beim Schulhaus Container für Flüchtlinge aufstellen. Das sei aufgrund des Bundesrechts unmöglich, heisst es vom Kanton. Und mehr Geld aus Aarau gibt es nicht für die Gemeinden – das macht Stenico wütend.

Fabian Hägler

Franziska Stenico ist nicht bekannt als Politikerin der lauten Töne, die 56-jährige Mitte-Grossrätin zählt eher zu den ruhigeren Vertreterinnen im Kantonsparlament. Doch die Antwort des Regierungsrats auf ihre Fragen, wie der Kanton die Gemeinden bei der Unterbringung von Flüchtlingen unterstützen wolle, macht sie wütend. «Ich bin absolut unzufrieden damit und fühle mich als Sozialvorsteherin, die alles versucht, um für diese Leute menschenwürdige Plätze zu finden, im Stich gelassen», sagt Stenico.

Mitte November waren die Bundeszentren voll belegt und das Staatssekretariat für Migration (SEM) wies den Kantonen auch Flüchtlinge zu, die noch im Asylverfahren waren. Im Aargau musste die unterirdische geschützte Operationsstelle (Gops) beim Spital Muri in Betrieb genommen werden, in den bestehenden kantonalen Unterkünften wurden mehr Menschen untergebracht. Und auch der Druck auf die Gemeinden stieg, mehr Plätze für Geflüchtete bereitzustellen.

Sozialvorsteherin rechnet mit höheren Flüchtlingszahlen

Stenico ist im Gemeinderat von Beinwil/Freiamt für das Sozialressort zuständig und mit dem Problem konfrontiert, auf dem praktisch ausgetrockneten Markt günstige Wohnungen für Flüchtlinge zu finden. «Wir können Geflüchtete nicht in Bruchbuden unterbringen, aber natürlich auch keine Einfamilienhäuser für 5000 Franken pro Monat mieten», sagte sie damals. Dazu seien die Pauschalen, welche die Gemeinden für die Unterbringungen der Geflüchteten erhalten, deutlich zu niedrig.

Verschärft wurde die Situation durch die Ankündigung des Kantons, dass alle Gemeinden, die ihre Aufnahmepflicht für Flüchtlinge nicht erfüllen, ab Februar eine Ersatzabgabe zahlen müssen. «Bei uns leben derzeit 14 Ukrainerinnen und Ukrainer sowie eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan, wir sind damit fünf Personen über dem Soll», sagt Stenico. Doch sie geht davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge, die in die Schweiz kommen, im laufenden Jahr deutlich zunehmen wird.

Kanton will Entschädigung für Gemeinden nicht erhöhen

Vor diesem Hintergrund fragte sie Mitte November in einer Interpellation, wie der Kanton die Gemeinden bei Wohnungssuche und Unterbringung von Geflüchteten besser unterstützen könne. Die Regierung bleibt in ihrer Antwort vage und schreibt, der Kantonale Sozialdienst stehe mit den Gemeinden in regem Austausch. Man sei sich bewusst, «dass es vielerorts nicht einfach ist, zeitnah den benötigten Wohnraum zu schaffen». Deshalb unterstütze der Sozialdienst die Gemeinden mit Beratung zu Unterbringungsformen und zeige Lösungsansätze auf.

Stenico reicht das nicht, sie wünscht sich konkrete Unterstützung, vor allem wenn es um Containerlösungen geht. Auf einer Wiese beim Schulhaus, die im Besitz der Gemeinde ist, möchte sie Container aufstellen, wenn die Flüchtlingszahlen weiter ansteigen. Doch mehr Geld vom Kanton gibt es nicht, wenn Container gemietet werden: «Aktuell ist keine Erhöhung vorgesehen», schreibt die Regierung mit Blick auf die Entschädigung der Gemeinden für Betreuung und Unterbringung.

Die monatliche Pauschale von 1539 Franken pro zugewiesene Person, die der Aargau vom Bund erhält, decke nur einen Teil der anfallenden Kosten, erläutert der Regierungsrat. Der Kanton wird wegen der unzureichenden Pauschale des Bundes und der hohen Zuweisungen von Schutzsuchenden seine Kosten ebenfalls nicht vollumfänglich decken können. Die zusätzlich benötigten finanziellen Mittel für Unterbringung, Betreuung und Bildung müsse deshalb der Kanton tragen.

Bundesrecht verhindert Container auf Landwirtschaftsland

Der Kanton hat Mitte Januar die Asylnotlage ausgerufen und die Verfahren für neue Flüchtlingsunterkünfte massiv vereinfacht. So wurden die Einsprachefristen gegen Baugesuche und -bewilligungen verkürzt und Rechtsmitteln die aufschiebende Wirkung entzogen. Doch für Stenicos Vorhaben, auf Landwirtschaftsland in Beinwil einige Container aufzustellen, gibt es aus Aarau keine Unterstützung. Der Kanton hat hier laut Regierung keinen Spielraum, weil Bauten ausserhalb der Bauzone im nationalen Raumplanungsgesetz geregelt seien.

«Containersiedlungen für schutzsuchende Personen dürften auch bei Ausrufung einer Notlage in der Landwirtschaftszone nur bewilligungsfähig sein, wenn innerhalb der Bauzone keine Alternativen bestehen», heisst es in der Antwort. Dieser Grundsatz könne durch kantonales Notrecht nicht beeinflusst werden, schreibt der Regierungsrat. Auch das Einspracherecht von Anwohnern oder Verbänden gegen solche Projekte könne der Kanton weder einschränken noch aufheben.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylwesen-wir-haben-keine-leeren-wohnungen-und-muessen-fluechtlinge-unterbringen-sozialvorsteherin-fuehlt-sich-vom-kanton-im-stich-gelassen-ld.2421427)


+++SCHWEIZ
Diese Geschäfte gehören zu den Schwerpunkten der Frühjahrssession
(…)
Asyl: Weil der Bund mit seinen regulären Strukturen wegen der grossen Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern am Anschlag ist, hilft die Armee aus. Sie stellt für die Unterbringung von Asylsuchenden rund 3000 zusätzliche Plätze zur Verfügung. Weil die für die Betreuung der Menschen nötigen Fachleute auf dem Arbeitsmarkt nur äusserst schwierig zu finden sind, wird die Armee punktuell auch zur personellen Unterstützung beigezogen. Möglich ist der Einsatz von bis zu 500 Armeeangehörigen. Die Leistungen werden von Durchdienern oder Formationen erbracht, die ordentlich im Dienst sind. Den subsidiären Armeeeinsatz zugunsten des Bundes hatte der Bundesrat bereits im Dezember bewilligt. Weil der Einsatz aber länger als drei Wochen dauert, muss nun das Parlament zustimmen, damit er bis Ende März fortgesetzt werden kann. Das Geschäft ist deshalb in beiden Räten traktandiert.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230227043114512194158159038_bsd013.aspx


Solidarität und Schutz für Geflüchtete aus dem Iran
Anlässlich der für heute erwarteten Erklärung des Nationalrats für Menschenrechte und Demokratie im Iran ruft Amnesty International die Schweiz auf, konsequent für die iranische Zivilgesellschaft einzustehen und ihre Solidarität in konkreten Handlungen zu zeigen. Die Schweizer Asylbehörden sollten allen Geflüchteten aus dem Iran Schutz gewähren und Asylsuchende nicht länger wegweisen.
https://www.amnesty.ch/de/laender/naher-osten-nordafrika/iran/dok/2023/solidaritaet-und-schutz-fuer-gefluechtete-aus-dem-iran


Regula Mader und Marcel Suter neu in der Direktion des SEM
Die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, Bundesrätin Elisabeth Baume Schneider, hat Regula Mader zur Vizedirektorin und Marcel Suter zum Vizedirektor des Staatssekretariates für Migration (SEM) ernannt. Regula Mader wird ab 1. April 2023 den Direktionsbereich Zuwanderung und Integration leiten, Marcel Suter übernimmt ab 1. Mai 2023 die Leitung des neu geschaffenen Direktionsbereichs Bundesasylzentren.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-93327.html


+++DEUTSCHLAND
Warum immer mehr türkische Staatsbürger nach Deutschland fliehen
Nach Syrien und Afghanistan sind Staatsangehörige aus der Türkei die drittgrößte Gruppe der Antragsteller auf Asyl in Deutschland. Die repressive türkische Politik treibt vor allem auch Kurden zur Flucht.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/warum-immer-mehr-tuerkische-staatsbuerger-nach-deutschland-fliehen,TWzI2Cf


+++MITTELMEER
Nach Bootsunglück vor Italiens Küste: 8.000 Euro für die Fahrt in den Tod
Nach der Flüchtlingstragödie vom Sonntag werden Vorwürfe gegen Italiens Regierung laut. Die reagiert mit der Androhung einer Verleumdungsklage.
https://taz.de/Nach-Bootsunglueck-vor-Italiens-Kueste/!5918306/
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/dutzende-tote-migranten-nach-schiffsunglueck-vor-sueditalien,TWxmX08
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/migration-italien-fischerboot-tote
-> https://www.nzz.ch/panorama/schiffbruch-am-strand-mindestens-61-migranten-in-italien-ertrunken-ld.1727877
-> https://taz.de/Ertrunkene-Fluechtlinge-vor-Italien/!5915754/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171284.seenotrettung-eu-asylpolitik-dutzende-gefluechtete-im-mittelmeer-ertrunken.html


Tagesgespräch: Brauchen wir eine europäische Seenotrettung?
Immer wieder geraten auf dem Meer Boote mit Migranten in Seenot. Bei einem Unglück vor der italienischen Küste sind mehr als 50 Menschen gestorben.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/tagesgespraech-brauchen-wir-eine-europaeische-seenotrettung,TX3LUbo


+++SPORT
Biel: Polizeieinsatz nach Eishockeyspiel
Am Freitagabend ist es nach einem Eishockeyspiel in Biel zu einem Polizeieinsatz gekommen, als zahlreiche Gästefans eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen versuchten und Einsatzkräfte mit Steinen bewarfen. Es mussten Mittel eingesetzt werden.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=f46d541a-87e0-4349-ae75-948432732e54
-> https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=f46d541a-87e0-4349-ae75-948432732e54


+++JUSTIZ
Bundesgericht erfindet Strafbefehlsverfahren neu
Ein neuer Grundsatzentscheid des Bundesgerichts lässt das Strafbefehlsverfahren in einem völlig neuen Licht erscheinen, indem das Einsprache- bzw. insbesondere das Rückzugsrecht neu definiert bzw. teilweise aufgehoben wird (BGE 6B_222/2022 vom 18.01.2023, Publikation in der AS vorgesehen). Es ist nämlich neu die Staatsanwaltschaft, die darüber entscheidet, ob und wann ein Einsprecher die Einsprache gegen den Strafbefehl zurückziehen kann.
https://www.strafprozess.ch/bundesgericht-erfindet-strafbefehlsverfahren-neu/


+++KNAST
Gefängnis
Dicke Mauern, Gitterfenster und Stacheldraht. Dahinter 85 Männer, die in der Untersuchungshaft auf ihr Urteil warten: Mutmassliche Diebe, Betrüger und Mörder. neo1 ist diese Woche auf einem Rundgang im Regionalgefängnis Thun, hinter sehr vielen verschlossenen Türen unterwegs.
https://www.neo1.ch/artikel/gefaengnis


+++POLIZEI ZH
Die Zürcher Justiz muss gegen zwei Polizisten ermitteln, die einer Frau ohne gültiges Covid-Zertifikat den Arm gebrochen haben sollen. So will es das Bundesgericht. (ab 09:11)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-kantonsrat-will-chancen-von-tiefengeothermie-eroertern?id=12343138


+++FRAUEN/QUEER
Antifeminismus-Meldestelle: Amadeu Antonio Stiftung will Angriffe systematisch erfassen
Angriffe auf Menschen, die sich für Gleichstellung engagieren, müssten systematisch erfasst werden, so Judith Rahner von der Amadeu Antonio Stiftung. Die kritisierte Meldestelle der Stiftung sei kein „Petz-Portal“, sondern helfe Betroffenen.
https://www.deutschlandfunk.de/antifeminismus-meldestelle-interview-judith-rahner-amadeu-antonio-stiftung-dlf-4bc2bfc3-100.html


+++++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Deutsche Polizei schweigt, Schweizer Asylstatistik veröffentlicht, Italienische Schulen leisten Widerstand
https://antira.org/2023/02/27/deutsche-polizei-schweigt-schweizer-asylstatistik-veroeffentlicht-italienische-schulen-leisten-widerstand/


+++FUNDIS
Stadt Zürich bewilligt erneut Kundgebung gegen Abtreibungen
Am 16. September soll in Zürich erneut der «Marsch fürs Läbe» stattfinden. Rund um die Kundgebung von Abtreibungsgegnern kam es bereits mehrfach zu brenzligen Situationen mit Teilnehmenden von Gegendemonstrationen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/kundgebung-stadt-zuerich-bewilligt-erneut-kundgebung-gegen-abtreibungen-ld.2421975


+++HISTORY
Wie der Klimaterrorismus erfunden wurde
Der Terrorismusvorwurf gegen linke Bewegungen hat eine lange Geschichte, denn er erfüllt eine ideologische Funktion in der bürgerlichen Ordnung
Nicht erst seit der Rede von »Klimaterroristen« erfüllt der Vorwurf des Terrorismus eine staatliche Funktion zur Delegitimierung von Protestbewegungen. Eine Spurensuche vom Tierrechts- bis zum Klimaaktivismus.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171301.klimaterroristen-wie-der-klimaterrorismus-erfunden-wurde.html



solothurnerzeitung.ch 27.02.2023

Sie war schwarz, er weiss: Wie die Liebe eines Gerlafinger Ehepaares in den 1950er-Jahren verboten war und schliesslich doch den Segen der UNO erhielt

Die Gerlafingerin Jennifer Weber erzählt, wie ihre Grosseltern – gegen das damalige Verbot sogenannter Mischehen – Geschichte geschrieben haben. Was ein bekanntes Nachrichtenmagazin damit zu tun hat. Und warum ihr bei politischer Korrektheit schnell der Geduldsfaden reisst.

Daniela Deck

Die Familiengeschichte der Gerlafingerin Jennifer Weber hat alles, was eine grosse Saga ausmacht. Es ist die Geschichte einer grossen Liebe gegen unzählige Widerstände. Schliesslich führte ein Missverständnis zur Tragödie.

Doch der Reihe nach: Anfang der Fünfzigerjahre wanderte der Zürcher Anton Weber nach Britisch-Ostafrika aus, dem heutigen Tansania. Er verliebte sich in Marita Salim, seine junge Hausangestellte. Spätestens nach der Geburt des Sohnes Mandaly war für das Paar klar, dass sie heiraten wollten. Doch das war damals ein solcher Skandal, dass Anton Weber von den britischen Behörden aus dem Land spediert wurde.

So ist es kein Wunder, dass das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» bereits 1954 über die Liebe eines Schweizers für eine junge Schwarze berichtete und ihrem damals revolutionären Kampf um eine legitime Ehe.

Auch die Familie und die Dorfgemeinschaft der 19-jährigen Frau konnten der Idee nichts abgewinnen. Im «Spiegel»-Bericht von 1954 ist die Rede von «einem zähnefletschenden alten Neger», der auf Webers Farm erschien, um mitzuteilen, dass das Mädchen ihm gehöre und Weber ein Ehebrecher sei.

«Ich bin nicht einverstanden damit, dass die Liebesgeschichte meiner Grosseltern quasi als Entführung eines ‹Negermeitschi› in die Schweiz dargestellt wird. Sie war eine starke Frau, die ganz genau wusste, was sie wollte», sagt Jennifer Weber.

So bekam die Geschichte nun wieder Aktualität. Denn Weber meldete sich kürzlich beim bekannten deutschen Magazin mit der Bitte, die Perspektive zurechtzurücken – und zugleich die zweite Hälfte der Geschichte zu erzählen. Eine Bitte, der der «Spiegel» vorvergangenen Samstag mit einiger Selbstkritik nachkam.

Von Mrs. Roosevelt zur UNO

Doch zurück in die 1950er-Jahre: Anton Weber setzte alle Hebel in Bewegung, die ihm einfielen. Er bat sogar Eleanor Roosevelt, die ehemalige US-First Lady, brieflich um Unterstützung. Vergeblich. Verzweifelt wandte er sich schliesslich ans Petitionskomitee der Vereinten Nationen (UNO).

Marita Salim, die nach 1976 in die Region Solothurn zog, sass mit dem Sohn in Daressalam fest, weil es für sie keine Ausreisegenehmigung gab und der aufmüpfige Schweizer Kindsvater von den Behörden zur Persona non grata erklärt worden war. Schliesslich hatte die Staatengemeinschaft ein Einsehen.

Das Paar ging eine der ersten Mischehen ein und begann das Familienleben in der Schweiz, wo noch zwei weitere Kinder geboren wurden. Für den «Spiegel» war damals klar, das Ehepaar habe «unzeitgemässen Grundsätzen britischer Kolonialpolitik einen persönlichen Sieg abgetrotzt».

Quarantäne wurde dem Paar zum Verhängnis

«Toni war die grosse Liebe von meinem Grosi. Für sie gab es nie einen anderen Mann», sagt Enkelin Jennifer Weber. Anton Weber war sich allerdings seiner Marita entweder nicht ganz sicher oder aber seine impulsive Art stellte ihm ein Bein.

Marita Weber-Salim reiste regelmässig nach Tansania zu ihren Verwandten, so auch 1976. Das Unglück wollte es, dass wegen einer Masernepidemie Quarantäne über das Dorf verhängt wurde und sie ihren Mann nicht benachrichtigen konnte.

Als seine Frau nicht termingerecht heimkehrte, glaubte Anton Weber, sie habe ihn für einen anderen Mann verlassen. In seiner Verzweiflung packte er das Familienvermögen und alle amtlichen Dokumente in die Badewanne, zündete sie an und erschoss sich. So sei der Enkelin das Drama geschildert worden. Romeo und Julia – von der Theaterbühne in die Realität getreten.

Ersatzmami für die Enkelin

«Meine Grossmutter war stets der ruhige Pol in der Familie. Nun, als alleinerziehende Mutter, der jüngste Sohn war 15-jährig, muss sie ein wahrer Fels in der Brandung gewesen sein», sagt Jennifer Weber. Die Witwe zügelte in den Kanton Solothurn und bewältigte das Leben trotz aller Schwierigkeiten als schwarze Frau und Analphabetin. Vor knapp fünf Jahren ist Marita Weber-Salim gestorben.

«Meine Grossmutter war eine Lady», sagt Jennifer Weber. «Persönliche Eleganz, Selbstachtung und Stil, das habe ich von ihr gelernt, sind eine Frage des Charakters und nicht der Bildung.»

Für Jennifer Weber war die Grossmutter so etwas wie ein Ersatzmami. Die eigene Mutter war früh gestorben, mit der Stiefmutter vertrug sie sich nicht, was 12- bis 17-jährig zu einer leidvollen Odyssee durch Kinderheime und Fremdplatzierungen führte.

Rückkehr nach Solothurn geplant

«Ich bin durch und durch Schweizerin», sagt Jennifer Weber. Mit ihrer 7-jährigen Tochter lebt sie aktuell in Biel, plant aber eine Rückkehr nach Gerlafingen oder Umgebung, denn «dort ist mein Netzwerk daheim».

In Tansania war die Mittdreissigerin auf Geheiss der Eltern nur einmal; ihr Vater (Mandaly) habe inzwischen den Lebensmittelpunkt nach Afrika verlegt. «Leben könnte ich da nicht», sagt Jennifer Weber, «Errungenschaften wie die Schweizer Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und die Jahreszeiten würden mir zu sehr fehlen.»

Die Schweizer Kultur verteidigen

Die Woke-Debatte und sprachliche Verrenkungen im Dienst der Political Correctness machen Jennifer Weber wild, schliesslich sei sie mit Kasperli und Globi sozialisiert und möchte diese Geschichten weder missen noch weichgespült sehen. «Ein Mohrenkopf ist für mich immer noch ein Mohrenkopf.» Und: «Innerhalb der Familie ist ‹Negerli› bei uns ein Kosewort.»

Dennoch leidet Jennifer Weber als farbige Frau unter Rassismus und wünscht, sie könnte ihrer Tochter derartige Erfahrungen ersparen. Doch dann denkt sie an ihre Grossmutter und die Widerstände, die diese überwinden musste, um ihr Leben leben zu können – und fühlt sich gestärkt.
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/lebensgeschichte-meine-grossmutter-war-eine-lady-erinnerung-an-die-pioniertat-einer-mischehe-mit-segen-der-uno-ld.2420156)