Überbelegte Bundesasylcamps, gefährliche Grenzen, angriffiger Faschismus


Was ist neu?

Bundesasylcamps sind überbelegt

Die Kapazitätsgrenzen der Bundesasylcamps (BAZ) seien überschritten. Von 9500 Betten stehen laut Blick noch 20 Betten frei. Das SEM hat vergangene Woche nun kommuniziert, dass die Kantone vorübergehend statt 500 Personen bis zu 1000 Asylsuchende aufnehmen müssten.

Bildeschriftung: In Basel wurden drei unterirdische Asyl-Bunker wieder geöffnet. Über 50 Migrant*innen sind in einem einzigen Zimmer zum Schlafen untergebracht!

Seit letzter Woche werden v.a. Personen mit negativem Asylentscheid schnellstmöglich an die Kantone verwiesen. Bald sollen aber auch vor Ablauf der 140 Tage in den BAZ bereits Personen in die Kantone verteilt werden. Die SFH befürchtet eine Verschlechterung des Rechtsschutzes. Das SEM beteuert, das werde nicht geschehen. Die Kantone melden bereits, dass auch sie an den Kapazitätsgrenzen seien. Es fehlt an Personal. Es fehlt an Platz.

So sind im BAZ Stadt Bern, dem ehemaligen Zieglerspital, laut der Zeitung Bund statt der vorgesehenen 350 Personen 500 asylsuchende Personen im BAZ. Auch in anderen Kantonen und Bundesasylzentren wie beispielsweise dem BAZ in Embrach, dem BAZ auf dem Glaubenberg und im Kanton Basel melden asylsuchende Personen die Überbelegung.

Der Überblick der Presseschau der letzten Woche zu diesem Thema diskutiert diese Probleme v.a. in Bezug auf den Bund und die Kantone. Die Perspektive der asylsuchenden Personen in den BAZ ist spärlich präsent. Doch in den Zimmern ist es eng, Gemeinschaftsräume werden zu Schlafzimmern umfunktioniert, es gibt keine Privatsphäre und weniger Aufenthaltsräume. Im BAZ Bern sind Dyphteriefälle bekannt. Der Zugang zu medizinischer Infrastruktur und psychologischer Betreuung ist durch die erhöhte Zahl der Personen noch prekärer. Der Stress auf so engem Raum zusammenzuleben führt auch zu Frustration und Streit. Auch sind vermehrt unbegleitete Jugendliche unter 18 Jahren in den Zentren, die zusätzliche Unterstützung bräuchten.

Kapazitätsgrenzen, Überbelegung – das bedeutet in erster Linie mehr Stress für die asylsuchenden Personen, weniger Gewährleistung der Grund- und Zugangsrechten wie Bildung und Gesundheit. Die Überbelegung als vorübergehende Krise zu betiteln ist heuchlerisch, da steigende Fluchtzahlen bei der Planung einzuberechnen sind und die Konsequenzen bei der Grösse der Infrastruktur v.a. eines bedeutet: Zu viele Menschen auf zu engem Raum verunmöglicht würdige Lebensbedingungen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90875.html
https://www.derbund.ch/bundesasylzentren-sind-alle-voll-996258648164
https://www.20min.ch/story/bundesasylzentren-am-anschlag-jetzt-sollen-die-kantone-helfen-952772714378
https://www.blick.ch/politik/kapazitaetsgrenze-erreicht-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren-id17992078.html
https://www.srf.ch/news/schweiz/kapazitaetsgrenze-erreicht-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren
https://www.baerntoday.ch/schweiz/in-bundesasylzentren-hats-kaum-mehr-freie-betten-148500006
https://www.watson.ch/schweiz/migration/475815098-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren-66314777
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/bundesasylzentren-stossen-an-kapazitaetsgrenze?partId=12275713
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/bundesasylzentren-voll—kantone-gefordert?urn=urn:srf:video:3d5caa70-6c25-4354-a877-1bdf6d050ba7
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/asylzentren-asylsystem-am-anschlag-bund-setzt-auf-mehrzweckhallen-und-nimmt-kantone-staerker-in-die-pflicht-ld.2363252
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/was-passiert-mit-der-leeren-wasserfabrik?id=12276544

Lesbos: Geflüchtet, dann gefesselt, geschlagen, erniedrigt

Auf Lesbos wurden 22 Menschen auf der Flucht vorgefunden, deren Hände mit Kabelbindern gefesselt und die teilweise schwer verletzt waren. Die zunehmende Brutalität von griechischen Behörden und Polizist*innen gegenüber Schutzsuchenden, verhält sich simultan zum Schweigen gegenüber der menschenrechtsverletzenden Gewalt. Diese nimmt trotz aller Beweise kein Ende.

Am 20. Oktober 2022 erhielt die Organisation Ärzt*innen ohne Grenzen (MSF) einen offiziellen Alarm von Menschen auf der Flucht. Die Gruppe war gerade auf der griechischen Insel Lesbos angekommen und benötigte dringend Hilfe. Beim Eintreffen der Ärtz*innen fanden diese drei Personen, der aus Frauen, Kindern und Männern bestehenden Gruppe, vor, welchen die Hände mit Kabelbindern zusammengebunden waren. Vier Personen waren derart verletzt, dass sie ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten. Ihren Berichten zufolge waren die Verletzungen auf die Gewalt einer nicht identifizierbaren Gruppe von Personen zurückzuführen, die sich ihnen kurz vor dem Eintreffen von MSF genähert hatte und behauptete, sie seien Ärzt*innen und hätten Essen. Dann hätten sie angefangen, sie zu schlagen und ihnen die Hände mit Kabelbindern zu fesseln. Als die gewaltausübenden Personen hörten, dass sich Menschen der Gruppe näherten, seien sie sofort weggelaufen.

Die Verbrechen, welche griechische Grenzbeamt*innen an Menschen auf der Flucht verübt, zeichnen sich durch exzessive Gewaltanwendung aus. Als vor einer Woche 92 schutzsuchende Menschen nackt und mit deutlichen Spuren von Gewalt am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros „gefunden“ wurden, twitterte Notis Mitarakis: „Das Verhalten der Türkei gegenüber 92 Migranten, die wir heute an den Grenzen gerettet haben, ist eine Schande für die Zivilisation. Wir erwarten, dass Ankara den Vorfall untersucht und endlich seine Grenzen zur EU schützt“. Er werde den Vorfall kommende Woche bei einem Besuch in New York bei den Vereinten Nationen zur Sprache zu bringen.

Auffallend an dieser Reaktion ist, was, wie und ob ein Vorfall überhaupt zur Sprache gebracht wird. Es zeichnet sich eine gewisse Systematik ab, in welcher die Verantwortung Griechenlands graduell abnimmt, sobald sich die Kritik auf deren eigene Praxen der Abschottung bezieht. Bezieht sich die Kritik (scheinbar) nicht direkt auf Griechenlands Vorgehen, nimmt die Verantwortung – was soviel wie „die Fähigkeit zu antworten“, bedeutet – zu. Offenbar nutzt Griechenland den Fall als Kompensation um vom OLAF-Bericht abzulenken. Der Bericht erhebt schwere Vorwürfe gegen Frontex und die griechischen Behörden. Diese führen in der Ägäis sogenannte illegale Pushbacks durch: Grenzschützer*innen schleppen Asylsuchende in türkische Gewässer zurück und setzen sie dann auf dem Meer aus, damit sie keinen Asylantrag in der EU stellen können. Frontex ist Teil dieser rechtswidrigen Praxis, indem sie die Pushbacks wahlweise vertuscht, selbst durchführt oder sie mitfinanziert.

Exemplarisch bietet der „Fall“ der 92 fast nackten Menschen sowohl den griechischen Machthaber*innen, als auch Frontex eine willkommene Bühne, auf der griechische Behörden sich als Instanz geben, die diese Tat aufs Schärfste verachtet, und damit die Spitze der „Zivilisation“ verkörpert. Zudem wird in fast allen Berichten darauf hingewiesen wird, dass Frontex die Menschen angeblich versorgte und ihnen Kleider gab. Gegenstand der Kritik sind dabei erneut nicht die Verhältnisse, welche eine solche Situation überhaupt ermöglichen und an welchen ausnahmslos alle beteiligt sind, welche sich nicht konkret gegen diese auflehnen, sondern einmal mehr „die Türkei“, der eine Instrumentalisierung der Geflüchteten vorgeworfen wird. Die gekünstelte Betroffenheit und die Betonung der Distanznahme, mit der von europäischer Seite aus auf den Fall Bezug genommen wird, ist bezeichnend für eine heuchlerische Moral. Diese ist mittlerweile derart verroht, dass Europas Funktionär*innen erst im Stande sind, von entwürdigenden Praxen zu sprechen, wenn die Menschen auf der Flucht nackt sind.

Offensichtlich zeigt sich die Gewalt umso entfesselter, je evidenter das rechtswidrige Vorgehen griechischer Behörden und Beamt*innen im Kontext von Flucht erscheint und je mehr sich die EU gegenüber dieser Tatsache “besorgt“ zeigt. Während die Funktionär*innen des europäischen Grenzregimes die Situation „genaustens beobachten“, profitieren diese von der rigiden Abschottungs- und somit von der Gewaltpraxis Griechenlands. Solange die EU profitiert, wird die inakzeptable Normalisierung der Gewalt an den Aussengrenzen Europas seinen „zivilisierten“ Lauf nehmen. Dass eine tatsächliche Veränderung der Bedingungen nicht im Sinne der EU ist, offenbart sich in den leeren Worten, welche die mit der europäischen Flagge gesäumten Säle füllen, in denen heuchlerische Bekenntnisse der Besorgnis kundgetan werden, sei es im EU-Parlament, bei der Eröffnung der neuen geschlossenen Vorzeige-Camps, oder im Berner Bundeshaus. Besorgt zu sein reicht nicht aus, bei weitem nicht. Besorgt über eine Situation zu sein, von welcher man Selbst profitiert, ist die letzte und feigste Äusserung, um die beklemmende Realität zu verdrängen, welche beinhaltet, dass man Selbst aktiver oder passiver Teil der Gewaltausübung ist, dass man am Leid und am Sterben von Menschen beteiligt ist, indem man sich besorgt gibt, anstatt endlich zu handeln.
Get angry, get organized!

https://www.zeit.de/politik/2022-10/aerzte-ohne-grenzen-migranten-misshandelt-lesbos?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de
https://twitter.com/nmitarakis/status/1581247032207224834?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1581247032207224834%7Ctwgr%5E0d9dd9fe75d70ca54c0f3acb7513bf29c7ca2870%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.stern.de%2Fpanorama%2Fgriechenland–92-fluechtlinge-fast-nackt-an-grenze-zur-tuerkei-gefunden-32821948.html
https://fragdenstaat.de/blog/2022/10/13/frontex-leak-olaf-bericht/

Rassistische Ereignisse auf dem Mittelmeer

Ausschiffungen und Pushbacks, gerettet und ertrunken, lybische Küstenwache und zivile Seenotrettungsschiffe. Ein Überblick über die Ereignisse auf dem Mittelmeer.

– Am 26. Oktober wurden 1’300 Menschen an Bord von zwei Booten in der gemeinsamen SAR-Zone zwischen Italien und Malta gerettet. Die italienischen Behörden handelten erst, nachdem 12 Menschen gestorben oder bewusstlos geworden waren und eine Person über Bord gegangen sein soll.

– 400 Personen wurden am 25. Oktober von den italienischen Behörden gerettet.

– Am 23. Oktober wurde bestätigt, dass 32 Personen, die in der maltesischen SAR-Zone trieben, mit Hilfe eines Handelsschiffs in Italien angekommen waren.

– Das zivile Seenotrettungsschiff «Ocean Viking» hat insgesamt 234 Überlebende an Bord.

–  Die von SOS Humanity betriebene Humanity 1 hat 180 Überlebende an Bord und wartet ebenso wie die Ocean Viking darauf, einen sicheren Hafen zugewiesen zu bekommen.

– Am 22. Oktober konnte das von MSF Sea betriebene Schiff Geo Barents 293 Überlebende im süditalienischen Hafen von Taranto an Land bringen.

– Am 27. Oktober rettete die Geo Barents innerhalb von vier Stunden 268 Menschen.

Gleichzeitig warten die SOS Humanity und die Ocean Viking mit insgesamt mehr als 380 Überlebenden an Bord auf die Erlaubnis, in einen sicheren Hafen einzulaufen. Und das unter der neuen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die die neofaschistische Partei «Brüder Italiens» anführt. Bislang wurden alle Anfragen abgelehnt.

Gleichzeitig bleibt die Sea-Watch 3 weiterhin in Italien blockiert, nachdem sie durch eine politisch motivierte Hafenstaatkontrolle der italienischen Behörden festgesetzt wurde.

Gleichzeitig gehen die Auffangaktionen und die Rückführung nach Libyen weiter:

– Am 24. Oktober berichtete SOS MEDITERRANEE von mehreren Abfangaktionen durch die so genannte libysche Küstenwache.

– Und am 26. Oktober wurde das Flugzeug der Sea-Watch, Sea-Bird 70, welches in der SAR-Zone Maltas ein in Seenot geratenes Schiff aufspürte, von der EU-finanzierten Grenzwache bedroht: «Verlassen Sie das libysche Hoheitsgebiet, sonst werden wir Sie mit Raketen beschiessen.»

– Am 27. Oktober meldete Alarm Phone 64 Menschen in Not in Libyen und bestätigte später, dass sie von der so genannten libyschen Küstenwache abgefangen und zurückgeschickt wurden, wo sie „der Inhaftierung und Folter“ ausgesetzt sind.

Was ist aufgefallen?

Junge Tat und SVP: eine Liebesgeschichte

Auf den Junge Tat-Angriff auf eine queere Veranstaltung im Tanzhaus folgt ein Vorstoss der SVP, die Veranstaltung solle verboten werden. Eine Analyse rechter Taktiken.

Die kleinen Neonazis aus Winterthur, die unter dem Namen Junge Tat bekannt sind, haben letzte Woche die sonntägliche Lesestunde von Drag-Queens im Tanzhaus angegriffen (s. antira-Wochenschau von letzter Woche). Selbst im Zürcher Stadtrat wurde der Angriff zum Thema. Alle Parteien veröffentlichten daraufhin ein Kommuniqué, in dem sie ihn verurteilten. Alle Parteien? Nein! Eine Partei von unbeugsamen rechten Nervensägen hört nicht auf, rechte Hetze von sich zu geben. Na, welche meine ich wohl? Genau, die Schweizer Volkspartei (SVP), die Partei mit dem grössten Wähler*innen-Anteil in der Schweiz. Die übertrifft sich mal wieder selbst. Denn abgesehen davon, dass sie den Angriff nicht verurteilen, nutzen sie zuerst einmal die Gunst der Stunde, um ihre Sicherheits-Vorstellungen unter die Leute zu bringen: nämlich? Genau! Mehr Polizei. Als ob das Verhindern von queerfeindlichen Angriffen auch nur im Entferntesten mit der Polizei zu tun hätte. Als ob mehr Polizei bei einem rechten Angriff etwas nützen würden…Wir wissen ja schliesslich alle, wessen Freund und Helfer sie sind. Doch es geht noch weiter: Die SVP will ernsthaft die besagte Lesestunde verbieten. Und zwar, um „Kinder zu schützen.“

Das Zusammenspiel von SVP und Junge Tat kommt ja nicht von irgendwo. Der Spruch auf dem Transpi der kleinen Neonazis lautete „Familie statt Gender-Ideologie“ und könnte so auch unverändert ein Wahlslogan für die SVP sein. Schliesslich braucht die SVP klare enggefasste Vorstellungen von Familie und Nation, um ihre Macht aufrecht zu erhalten. Und diese Vorstellungen müssen verteidigt werden. So fussen rechte Regierungen und Parteien weltweit auf Rassismus, Abschottung, essentialistischen/biologistischen (s. Glossar) Vorstellungen von Geschlecht, Familie und Natur, konservativer Wirtschaftspolitik und der Idee, bestehende Machtverhältnisse, wenn nicht zu verschärfen, so zumindest aufrecht zu erhalten. Ziel ist es, Menschen in rassistischer Weise abzuwerten. Dann werden sie billige Arbeitskräfte. Gleiches gilt für die Kernfamilie, die naturalisiert wird, damit Frauen billige Arbeitskräfte werden und weitere billige Arbeitskräfte gebären und heranziehen. (Diese Vorstellungen sind selbstverständlich intersektional (s. Glossar) verstrickt.)

Und weil das SRF zum Angriff im Tanzhaus nur eine schwache Analyse in Form der Hufeisen-Theorie bringt – laut der sich die politische Mitte immer gemütlich und gemässigt im Recht sehen kann und hierbei ausser Acht lässt, dass die Mitte immer weiter nach rechts wandert – liefere ich noch eine weitere These über den weit verbreiteten ‚Kulturkampf‘ der Rechten: Dieser besteht darin, Ängste zu schüren, indem leere Behauptungen aufgestellt werden und funktioniert am besten mit Hassrede.

Leider betreiben rechte Protagonist*innen geschicktes Framing, z.B. mit Worterfindungen wie Gender-Wahn, Cancel Culture, o.Ä. Anhand dieser Begriffe wird ‚Minderheiten‘ – wie queeren Menschen – Macht zugeschrieben, die sie nicht haben und Gefahren werden halluziniert, die nicht von ihnen ausgehen. Gleichzeitig werden mit diesen und ähnlichen Begriffen Menschen und soziale Bewegungen auch ins Lächerliche gezogen oder pathologisiert (s. Glossar). Eigentlich ein Widerspruch, der jedoch zu funktionieren scheint. Hiermit wird die tatsächliche Grössenordnung verkannt, die Fragen zu strukturellen Ungerechtigkeiten werden ignoriert und anhand von emotionalisierten Pseudo-Debatten verschleiert, die auf den immer selben Themen herumreiten und auf Fake News beruhen.

Nur weil sich der Kapitalismus alles einverleiben kann und seine Protagonist*innen nun z.B. auch mit ‚divers‘ gecasteter Werbung Geld machen können, heisst das noch lange nicht, dass sich die Machtverhältnisse tatsächlich geändert haben. Auch das Framing der zum Opfer stilisierten ‚alten weissen Männer‘ beweist, dass die Strategie wirksam ist. Ich meine, ich kann ja schon nachvollziehen, dass es sich nach jahrhundertelanger Nabelschau mal ein bisschen unangenehm anfühlt, in seinem selbstverständlichen Machtanspruch hinterfragt zu werden, und sich accountable zeigen zu müssen und dann halt in eine Identitätskrise zu stürzen. Aber: wir sind hier ja schliesslich nicht im Kindergarten. Oder nein, warte, im Kindergarten gehen sie mit Identitätskrisen wahrscheinlich besser um… Aber vielleicht hat es eben auch gar nichts mit Identität zu tun, sondern mit Macht. Und die haben sie eben leider noch nicht eingebüsst. Auch wenn das gerne behauptet wird. Vielmehr werden im Schatten der genannten emotionalisierten Pseudo-Debatten LGBTIQ+-feindliche, anti-feministische und rassistische Gesetzesänderungen vorgenommen, oder öffentliche Gelder für LGBTIQ+ (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans, Inter, Queer), FLINTA (Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, Agender) und BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) gekürzt.

Faschistische und konservative Diskurse gehen eben immer auch einher mit einem Kampf gegen Feminismus und LGBTIQ+-Rechte und mit einem Kampf gegen Umverteilung. Und da es so ungemein salonfähig geworden ist, rechten Hass und rechte Hetze von sich zu geben, zeigen die kleinen Neonazis aus Winterthur in ihrem neuen Video auch gerne ihre Gesichter vor, inklusive Hipster-Bärtchen und Polo-Hemdchen, ganz volksnah eben. Um so auftreten zu können, müssen sie sich schon sehr sicher fühlen. Make Fascists Afraid Again!

https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/schweiz-zunahme-von-extremismus?urn=urn:srf:video:1c23bb4b-0527-42be-ab8c-81f7fd5b0c8e
(https://twitter.com/gerdadaghost/status/1584568853274669056)
https://twitter.com/srfnews/status/1584413020318363649
https://twitter.com/antira_org/status/1584589575648780290

https://www.20min.ch/story/mitte-partei-gefaellt-neonazi-video-auf-instagram-723363387336

Was tut Frontex?

Frontex-Offensive gegen Migrant*innen auf der Balkanroute

Frontex ist bereits in Albanien, Montenegro und Serbien präsent. Trotzdem gelinge es zu vielen Migrant*innen über die Balkanroute in den Schengenraum einzureisen, sagt die EU-Kommission und erhöht den repressiven Einfluss von Frontex im Westbalkan. Mit Nordmazedonien wurde diese Woche ein weiterer Frontex-Vertrag ausgehandelt. Als nächster Schritt ist ein ausgeweitetes Frontexmandat für den gesamten Westbalkan geplant.

Bild: Es gibt es wieder mehr Menschen, die auf der Balkanroute unterwegs sind. Frontex stigamtisiert alle als illegale Migrant*innen.

Druck und Anreize sollen die westlichen Balkanstaaten dazu zu bringen, ihre Grenze stärker zu schliessen, um sich an der Abschottung der Festung Europa zu beteiligen. Das Programm ist nicht neu, doch das Tempo wurde erhöht. Vor zwei Wochen meldete Serbien, dass die Visa-Politik verschärft und an die Forderungen der Schengenstaaten angeglichen werde. Diese Woche unterzeichnete Nordmazedonien einen neuen Vertrag mit Frontex und erlaubt bewaffnete Operationen auf dem eigenen Staatsgebiet. Für diese Bereitschaft die „irreguläre Migration zu bekämpfen und die Sicherheit an den EU-Außengrenzen weiter zu erhöhen“ erhält das Land 171.7 Millionen Euro.

Als nächstes will die EU-Kommission mit Albanien, Serbien, Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina über ein ausgeweitetes Frontex-Mandat verhandeln. Um Verhandlungsbereitsschaft zu erhöhen, machte die EU-Kommission schon mal 39,2 Millionen Euro für neue Überwachungssysteme, Drohnen und biometrische Geräte locker. Zudem zog Ursula von der Leyen durch die Staaten und warb für die europäische Abschottung.

Um ihre Pläne durchzusetzen, haben die Verhandler*innen der EU einen starken Hebel in der Hand. Alle Balkanstaaten haben Gesuche auf einen EU-Beitritt eingereicht. Musterschüler*innen, die mitmachen bei der Abschottung Europas, indem sie die geforderte Externalisierung (Auslagerung) der EU-Grenzgewalt in ihre Staatsgebiete proaktiv und bedingungslos übernehmen, werden belohnt. Andere werden bestraft, indem ihre Gesuche liegen gelassen werden.

Bosnien und Herzegowina zum Beispiel ist im Leiterspiel ein Feld weiter. Nachdem das Gesuch 2016 eingereicht wurde, empfahl die EU-Kommission am 12. Oktober 2022 Bosnien und Herzegowina den Status als Beitrittskandidat zu gewähren. Nun müssen die 27 EU-Mitgliedstaaten noch zustimmen.

Von der Leyen betonte letzte Woche: „Der westliche Balkan gehört zu unserer Familie“. Hier zeigt sich der Hebel der Balkanstaaten. Denn vor dem Hintergrund des Angriffskrieges in der Ukraine, will das imperialistische Europa den Einfluss im Balkan nicht an Russland verlieren. Gut möglich, dass für die Herrschenden im Westbalkan politische oder finanzielle Anerkennung drinliegt, wenn Josep Borrel, der Vertreter der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik, sagt: „Die brutale Invasion Russlands in die Ukraine macht die Bedeutung der EU-Erweiterung, die eine neue geopolitische Bedeutung erlangt, deutlich. Sie ist eine langfristige Investition in Frieden, Wohlstand und Stabilität für unseren Kontinent“…und hilft beim rassistischen kolonialen Abschotten.
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_22_6417
https://audiovisual.ec.europa.eu/en/topnews/M-009161
https://taz.de/Frontex-auf-der-Balkanroute/!5887264/
https://taz.de/EU-Aussengrenze/!5890977/
https://www.srf.ch/news/international/schritt-zu-eu-beitritt-eu-kommission-empfiehlt-bosnien-herzegowina-als-beitrittskandidat
https://germany.representation.ec.europa.eu/news/kommission-empfiehlt-kandidatenstatus-fur-bosnien-und-herzegowina-2022-10-12_de

Was steht an?

Break down Climate Walls. Aktionstage für Bewegungsfreiheit und Klimagerechtigkeit
04.11.22–07.11.22 | Bern

Europa bekämpft lieber Migration als die Klimakrise. Obwohl die Schweiz zu den stärksten Verursachern der Klimakrise gehört, investiert sie mehr Geld in die Militarisierung ihrer Aussengrenzen als in Massnahmen für Klimaschutz und die Unterstützung der bereits von Klimakatastrophen betroffenen Regionen. Die Schweizer Antwort auf die Folgen der Klimakrise: Festung Europa. Vom 4.–7. November finden in Bern Aktionstage mit Infoveranstaltungen und mehr statt.
Programm: https://noclimatewall.noblogs.org/
Updates: https://t.me/NoClimateWall

1932-2022: Wir vergessen nicht und setzen den Kampf fort!
12.11.22 I 16:00 I Genève, Place Lise Girardin

Am 9. November 1932 schoss die Schweizer Armee auf eine antifaschistische Demonstration in Genf, wobei 13 Menschen getötet und über 60 verletzt wurden. Angesichts einer faschistischen Provokation war die Genfer Arbeiterbewegung geschlossen auf die Straße gegangen und hatte sich der Polizei und der Gendarmerie entgegengestellt. Die Behörden hatten die Armee angefordert, um die bürgerliche Ordnung mit scharfer Munition gegen eine unbewaffnete Menge zu sichern.
https://renverse.co/infos-locales/article/1932-2022-on-n-oublie-pas-et-on-continue-le-combat-3712

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Temporäre Ausstellung
Helvécia. Eine vergessene Kolonialgeschichte
21. Oktober 2022 – 8. Januar 2023
https://www.geneve.ch/fr/actualites/helvecia-histoire-coloniale-oubliee

Rechtsextreme Rückzugsräume
Raus aus der Stadt, aus dieser Gesellschaft, aus dem gesamten System … seit einigen Jahren sind in Teilen des rechtsextremen Spektrums Rückzugstendenzen zu beobachten: ob auf dem Land, in den eigenen vier Wänden, in der Garage nebenan, oder im Internet. Es sind Flucht- und Lebensmittelpunkte. Dort können Rechtsextreme ihr Leben gestalten, können Gemeinschaften bilden und aussprechen, was sonst sanktioniert wird. Der Begriff Rückzugsort mag dabei auf den ersten Blick irritierend sein, denn er suggeriert eine Abnabelung, wo tatsächlich eine Sammlung stattfindet. Denn es geht den rechtsextremen Akteuren nicht um das individuelle private Glück, sondern darum, Keimzelle zu sein für die Veränderung, für die Überwindung der demokratischen Gesellschaft.
https://www.bpb.de/mediathek/podcasts/rechtsextreme-rueckzugsraeume/

TANGRAM 46: Struktureller Rassismus

Was die staatliche Antirassismuskommission EKR über staatlichen Rassismus sagen lässt.
https://www.ekr.admin.ch/publikationen/d108/1372.html