Medienspiegel 25. Februar 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
hauptstadt.be 25.02.2023

«C’est la merde»

In einer unterirdischen Zivilschutzanlage am westlichen Rand Berns hausen derzeit abgewiesene Flüchtlinge. Bewohner und Stadtpolitiker*innen kritisieren die Unterkunft des Kantons.

Von Joël Widmer (Text) und Manuel Lopez (Bilder)

Neben dem Gitter, das die Einfahrtsrampe zur Zivilschutzanlage umzäunt, stehen ein Bauwagen und etliche Lieferwagen der nahen Baustelle. Im 5-Minuten-Takt kurven Lastwagen aus und ins Coop-Verteilzentrum. Im Hintergrund rauscht die nur wenige hundert Meter entfernte Autobahn. Bei Ostwind kann man die Schokoladen-Produktion aus der nahen Mondelez-Fabrik riechen.

Zwischen Brünnen und Riedbach, unter den Werkstätten des Verteilzentrums in einer Gewerbezone am westlichen Rand der Stadt Bern, betreibt der Kanton Bern unter Protest der Stadt Bern seit Anfang Januar eine unterirdische Asylunterkunft. Es ist ein Ort, der die unschöne Seite der Schweizer Asylpolitik zeigt. Nicht jene der solidarischen privaten Unterbringung von Ukrainer*innen. Nicht jene der Aufnahme syrischer Familien. Sondern jene der abgewiesenen Menschen.

Ein etwa 35-jähriger Marokkaner spaziert aus der Unterkunft die Rampe hinauf an die frische Luft. Seine Augen sind unterlaufen. Er wirkt müde. «Die Unterkunft ist ok», sagt er. Wir verständigten uns mit einem Gemisch aus Brocken von Italienisch, Französisch und Englisch. «Immerhin ist es warm hier drin», sagt er. Er wolle nicht zurück nach Marokko. Er sei doch schon durch so viele Länder geflüchtet. Über die Türkei, Mazedonien, Slowenien – «alles zu Fuss».

Kurze Zeit später humpelt ein Mann an einer Krücke aus dem Zentrum, der eine Arm hängt schlaff herab. «Es ist ok in der Unterkunft», sagt Abdul K. Er stammt aus dem Sudan. «Ich habe aber Schmerzen», sagt er. Er werde in der Unterkunft medizinisch versorgt. Doch um Essen zu kaufen, müsse er immer zu Fuss Richtung Brünnen. Abdul K. ist seit einer Woche im Zentrum. Auf die Frage, ob er die Schweiz nun verlasse, sagt er: «Ich gehe wohl wieder zurück in den Sudan.» Dann geht er weiter in Richtung Stadt. Das Einkaufszentrum Westside liegt einen Kilometer entfernt. Ein Bus oder ein Tram fährt hier im Industriegebiet nicht.

Zwei algerische junge Männer auf klapprigen Velos kommen zur Unterkunft zurück. Er sei seit zwei Monaten hier, sagt der eine, der etwas Deutsch spricht. Anfang Januar sei er direkt aus dem Gefängnis Burgdorf hierher nach Brünnen gekommen. Warum er sass, will er nicht preisgeben. Die Unterkunft sei ein Bunker. Man habe keine frische Luft, kein Tageslicht. «Das Gefängnis war besser», meint der Mann.

Auf dem Coop-Gelände unter Tage leben Menschen, die in der Schweiz nicht erwünscht sind. 40 Männer wohnen derzeit in Brünnen, betreut von Mitarbeiter*innen der Firma ORS. Die meisten sind sogenannte Dublin-Flüchtlinge. Sie haben schon in einem anderen europäischen Land ein Asylgesuch gestellt und müssen daher dorthin oder in ihr Herkunftsland zurück.

Der Kanton begründete die Inbetriebnahme des Zentrums im Dezember mit den steigenden Asylzahlen. Sowohl in Bundeszentren als auch in kantonalen Rückkehrstrukturen seien die Plätze rar. In Brünnen würden nur alleinstehende Männer mit Wegweisungsentscheid untergebracht. Eine Unterbringung von Frauen oder Familien mit Kindern sei ausgeschlossen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer werde einige Wochen betragen.

Ob der Aufenthalt für die Bewohner wirklich so kurz bleibt, ist aber fraglich. Denn Italien nimmt derzeit trotz Abkommen mit der Schweiz keine Dublin-Flüchtlinge zurück, wie das Staatssekretariat für Migration auf Anfrage bestätigt. Damit dürften einige der Männer mehr als nur ein paar Wochen in Brünnen wohnen.

Im Rahmen der Nothilfe erhalten die Männer im Rückkehrzentrum zehn Franken pro Tag. Damit müssen sie sich selbst verpflegen. Abgesehen von einem eingezäunten Weg zwischen den Bauwagen und der Rampe zum Eingang gibt es in der Unterkunft keinen Aussenraum, in dem sich die Männer aufhalten können.

Vor sechs Jahren, als in Brünnen schon mal Asylbewerber*innen untergebracht waren, gab es immerhin einen gedeckten, für die Bewohner abgesperrten Aussenbereich. «Alle im RZB Bern-Brünnen untergebrachten Personen sind in ihrer Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt und können sich inner- und ausserhalb des Zentrumareals frei bewegen», schreibt dazu der Sprecher des kantonalen Amtes für Bevölkerungsdienste auf Anfrage.

Der eingangs beschriebene körperlich beeinträchtigte Mann sei laut dem Amt in regelmässiger ärztlicher Behandlung. Die Terminkoordination werde im Rahmen der medizinischen Sprechstunde im Zentrum und darüber hinaus vom Betreuungspersonal wahrgenommen. Und allen Bewohnern des RZB Bern-Brünnen würden zweimal pro Woche medizinische Sprechstunden vor Ort angeboten.

Journalist*innen dürfen das Zentrum nicht besichtigen. Das beschied der Kanton der «Hauptstadt» auf Anfrage schon vor vier Wochen. Und dies wurde dem Autor diese Woche auch mitgeteilt, als er sich bei einem Augenschein vor Ort beim ORS-Personal vorstellte und nachfragte, ob die Zutrittsbeschränkung noch immer gelte.

Nach dem Besuch bei der Unterkunft erhielt der Autor zudem eine Mail des Amtes für Bevölkerungsdienste. Das Amt teilte der «Hauptstadt» mit, «dass sich die Unterkunft auf Privatgrund mit eingeschränkten Zutrittsrechten befindet sowie – ganz grundsätzlich – Bewilligungen für Vor-Ort-Reportagen ausnahmslos beim Amt für Bevölkerungsdienste eingeholt werden müssen.» Mit Blick auf eine weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit gehe das Amt davon aus, «dass Sie den von uns definierten Rahmenbedingungen im Bereich der Medienarbeit zukünftig Rechnung tragen werden.»

Wie es in der Unterkunft im Zivilschutzbunker aussieht, zeigt ein Beschrieb von Cornelia Hanke von der Aktionsgruppe Nothilfe, welche die Anlage kürzlich besichtigen konnte. Es habe Schlafsäle mit dreistöckigen Kajütenbetten. Diese seien zum Essraum hin offen. Die Duschen seien lediglich mit Vorhängen abgetrennt. Neben einer Küche gebe es einen Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheit, einen TV und einen Töggelikasten. «Kein Tageslicht, nirgends etwas Wohnliches, keine Privatsphäre, einfach Leere, Perspektivlosigkeit», ist das Fazit von Hanke.
-> https://www.instagram.com/p/Co5Ms3MrxQ-/?igshid=MDJmNzVkMjY%3D

Die Unterbringung unter der Erde führt auch zu politischen Diskussionen, denn in Brünnen vollzieht der bürgerlich regierte Kanton eine von der bürgerlichen Mehrheit in National- und Ständerat beschlossene Asylpolitik auf dem Boden einer links-grün regierten Stadt.

Die Stadt Bern hat schon im Dezember beim Kanton gegen die unterirdische Unterbringung von Geflüchteten protestiert. «Man hätte die Zeit mit tieferen Flüchtlingszahlen nutzen können, um gemeinsam nach genügend geeigneten Gebäuden zu suchen», sagt Gemeinderätin Franziska Teuscher auf Anfrage. Bund, Kanton und Gemeinden sollten laut Teuscher eine gemeinsame Strategie für die Unterbringung entwickeln. Die Stadt könne nur dann mithelfen, Gebäude in der Stadt zu suchen, wenn der Kanton sie danach frage. «Wir hatten aber keine Anfrage für eine Alternative für das Rückkehrzentrum in Brünnen.»

Die Stadt hat beim Kanton auch Forderungen deponiert. Die Männer dürften in Brünnen nur temporär für wenige Wochen untergebracht werden. Der Betreiberin der Anlage müssen laut Teuscher zudem die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit sie einen «sicheren und menschenwürdigen Betrieb» mit ausreichend Betreuungspersonal gewährleisten kann. «Den in Riedbach untergebrachten Männern müssen Angebote zur Verfügung stehen, die eine Tagesstruktur und soziale Kontakte ausserhalb der Anlage ermöglichen.» Dazu müsse die Betreiberin laut Teuscher vom Kanton Mittel erhalten, damit sie eine aktive Zusammenarbeit mit Freiwilligenorganisationen und Quartierträgerschaften aufbauen könne.

In einer Motion protestieren auch Stadträt*innen aus AL, SP und GB gegen die unterirdische Unterbringung und fordern, man solle eine oberirdische und damit menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung stellen oder die Männer im Container-Dorf auf dem Viererfeld unterbringen.
-> https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=f0a660b4d8484a92b9868351e7b14aff

Letztlich werden diese Forderungen der Stadtpolitiker*innen aber in der Galerie landen. Denn es ist politisch gewollt, dass abgewiesene Asylbewerber so leben, wie sie in Brünnen leben. Das Leben in der Schweiz soll ihnen so lästig gemacht werden, dass sie das Land freiwillig verlassen.

Zu den Forderungen des Berner Gemeinderates schreibt das Amt für Bevölkerungsdienste denn auf Anfrage auch: «Die Organisation von Beschäftigungsmöglichkeiten ist kein Bestandteil des Betreuungsauftrags der ORS.» Der Kanton will explizit keine Tagesstruktur für die in Brünnen untergebrachten Männer: «Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich die Inanspruchnahme von freiwilligen Beschäftigungsangeboten negativ auf die individuelle Ausreisebereitschaft auswirkt.»

Folgerichtig sehe auch der Grosse Rat keine Beschäftigungsmassnahmen mit potentiell integrationsfördernden Effekte vor: «Im Vordergrund steht die vorzugsweise freiwillige Ausreise in den Heimat- oder einen Drittstaat.» Freiwilligenarbeit sei aber in Rückkehrzentren in Rücksprache mit der jeweiligen Zentrumsleitung grundsätzlich möglich, schreibt der Kanton.

Auch eine Unterbringung der Abgewiesenen in der Unterkunft auf dem Viererfeld schliesst der Kanton aus. «Der Grosse Rat hat sich im Rahmen der Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern für eine klare infrastrukturelle Trennung von Personen im hängigen Asylverfahren und Personen mit negativem Asylentscheid ausgesprochen», schreibt das Amt für Bevölkerungsdienste. Dieser Grundsatz gelte nach wie vor.

Die abgewiesenen Asylbewerber werden also trotz Protest der Stadt vorerst weiter unterirdisch hausen. Beim Augenschein in Brünnen spricht der Autor mit einem weiteren Algerier. Er sagt, er lebe seit 23 Jahren in der Schweiz, die ganze Zeit als Sans-Papier. Er berichtet, er könne hier unterirdisch nicht gut schlafen. Es sei lärmig. Zudem erhalte er nur 70 Franken pro Woche. Das Fazit des Algeriers zu seiner Situation in der Unterkunft fällt kurz und knapp aus: «C’est la merde.» Es ist scheisse. «Dabei ist die Schweiz doch das Land der Menschenrechte», sagt er noch.
(https://www.hauptstadt.be/a/unterirdische-asylunterkunft-in-bern-bruennen)



derbund.ch 25.02.2023

Dissident aus Aserbaidschan: Die Polizei schützt ihn nur, wenn er aufhört zu bloggen

Manaf Jalilzade wurde 2022 im Emmental brutal verprügelt. Aus Aserbaidschan erreichen ihn täglich Drohungen. Schweigen sei aber keine Option, sagt er.

Quentin Schlapbach

Manaf Jalilzade ist täglich auf Sendung. Auf Youtube, Tiktok und Instagram teilt er seine Einschätzungen zum Geschehen in seiner Heimat Aserbaidschan. Jalilzades Videos werden tausendfach angeklickt und hundertfach kommentiert. Allein auf seinem Youtube-Kanal hat er 144’000 Abonnenten.

«Es ist mein Leben», sagt Jalilzade zu seiner Tätigkeit als politischer Blogger. «Ich will auf das Unrecht in meinem Land aufmerksam machen.» Stets im Fokus seiner Kritik: der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew und dessen Regime. Gemäss Demokratieindex der Zeitschrift «The Economist» belegt das ölreiche Land am Kaukasus Platz 146 von 167 und zählt somit zu den autoritären Regimen. Ein Punkt, den Jalilzade kritisiert, ist etwa der Krieg, den Aserbaidschan gegen sein Nachbarland Armenien führt. «Da kamen bisher schon Tausende Menschen ums Leben», so Jalilzade. «Und das ohne jeden Grund.»

Für seinen Aktivismus zahlt der Dissident einen hohen Preis. Beinahe täglich erreichten ihn Drohungen, sagt Jalilzade. Einige davon bleiben vage, andere sind dafür sehr konkret. «Mir wurde schon mehrfach gedroht, dass mir in meiner Wohnung etwas passieren werde», sagt er. Auch in der angeblich sicheren Schweiz fühle er sich ständig bedroht. Und diese Angst ist durchaus begründet.
Keine Aussicht auf Personenschutz

Der Vorfall ereignete sich im April des vergangenen Jahres. Drei Männer lauern Manaf Jalilzade an seinem damaligen Wohnort im Emmental auf und schlagen ihn zusammen. Im Spital wird später ein gebrochenes Nasenbein und ein abgebrochener Zahn diagnostiziert. Jalilzade ist davon überzeugt, dass es Gesandte aus seinem Heimatland waren, die ihn mit Fäusten und Tritten traktierten – auch weil die Männer ihn aserbaidschanisch angesprochen haben. «Das Regime versucht mich einzuschüchtern», so der Dissident.

Aserbaidschans Botschaft in der Schweiz bestreitet dies vehement. Zu keiner Zeit seien Regierungsstellen angewiesen worden, Angriffe auf Bürger im Ausland zu verüben. Entsprechende Vorwürfe seien «absolut inakzeptabel». Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu den Erzählungen anderer Regimekritiker aus Frankreich und Deutschland. Auch dort wurden jüngst Angriffe auf offener Strasse publik. Beweise, dass es sich bei all diesen Vorfällen um koordinierte Attacken auf politische Gegner handelte, liegen jedoch keine vor.

Jalilzade erstattete nach dem Vorfall bei der Kantonspolizei Bern Anzeige gegen unbekannt. Nach nur zwei Monaten sistierte die Staatsanwaltschaft das Verfahren aber wieder. In der entsprechenden Verfügung, die dieser Zeitung vorliegt, wird der Entscheid nicht näher begründet. Er habe das Gefühl, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden gar kein Interesse bestanden habe, seinen Fall aufzuklären, so Jalilzade.

Nach dem Vorfall zog Jalilzade an einen anderen Ort im Kanton Bern. Aber auch dort fühlte er sich nicht sicher. Über seine Social Media-Kanäle erhielt er Drohungen, dass er auch an seinem neuen Wohnort bald Besuch erhalten werde. «Das Regime weiss ganz genau, wo ich wohne», sagt Jalilzade. Bei der Kantonspolizei Bern beantragte er deshalb Personenschutz. Dieser Schutz war jedoch an gewisse Bedingungen geknüpft. «Die Polizisten sagten mir, dass ich aufhören solle, mich politisch zu äussern», sagt Jalilzade. «Erst dann würden sie mich schützen können.»

Die Kantonspolizei Bern schreibt auf Anfrage, dass sie sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zum Fall von Manaf Jalilzade äussern könne. «Grundsätzlich können wir jedoch festhalten, dass eine Teilnahme im Opferschutzprogramm freiwillig ist», so Kapo-Sprecherin Lena Zurbuchen. Wer am Programm teilnehmen wolle, müsse gewisse Kriterien einhalten. «Dazu gehört unter anderem, dass die betreffende Person keine Kontakte zu bisherigen Bezugspersonen pflegt sowie auf die Verwendung der sozialen Medien verzichtet», so Zurbuchen. «Dementsprechend wären wohl auch politische Aktivitäten mit der Teilnahme an einem Opferschutzprogramm nicht vereinbar.»
Das SEM tut sich schwer

Neben der Angst um seine körperliche Unversehrtheit belastet Jalilzade auch sein nach wie vor ungeklärter Asylstatus. Obwohl er bereits seit über fünf Jahren in der Schweiz weilt, ist sein Gesuch noch immer hängig. Im Januar 2018 stellte er den Antrag auf Asyl. Zwei Jahre später lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Gesuch ab.

Als Jalilzade gegen diesen Entscheid vor dem Verwaltungsgericht Beschwerde erhob, buchstabierte das SEM aber wieder zurück. Noch bevor das Verwaltungsgericht ein Urteil fällen konnte, revidierte das SEM seinen eigenen Entscheid und kündigte eine neuerliche Prüfung an. Das ist nun wiederum über ein Jahr her. Obwohl Jalilzade Deutsch spricht und gemäss eigenen Angaben auch Aussicht auf einen Job hätte, ist er zum Nichtstun verdammt. «Ich kann die Schweiz auch nicht verlassen, solange das Gesuch hängig ist», sagt er.

Auch das SEM schreibt auf Anfrage, dass es sich zu Einzelfällen nicht äussern könne. «Grundsätzlich sind es sehr zeitaufwendige Konstellationen mit spezifischem Abklärungsbedarf, die in einzelnen Fällen zu langen Bearbeitungsfristen führen», sagt SEM-Sprecher Lukas Rieder. In Bezug auf Oppositionsmitglieder in Aserbaidschan stelle das SEM fest, dass diese «gewissen Nachteilen» ausgesetzt sein könnten. «Diese Nachteile betreffen jedoch nicht pauschal alle Mitglieder der Opposition», so Rieder.

Wenn ein Asylsuchender aus Aserbaidschan eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft machen könne, werde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Jeder Fall müsse aber individuell geprüft werden. «Der Vollzug der Wegweisung nach Aserbaidschan ist grundsätzlich zulässig, zumutbar und möglich», so Rieder.
Big Business mit der Migros

Manaf Jalilzade ist misstrauisch geworden gegenüber der Schweiz und ihren Behörden. Auch Suleyman Suleymanli, ein anderer aserbaidschanischer Dissident und Blogger, warte seit fünf Jahren auf seinen Asylentscheid. Dass dieser herumgereicht worden sei wie heisse Kartoffeln, erklärt Jalilzade sich auch mit den wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz mit dem Regime in Baku. Tatsächlich betreibt Socar, die staatliche Energiegesellschaft der Republik Aserbaidschan, sein Handelsgeschäft für Öl und Gas von Genf aus. Drei Viertel seines Jahresumsatzes erzielte das Unternehmen 2019 in der Schweiz.

Manaf Jalilzade ist täglich auf Sendung. Auf Youtube, Tiktok und Instagram teilt er seine Einschätzungen zum Geschehen in seiner Heimat Aserbaidschan. Jalilzades Videos werden tausendfach angeklickt und hundertfach kommentiert. Allein auf seinem Youtube-Kanal hat er 144’000 Abonnenten.

«Es ist mein Leben», sagt Jalilzade zu seiner Tätigkeit als politischer Blogger. «Ich will auf das Unrecht in meinem Land aufmerksam machen.» Stets im Fokus seiner Kritik: der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew und dessen Regime. Gemäss Demokratieindex der Zeitschrift «The Economist» belegt das ölreiche Land am Kaukasus Platz 146 von 167 und zählt somit zu den autoritären Regimen. Ein Punkt, den Jalilzade kritisiert, ist etwa der Krieg, den Aserbaidschan gegen sein Nachbarland Armenien führt. «Da kamen bisher schon Tausende Menschen ums Leben», so Jalilzade. «Und das ohne jeden Grund.»

Für seinen Aktivismus zahlt der Dissident einen hohen Preis. Beinahe täglich erreichten ihn Drohungen, sagt Jalilzade. Einige davon bleiben vage, andere sind dafür sehr konkret. «Mir wurde schon mehrfach gedroht, dass mir in meiner Wohnung etwas passieren werde», sagt er. Auch in der angeblich sicheren Schweiz fühle er sich ständig bedroht. Und diese Angst ist durchaus begründet.

Keine Aussicht auf Personenschutz

Der Vorfall ereignete sich im April des vergangenen Jahres. Drei Männer lauern Manaf Jalilzade an seinem damaligen Wohnort im Emmental auf und schlagen ihn zusammen. Im Spital wird später ein gebrochenes Nasenbein und ein abgebrochener Zahn diagnostiziert. Jalilzade ist davon überzeugt, dass es Gesandte aus seinem Heimatland waren, die ihn mit Fäusten und Tritten traktierten – auch weil die Männer ihn aserbaidschanisch angesprochen haben. «Das Regime versucht mich einzuschüchtern», so der Dissident.

Aserbaidschans Botschaft in der Schweiz bestreitet dies vehement. Zu keiner Zeit seien Regierungsstellen angewiesen worden, Angriffe auf Bürger im Ausland zu verüben. Entsprechende Vorwürfe seien «absolut inakzeptabel». Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu den Erzählungen anderer Regimekritiker aus Frankreich und Deutschland. Auch dort wurden jüngst Angriffe auf offener Strasse publik. Beweise, dass es sich bei all diesen Vorfällen um koordinierte Attacken auf politische Gegner handelte, liegen jedoch keine vor.

Jalilzade erstattete nach dem Vorfall bei der Kantonspolizei Bern Anzeige gegen unbekannt. Nach nur zwei Monaten sistierte die Staatsanwaltschaft das Verfahren aber wieder. In der entsprechenden Verfügung, die dieser Zeitung vorliegt, wird der Entscheid nicht näher begründet. Er habe das Gefühl, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden gar kein Interesse bestanden habe, seinen Fall aufzuklären, so Jalilzade.

Nach dem Vorfall zog Jalilzade an einen anderen Ort im Kanton Bern. Aber auch dort fühlte er sich nicht sicher. Über seine Social Media-Kanäle erhielt er Drohungen, dass er auch an seinem neuen Wohnort bald Besuch erhalten werde. «Das Regime weiss ganz genau, wo ich wohne», sagt Jalilzade. Bei der Kantonspolizei Bern beantragte er deshalb Personenschutz. Dieser Schutz war jedoch an gewisse Bedingungen geknüpft. «Die Polizisten sagten mir, dass ich aufhören solle, mich politisch zu äussern», sagt Jalilzade. «Erst dann würden sie mich schützen können.»

Die Kantonspolizei Bern schreibt auf Anfrage, dass sie sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zum Fall von Manaf Jalilzade äussern könne. «Grundsätzlich können wir jedoch festhalten, dass eine Teilnahme im Opferschutzprogramm freiwillig ist», so Kapo-Sprecherin Lena Zurbuchen. Wer am Programm teilnehmen wolle, müsse gewisse Kriterien einhalten. «Dazu gehört unter anderem, dass die betreffende Person keine Kontakte zu bisherigen Bezugspersonen pflegt sowie auf die Verwendung der sozialen Medien verzichtet», so Zurbuchen. «Dementsprechend wären wohl auch politische Aktivitäten mit der Teilnahme an einem Opferschutzprogramm nicht vereinbar.»

Das SEM tut sich schwer

Neben der Angst um seine körperliche Unversehrtheit belastet Jalilzade auch sein nach wie vor ungeklärter Asylstatus. Obwohl er bereits seit über fünf Jahren in der Schweiz weilt, ist sein Gesuch noch immer hängig. Im Januar 2018 stellte er den Antrag auf Asyl. Zwei Jahre später lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Gesuch ab.

Als Jalilzade gegen diesen Entscheid vor dem Verwaltungsgericht Beschwerde erhob, buchstabierte das SEM aber wieder zurück. Noch bevor das Verwaltungsgericht ein Urteil fällen konnte, revidierte das SEM seinen eigenen Entscheid und kündigte eine neuerliche Prüfung an. Das ist nun wiederum über ein Jahr her. Obwohl Jalilzade Deutsch spricht und gemäss eigenen Angaben auch Aussicht auf einen Job hätte, ist er zum Nichtstun verdammt. «Ich kann die Schweiz auch nicht verlassen, solange das Gesuch hängig ist», sagt er.

Auch das SEM schreibt auf Anfrage, dass es sich zu Einzelfällen nicht äussern könne. «Grundsätzlich sind es sehr zeitaufwendige Konstellationen mit spezifischem Abklärungsbedarf, die in einzelnen Fällen zu langen Bearbeitungsfristen führen», sagt SEM-Sprecher Lukas Rieder. In Bezug auf Oppositionsmitglieder in Aserbaidschan stelle das SEM fest, dass diese «gewissen Nachteilen» ausgesetzt sein könnten. «Diese Nachteile betreffen jedoch nicht pauschal alle Mitglieder der Opposition», so Rieder.

Wenn ein Asylsuchender aus Aserbaidschan eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft machen könne, werde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Jeder Fall müsse aber individuell geprüft werden. «Der Vollzug der Wegweisung nach Aserbaidschan ist grundsätzlich zulässig, zumutbar und möglich», so Rieder.

Big Business mit der Migros

Manaf Jalilzade ist misstrauisch geworden gegenüber der Schweiz und ihren Behörden. Auch Suleyman Suleymanli, ein anderer aserbaidschanischer Dissident und Blogger, warte seit fünf Jahren auf seinen Asylentscheid. Dass dieser herumgereicht worden sei wie heisse Kartoffeln, erklärt Jalilzade sich auch mit den wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz mit dem Regime in Baku. Tatsächlich betreibt Socar, die staatliche Energiegesellschaft der Republik Aserbaidschan, sein Handelsgeschäft für Öl und Gas von Genf aus. Drei Viertel seines Jahresumsatzes erzielte das Unternehmen 2019 in der Schweiz.

Auch betreibt das Unternehmen gemeinsam mit der Migros-Tochter Migrolino in der Schweiz ein Tankstellennetz mit rund sechzig Standorten. Trotz Kritik, dass das in der Schweiz erwirtschaftete Geld mithilft, den Krieg gegen Armenien zu finanzieren, hält die Migros an der Zusammenarbeit mit Socar bis heute fest.

Manaf Jalilzade prangerte diese wirtschaftlichen Verstrickungen in seinen Videos immer wieder an. Und das will er auch in Zukunft tun. «Ich wäre nicht sicherer, wenn ich mich politisch nicht mehr äussern würde», sagt er. Deshalb bleibt er auf Sendung.
(https://www.derbund.ch/die-polizei-schuetzt-ihn-nur-wenn-er-aufhoert-zu-bloggen-747497582421)


+++LUZERN
Tag der offenen Tür bei der Containersiedlung in Meggen.
Es war ein Hin und Her mit den Containersiedlungen in Meggen. Wegen einer Einsprache hat es zwischenzeitlich sogar einen Baustopp gegeben. Jetzt steht die Unterkunft für die 100 Geflüchteten aber endlich. Die Gemeinde hat die Bevölkerung dazu eingeladen, sich selbst ein Bild davon zu machen.
https://www.tele1.ch/nachrichten/tag-der-offenen-tuer-bei-der-containersiedlung-in-meggen-150276288



nzz.ch 25.02.2023

«Vereine sind mir wichtiger als Flüchtlinge» – wie die Suche nach Wohnraum Gemeinden an den Anschlag bringt

Astrid Mühlebach sammelt Unterschriften, damit im Schulhaus Mosen (LU) keine Asylsuchenden untergebracht werden. Sie löst damit eine Debatte aus, die überall im Land stattfinden könnte.

Erich Aschwanden (Text), Karin Hofer (Bilder), Hitzkirch

Das Volksbegehren ist glasklar formuliert. Schul-, Sport- und Freizeitanlagen der Gemeinde Hitzkirch dürfen nicht als Unterkünfte für Asyl- und Schutzsuchende zur Verfügung gestellt werden. Auch nicht vorübergehend. So energisch wie die Forderung ist auch die Frau, die dahinter steht. «Das ehemalige Schulhaus ist so etwas wie die Seele von Mosen», sagt Astrid Mühlebach. Bis am 18. April hat sie Zeit, die notwendigen 300 Unterschriften zu sammeln.

Seit mehr als 21 Jahren wohnt die Postangestellte in Mosen, dem «Juwel am Hallwilersee», wie es auf der Website der Gemeinde Hitzkirch heisst. Mühlebach ist so etwas wie die Vorzeige-Moserin. Sie engagiert sich in diversen Funktionen für den kleinen Ortsteil. Unter anderem in der lokalen SVP. «SVP-Politikerin will Flüchtlingsunterkunft verhindern», das wäre eine knackige Schlagzeile. Doch sie winkt ab. «Ich vertrete schon SVP-Gedankengut. Dies hat aber nichts damit zu tun, dass ich mich gegen den Verlust des Schulhauses wehre», versichert Mühlebach.

Geldstrafen für fehlenden Wohnraum

Tatsächlich ist die Sache nicht schwarz-weiss. Wie zahlreiche Kommunen muss Hitzkirch eine bestimmte Anzahl Asyl- und Schutzsuchende aufnehmen. Im Fall der Gemeinde im Luzerner Seetal sind es 136 Frauen, Männer und Kinder. «Das ist eine riesige Herausforderung für uns», sagt Hugo Beck, der im Gemeinderat das Ressort Gesundheit und Soziales betreut.

Im Kanton Luzern ist die Suche nach Wohnraum mit direktem finanziellem Druck verbunden. Findet eine Gemeinde nicht genügend Unterkünfte, werden Geldstrafen an den Kanton fällig. Aufgrund der neusten Zahlen könnten die jährlichen Malus-Zahlungen für Hitzkirch mit seinen 9200 Einwohnern gemäss Beck bis zu 350 000 Franken betragen.

Da ist man froh, wenn man gemeindeeigene Liegenschaften zur Verfügung stellen kann. Diese sind rar. So war der Gemeinderat nicht unglücklich, als der Kanton das ehemalige Schulhaus Ende November 2022 als geeignet befand für die temporäre Unterbringung von 36 Asylsuchenden. Gleichzeitig hat der Gemeinderat damit kontroverse Diskussionen insbesondere mit den Mosern geschürt.

Angeführt werden sie von Astrid Mühlebach, und zwar in ihrer Funktion als Präsidentin des Verkehrsvereins Mosen. Das ehemalige Schulhaus ist Dreh- und Angelpunkt der Vereinsaktivitäten. Hier finden die Tagwacht zur Fasnacht, Märchenstunden für Kinder und weitere Veranstaltungen statt. Vereine wie die Volkshochschule Hitzkirch, die Samariter oder die Trychlerbuebe haben hier Räumlichkeiten, die ihnen von der Gemeinde Hitzkirch gratis zur Verfügung gestellt werden.

Es scheint fast, als sei der Zweckbau aus den 1990er Jahren zu einem zweiten Zuhause für Mühlebach geworden. Unzählige Stunden hat sie hier verbracht. Vor fünf Jahren haben sie und ihr Mann ihren 50. Geburtstag im Foyer gefeiert. «Diese Räumlichkeiten eignen sich nicht für Asylbewerber. Wie will man hier menschenwürdige Unterkünfte schaffen, in denen die notwendige Privatsphäre sichergestellt wird?»

Sie habe deshalb fast der Schlag getroffen, als sie am 30. November 2022 von der Gemeinde per Telefon über den Entscheid orientiert wurde. Seither hat sie nur eine Mission. Sofort organisiert sie über zwei Whatsapp-Gruppen den Widerstand. An der zufällig einen Tag später stattfindenden Gemeindeversammlung stellen die Einwohner von Mosen rund 40 der 140 Teilnehmer. Vergeblich versucht die 55-Jährige einen Antrag einzubringen, dass die Gemeinde kein Geld für den Umbau des Schulhauses ausgeben darf.

Nur ukrainische Familien willkommen

Sie macht sich auf die Suche nach anderen Räumlichkeiten. Überraschend schnell wird sie fündig. Mit dem «Kreuz» fordert das Beizensterben im Dezember 2022 auch in Mosen ein Opfer. Weniger als 500 Meter vom umstrittenen Schulhaus entfernt, eröffnet sich dadurch unerwartet eine neue Option. Mühlebach erhält von der Besitzerin der Liegenschaft eine Vollmacht, mit den Asylbehörden zu verhandeln.

Allerdings stellt Mühlebach eine Bedingung: im «Kreuz» dürfen nur Familien aus der Ukraine untergebracht werden. Es sei «ein himmelweiter Unterschied», ob im kleinen Mosen Mütter mit Kindern aus einer Nation untergebracht würden oder alleinstehende Männer. «Wenn einzelne Asylbewerber aus verschiedenen Staaten hier zusammenleben müssen, dann wird das schnell zu Problemen führen», ist sie überzeugt.

Zusammen mit ihr besichtigen Vertreter der kantonalen Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen die leerstehenden Hotelzimmer. Sie eignen sich nach Ansicht von Mühlebach viel besser als Unterkünfte als die kargen Schulzimmer. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuss. Die Behörde lehnt die Liegenschaft ab. «Dies deshalb, weil die Eigentümerin verlangt, dass nur ukrainische Personen dort untergebracht werden, wir jedoch darauf angewiesen sind, Unterkünfte nach Bedarf zu belegen, ungeachtet der Nationalität», erklärt die Dienststelle auf Anfrage der NZZ.

Die Planung für den Umbau des Schulhauses läuft deshalb weiter. Mit ihrer Initiative zur Verhinderung von Asylunterkünften in Schul-, Sport- und Freizeitanlagen will Mühlebach den Prozess nun stoppen. Bis am 20. April muss sie die notwendigen 300 Unterschriften sammeln. Sie setzt dabei auf die Moser. «Im Zentrum von Hitzkirch interessieren unsere Sorgen im Ortsteil Mosen die Leute nicht sehr stark», meint sie.

Aus dem Gespräch mit Astrid Mühlebach wird klar, dass die gegenwärtige Kontroverse eine lange Vorgeschichte hat. Die Gemeinde Hitzkirch in der heutigen Form ist ein Fusionsprodukt, das erst seit dem 1. Januar 2009 besteht. Vor der Fusion waren Mosen mit seinen rund 300 Einwohnern sowie fünf weitere ländliche Gemeinden der Umgebung eigenständig.

Mühlebach sprach sich damals für die Fusion aus. Dies im Vertrauen darauf, dass die Dörfer ihre Eigenheiten bewahren konnten. «Das Schulhaus und der dazugehörige Sportplatz als Refugium für die Vereine ist der letzte Rest an Eigenständigkeit, den man uns noch gelassen hat. Nun will man uns den auch noch wegnehmen», kritisiert sie.

Verlust der Identität

Wenn sich niemand für die Vereine wehre, nehme man den Gemeindeteil Mosen bald gar nicht mehr wahr. Zuerst habe sie sich geärgert, als die «Luzerner Zeitung» schrieb, «Vereine sind ihr wichtiger als Flüchtlinge». Doch eigentlich treffe diese Beschreibung genau ihre Haltung. «Wieso müssen Leute, die hier verwurzelt sind, Platz machen für Flüchtlinge, für die es anderswo geeignetere Unterkünfte gibt?», fragt Mühlebach.

Hugo Beck hat durchaus Verständnis für das Anliegen von Astrid Mühlebach und schätzt ihre Meinung. Der Verkehrsverein Mosen sei am stärksten auf diesen Standort angewiesen. Doch man werde Lösungen finden, verspricht er. So würde die Gemeinde für gewisse Veranstaltungen bei Bedarf auf eigene Kosten ein Zelt aufstellen. Mit den übrigen Vereinen stehe man in Kontakt und könne ihnen alternative Veranstaltungs- und Proberäume anbieten.

Beck hofft, dass mit der Gemeindeinitiative nicht zu viele Emotionen geschürt werden. «Wir dürfen nie vergessen, dass es um die Unterbringung von Menschen in einer Notlage geht. Es ist nie gut, wenn es im Zusammenhang mit Unterkünften für Asyl- und Schutzsuchende zu starken Kontroversen kommt», gibt der Sozialvorsteher von Hitzkirch zu bedenken.

Bevor der Gemeinderat den endgültigen Entscheid für die temporäre Umnutzung des Schulhauses fällt, wird man gemäss Beck die Situation noch einmal im Detail erörtern. Zurzeit sind zwei Einsprachen von Anwohnern hängig. Kann man sich mit diesen gütlich einigen, dürfte der finale Entscheid bis in rund acht Wochen fallen. Werden die Einsprachen weitergezogen, dauert es bis im Sommer oder gar noch länger. Gleichzeitig wird die Suche nach privaten Wohneinheiten konsequent fortgeführt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird feststehen, ob die von Astrid Mühlebach lancierte Gemeindeinitiative tatsächlich zustande kommt und die Hitzkircher über das ehemalige Schulhaus Mosen abstimmen können. Für den Kanton Luzern ist diese Frage unerheblich. Die Gemeinde Hitzkirch habe die Liegenschaft im Rahmen der Gemeindezuweisung gemeldet, schreibt die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen. «Sollte sie nun aufgrund der Gemeindeinitiative nicht genutzt werden können, muss die Gemeinde die geforderten Plätze auf andere Weise schaffen.» Statt Mosen käme also ein anderer Ortsteil zum Handkuss.
(https://www.nzz.ch/schweiz/vereine-sind-mir-wichtiger-als-fluechtlinge-wie-eine-asylunterkunft-polarisiert-ld.1727070)


+++ZÜRICH
«Der Vorfall klingt inszeniert – und spielt der SVP in die Hände»
Dass in Seegräben ZH ein Mieter für Geflüchtete seine Wohnung räumen muss, sorgte schweizweit für Furore. Nun vermutet ein SP-Politiker gezielte Inszenierung der Gemeinde.
https://www.20min.ch/story/der-vorfall-klingt-inszeniert-und-spielt-der-svp-in-die-haende-996736503325
-> https://www.telem1.ch/aktuell/mieter-raus-fluechtlinge-rein-dass-gemeinde-einem-mann-die-wohnung-kuendigt-schockiert-aargauer-politiker-150275261
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/habe-muehe-damit-aargauer-politiker-empoert-ueber-rauswurf-von-wohnungsmieter-150276569


+++FRIBOURG
2500 Ukrainer sind in Freiburg angekommen
Freiburger Staatsrat Philippe Demierre blickt auf das letzte Jahr zurück. 2500 Geflüchtete sind in dieser Zeit aus der Ukraine angekommen.
https://frapp.ch/de/articles/stories/ein-jahr-krieg-in-der-ukraine


+++GRIECHENLAND
Griechische Küstenwache wirft NGOs vor, Menschenleben zu gefährden
Dass NGO-Schiffe Flüchtlinge aus Booten holen, sei ein Pull-Faktor und treibe Todeszahlen nach oben, sagt die Küstenwache. Gegen sie gibt es aber selbst schwere Vorwürfe
https://www.derstandard.at/story/2000143917630/griechische-kuestenwache-wirft-ngos-vor-menschenleben-zu-gefaehrden?ref=rss


+++FREIRÄUME
tagesanzeiger.ch 25.02.2023

Interview zum Ende des Koch-Areals: «Zürich wird zunehmend ein Ort für Privilegierte»

Seit der Schliessung des Koch-Areals gibt es in Zürich keine grossen Besetzungen mehr. Für den Szenekenner Thomas Stahel ist diese Entwicklung bedauernswert.

David Sarasin

Thomas Stahel, das Koch-Areal war auf absehbare Zeit die letzte grosse Besetzung in Zürich. Wie verändert das Ende die Stadt?

Auf kultureller Ebene fehlt ein Treffpunkt mit sehr starker Ausstrahlung. Junge Bands konnten dort auftreten, es hatte ein kreatives Kulturangebot, das oft gratis war. Man konnte für wenig Geld ins Kino. Der Ort war für sehr viele Menschen prägend, weil er gängige Weltbilder hinterfragte und aufzeigte, dass neben dem Mainstream auch anderes möglich ist. Und schliesslich werden in besetzten Häusern politische Diskussionen geführt, die in die Gesellschaft einfliessen.

Momentan geben vor allem die Ausschreitungen an der Demo vom Samstag zu reden. Die Besetzerszene hat ein Gewaltproblem.

Es ist für mich schon sehr irritierend, dass so viele kleine Läden beschädigt worden sind. Ich war selber nicht vor Ort, frage mich aber, ob dieselben Leute gewalttätig waren, die das kulturelle Leben in den besetzten Häusern prägten. Man kann auch im Fussball sehen, dass eine Minderheit in der Gruppe einer Sache schaden kann.

Warum grenzt sich die Szene nicht mehr von gewalttätigen Personen ab?

Laut meiner Einschätzung gibt es in der Szene zur Gewaltfrage alles andere als Einigkeit. Öffentlich äussern tut man sich insgesamt nur ganz selten.

Zurück zum Ausgangsthema: Sehen wir derzeit eine Verschiebung der besetzten Häuser von der Innenstadt an die Peripherie?

Diese Verdrängung ist schon seit einiger Zeit im Gang. Bei der aktuellen Situation auf dem Immobilienmarkt ist vorstellbar, dass die Besetzerinnen und Besetzer noch weiter in die Peripherie gedrängt werden. Das ist der Mietexplosion geschuldet. Somit verschwinden auch die Vielfalt und die kreativen Nischen in der Stadt. Zürich wird zunehmend ein Ort für Privilegierte.

Was wollten die Besetzerinnen und Besetzer eigentlich erreichen?

Zunächst ist es wichtig, dass sich das Selbstverständnis der Besetzer und Besetzerinnen seit den 1970er-Jahren verändert hat. In den 70er-Jahren wollte man noch die ganze Welt verändern mit Besetzungen, ein besetztes Haus sollte die Keimzelle für eine Revolution sein. Ab den 80ern schränkte sich der Radius auf die Veränderung der Stadt ein. Und seit Anfang der 90er-Jahre ging es stärker um den Wohn- und Kulturraum selbst und darum, ein alternatives Leben abseits des Mainstreams zu führen.

Dann genügt heute ein besetztes Haus ein Stück weit sich selbst?

Das denke ich nicht. Besetzte Häuser haben immer auch eine soziale und politische Funktion. Es fanden dort auch Leute Platz, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Zudem werden in besetzten Häusern im Kleinen Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme präsentiert, zum Beispiel für den Klimawandel.

Können Sie das erklären?

In besetzten Häusern wurde seit jeher damit experimentiert, wie man schonend mit Ressourcen umgehen kann. Hausbesetzerinnen und -besetzer haben schon Lebensmittel aus den Containern von Lebensmittelgeschäften gerettet, bevor Food-Waste in der Gesellschaft breit diskutiert wurde. Im Koch gab es auch Gratisläden oder Reparaturwerkstätten. Auch Veganismus wird in besetzten Häusern schon sehr lange sehr ausgeprägt gelebt. So gesehen, gibt es in besetzten Häusern sinnvolle Ansätze, um den Herausforderungen von aktuellen Krisen zu begegnen.

Vieles, das gemeinschaftliche Wohnen etwa, wurde auch übernommen und institutionalisiert. Dafür braucht es keine besetzten Häuser mehr.

Es ist ein Erfolg der Besetzerszene, dass Wohnprojekte in Genossenschaften auf legale Weise umgesetzt wurden, zum Beispiel in der Kalkbreite oder Zollstrasse, wo flexible Grosshaushalte und Hallenwohnen ermöglicht wurde.

Haben die Genossenschaften die besetzten Häuser also ein Stück weit abgelöst?

Nein. Die Genossenschaften sind in den letzten Jahren innovativer und nachhaltiger geworden. Die meisten Leute ziehen aber aufgrund der günstigen Mieten in Genossenschaften und nicht wegen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens oder anderer Formen der Partizipation. Bei Besetzungen sind die Motivation und der Eigenantrieb viel grösser, da man etwas selber aufbaut und kontrolliert – wenn man diesen Lebensstil aus ideologischen Gründen wählt.

In besetzten Häusern zu leben, bedeutet oft, teilweise aus der Gesellschaft auszusteigen. Man könnte auch sagen, die Besetzerinnen und Besetzer nehmen sich Freiheiten, die sich nicht alle nehmen können.

Die meisten Besetzerinnen und Besetzer arbeiten zumindest Teilzeit. Es stimmt aber: Man möchte keine Abhängigkeit von der Lohnarbeit, seine Freizeit stattdessen für anderes einsetzen. Doch hängen die Leute ja nicht nur rum oder reisen durch die Welt, sondern leisten Arbeit mit Migrantinnen und Migranten, setzen sich für Kultur ein, kochen für die Gemeinschaft oder betätigen sich handwerklich. Es geht viel um selbstbestimmte Arbeit und um neue ökonomische Formen.

Welche zum Beispiel?

Teilen ist ein wichtiges Konzept, man kann es als selbstverwaltete Share-Economy sehen. Die Siebdruckerei im Koch zum Beispiel wurde vielen Leuten zur Verfügung gestellt. Wenn man davon ausgeht, dass die Klimakrise nur mit einem Systemwechsel möglich ist, dann kann man in den besetzten Häusern sehen, wie dieser gelingen könnte.

Das klingt alles sehr romantisch. Für Aussenstehende sind besetzte Häuser nicht immer einladend.

So würde ich das nicht sagen. Bei sehr vielen Besetzungen wird der Austausch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern aktiv gesucht. Bei grossen Besetzungen wie auf dem Koch-Areal, in der Kalkbreite oder dem Wohlgroth-Areal gab es auch ein reichhaltiges kulturelles Angebot oder Partys, die für viele offenstanden.

Besetzerinnen eignen sich fremdes Eigentum an. Das ist illegal.

Solange die Häuser und Areale leer stehen, sehe ich Besetzungen nach wie vor als legitimen politischen Widerstand. Insbesondere in einer Zeit wie jetzt, in der in Zürich die Mietpreise explodieren und sich die Wohnungsnot immer mehr zuspitzt. Die Stadt sieht das ja auch ein, indem sie Besetzungen bis zu einem gewissen Grad toleriert.

Sehen Sie auch kritische Punkte im Vorgehen der Besetzerszene in den vergangenen Jahren?

Vielleicht, dass aus den besetzten Häusern in Zürich wenig Strategien entwickelt wurden, wie die Gebäude langfristig behalten werden konnten. In Berlin, Amsterdam oder Genf zum Beispiel wurden im Vergleich viele besetzte Häuser legalisiert, und die Besetzer konnten die Häuser kaufen. In Zürich hat man diesbezüglich wenig Konkretes erreicht.

Warum ist das so?

Es gehört zum Häuserbesetzen, dass der Moment wichtiger ist als das, was in ein paar Jahren kommt. Das hat auch mit der unsicheren Situation zu tun, man schaut nicht zu sehr in die Zukunft und will keine Institution werden, die von der Stadt kontrolliert wird. Einige aus dem Koch sahen das Ende der Besetzung nach zehn Jahren auch als eine Chance für Neues. Ich sehe diese Haltung aber auch als eine verpasste Chance. Jedes Haus, das vor horrenden Mieten geschützt werden kann, ist ein Gewinn für die Stadt. Wobei eine solche Legalisierung fast nur bei städtischen Liegenschaften möglich ist, die Immobilienpreise sind für einen Kauf durch die Besetzerinnen und Besetzer schlicht viel zu hoch.



Thomas Stahel

Der 51-Jährige ist politischer Sekretär der SP Zürich. Er promovierte mit einer Arbeit mit dem Titel «Wo-Wo-Wonige – Stadt- und wohnpolitische Bewegungen in Zürich nach 1968». Darin beleuchtet Stahel unter anderem den Häuserkampf und dessen politische Auswirkungen in der Stadt Zürich. Er verfolgt die Besetzerszene in Zürich seit vielen Jahren. (dsa)
(https://www.tagesanzeiger.ch/es-gibt-in-der-szene-zur-gewaltfrage-alles-andere-als-einigkeit-531414470025)


++++DEMO/AKTION/REPRESSION
Zuger demonstrieren gegen rusische Rohstoffhändler
Seit einem Jahr ist Russland im Krieg mit der Ukraine. Obwohl die Schweiz Sanktionen von der EU übernommen hat, finanzieren gewisse Firmen in der Zentralschweiz den Krieg aber immer noch mit. Dies behaupten zumindest die Alternativen Grünen aus dem Kanton Zug. Mit einem Protestmarsch wollten sie heute vor allem auf Rohstoff-Firmen aufmerksam machen, welche russische Kontakt besitzen.
https://www.tele1.ch/nachrichten/zuger-demonstrieren-gegen-rusische-rohstoffhaendler-150276267


+++POLICE BE
Putin an Ukraine-Protest mit Hitlerschnauz
Auf den Plakaten war der russische Präsident mit einem Hitlerschnauz zu sehen. Beim gestrigen Protest gegen den Krieg in der Ukraine, bat die Polizei die Demonstranten die solchen Plakate wegzuräumen. Haben die Polizisten richtig gehandelt oder hätte man die Protestierenden gewähren lassen sollen?
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/putin-an-ukraine-protest-mit-hitlerschnauz-150275110


++++FRAUEN/QUEER
Häusliche Gewalt – was können wir tun?
Im Stadtteil 6 (Bümpliz/Bethlehem/Oberbottigen) findet zwischen dem 25. Februar und dem 11. März eine Aktionswoche gegen häusliche Gewalt statt. «Tür an Tür» – ist eine Initiative der Stadt. Unsere Kolumnistin hat ihre Gedanken und Erfahrungen den Verantwortlichen weitergegeben.
https://journal-b.ch/artikel/haeusliche-gewalt-was-koennen-wir-tun/


Regelmässiger Treffpunkt für lesbische, trans und schwule Menschen: Seit 5 Jahren gibt es die Milchbar in Luzern. (ab 06:04)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/was-tun-gegen-den-mitgliederschwund-in-der-kirche?id=12342529


+++RECHTSPOPULISMUS
Wie Köppel der Schweiz und Deutschland Putin erklärt und weshalb er zur Ukraine schweigt
Der SVP-Nationalrat, Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche» in Personalunion gilt als Russland-Freund. Er selbst bezeichnet sich als «Putin-Versteher». Nun verschärft er seinen Kurs massiv. Das gefällt nicht allen in der Partei.
https://www.watson.ch/international/russland/245364525-wie-roger-koeppel-der-schweiz-putin-erklaert-und-weshalb-er-zur-ukraine-schweigt


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
tagesanzeiger.ch 25.02.2023

Ukrainekrieg-Demos in Zürich: Die einen wollen Putin stürzen, die anderen die Nato

Gleich zwei Friedensdemonstrationen aus gegensätzlichen politischen Lagern fanden am Samstag in Zürich statt. Freiheitstrychler und Verschwörungstheoretiker wurden nicht geduldet.

Beat Metzler, David Sarasin, Sascha Britsko

Gleich zwei Zürcher Kundgebungen widmen sich am Samstag dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Beide werben mit dem Symbol der Friedenstaube. Doch sie verkünden gegensätzliche Botschaften.

Auf dem Bürkliplatz versammeln sich um zwei Uhr rund 80 Menschen, um gegen «die Grausamkeit des Putin-Regimes» zu demonstrieren. Organisiert hat die Kundgebung der Verein Russland der Zukunft, der sich für «Frieden für die Ukraine und Freiheit für Russland» einsetzt.

Der Verein, dem in der Schweiz lebende Russinnen und Russischsprachige angehören, hat schon mehrmals zu Anti-Putin-Kundgebungen in Zürich aufgerufen, zuletzt im Oktober. Gemäss eigenen Angaben zählt der Verein bald 300 Mitglieder.

Linke Organisationen gegen «Nato-Kriegsbündnis»

Ganz anders positionierten sich die rund 200 Demonstrierenden, die sich eine halbe Stunde später auf dem Helvetiaplatz treffen: Ihre Kritik zielt auf die «kriegstreiberische Politik der Schweizer Regierung, der EU und der Nato». Die Organisatoren wehren sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen eine Annäherung der Schweiz an das «Nato-Kriegsbündnis». Im Aufruf zur Kundgebung wird auch der Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine gefordert.

Hinter dieser Demo steht ein Bündnis aus verschiedenen linksaussen-Organisationen: die Friedensbewegung SFB, die Partei der Arbeit (PDA), die Sozialistische Linke (SoL), die Basler Frauenvereinigung für Frieden und Fortschritt sowie migrantische Organisationen.

Der Aufruf dazu wurde allerdings auch in den Kanälen der radikalen Corona-Skeptiker geteilt, die oft Verschwörungserzählungen anhängen. In Deutschland hat sich während des Ukraine-Krieges eine solche so genannte Querfront zwischen links- und rechtsaussen gebildet.

So haben zahlreiche AfD-Politiker das «Manifest für den Frieden» der Die-Linke-Politikerin Sarah Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer unterschrieben. AfD-Politiker haben angekündigt, an Wagenknechts und Schwarzers Demonstration teilzunehmen, die ebenfalls an diesem Samstag stattfinden. Die Linken-Parteispitze distanzierte sich deswegen von Wagenknecht.

Corona-Skeptiker wurden ausgeschlossen

Tarek Idri, der die Anti-Nato-Demo auf dem Helvetiaplatz mitorganisierte, sagte auf Anfrage im Vorfeld, dass man «keine Symbole oder Fahnen von rechtsextremen und verschwörungsideologischen Gruppen dulden werde». Deren Anwesenheit sei unerwünscht. «Man kann nicht ehrlich für Frieden zwischen den Völkern eintreten und gleichzeitig Hass und Gewalt gegen Minderheiten schüren», sagte Idri.

Diese Parolen wurden auch während der Demo bekräftig. «Die Ideologie der Freiheitstrychler widerspricht der unseren», sagte ein Mann der sich als Organisator vorstellte. «Wir tolerieren euch hier nicht.»

Also kam es in Zürich zu keiner Querfront von ultra-linken Gruppen und verschwörungstheoretischen Kreisen. Tatsächlich waren nur eine Handvoll Corona-Skeptiker vor Ort, darunter auch vereinzelte in den typischen weissen Hemden der Freiheitstrychler.

Die Vermischung scheiterte auch deshalb, weil rund 50 Personen der Antifa vor Ort waren und die Corona-Leugner immer wieder verbal angingen. Vereinzelt kam es zu Handgreiflichkeiten, bei denen Antifa-Mitglieder Corona-Skeptikern Plakate aus den Händen rissen.

Beim darauffolgenden Umzug war die Antifa sichtlich bemüht, zwischen den Teilnehmenden und den Corona-Leugnern am Schluss eine Mauer zu bilden und letztgenannte zu isolieren. Die Polizei, die ebenfalls im hinteren Teil der Demo mitlief, war sich dem Konfliktpotential offenbar bewusst: Den Abschluss des Umzugs bildete ein Wasserwerfer.

Achtung: Verwechslungsgefahr

Die Anti-Putin-Demonstration der Schweizer Russen blieb auf der Stadthausanlage beim Bürkliplatz. Allerdings nicht freiwillig. «Wir wären ebenfalls gerne durch die Stadt gelaufen. Aber die Stadtpolizei wollte keine ähnlichen Demonstrationen gleichzeitig bewilligen», sagt Polina Sommer vom Verein Russland der Zukunft.

Die Verwechslung mit der Anti-Nato-Demonstration sei mehrfach vorgekommen. «Das ist sehr ärgerlich», sagt Sommer. «Wir haben komplett andere Positionen.» Das Missverständnis erkläre sich auch daraus, dass die Organisatoren der Anti-Nato-Demo ihren Internetauftritt optisch sehr ähnlich aufgezogen hätten.

Die Route der Anti-Nato-Demonstration führte nicht am Bürkliplatz vorbei, die beiden Anlässe blieben getrennt.

Bereits am Freitag, dem Jahrestag des Krieges, fand im Zürcher Grossmünster ein Gedenkgottesdienst statt. Zuvor hatten Hunderte friedlich für die Ukraine demonstriert.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-einen-wollen-putin-stuerzen-die-anderen-die-nato-889376398230)

-> https://www.20min.ch/story/mass-voll-und-kommunisten-demonstrieren-gemeinsam-fuer-den-frieden-712385510420
-> https://www.blick.ch/schweiz/200-demonstranten-unterwegs-linke-friedensdemo-organisatoren-rueffeln-querdenker-id18349557.html
-> https://twitter.com/RaimondLueppken
-> https://www.20min.ch/story/reihenweise-russische-narrative-experte-warnt-vor-friedensdemo-212126173769
-> https://www.watson.ch/international/schweiz/509154080-viel-schweizer-solidaritaet-mit-der-ukraine-und-auch-putin-versteher
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/200-menschen-demonstrieren-in-zurich-gegen-russland-sanktionen-66431748
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/rund-200-menschen-an-solidaritatsmarsch-fur-ukraine-in-genf-66431795
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/fall-isabel-garcia-die-glp-verliert-gleich-zwei-sitze?id=12342538 (ab 01:40)
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/200-menschen-demonstrieren-in-zuerich-fuer-den-frieden-00206470/
->  https://www.srf.ch/news/schweiz/zeichen-fuer-die-ukraine-schweizer-kundgebungen-gegen-den-krieg-verliefen-friedlich
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/freiheitstrychler-und-ultralinke-gemeinsam-auf-der-strasse-150274784
-> https://www.telem1.ch/aktuell/freiheitstrychler-und-ultralinke-gemeinsam-auf-der-strasse-150275250

—-

limmattalerzeitung.ch 25.02.2023

«Aber die Nato!»: Linke Splitter-Gruppen sehen die Schuld beim Westen – Freiheitstrychler unerwünscht

Ein sofortiger Waffenstillstand, Verhandlungen, Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und vereinzelte Verurteilungen des russischen Angriffs als Lippenbekenntnisse. So lief die Linksaussen-Demonstration in Zürich.

Christoph Bernet

Einige hundert Personen haben sich am Samstagnachmittag auf dem Helvetiaplatz in Zürich zu einer Demonstration des Bündnisses «Schluss mit Krieg» eingefunden. Die Kundgebung organisiert haben verschiedene kleine Gruppierungen vom äusseren linken Rand, etwa die Partei der Arbeit (PdA) oder die Marxistisch-Leninistische Gruppe Schweiz (MLGS) und linke Diaspora-Organisationen.

Mit Parolen und auf Transparenten wurde ein Ende der Waffenlieferungen, der Ausstieg der Schweiz aus dem Nato-Kooperationsprogramm «Partnership for Peace» und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland gefordert. Diese waren im Aufruf der Demo-Organisatoren als Teil der «transatlantischen Kriegsführung» bezeichnet worden. Kritisiert wurde auch «das Erstarken faschistischer Kräfte» in der Ukraine und «die Unterdrückung der russischsprachigen Minderheit».

In allen Redebeiträgen wurde der russische Angriff auf die Ukraine jeweils zwar verurteilt. Diese Worte wirkten jedoch mehr wie eine Pflichtübung. Viel mehr Raum nahm die Kritik an westlichen Waffenlieferungen und am «imperialistischen Kriegsbündnis Nato» ein. Dieses müsse aus Osteuropa abziehen, also auch aus Ländern, die freiwillig der Nato beigetreten sind.

Gegen die «Verteufelung Putins»

Ein Demo-Teilnehmer war mit einem Transparenz angereist, auf dem die USA und die Nato beschuldigt wurden, Europa in den dritten Weltkrieg zu treiben. Eine Mitschuld Russlands am Krieg verneinte der Mann auf Anfrage. Es seien die Waffenlieferungen aus dem Westen, die den Krieg verursacht hätten.

Ebenfalls viel Raum nahm die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen ein. Über die nicht vorhandene Verhandlungsbereitschaft des russischen Präsidenten Putins oder das Schicksal der ukrainischen Zivilbevölkerung in den von Russland besetzten Gebieten nach einem allfälligen Waffenstillstand verloren die Rednerinnen und Redner kein Wort.

Hingegen warf ein Redner den «westlichen Dominanzmedien» vor, seit dem Maidanaufstand 2014 – in seinen Augen ein «faschistischer, von den USA gesteuerter Putsch» – subtil «Russophobie» zu verbreiten. Ein anderer verurteilte die «Verteufelung Putins».

Manche Redebeiträge kamen mit weniger Russland-Sympathien und plumpem Medienbashing zurecht und setzten auf fundamentale Systemkritik. Ein Redner zitierte den französischen Sozialisten Jean Jaurès: «Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.»

Polizei suchte Gespräch mit «Freiheitstrychlern»

Auch in der Szene der Covid-Massnahmengegner war im Vorfeld zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen worden. Doch bereits zum Auftakt der Demonstration stellte Tarek Idri vom Organisationsbündnis über Lautsprecher klar, dass Organisationen wie die «Freiheitstrychler» oder «Mass-Voll» nicht willkommen seien. Zur Kundgebung hatten sich auch etwa zwei Dutzend Antifa-Aktivisten eingefunden. Ihr Anliegen schien zu sein, einen Aufmarsch von Covid-Massnahmengegner zu verhindern.

Die «Freiheitstrychler» waren dennoch am Rande des Helvetiaplatzes mit einem Wohnmobil mit Anhänger aufgefahren. Der Bewilligungsinhaber habe öffentlich klar zu verstehen gegeben, dass eine Präsenz der «Freiheitstrychler» und ähnlichen Gruppierungen auf der Kundgebung nicht erwünscht sei, sagt Benjamin Bloch, Sprecher der Stadtpolizei Zürich: «Aus Sicherheitsüberlegungen haben wir das Gespräch mit den Freiheitstrychlern gesucht». Diese hätten freiwillig darauf verzichtet, sich unter die anderen Kundgebungsteilnehmer zu mischen. Wegweisungen seien nicht ausgesprochen worden.

Nach einem Umzug durch die Zürcher Innenstadt endete die Demonstration kurz vor 17 Uhr auf der Rathausbrücke. Sachbeschädigungen oder Zwischenfällen gab es laut Stadtpolizei nicht.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/demo-in-zuerich-aber-die-nato-linke-splitter-gruppen-und-sehen-die-schuld-beim-westen-freiheitstrychler-unerwuenscht-ld.2421242)


+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Die «Rundschau» sucht in Solothurn die Grenzen der Fasnacht: «Wenn ich eine Qualle bin, ist das okay – oder?»
Wie darf man sich an der Fasnacht verkleiden, wie nicht? Worüber darf man sich in Schnitzelbänken lustig machen, worüber nicht? SRF-«Rundschau» ging auf die Suche nach Antworten – auch an der Solothurner Fasnacht. Was hat sie herausgefunden?
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/srf-an-der-fasnacht-wird-die-fasnacht-zur-woke-kampfzone-fragt-die-rundschau-in-solothurn-wenn-ich-eine-qualle-bin-ist-das-okay-oder-ld.2420915