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+++SCHWEIZ
nzz.ch 17.12.2022
Schweiz lässt Uno-Flüchtlinge warten
Karin Keller-Sutter stoppt die Aufnahme von besonders verletzlichen Flüchtlingen. Das setzt ihre Nachfolgerin Elisabeth Baume-Schneider unter Druck.
Georg Humbel, Ladina Triaca
Es sind meist Frauen, Kinder und Kranke: Jedes Jahr nimmt die Schweiz einige hundert besonders schutzbedürftige Flüchtlinge auf. Organisiert werden die Umsiedlungen – das sogenannte Resettlement – vom Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Doch damit ist nun vorerst Schluss. Der Bund setzt die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen vorübergehend aus. Das hat das Justizdepartement von Bundesrätin Karin Keller-Sutter entschieden: Hunderte Personen, die vom UNHCR als sehr verletzlich eingestuft werden, können vorläufig nicht in die Schweiz reisen.
Keller-Sutter folgt damit einer Empfehlung des Sonderstabs Asyl (Sonas), den sie im März wegen der angespannten Lage im Asylwesen eingesetzt hatte. Im Sonderstab sitzen Vertreter von Bund und Kantonen. Geführt wird er von Christine Schraner Burgener, der Chefin des Staatssekretariats für Migration (SEM). Die Mitglieder des Sonderstabs trafen sich am 30. November zu einer Sitzung, an der der Entscheid vorbesprochen wurde. Das Protokoll der Sitzung liegt dieser Zeitung auszugsweise vor. Auch die Zeitung «Le Temps» hat gestern darüber berichtet.
Der Grund für den Aufnahmestopp ist eindeutig: Das Schweizer Asylsystem ist am Anschlag. Die 70 000 Flüchtlinge aus der Ukraine und die bis zu 24 000 Asylsuchenden, mit denen der Bund bis Ende Jahr rechnet, belasten das System. Es mangelt vielerorts an Platz und Personal. Hinzu kommt: Die Resettlement-Flüchtlinge brauchen besonders viel Betreuung.
Das UNHCR bedauert den Entscheid der Schweiz. Man habe zwar Verständnis für die gegenwärtige Ausnahmesituation, sagt die Leiterin des Schweizer Büros, Anja Klug. «Aber wir hoffen natürlich, dass der Bund das Programm rasch wieder aufnimmt und das vereinbarte Kontingent bis Ende 2023 erfüllt.»
Die Schweiz hat sich verpflichtet, in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 1820 Resettlement-Flüchtlinge aufzunehmen. Es geht vor allem um Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Sudan. Das UNHCR schlägt die Flüchtlinge dem Bund vor, dieser wählt aus, und danach reisen die Menschen direkt in die Schweiz.
Hier angekommen, müssen sie kein Asylverfahren mehr durchlaufen. Bislang hat die Schweiz 641 der vorgesehenen 1820 Flüchtlinge aufgenommen. Laut dem Staatssekretariat für Migration sollen jene, die bereits einen positiven Bescheid erhalten haben, bis Ende März 2023 noch einreisen können – das SEM rechnet mit 350 bis 400 Personen. Für alle anderen heisst es: warten.
Druck auf SP-Bundesrätin
Der Entscheid des Bundes kommt politisch zu einem brisanten Zeitpunkt. Es ist eine der letzten Handlungen von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Justizdepartement. Demnächst wechselt sie ins Finanzdepartement. Bereits am Dienstag übergibt sie die Departementsschlüssel im Bundeshaus West ihrer Nachfolgerin Elisabeth Baume-Schneider. Die neue SP-Bundesrätin dürfte am Entscheid keine Freude haben. Sie steht für eine offene Migrationspolitik.
Ihre Partei, die SP, kritisiert den Aufnahmestopp denn auch scharf. «Für mich steht der Entscheid exemplarisch für die Asylpolitik von Karin Keller-Sutter», sagt die SP-Nationalrätin Samira Marti. Keller-Sutter habe es verpasst, die Schweiz auf eine Migrationskrise vorzubereiten. «Sie hat in den Bundesasylzentren sogar noch Plätze abgebaut. Dass jetzt die Schwächsten darunter leiden, ist die bittere Pointe ihrer Politik.» Baume-Schneider werde jetzt eine kritische Bestandesaufnahme machen müssen.
Es war die abtretende SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die das Resettlement ab 2013 vorangetrieben hatte. Unter ihrer Führung kamen vor allem syrische Flüchtlinge dank dem Programm in die Schweiz. Diese Woche sagte Sommaruga an der Bundesratsfeier von Baume-Schneider in Delémont, sie sei überzeugt, dass ihre Parteikollegin im Justizdepartement eine «humanistische Politik» betreiben werde.
Der Bund will nächstes Jahr über die Wiederaufnahme des Resettlement-Programms entscheiden. Konkret wird der Sonderstab Asyl die Situation im Frühjahr 2023 erneut bewerten. Dann wird Elisabeth Baume-Schneider die Verantwortung tragen. Der Druck auf die Jurassierin ist heute schon hoch – und zwar von links und von rechts.
Die Fraktionschefin der Grünen Aline Trede etwa sagt: «Elisabeth Baume-Schneider muss den Entscheid so schnell wie möglich rückgängig machen.» Es stimme nicht, dass man in der reichen Schweiz zu wenig Platz habe für die Flüchtlinge. Die Grünen wollen der neuen SP-Bundesrätin auf ihren Amtsantritt im Januar einen Brief schreiben, «um sie bei einer menschlichen Asylpolitik zu unterstützen» – dazu gehöre auch, das Resettlement-Programm so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.
Diametral anderer Meinung ist die SVP. «Auf gar keinen Fall darf man dieses Programm wieder aufnehmen», sagt der Fraktionschef Thomas Aeschi. Er sei froh, dass der Stopp jetzt unter Bundesrätin Karin Keller-Sutter erfolge. «Ich befürchte, dass mit der neuen, welschen SP-Bundesrätin beim Staatssekretariat für Migration wieder eine Laisser-faire-Mentalität überhandnimmt.» Die SVP dürfte im Wahljahr 2023 keine Gelegenheit auslassen, die SP-Bundesrätin anzugreifen.
Das Resettlement-Programm ist der SVP schon seit längerem ein Dorn im Auge. Sie möchte das Programm nicht nur sistieren, sondern ganz beenden. «Wir sind grundsätzlich gegen dieses Einfliegen von Flüchtlingen», sagt der SVP-Nationalrat Aeschi.
Kantone zufrieden
In vielen Kantonen kommt der vorläufige Aufnahmestopp dem Vernehmen nach ebenfalls gut an. Sie tragen derzeit gemeinsam mit den Gemeinden die Hauptlast, indem sie die Flüchtlinge betreuen und unterbringen. Der Kanton Bern etwa schlägt schon seit längerem Alarm: «Wir wissen fast nicht mehr, wo die Leute unterbringen, die Lage ist dramatisch», sagt der FDP-Sicherheitsdirektor Philippe Müller. Zuvor hatte bereits der Berner Sozialvorsteher Pierre Alain-Schnegg den Bund aufgefordert, das Resettlement-Programm auszusetzen.
Für Philippe Müller ist der jetzige Entscheid «überfällig». Die Schweiz könne zurzeit schlicht und einfach nicht noch mehr Menschen ins Land holen. Auch wenn es sich bei den Resettlement-Flüchtlingen um «echte Flüchtlinge» handle. «Das ist das Tragische an dieser Geschichte: Wir haben zu viele unechte Flüchtlinge im Land. Sie nehmen den vulnerablen Flüchtlingen den Platz weg.» Es treffe jetzt «ein Stück weit» die Falschen.
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1820
Die Schweiz hat sich verpflichtet, in den Jahren 2022 und 2023 1820 sogenannte Resettlement-Flüchtlinge aufzunehmen.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/schweiz-laesst-uno-fluechtlinge-warten-ld.1717650)
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-> https://www.derbund.ch/schweiz-stoppt-aufnahme-von-besonders-beduerftigen-fluechtlingen-320574283308
-> https://www.srf.ch/news/international/krieg-in-der-ukraine-schweiz-nimmt-vorerst-keine-resettlement-fluechtlinge-mehr-auf
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/schweiz-nimmt-vorerst-keine-resettlement-fluechtlinge-mehr-auf-149297895
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/schweiz-nimmt-vorerst-keine-resettlement-fluchtlinge-mehr-auf-66372323
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz-nimmt-keine-uno-fluechtlinge-mehr-auf-vorerst-664208721390
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Schwieriger Einstand für Baume-Schneider: SVP startet wahre Asyl-Offensive
Die Flüchtlingszahlen in der Schweiz steigen und steigen. Das ist Wasser auf die Mühlen der SVP. Die Partei begrüsst die neue Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider gleich mit einer Asyl-Breitseite im Amt.
https://www.blick.ch/politik/schwieriger-einstand-fuer-baume-schneider-svp-startet-wahre-asyl-offensive-id18155615.html
+++MITTELMEER
»Es ist herzzerreißend«: Zweijährige stirbt nach Bootsunglück vor Lampedusa
Stunden nach dem Kentern eines Bootes mit Geflüchteten auf dem Mittelmeer ist ein Kleinkind gestorben. Der Bürgermeister von Lampedusa zeigt sich erschüttert: Er habe schon mindestens ein Dutzend tote Kinder erleben müssen.
https://www.spiegel.de/ausland/lampedusa-boot-mit-fluechtlingen-kentert-zweijaehrige-stirbt-a-1e784861-7604-4fbe-9db1-01e70c19f93d
++++EUROPA
«Festung Europa» 2022? Illegale Grenzübertritte in EU nehmen zu
Trotz neuer Zäune und umstrittener Kooperationen zur Abwehr von Migranten haben die illegalen Grenzübertritte in die Europäische Union 2022 deutlich zugenommen.
https://telebasel.ch/2022/12/18/festung-europa-2022-illegale-grenzuebertritte-in-eu-nehmen-zu
Alle Frontex-Dokumente
Die Grenzpolizei Frontex ist eine der intransparentesten EU-Agenturen. Hier veröffentlichen wir Tausende von Dokumenten, die wir durch Anfragen bei Frontex gesammelt haben.
https://fragdenstaat.de/blog/2022/12/13/alle-frontex-dokumente/
+++GASSE
City Angels helfen in Lugano Gestrandeten: Jetzt droht den Engeln selbst die Obdachlosigkeit
Seit acht Jahren gehen die uniformierten freiwilligen Helfer durch Luganos Innenstadt und kümmern sich um Obdachlose. Die Zahl der Gestrandeten habe sich verdreifacht, erzählen die City Angels. Blick begleitete die Truppe durch das nächtliche Lugano TI.
https://www.blick.ch/schweiz/city-angels-helfen-in-lugano-gestrandeten-jetzt-droht-den-engeln-selbst-die-obdachlosigkeit-id18156833.html
+++POLIZEI ZH
Müssen Zürcher Polizisten in die LGBT-Nachhilfe?
Die Kommission für Staat und Gemeinden (STGK) fordert regelmässige und obligatorische Lektionen für Beamte, Staatsanwälte und Gerichtsmitarbeitende.
https://www.20min.ch/story/lgbt-nachhilfe-fuer-zuercher-polizisten-kommission-fordert-regelmaessige-kurse-669013082538
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Freispruch in Griechenland, Meldestelle in BAZ, Todesfall in Regionalgefängnis
https://antira.org/2022/12/18/freichspruch-in-griechenland-meldestelle-in-baz-todesfall-in-regionalgefaengnis/
+++RECHTSEXTREMISMUS
REICHSBÜRGERPUTSCHPLÄNERAZZIA:
-> https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-reichsbuerger-polizisten-1.5717482
-> https://jungle.world/artikel/2022/50/unsicherheitsfaktor-polizei
+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Wie eine moralische Panik die Welt erfasst
Ein Gespenst geht um in der westlichen Welt: das Gespenst der „Cancel Culture“. Stimmt es, dass die Redefreiheit eingeschränkt ist? Oder handelt es sich um Panikmache? Darüber hat ttt mit dem Literaturwissenschaftler Adrian Daub
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/ttt-18122022-adrian-daub-cancel-culture-100.html