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+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 146-2022 Baumgartner (Jegenstorf, SP) Temporäre Unterkunft Viererfeld (TUV) – Chance vergeben?
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=bab87f13b4ca412e88b6e6474f5754f0
+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 30.10.2022
«Die Rahmenbedingungen menschlicher gestalten» – das erste Aargauer Flüchtlingsparlament hat getagt
Das erste Aargauer Flüchtlingsparlament hat in Aarau getagt und seine Wünsche und Forderungen zuhanden der Politik platziert.
Martin Rupf
Ein Hauch von UNO-Vollversammlung lag am Samstag im Grossratssaal in Aarau. Menschen verschiedenster Nationalitäten waren gekommen, um an der ersten Aargauer Flüchtlingssession teilzunehmen. Organisiert wurde diese vom Verein NCBI in Kooperation mit dem Verein Netzwerk Asyl Aargau. Einer der Teilnehmer war Yusefi Moghadam.
Der 36-Jährige war vor sechs Jahren als politischer Flüchtling aus dem Iran in die Schweiz geflüchtet. Sein Asylgesuch wurde jedoch abgelehnt, trotzdem ist er noch in der Schweiz. «Ich kann nicht in den Iran zurück, es ist für mich schlicht zu gefährlich dort.»
Moghadam ist kein Einzelfall. Rund 350 abgewiesene Asylsuchende – davon ein Viertel Kinder – leben zurzeit im Aargau.
Seit Ende August hatten sich rund 40 Geflüchtete, die im Aargau leben, auf die Session vorbereitet, um am Nachmittag ihren Katalog mit knapp 20 Empfehlungen und Forderungen an die eingeladenen Politikerinnen und Politiker sowie Behördenmitglieder zu richten. Eine Forderung lautete: «Wir fordern für alleinerziehende Geflüchtete die Möglichkeit einer Teilzeitlehre und die Möglichkeit einer Kinderbetreuung für die Zeit, in der die Mutter oder der Vater arbeitet oder in die Schule geht.»
Grossrätin Rita Brem-Ingold (die Mitte) antwortete darauf: «Da muss ich sie leider um Geduld bitten, da die Kinderbetreuung ja auch für viele Schweizerinnen und Schweizer immer noch ein Problem darstellt.»
Und zur Forderung, geflüchtete Personen in der Lehre sollten nach Bedarf zusätzlichen Deutschunterricht erhalten, meinte EVP-Grossrätin Therese Dietiker: «Ich kann das sehr gut nachvollziehen, zumal es gerade für Geflüchtete sehr schwierig, sich die beruflichen Fachwörter anzueignen.»
SP-Grossrätin: Härtefallgesuche einreichen
Einen Schwerpunkt der Forderungen und anschliessenden Diskussionen bildete in der Folge aber die Situation von abgewiesenen Asylsuchenden. So stand etwa die Forderung im Raum, dass geflüchtete Personen ihre begonnene Lehre trotz negativem Asylentscheid beenden dürfen. Auch forderte das Parlament die Aufhebung der restriktiven Rayon-Auflagen im Aargau, wonach sich abgewiesene Geflüchtete nur noch in gewissen Gebieten aufhalten dürfen.
«Das ist für uns eines der schwierigsten Themen» sagte Pia Maria Brugger, Leiterin des kantonalen Sozialdienstes. «Denn wir sind nicht für das Migrations-Verfahren, sondern für die Unterbringung und Betreuung zuständig. Wir sehen Menschen, die unter jahrelanger Unterbringung in Asylunterkünften leiden.» Ganz sicher wolle man die Menschen nicht zusätzlich drangsalieren.
Für Fabienne Notter, Geschäftsleiterin Caritas Aargau, stand indes fest: «Die derzeitige Politik glaubt, dank möglichst schlechter Rahmenbedingungen würden abgewiesene Geflüchtete die Schweiz schneller verlassen.» Sie habe aber Familien erlebt, die während zehn Jahren auf engstem Raum gelebt hätten und trotzdem nicht ausgereist seien. Man müsse die Rahmenbedingungen menschlicher gestalten, so Notters Forderung. «Dazu gehört für mich ganz klar die Abschaffung des Rayon-Verbots.»
Die Mitte-Grossrätin Brem-Ingold hielt generell fest: «Ich muss mich für die Politik wehren. Wir können nicht einfach alle Menschen aufnehmen. Wir sind ein kleines Land.» Das wiederum konnte SP-Grossrätin Lea Schmidmeister so nicht so stehen lassen: «Erstens haben wir viel Platz. Und zweitens haben wir Fachkräftemangel. Wir können jede Person gebrauchen, die arbeitet.» Sie empfahl den Geflüchteten im Saal: «Reichen sie immer und immer wieder Härtefallgesuche ein. Irgendwann wird es dann klappen.»
Situation bei Menschen mit F-Status verbessern
Eine weitere Forderung des Parlaments lautete, die Situation für Menschen mit einem F-Status, also vorläufig Aufgenommene, zu verbessern. Dies mit einem offiziellen Dokument, das über die Rechte und Pflichten dieser Menschen informiert. Eine Forderung, die GLP-Grossrat Ignatius Ounde unterstützte. Der gebürtige Kenianer musste zwar selber kein Asylverfahren durchlaufen, konnte aber mit der Situation der geflüchteten Menschen im Saal mitfühlen. Kurz vor 16 Uhr war die erste Aargauer Flüchtlingssession Geschichte.
Ob die Empfehlungen und Forderungen Gehör finden, wird sich zeigen. Yusefi Moghadam hofft, dass sein Härtefallgesuch gutgeheissen wird. Der gelernte Architekt und Schreiner hat nur einen Wunsch: «In der Schweiz bleiben und hier arbeiten zu dürfen.»
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Podiumsdiskussion ohne FDP und SVP
Grossratsmitglieder von der FDP und SVP waren am Samstag keine auf dem Podium. Sie wurden nicht angefragt. FDP-Kantonalpräsidentin Sabina Freiermuth findet es bedauerlich, dass nicht auf eine ausgewogene Beteiligung geachtet wurde. «In einem Dialog und erst recht in einem Parlament spricht man doch miteinander, nicht übereinander.» Ihre Partei sei interessiert an einem Dialog mit Mitgliedern des Flüchtlingsparlaments. Jemanden aus der Fraktion zu finden, der am Samstag so kurzfristig hätte teilnehmen können, sei aber nicht möglich gewesen. Freiermuth hat deshalb mit Ron Halbright vom Verein NCBI, der das Flüchtlingsparlament mitorganisiert hat, Kontakt aufgenommen. Sie planen nun ei-nen Dialog mit einer Vertretung der Fraktion in anderem Rahmen über das Flüchtlingsparlament und die Vorschläge, die angenommen wurden. Halbright freut sich über das Interesse der FDP Aargau an einem Dialog. «Wir suchen Verbündete in allen Parteien, die sich für unsere Anliegen einsetzen», sagt er. (nla)
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/aarau-die-rahmenbedingungen-menschlicher-gestalten-das-erste-aargauer-fluechtlingsparlament-hat-getagt-ld.2365613)
+++BASEL
Die Rechtsvertretung der Asylsuchenden im Bundesasylzentrum Basel steht unter Druck
Immer mehr Asylsuchende beschweren sich über die Unterbringungsbedingungen in Zivilschutzanlagen. Das evangelische Hilfswerk kann nicht in allen Belangen helfen.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/migration-die-rechtsvertretung-der-asylsuchenden-im-bundesasylzentrum-basel-steht-unter-druck-ld.2364944
Kein Weiterkommen am Bahnhof SBB: Migranten stranden hier
Am Bahnhof SBB stranden immer mehr Migranten, die eigentlich weiter nach Frankreich reisen wollen. Es sind vor allem Männer aus Afghanistan und der Türkei. Die SBB transportieren die Menschen bis hierher, am Bahnhof SBB in Basel hilft ihnen aber niemand bei der Weiterreise.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/kein-weiterkommen-am-bahnhof-sbb-migranten-stranden-hier?id=12279376
+++GENF
tagblatt.ch 31.10.2022
Die Schweiz sucht händeringend nach Unterkünften für Geflüchtete: Jetzt werden in Genf Grossraumbüros geräumt
Keine freien Wohnungen, kaum Landreserven: Für Genf ist die Unterbringung von Flüchtlingen besonders herausfordernd. Nun werden Büroflächen zu Unterkünften für Ukrainerinnen umgebaut.
Julian Spörri, Genf
Wo früher Bürotisch an Bürotisch stand, sind Betten aufgestellt. Neue Wände wurden aufgezogen, um separate Schlafzimmer für jeweils drei Personen zu errichten. In zu Küchen umgebauten Sitzungszimmern nehmen insgesamt 75 Personen ihre Mahlzeiten ein. Und die sanitären Anlagen bestehen nicht mehr nur aus Toiletten, sondern auch aus Duschen.
Es sind weitreichende Veränderungen, die ein Grossraumbüro im Genfer Vorort Lancy in den letzten Monaten durchgemacht hat. Seit Oktober beherbergt das Bürogebäude auf zwei Etagen Geflüchtete aus der Ukraine. Doch dies ist nur der Anfang. Insgesamt schafft der Genfer Sozialdienst – das Hospice Général – bis zu Beginn des neuen Jahres auf Büroflächen 600 Betten für Ukrainerinnen und Ukrainer. Kostenpunkt für den Umbau an den fünf Standorten: 8 Millionen Franken.
Schweizer Asylsystem am Anschlag
Diese schweizweit einmalige Strategie ist Beweis dafür, wie die Kantone derzeit mit allen Mitteln nach neuen Unterkünften für Geflüchtete suchen. Denn im wahrscheinlichsten Szenario rechnet das Staatssekretariat für Migration damit, dass zusätzlich zu den bisher 67’000 aufgenommenen Ukrainerinnen und Ukrainern bis Ende Jahr bis zu 18’000 hinzukommen. Kommt es im Kriegsgebiet mit dem Wintereinbruch zu Versorgungsengpässen, könnten es sogar deutlich mehr werden.
Parallel dazu geht der Bund von bis zu 24’000 regulären Asylgesuchen für das Jahr 2022 aus. Bereits jetzt sind die Bundes-Asylzentren überlastet, weshalb Asylbewerbende früher als vorgesehen auf die Kantone verteilt werden.
Die Herausforderungen für die Kantone sind also gross – aber nicht überall gleich gross. «Wo viele Wohnungen leer stehen und viel Land vorhanden ist, gestaltet sich die Suche nach neuen Unterkünften einfacher», sagt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren. Schweizweit gesehen sind denn derzeit auch noch 7500 Plätze in kantonalen und kommunalen Asylstrukturen frei. «In städtischen Kantonen mit einem überhitzten Wohnungsmarkt und ohne Landreserven wie beispielsweise Genf präsentiert sich die Situation dagegen viel schwieriger.»
Dort kann nicht einfach Wohnraum angemietet werden. So beläuft sich der Anteil der leerstehenden Wohnungen in Genf auf nur 0,38 Prozent – das ist schweizweit hinter Zug der zweittiefste Wert.
Pool an Gastfamilien ausgeschöpft
Erschwerend kommt hinzu, dass die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen bei Gastfamilien ihren Zenit erreicht hat. In Genf wurden jüngst trotz einer Kampagne mit Zeitungsinseraten für 50’000 Franken nur 30 neue Plätze gefunden. Das reicht bei weitem nicht für die rund 1200 Ukrainerinnen und Ukrainer, mit denen der Kanton bis Ende Jahr rechnet.
Fündig geworden ist Genf nun also bei den Grossraumbüros. Zahra Dziri, die beim Hospice Général für die Unterbringung von Personen mit Schutzstatus S verantwortlich ist, sagt dazu: «Wenn man keine andere Wahl hat, wird man innovativ.»
Dziri betont, dass die Unterkünfte in den umgebauten Büros ukrainischen Flüchtlingen vorbehalten sind, da der Genfer Staatsrat die Umnutzung nur für die Dauer der Ukraine-Krise genehmigt hat. Reguläre Asylbewerbende werden in den bereits bestehenden Kollektivunterkünften untergebracht, wobei der Genfer Sozialdienst an der Erhöhung der Aufnahmekapazität arbeitet.
Die neu geschaffenen Plätze in den umgenutzten Büros sollen in erster Linie dafür sorgen, dass Ukrainerinnen und Ukrainer aus der Messehalle Palexpo umquartiert werden können. Auf dem Areal, das früher jeweils den Genfer Auto-Salon beherbergte, leben derzeit über 300 Menschen. Rund 400 weitere hätten zwar noch Platz.
Doch das Palexpo-Flüchtlingslager – schweizweit in dieser Form einmalig – sei als «temporäre Notunterkunft» und nicht für lange Aufenthalte konzipiert, sagt Dziri. Das zeigt sich nur schon daran, dass die «Schlafzimmer» lediglich mit Vlieswänden voneinander abgetrennt sind.
Gekocht wird ohne Herd und Ofen
Für die 75 nach Lancy umgezogenen Ukrainerinnen und Ukrainer stellt die Unterbringung im umgebauten Büro somit ein deutliches Upgrade dar. Gewisse Einschränkungen bleiben jedoch. So gibt es in der Küche keinen Ofen und keine Herdplatten. «Die Lüftungs- und Brandschutzbedingungen lassen dies nicht zu», erklärt Dziri. Gekocht wird darum mit Mikrowellenherden, Reiskochern und Co.
Überhaupt erst möglich wurde die Umnutzung von Büroflächen zu Unterkünften im Kanton Genf übrigens dank einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015, wie Bernard Manguin, Mediensprecher vom Hospice Général, sagt. Primäres Ziel der damals vom Volk angenommenen Vorlage war die Schaffung von Wohnraum. Rund 1500 neue Wohnungen erhofften sich die Befürwortenden angesichts der kantonsweit leerstehenden Büroflächen im Umfang von über 200’000 Quadratmetern.
Nach sieben Jahren ist die Bilanz jedoch mehr als durchzogen: Von der Stadt Genf wurden zum Beispiel lediglich 300 Wohnungen bewilligt. Realisiert oder in Bau sind bis jetzt nur deren 40. Ein Grund für den begrenzten Erfolg dürften die hohen technischen und finanziellen Hürden beim Umbau sein. Schliesslich würde ja niemand in seiner Wohnung auf Ofen und Herd verzichten wollen.
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/asylwesen-die-schweiz-sucht-haenderingend-nach-unterkuenften-fuer-gefluechtete-jetzt-werden-in-genf-grossraumbueros-geraeumt-ld.2365390)
+++SCHWEIZ
Rahmenkredit Migration: Bundesrätin Keller-Sutter unterzeichnet Umsetzungsabkommen mit Zypern
Die Schweiz unterstützt Zypern in den Jahren 2023 bis 2026 mit konkreten Projekten und Programmen im Migrationsbereich. Am 31. Oktober haben Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der zypriotische Innenminister, Nicos Nouris, in Bern ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Die verstärkte Zusammenarbeit erfolgt über den Rahmenkredit Migration des zweiten Beitrags der Schweiz an ausgewählte Mitgliedstaaten der EU. Mit dem Rahmenkredit werden gezielt EU-Staaten unterstützt, die einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Der Beitrag zur Unterstützung Zyperns beläuft sich auf 10 Millionen Franken.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90997.html
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/migration-keller-sutter-unterschreibt-migrationsabkommen-mit-zypern-ld.2366093
Deutschland kritisiert Schweizer «Durchwinken» von Geflüchteten – Tagesschau
Viele Migranten passieren die Schweiz nur und reisen direkt weiter nach Deutschland und Frankreich. Die Schweiz handle nicht im Sinne des Dublin-Abkommens, wenn sie Geflüchtete einfach durchleite – diesen Vorwurf aus Deutschland weist Bundesrätin Karin Keller-Sutter jedoch zurück.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/deutschland-kritisiert-schweizer-durchwinken-von-gefluechteten?urn=urn:srf:video:63cc5e78-4fb7-4919-812b-39762a975d46
Transitland Schweiz – Jetzt äussert sich Keller-Sutter zur Asylkritik aus Deutschland
Bundesrätin Keller-Sutter widerspricht den deutschen Behörden: Die Schweiz halte sich an das Dublin-Abkommen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/transitland-schweiz-jetzt-aeussert-sich-keller-sutter-zur-asylkritik-aus-deutschland
+++DEUTSCHLAND
Deutsche fürchten wegen der Schweiz explodierende Flüchtlingszahlen
Die Zahl der illegalen Migranten, die nach Deutschland fliehen, steigt stark an. Schuld daran soll nach einem neuen Bericht auch die Schweiz sein.
https://www.nau.ch/news/schweiz/deutsche-furchten-wegen-der-schweiz-explodierende-fluchtlingszahlen-66320133
+++ÄRMELKANAL
Einreiseversuche nach England: Über 200 Flüchtlinge aus Seenot im Ärmelkanal gerettet
Die französische Küstenwache hat am Wochenende 217 Menschen zurück nach Frankreich gebracht, etwa 1000 erreichten England. In Dover warf ein Mann Brandsätze auf eine Unterkunft – der mutmaßliche Täter wurde tot aufgefunden.
https://www.spiegel.de/ausland/aermelkanal-mehr-als-200-fluechtlinge-am-wochenende-aus-seenot-gerettet-a-de821a86-adf6-42aa-9a96-524b15230d06
+++MITTELMEER
Seenotrettung: Rund 1.000 Geflüchtete warten vor Italiens Küsten auf Anlegeerlaubnis
Mehreren Schiffen von Seenotrettern wird derzeit die Einfahrt in italienische Häfen verweigert. Auf einem Rettungsschiff spitzt sich die medizinische Situation zu.
https://www.zeit.de/politik/2022-10/seenotrettung-gefluechtete-malta-italien-meloni
+++GASSE
«Wer geht schon gerne betteln?»
Ralph Mohler ist auf Sozialhilfe angewiesen. Der Läufelfinger weiss, wie schwierig der Gang zum Amt ist – rät es im Ernstfall trotzdem.
https://telebasel.ch/2022/10/31/wer-geht-schon-gerne-betteln/?channel=105100
+++SEXWORK
Gegen alte Vorurteile
Berlins Porno-Industrie zieht in den Arbeitskampf und prangert diskriminierende Gesetze an
Porno-Darsteller*innen haben keinen leichten Stand, um die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Sek¬tion Sexarbeit der Gewerkschaft FAU will zeigen, dass Organisierung trotzdem hilft.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168131.sexarbeit-gegen-alte-vorurteile.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Aufsichtsbeschwerde wegen Critical Mass Hitzige Szenen an der Velodemo, nun fordert FDP Regeln von der Stadt
Es sei an der Stadt, den Veloumzug durch die Stadt Zürich zu regeln. Am Freitag kam es wiederum zu hitzigen Szenen – weil die Frau eines Automobilisten im Kreisssaal lag.
https://www.tagesanzeiger.ch/wegen-hitziger-szenen-an-der-velodemo-fordert-fdp-regeln-von-der-stadt-320745410227
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/lehrer-ohne-diplom-sollen-bleiben?id=12279412 06:16)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/stadt-zuerich-gegen-energiekrise-geruestet?id=12278881 (ab 03:07)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/gaehnende-leere-in-den-impfzentren?id=12279109 (ab 05:57)
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/gute-chancen-fuer-beschwerde-148582927
-> https://www.20min.ch/story/fdp-reicht-beschwerde-ueber-die-velo-demo-critical-mass-ein-500148806420
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/velobewegung-in-zuerich-fdp-reicht-eine-beschwerde-im-umgang-mit-der-critical-mass-ein
Verspätete Autofahrer können von Klima-Aktivisten Schadenersatz fordern
Durch Klima-Aktivisten blockierte Strassen verärgern Verkehrsteilnehmende. Gemäss Rechtsexperten sind Schadenersatzforderungen möglich.
https://www.20min.ch/story/veraergerte-autofahrer-koennen-von-klima-aktivisten-schadenersatz-fordern-298812647792
Renovate Switzerland – was die Klimaaktivisten eigentlich genau wollen
Sie sind schon seit März dieses Jahres aktiv, aber besonders in diesem Monat in Erscheinung getreten: Renovate Switzerland. Was will die Kampagne genau erreichen? Eine Übersicht über ihre Forderungen und bisherigen Aktionen.
https://www.watson.ch/!750591216
-> https://www.20min.ch/story/lasst-die-aktivisten-zur-strafe-haeuser-isolieren-205737838999
Hausbesetzer beim Letten
Hausbesetzer nehmen das alte EWZ-Gebäude an der Limmat in Beschlag. Die Quartierbewohner sind nicht begeistert von ihren neuen Nachbarn. Das EWZ als Hausbesitzerin warnt die Hausbesetzter, weil das alte, denkmalgeschützte Haus gefährlich ist.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/hausbesetzer-beim-letten-148582851
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tagesanzeiger.ch 31.10.2022
Besetzung in Zürich EWZ warnt Besetzer vor Einsturzgefahr
Seit Sonntag besetzen Linksautonome ein altes EWZ-Gebäude an der Limmat. Sie wollen dort ein Kulturhaus betreiben. Doch das Gebäude ist baufällig.
Susanne Anderegg
Am Tag zwei der Besetzung bietet sich beim alten EWZ-Gebäude an der Wasserwerkstrasse ein friedliches Bild. Ein paar junge Männer stehen vor dem Eingang, verteilen Flugblätter an Vorbeigehende und geben bereitwillig Auskunft, was sie hier planen: «Einen öffentlichen Raum für unkommerzielle
Kultur und unabhängigen sozialen und politischen Austausch.» Es soll Konzerte geben, Filmvorführungen und Infoveranstaltungen, aber auch eine Velowerkstatt, eine Siebdruckerei und eine Küche für alle.
Das historische Gebäude an der Limmat soll Ersatz sein für das Koch-Areal, das die Besetzerinnen und Besetzer im Februar verlassen müssen. Nur wohnen wollen sie am neuen Ort nicht.
Das EWZ hat am Montag mit den Besetzern Kontakt aufgenommen, wie Sprecher Harry Graf sagt. Es hat sie aufgefordert, das Gebäude wieder zu verlassen, und sie vor einer drohenden Einsturzgefahr gewarnt. Laut Graf ist vor zwei Jahren schon mal ein Teil des Dachs eingestürzt. Als Eigentümerin haftet das EWZ, falls etwas passieren sollte. «Wir verhandeln mit den Besetzern und hoffen, eine einvernehmliche Lösung zu finden», sagt Graf. Er schliesst eine Räumung nicht aus, doch habe das EWZ noch keine Frist zum Verlassen des Hauses gesetzt.
Das sogenannte Kesselhaus stammt aus der Anfangszeit der Wasser- und Stromversorgung von Zürich. Weil es baufällig ist, steht es seit 2019 leer. Vorher hatte das EWZ es einige Jahre als Zwischenlager für Material genutzt. Das Gebäude ist im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von Zürich aufgeführt, es muss also ziemlich sicher erhalten bleiben, und eine Renovation ist kompliziert. Die Stadt hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die über eine neue Nutzung des gesamten Gebiets diskutiert. Laut EWZ-Sprecher Graf gibt es viele Ideen, aber bisher noch kein Projekt.
(https://www.tagesanzeiger.ch/ewz-warnt-besetzer-vor-einsturzgefahr-439943375858)
+++KNAST
Er bekam Verstopfungen: Häftling verklagt Schweiz – er bekam keine veganen Mahlzeiten
Die Schweiz muss sich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erklären. Der Grund: Ein Schweizer Häftling hat sich beschwert, dass er im Knast keine richtige vegane Ernährung bekommen habe.
https://www.blick.ch/schweiz/er-bekam-verstopfungen-haeftling-verklagt-schweiz-er-bekam-keine-veganen-mahlzeiten-id18009458.html
-> https://www.theguardian.com/world/2022/oct/28/vegan-activist-takes-switzerland-to-human-rights-court-over-prison-diet#:~:text=Switzerland%20has%20been%20challenged%20at,of%20freedom%20of%20conscience%20across
Häftling hat sich im Sommer im Gefängnis Liestal erhängt
Anfang Juli verstarb ein 30-jähriger Häftling im Gefängnis Liestal. Die Untersuchung wurde eingestellt, die Todesursache konnte geklärt werden.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/todesfall-haeftling-hat-sich-im-sommer-im-gefaengnis-liestal-erhaengt-ld.2366150
-> https://www.watson.ch/schweiz/solothurn/286662622-todesfall-vom-juli-im-gefaengnis-liestal-geklaert
-> https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/sicherheitsdirektion/staatsanwaltschaft/medienmitteilungen/haeftling-im-gefaengnis-liestal-tot-aufgefunden-todesursache-geklaert
++++POLICE GE
Stockbetrunken auf dem Posten: Genfer Polizist ballert um sich – und verletzt Kollegen
Ein Polizist hat am Freitag im Genfer Polizeigebäude seine Dienstwaffe gezückt und einen anderen Beamten am Fuss verletzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/genf/stockbetrunken-auf-dem-posten-genfer-drogen-polizist-schiesst-sieben-mal-und-verletzt-kollegen-id18010123.html
+++POLIZEI LU
Weniger Polizeposten – Luzern: Kantonsrat beschliesst Abbau von Polizeiposten in Dörfern
Mehr Patrouillen, weniger Polizeiposten: Was die Regierung mit der Luzerner Polizei vorhat, gibt im Parlament zu reden.
https://www.srf.ch/news/schweiz/weniger-polizeposten-luzern-kantonsrat-beschliesst-abbau-von-polizeiposten-in-doerfern
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/der-kanton-luzern-kann-seine-polizei-neu-organisieren?id=12279112
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/trotz-kritik-michele-bloechliger-bekraeftigt-bundesratskandidatur?id=12279484 (ab 01:17)
Luzern: Dürfen auch Migranten Polizist/in werden?
Der Kanton Luzern liegt in Bezug auf die Polizeidichte weit unter dem Schweizer Durchschnitt! Dass es also mehr Polizistinnen und Polizisten braucht, da ist man sich einig. Wie man aber zu diesen kommt, dies sorgte heute im Kantonsrat für viel Zündstoff.
https://www.tele1.ch/nachrichten/luzern-duerfen-auch-migranten-polizistin-werden-148583381
+++POLIZEI UZH
Stadtpolizei Zürich regelt Umgang mit Medienschaffenden
Nachdem es am 1. Mai 2021 zu mehreren problematischen Vorfällen zwischen Medienschaffenden und der Stadtpolizei gekommen ist, regelt die Polizei nun den Umgang mit Journalist:innen in einem neuen Merkblatt.
https://presseverein.ch/stadtpolizei-zuerich-regelt-umgang-mit-medienschaffenden/
+++FRAUEN/QUEER
Frauenrechtskonvention CEDAW: UNO richtet Empfehlungen an die Schweiz
Der zuständige Fachausschuss der Vereinten Nationen hat heute rund 70 Empfehlungen zur Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) an die Schweiz veröffentlicht. Die Handlungsempfehlungen fordern die Sicherstellung der Gleichstellungsarbeit in den Kantonen, die Verstärkung der Massnahmen für die Lohngleichheit oder die Anpassung der Strafbestands der Vergewaltigung.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-91014.html
-> https://www.blick.ch/politik/sexualstrafrecht-uno-fordert-nur-ja-heisst-ja-loesung-in-der-schweiz-id18010900.html
-> https://www.derbund.ch/schweiz-erhaelt-ratschlaege-zu-gleichstellung-532133165293
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Überbelegte Bundesasylcamps, gefährliche Grenzen, angriffiger Faschismus
https://antira.org/2022/10/31/ueberbelegte-bundesasylcamps-gefaehrliche-grenzen-angriffiger-faschismus/
+++RECHTSEXTREMISMUS
„1/ Die Kreml-Propaganda zum Krieg wandelt sich aktuell gefährlich. Die Rede ist nicht mehr von „Entnazifizierung“ der Ukraine. Jetzt geht es um einen „heiligen Krieg“ gegen „Satanisten“ und die LGBT-Community, die Kinder missbrauche.“
Mehr: https://twitter.com/marko_kovic/status/1587076682539745283
TOP TALK: «Die Junge Tat ist eine Bedrohung für Juden, Muslime und LGBTIQ-Gemeinschaft»
Sie sympathisieren mit den Nationalsozialisten, diskriminieren unter anderem die LGBTIQ-Gemeinschaft, Juden und dunkelhäutige Menschen und sie schüren massiven Rassen-Hass gegen diese Minderheiten. Die Rede ist von der Gruppe «Junge Tat». Mitglieder der Gruppe leben unter anderem auch in Winterthur und Zürich.
https://www.toponline.ch/tele-top/detail/news/top-talk-die-junge-tat-ist-eine-bedrohung-fuer-juden-muslime-und-lgbtiq-gemeinschaft-00197522/
+++HISTORY
Der »unnatürliche« Kommunismus
Von Bluntschli zu Krings: Manches bleibt in den »Begründungen« für Antikommunismus seit 180 Jahren gleich
https://www.jungewelt.de/beilage/art/437293
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derbund.ch 31.10.2022
Ein erschütterndes Buch: Wer Nein sagte, bekam «auf den Ranzen»
Im neu aufgelegten Grube-Buch schildern Betroffene ihren von Gewalt und Missbrauch geprägten Alltag im Könizer Kinderheim «Auf der Grube».
Naomi Jones
Für Werner Schneider ist das neue Grube-Buch «eine Genugtuung». Schneider ist ein ehemaliges Heimkind und erzählt im Buch über seine Erlebnisse. Am Sonntagabend haben die Herausgeber und Herausgeberinnen mit einer szenischen Lesung und einem Podiumsgespräch die Vernissage gefeiert.
Denn das erste Grube-Buch gibt es nicht mehr: Es war 2013 im Auftrag des letzten Stiftungsrats des geschlossenen Könizer Knabenheims verfasst worden. Das Buch beleuchtete die Heimgeschichte kritisch. Der zweitletzte Heimleiter, Hans-Peter Hofer (im Amt von 2000 bis 2005), fühlte sich falsch dargestellt und erwirkte 2017 in einem Vergleich, dass das Buch nicht mehr weiterverbreitet wurde. Hofer entsorgte die ihm ausgehändigte Restauflage. Im Juli 2020 berichtete die «Berner Zeitung» über die skurrile Vernichtungsaktion.
Nun liegt das überarbeitete Buch vor und ist noch besser als das erste, wenn auch sehr beklemmend. Das im Buch geschilderte Heimleben in den 1960er- und 70er-Jahren ist von Gewalt und Missbrauch geprägt. Es fällt schwer, zu glauben, dass das alles in nächster geografischer Nähe bis in die jüngere Geschichte an der Tagesordnung war. Oder mit den Worten des Berner Schauspielers Luc Spori: «Es ist schon erstaunlich, wie all dies in der ordentlichen Schweiz möglich war: Tausende von Kindern wurden einfach ‹versorgt›.» Spori war selbst ein «versorgtes» Kind.
Acht exemplarische Schicksale
Das Kernstück des neuen Buches sind acht Porträts von Männern, die einen wesentlichen Teil ihrer Kindheit auf der Grube verbracht haben. Die Zeit im Heim prägt sie bis heute. Die wenigsten haben sich eine Familie aufbauen können. «Ich habe das Familienleben nie gelernt», erklärt etwa Heinz Kräuchi die Situation.
Kräuchi, der 1972 im Alter von neun Jahren auf die Grube kam und sieben Jahre dortblieb, ist eine der treibenden Kräfte hinter dem neuen Buch. In einer Onlinepetition forderten er und andere ehemalige Zöglinge «ihr Buch» zurück, als die Vernichtungsaktion publik geworden war. Im Anschluss gründete er eine Redaktionsgruppe, um das Buch neu herauszugeben. Das erste Buch war als historischer Rückblick vom letzten Stiftungsrat der 2011 geschlossenen Institution in Auftrag gegeben worden. Der Stiftungsrat hatte das Buch den Betroffenen gewidmet und sich darin explizit für das erlittene Unrecht entschuldigt.
Kräuchi ist heute ausgebildeter Fachmann Betreuung und arbeitet in der Tagesschule des Kinderheims Landorf. Doch längst nicht allen ist es nach ihrer Heimkarriere gelungen, sich erfolgreich auf die eigenen Beine zu stellen. «Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr weiterweiss», sagt etwa Patrick Balsiger im Buch. Nachdem er seine Arbeit in der Brockenstube wegen Rückenproblemen aufgeben musste, lebt er heute von der Sozialhilfe. «Menschen, die so aufgewachsen sind wie ich, haben nicht die gleichen Möglichkeiten wie andere, um menschenwürdig zu existieren.»
Deshalb werden in der Podiumsdiskussion auch Forderungen an den Kanton Bern laut. Der vom Bund finanzierte Solidaritätsbeitrag von 25’000 Franken sei als symbolischer Akt richtig gewesen. Doch für viele reiche er nirgends hin. Kräuchi erzählt von Kollegen, die keine Wohnung haben. Andere hätten so hohe Steuerschulden, dass sie diese in ihrem restlichen Leben nicht mehr bezahlen könnten. Wieder andere lebten von der Sozialhilfe, obwohl sie längst im AHV-Alter seien. Aufgrund ihrer Erfahrungen können sie sich nicht überwinden, die nötigen Formulare auszufüllen.
Mit Geld und Beratung unterstützen
Diese Menschen müssten mit Geld und Beratung unterstützt werden, sagt Kräuchi. «Das Leben der Betroffenen wurde auch durch die Behörden kaputtgemacht» – durch die Einweisung in das Kinderheim und die ungenügende Kontrolle der dortigen Verhältnisse.
Eine Passage aus dem Buch stützt Kräuchis Vorwurf auf eindrückliche Weise: «Wenn wir nur einmal Nein sagten im Heim, bekamen wir auf den Ranzen», sagt Luciano Costi. Unter anderem weil er nie gelernt habe, Nein zu sagen, sei er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Im Gefängnis sei er aber gut zurechtgekommen. «Ein Gefängnis ist wie ein Erwachsenenheim.» Nach der Buchvernissage war er sichtlich aufgewühlt.
Die Porträtierten berichten von einer streng hierarchisch geführten Institution. Der damalige Heimleiter Paul Bürgi muss angesichts des Geschilderten eine gewisse sadistische Neigung gehabt haben. Er trat 1966 die Nachfolge des Vaters an – schon seine Eltern hatten das Heim geleitet – und führte die Institution bis zur Jahrtausendwende, 34 Jahre lang. «Oft hat er uns beim Vorbeigehen ins Ohr gebissen, was höllisch wehtat», erzählt ein ehemaliger Grube-Bub, der im Buch anonym bleibt. Kräuchi bestätigt die Schilderung aus eigener Erfahrung. Andere berichten, wie Bürgi den Kopf von Kindern an die Wand schlug oder ihren Kopf zwischen seinen Beinen einklemmte, um sie mit einem Stock zu schlagen.
Heimleiter Bürgi stellte bewusst pädagogisch unqualifiziertes Personal an. Auch dieses schlug die Kinder und verging sich zum Teil sexuell an ihnen. Die Buben mussten als billige Arbeitskräfte auf dem Bauernhof arbeiten und wurden schlecht ernährt, während die Heimleitung besseres Essen erhielt. «Wir haben dort Kinderarbeit geleistet», sagt Spori.
Forderungen an den Kanton
Als der Kanton dem Heim 1990 wegen des Mangels an qualifiziertem Personal die Subventionen verweigerte, setzte Bürgi auf private Spenden. Der Kanton liess ihn gewähren. «Meines Erachtens sollte der Kanton Bern uns eine Entschädigung zahlen, weil er auf unserem Buckel gespart hat», sagt Luc Spori im Buch.
Die Historikerin Tanja Rietmann ordnet den Inhalt des Buches in der Einleitung historisch und methodisch ein. Nach wie vor ist die Chronik der Institution Teil des Buches. Die Passage, die Bürgis Nachfolger Hans-Peter Hofer derart erzürnte, dass er das Buch aus dem Verkehr zog, ist auf ein juristisch nicht angreifbares Minimum reduziert.
Zusammen mit anderen ehemaligen Mitarbeitenden kommt Hofer darin ebenfalls zu Wort. Angesichts des im Buch geschilderten Leids wirken seine Buchvernichtungsaktion aufgrund einer von ihm behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung und sein Gang zur Presse unverständlicher denn je. Trotzdem besuchte er die Buchvernissage und äusserte sich in der Publikumsdiskussion anerkennend: «Ich bin heute nicht gekommen, um zu rühmen, aber jetzt muss ich es doch tun.»
Wichtig war der Anlass aber vor allem für die anwesenden Betroffenen von administrativen Zwangsmassnahmen. Weshalb? Das sagt der ehemalige Grube-Bub Patrick Balsiger: «Dass das Buch nun wieder da ist, bedeutet, dass man uns endlich zuhört und glaubt.»
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Knabenheim «Auf der Grube». 188 Jahre Zwangserziehung. Innenblicke und Aussenblicke. Herausgegeben von: Caroline Bühler, Heinz Kräuchi, Fredi Lerch, Katrin Rieder, Tanja Rietmann. Verlag Hier und Jetzt, 2022, 246 Seiten.
Szenische Lesung und Gesprächsrunde zum Buch im Kulturlokal Ono am Montag, 21. November, 20 Uhr.
(https://www.derbund.ch/wer-nein-sagte-bekam-auf-den-ranzen-170777873025)