Medienspiegel 30. Oktober 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Mehrere Partizipationsmotionen im Stadtrat
Der Stadtrat stimmte am Donnerstag gleich über zwei Partizipationsmotionen ab. Wichtige Informationen sollen auch auf Kurdisch übersetzt und ein Haus der transkulturellen Begegnung geschaffen werden.
https://journal-b.ch/artikel/mehrere-partizipationsmotionen-im-stadtrat/


+++SCHWEIZ
Steigende Kosten, Kritik an Umsetzung, hohe Asylzahlen : Parlament nimmt Schutzstatus S unter die Lupe
Die Geschäftsprüfer des Nationalrats nehmen das Schweizer Flüchtlingsregime unter die Lupe. Das System funktioniere, teilen die Asylbehörden mit.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/steigende-kosten-kritik-an-umsetzung-hohe-asylzahlen-parlament-nimmt-schutzstatus-s-unter-die-lupe-id18006889.html



NZZ am Sonntag 30.10.2022

Deutschland kritisiert die Schweiz scharf

Der Bund lässt Zehntausende Migranten illegal durch die Schweiz passieren. Jetzt wehrt sich Deutschland.

Georg Humbel, Silke Mertins

Sie bringen das System an seine Grenzen: Jede Woche reisen rund tausend Migranten illegal von Österreich in die Schweiz ein. Sie kommen in Buchs (SG) an, doch sie wollen nicht bleiben: Die meist jungen Afghanen ziehen weiter nach Deutschland oder Frankreich. Die «NZZ am Sonntag» berichtete erstmals im Januar über die neue Flüchtlingsroute, die durch die Schweiz führt. Anfangs versuchten die Schweizer Behörden, die Migranten noch nach Österreich zurückzuführen. Mittlerweile aber haben sie aufgegeben. «Wir erlauben formell die Weiterreise», sagt Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen.

Diese Politik verärgert Deutschland. «Die Rechtslage ist eindeutig. Einfach Durchleiten geht nicht, das ist klar», sagt ein Sprecher des Deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Für das Amt handelt die Schweiz nicht im Sinne des Dubliner Abkommens.

Winkt die Schweiz durch?

Andrea Lindholz ist Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag: «Wenn diese Berichte zutreffen, betreibt die Schweiz reines Durchwinken. Das geht nicht.» Das Nachbarland würde in diesem Fall sehenden Auges die illegalen Einreisen nach Deutschland ermöglichen. «Die Schweiz muss ihre Pflichten als Mitglied des Schengenraumes erfüllen», so Lindholz. Die illegalen Einreisen nach Deutschland hätten dermassen zugenommen, dass die Polizei bereits erhebliche Probleme melde.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) widerspricht. Sprecher Daniel Bach sagt: «Die Schweiz leitet keine Migranten weiter. Die Schweiz winkt nicht durch.» Weder das Dublin-Abkommen noch andere Gesetze würden gebrochen. Man habe keine Rechtsgrundlage, diese Menschen festzuhalten. «Für Personen, die nicht mehr anwesend sind, kann kein Dublin-Verfahren durchgeführt werden», so Bach. Zudem klappt es kaum, die illegal Eingereisten ohne Dublin-Verfahren nach Österreich zurückzuschicken: Die Schweiz hat mit Österreich ein Rückübernahmeabkommen mit sehr langen Fristen. Bis ein solches Verfahren greift, sind die betroffenen Personen längst ausser Landes.

Alberto Achermann ist Professor für Migrationsrecht an der Universität Bern. Auch aus seiner Sicht verletzt die Schweiz das Dublin-Abkommen nicht. «Dublin greift erst, wenn eine Person ein Asylgesuch stellt», so Achermann. Das sei hier meist nicht der Fall. Die Schweiz habe das Recht, illegal Einreisende nach Österreich zurückzuüberstellen. Doch sie sei nicht dazu verpflichtet. Kritischer sieht er die Rolle der SBB. Diese befinde sich «in einem enorm heiklen Bereich». Was die Bahn mache, sei schon fast Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt, sagt Achermann.

Dazu muss man wissen, was am Bahnhof Buchs passiert. Die ankommenden Migranten werden kurz von der Grenzwache befragt und anschliessend freigelassen. Auf sie wartet Personal der SBB: Was dann passiert, hat die «SRF Rundschau» dokumentiert. Die SBB-Angestellten führen Gruppen zum Zug Richtung Zürich. Dort ist für diese sogar ein Abteil reserviert.

Heikle Rolle der SBB

Fördert die SBB damit die illegale Durchreise durch die Schweiz? Dieser Zeitung liegt zudem eine interne Weisung ans SBB-Personal vor. Darin steht: «Afghanische Flüchtlinge sind (. . .) harmlos und lassen sich sehr gut führen. Gebt konkrete und konsequente Anweisungen. Sie folgen euch.»

Das sei eine E-Mail eines lokalen Teamleiters, sagt Reto Liechti, Leiter Bahnproduktion der SBB. Es handle sich nicht um eine offizielle Weisung. Er kritisiert vor allem die verwendete Sprache: «Hier wird ein Menschenbild vermittelt, das nicht den Werten der SBB entspricht.» Deshalb habe die SBB das Papier sofort zurückgezogen. Auch inhaltlich sei der Text falsch: «Unser Personal erteilt keine Befehle.»

Die SBB lenke die Gruppen lediglich. «Wir fahren alle Reisenden dorthin, wohin sie wünschen, und helfen den Kunden, dass sie den Zug finden, der sie an ihr Reiseziel bringt.» Wenn die Migranten ein gültiges Ticket vorwiesen, gelte Transportpflicht. Auch das Staatssekretariat für Migration betonte gegenüber Fernsehen SRF, es sehe «kein Problem» beim Vorgehen der SBB.

Das stösst bei der deutschen Bundestagsabgeordneten auf Unverständnis. «Ein Bahnticket legalisiert doch nicht die Einreise. Da müssen die Behörden einschreiten.» Die beschriebene Praxis sei aus ihrer Sicht inakzeptabel. «Die Bahn würde damit die illegale Einreise nach Deutschland fördern», so Lindholz.

Die Schweiz widerspricht erneut: «Die Schweiz geht als Schengen-Mitglied aktiv gegen irreguläre Migration vor», betont SEM-Sprecher Bach. So habe die Schweiz mit Frankreich, Deutschland und Österreich bei der EU-Kommission interveniert, damit Serbien Visa-Erleichterungen für bestimmte Länder zurücknehme: «Solche Visa-Befreiungen sind der Treiber für die irreguläre Migration», so Bach.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/deutschland-kritisiert-die-schweiz-scharf-ld.1709777)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/deutschland-kritisiert-schweizer-asylpolitik-in-buchs-sg-66319256
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/transitland-schweiz-deutschland-kritisiert-schweizer-umgang-mit-migranten
-> https://www.zeit.de/politik/2022-10/migration-schweiz-durchwinken-kritik?
-> https://www.20min.ch/story/kritik-aus-deutschland-schweizer-winken-migranten-einfach-durch-548043827988



magazin.nzz.ch 29.10.2022

Was kommt in der Asylpolitik noch auf uns zu?

Migrationsexperte Eduard Gnesa erklärt, wie es zur neuerlichen Flüchtlingskrise kommen konnte. Und er sagt, dass sich die Schweiz auf weitere Flüchtlinge vorbereiten muss.

Ladina Triaca

Herr Gnesa, Sie arbeiten beruflich seit 30 Jahren im Migrationsbereich. Haben Sie eine Asylkrise wie die jetzige schon einmal erlebt?

Eduard Gnesa: Ich habe tatsächlich ein gewisses Déjà-vu. Während des Jugoslawienkriegs, als ich für Bundesrat Arnold Koller arbeitete, flohen innerhalb von zwei Jahren über 50 000 Menschen vorwiegend aus Kosovo zu uns. Jetzt sind die Asylzahlen wieder hoch. In Europa wiederholt sich gewissermassen die Flüchtlingskrise von 2015. Nur wird sie diesmal noch überlagert vom Ukraine-Krieg.

Wie unterscheidet sich die heutige Krise von früheren?

Früher kamen die Flüchtlinge in der Regel aus einer Region oder einem Land zu uns. In den 1990er Jahren aus Ex-Jugoslawien, 1956 aus Ungarn, später aus Vietnam. Heute haben wir gleichzeitig Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten, aus Afrika und aus der Ukraine.

Der Bund rechnet bis Ende Jahr mit über 100 000 Flüchtlingen. Schon jetzt hat er kaum freie Betten mehr. Steht unser Asylsystem vor dem Kollaps?

Nein, Bund, Kantone, Gemeinden und Private schaffen das. Aus den früheren Krisen wurde viel gelernt. Wir verfügen heute über ein rasches Asylverfahren, eine Notfallplanung und einen Sonderstab Asyl. Und ich gehe davon aus, dass die Armee in den nächsten Wochen noch stärker zum Einsatz kommen wird – zum Beispiel beim Transport und bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

In Österreich werden Zelte aufgestellt, um die Flüchtlinge unterzubringen. Brauchen wir bald auch Zelte?

Im Moment noch nicht. Aber es ist möglich, dass auch bei uns Zelte aufgestellt werden müssen, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen. Wichtig ist, dass die Menschen untergebracht und betreut werden.

Im Moment leben rund 70 000 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz. Rechnen Sie damit, dass noch mehr kommen werden?

Wir müssen auf die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen im Winter vorbereitet sein. Wenn in der Ukraine der Strom ausfällt und das warme Wasser fehlt, werden noch mehr Menschen fliehen. Hinzu kommt: Die Nachbarländer der Ukraine wie die Moldau beherbergen schon heute Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie werden nicht noch mehr Menschen aufnehmen können – mit der Folge, dass viele in westeuropäische Länder weiterreisen werden.

Inzwischen sind allerdings einige Ukrainerinnen und Ukrainer ins Land zurückgekehrt.

Ja, aber ich gehe davon aus, dass ein Teil die Ukraine erneut verlassen wird, wenn weiterhin Bomben fallen. Generell gilt: Je länger der Krieg dauert, desto eher werden die Menschen bei uns bleiben. Im Kosovokonflikt blieb zirka ein Drittel der Flüchtlinge in der Schweiz. Zwei Drittel kehrten zurück.

Die übrigen Asylsuchenden kommen derzeit hauptsächlich aus Afghanistan und der Türkei. Warum fliehen diese Menschen überhaupt?

In Afghanistan ist die Situation unter den Taliban dramatisch. Im Falle der Türkei beobachten wir zwei Gruppen: einerseits die Kurden, andererseits Gegner von Präsident Erdogan, die politische Verfolgung geltend machen.

Die Fluchtgruppen sind sehr unterschiedlich: Auf der einen Seite haben wir viele Ukrainerinnen, hauptsächlich Frauen und Kinder. Auf der anderen Seite kommen zahlreiche junge Männer aus dem Nahen und Mittleren Osten. Was heisst das für die Behörden?

Die Behörden müssen das bei der Unterbringung beachten – und das tun sie auch. Es ist wichtig, dass die ukrainischen Frauen und Kinder weitgehend separat untergebracht werden. Aber natürlich kann man kein Bundesasylzentrum allein für Ukrainerinnen oder für Äthiopier schaffen.

Die Bevölkerung empfängt die Ukrainerinnen und Ukrainer sehr wohlwollend. Ist das bei den Flüchtlingen aus den anderen Regionen der Welt auch so?

Die Ukraine ist ein europäisches Land, das brutal angegriffen wurde. Hinzu kommt, dass Frauen und Kinder als schutzbedürftiger gelten. Bei anderen Flüchtlingen wird eher gefragt: Wieso kommen die von so weit her? Wieso reisen sie durch so viele, zum Teil sichere Staaten bis zu uns? Da gibt es mehr Skepsis. Zu Unrecht, denn in den letzten Jahren wurden über 50 Prozent dieser Menschen als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen.

Unter den Flüchtlingen sind viele junge, unbegleitete Männer, die aus Afghanistan in die Schweiz kommen.

Das ist eine grosse Herausforderung. Es gibt Familien in Afghanistan, die ihre Söhne gezielt nach Europa schicken, damit diese Geld nach Hause überweisen können. Die Familien – und auch die Schlepper – wissen: Die jugendlichen Flüchtlinge sind bei uns besser geschützt als die erwachsenen. Wir können unbegleitete minderjährige Asylsuchende nicht in EU-Länder zurückschicken, weil sie nicht unter das Dublin-Abkommen fallen. Und auch Rückführungen in den Herkunftsstaat sind für die Behörden schwierig.

Manche stören sich daran, dass die jungen Männer dann in Gruppen an Bahnhöfen herumstreunen . . .

. . . Ja, das hat schon bei den Eritreern manche gestört. Auch hier in Bern am Bahnhof haben sich oft Jugendliche versammelt. Aber es ist bei weitem nicht so, dass ganze Stadtteile von gewissen Gruppen besetzt wären. Da schauen die Behörden schon genau hin.

Blicken wir in die Welt. Es gibt zahlreiche Konflikte. Russland führt Krieg in der Ukraine. In Iran toben Proteste. In Afrika ist die Armut gross. Sie arbeiten ja oft mit Trends. Wie sehen diese aus? Wo ist der Migrationsdruck gegenwärtig am grössten?

Ein grosser Druck kommt aus Afghanistan. Das hat zwei Gründe. Zum einen fliehen die Menschen vor den Taliban über die Türkei nach Europa. Erdogan lässt sie durch. Er hat – gegen Gelder aus der EU – schon 3,8 Millionen Syrerinnen und Syrer aufgenommen. Zum anderen sind viele Afghanen bereits früher geflohen und während der Pandemie auf dem Balkan gestrandet. Sie reisen jetzt ebenfalls weiter.

Bleiben wir im Nahen Osten. In Iran geht die Regierung mit Gewalt gegen die Proteste der Bevölkerung vor. Kommt die nächste grosse Fluchtwelle aus Iran?

Im Moment steigen die Asylgesuche von Iranerinnen und Iranern in Deutschland und in der Schweiz nur leicht an. Die Grenzen in Iran sind gut bewacht. Es ist schwierig, das Land zu verlassen. Aber wir wissen natürlich nicht, was passiert, wenn ein Bürgerkrieg ausbricht . . .

. . . Wohin würden die Menschen dann fliehen?

Ich vermute, dass viele in die USA oder nach Deutschland gehen würden. Dort ist die iranische Diaspora gross.

In den wärmeren Monaten kommen jeweils viele Bootsflüchtlinge über das Mittelmeer. Wie ist das in diesem Jahr?

Der Migrationsdruck am Mittelmeer ist hoch – und er wird voraussichtlich nach dem Winter noch zunehmen. Das grösste Problem liegt in Libyen und in Tunesien. Vor allem Libyen lässt die Menschen, die aus der Subsahara kommen, durch. Die Grenzen sind kaum bewacht, und die Schlepper finden die nötigen Wege.

Aber spätestens in Italien ist doch Schluss. Die neue, rechte Regierungschefin Giorgia Meloni wird die Häfen schliessen, so wie das Italien in früheren Jahren schon getan hat.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Giorgia Meloni hat ja interessanterweise nicht Matteo Salvini zum Innenminister ernannt, der die Häfen und Asylzentren schliessen liess, sondern Matteo Piantedosi. Er ist im Gegensatz zu Salvini kein Ideologe. Und: Meloni bekennt sich zur EU. Sie weiss: Wenn sie die Bootsflüchtlinge völkerrechtswidrig stoppt, dann hat sie ein Problem mit Brüssel.

Über Libyen kommen auch Menschen aus Bangladesh oder Äthiopien.

Dort herrschen Konflikte, die wir oft vergessen. In der Region Tigray in Äthiopien zum Beispiel kämpfen Äthiopien und Eritrea gegen die Tigriner – ein schrecklicher Konflikt. Auch in Eritrea hat sich die Lage in den letzten Jahren nicht verbessert.

Wenn wir in die Zukunft schauen, fragt man sich: Was kommt da eigentlich noch alles auf uns zu?

Ich denke, sobald der Ukraine-Krieg vorbei ist, wird uns eine grosse Frage beschäftigen: Was machen wir mit den Klimamigrantinnen und -migranten? Was geschieht, wenn die Felder in Bangladesh noch häufiger überflutet werden? Was geschieht, wenn in Somalia noch mehr Menschen wegen Dürre nichts mehr zu essen und zu trinken haben und nach Europa fliehen? Das sind keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Sie werden nicht politisch verfolgt oder bedroht.

Braucht es einen neuen Flüchtlingsstatus für Klimamigranten?

Daran wird international gearbeitet. Ein Abkommen ist in nächster Zeit unrealistisch, aber die Bedeutung des Zusammenhangs von Klimawandel und Vertreibung ist erkannt. Entsprechende Projekte führt die Schweiz heute schon durch.

Ein weiteres Problem in den nächsten Jahren wird sein, dass die Bevölkerung in Afrika rasant wächst.

Wir erwarten, dass 2050 schätzungsweise 2,5 Milliarden Menschen in Afrika leben werden und nur noch 450 Millionen in Europa. In der Subsahara ist die Hälfte der Bevölkerung jünger als 15 Jahre. Der demografische Druck wird auch wegen Perspektivlosigkeit der Jungen enorm sein.

Was heisst das für Europa?

Ich bin überzeugt, dass legale Zuwanderungswege geöffnet werden müssen, denn der Fachkräftemangel in Europa wird zunehmen. Das heisst nicht, dass wir alle aufnehmen, das wäre illusorisch. Aber wir könnten vor Ort in Afrika Leute für Mangelberufe im schweizerischen Arbeitsmarkt ausbilden. Ich denke zum Beispiel an Gesundheitspersonal, IT-Fachleute oder Gastro-Angestellte.

Das ist doch eine absurde Idee!

Nein, schon heute rekrutieren Deutschland und die Niederlande unter anderem Pflegefachkräfte in Indonesien, auf den Philippinen oder in Mexiko. Dabei wird darauf geachtet, dass in diesen Ländern Fachkräfte für den Bedarf vor Ort und für den Bedarf dieser europäischen Staaten ausgebildet werden.

Grossbritannien hat die Durchführung der Asylverfahren teilweise nach Rwanda ausgelagert. Wird sich dieses Modell durchsetzen?

Nein, das funktioniert nicht. Es gibt mehrere europäische Länder, die das schon seit über 20 Jahren tun wollen. Aber das erste Problem ist: Wohin gehen die Flüchtlinge, deren Asylantrag zum Beispiel in Rwanda gutgeheissen wird? Auf europäischer Ebene fehlt nach wie vor ein Verteilschlüssel für die Aufnahme von Flüchtlingen. Und das zweite Problem: Was passiert mit jenen, deren Antrag abgelehnt wird? Die afrikanischen Staaten wollen diese Menschen auf keinen Fall behalten. Dieses System funktioniert höchstens auf dem Papier.

Migranten werden manchmal auch als Waffe eingesetzt. Der weissrussische Diktator Alexander Lukaschenko schleuste letztes Jahr Flüchtlinge über die Grenze, um die EU unter Druck zu setzen. War das eine Ausnahme?

Nein, wir müssen uns darauf vorbereiten, dass Migrantinnen und Migranten künftig öfter als «Waffe» eingesetzt werden. Das gehört übrigens auch zu Putins Strategie. Er will Europa mit Flüchtlingen destabilisieren. Weder Lukaschenko noch Putin ist das bisher allerdings gelungen. Im Moment ist die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden noch zu bewältigen. Aber irgendwann könnte die Zahl der Flüchtlinge so gross sein, dass die Aufnahmefähigkeit an Grenzen stösst.

Was können wir dagegen tun?

Die Zusammenarbeit der europäischen Länder, auch der Schweiz, ist unabdingbar. Die Aussengrenzen müssen vor irregulärer Migration noch besser geschützt, das Schleppertum muss bekämpft werden. Investitionen und Hilfe vor Ort, effiziente Entwicklungszusammenarbeit sowie Migrationspartnerschaften können auch in Zukunft die Situation in Herkunftsländern von Flüchtlingen und Vertriebenen verbessern.



Eduard Gnesa. Experte für Migration

Eduard Gnesa, 70, war Direktor des Bundesamtes für Migration und Schweizer Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit. Seit seiner Pensionierung 2017 ist er als Berater für Migrationsfragen tätig – etwa für den Bund. Gnesa ist im Wallis aufgewachsen und lebt in Bern.
(https://magazin.nzz.ch/empfehlungen/asylpolitik-es-koennte-eine-neue-fluechlingskrise-geben-ld.1709752)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/migrationsexperte-gnesa-asylsystem-steht-nicht-vor-kollaps-66319041


+++BELGIEN
BE/NL: Kein Platz für Flüchtlinge?
„Wir sind voll“, heißt es an den Flüchtlingszentren in Belgien und den Niederlanden. Familien mit Kindern müssen auf der Straße schlafen. Neben ukrainischen Familien kommen auch über die Westbalkanroute wieder mehr Flüchtige. |
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/wdr/migration-108.html


+++GROSSBRITANNIEN
Mann warf Brandsätze auf Auffanglager für Migranten in Dover
Ein Mann wurde bei dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag verletzt. Laut Polizeiangaben soll der Täter bereits identifiziert worden sein
https://www.derstandard.at/story/2000140409607/mann-warf-brandsaetze-auf-auffanglager-fuer-migranten-in-dover?ref=rss


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Strafbefehle aus Winterthur: Besetzer der Villa K zu Geldstrafen verurteilt
Vor eineinhalb Monaten hatte ein Kollektiv das Haus an der Römerstrasse 81 besetzt. Bereits sind die zwei Männer und die zwei Frauen rechtskräftig verurteilt.
https://www.landbote.ch/besetzer-der-villa-k-zu-geldstrafen-verurteilt-785649594845


Neueröffnung EWZ – alles wird besetzt
Neue Kultur-Polit-Besetzung in Zureich
https://barrikade.info/article/5448
-> https://www.tagesanzeiger.ch/linksautonome-besetzen-altes-ewz-gebaeude-an-der-limmat-416125405051


Beschwerde wegen Critical Mass
Die FDP der Stadt Zürich will dem Verkehrschaos nicht mehr länger zusehen. Sie reicht eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Stadtrat ein.
https://tv.telezueri.ch/news/beschwerde-wegen-critical-mass-148573790


Klimaaktivisten stören immer wieder den Verkehr
Die Klimaaktivisten von Renovate Switzerland kleben sich beispielsweise bei Autobahnausfahrten am Boden fest und verursachen grosse Staus. Allein in diesem Monat haben sie den Verkehr schon zehn Mal gestört, am Samstag wieder in Bern. Sind solche Aktionen dem Ziel dienlich oder eher kontraproduktiv?
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/klimaaktivisten-stoeren-immer-wieder-den-verkehr-148571121



derbund.ch 29.10.2022

Auf Lorrainebrücke festgeklebt: Klimaaktivisten müssen mit einer Anzeige rechnen

Mitglieder der Bewegung Renovate Switzerland blockierten am Samstag die Berner Lorrainebrücke. Die Polizei will die sechs Beteiligten anzeigen.

Christian Häderli, Adrian Hopf-Sulc

Am Samstag kurz vor 13.45 Uhr war der Verkehr plötzlich in beide Richtungen blockiert: Sechs Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung Renovate Switzerland hatten sich auf der Berner Lorrainebrücke auf die Fahrbahn gesetzt, gekleidet in orange Westen, Schilder hochhaltend, die an das Etikett einer Rivella-Flasche erinnern. Auch die Buslinie 20 von Bernmobil wurde durch die Aktion beeinträchtigt.

Als die Polizei kurze Zeit später eintraf, entfernte sie vorerst drei Protestierende von der Strasse. Die Fahrbahn stadtauswärts war somit wieder frei, der Verkehr konnte wechselseitig geführt werden. Jene drei Aktivisten, welche die stadteinwärtsführende Fahrbahn blockierten, klebten ihre Hände allerdings beim Eintreffen der Polizistinnen auf dem Asphalt fest.

Weil die Polizei die festgeklebten Personen zuerst von der Strasse lösen musste, dauerte es etwas länger, bis die gesamte Brücke wieder für den Verkehr freigegeben werden konnte. Nach einer halben Stunde rollte der Verkehr schliesslich wieder uneingeschränkt.

«Gemäss aktuellem Kenntnisstand wurde bei der Aktion niemand verletzt», sagt Joël Regli, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, auf Anfrage. Die sechs beteiligten Personen seien für weitere Abklärungen auf eine Polizeiwache gebracht worden. Sie wurden gemäss Polizeisprecher Regli bis am Samstagabend wieder freigelassen.

Das Hausmittelchen der Polizei

Die sechs Aktivistinnen und Aktivisten erhielten laut Kantonspolizei eine Wegweisung. Und: «Ihnen wurde eine Anzeige wegen Nötigung und Störung des öffentlichen Verkehrs und teilweise wegen Hinderung einer Amtshandlung in Aussicht gestellt.»

Wie die Polizei auf Anfrage mitteilt, konnten die anwesenden Ordnungshüter den eingesetzten Sekundenkleber ohne Hilfe von Feuerwehr oder Ambulanz lösen. Auf die Frage, welche Substanz eingesetzt wurde, gibt die Polizei keine konkrete Antwort. Sprecher Joël Regli schreibt aber, dass der Kleber «mit einem dafür geeigneten, handelsüblichen Mittel nach kurzer Zeit» gelöst werden konnte.

In ähnlichen Fällen erwiesen sich offenbar Sonnenblumenöl, Margarine oder auch Salzwasser als wirksame Mittel, um  den Sekundenkleber von der Haut zu lösen.

Sie fordern Geld für den Klimaschutz

Gemäss eigenen Angaben handelt es sich bei der Blockade auf der Lorrainebrücke bereits um die zehnte Aktion von Renovate Switzerland innerhalb eines Monats. Auch in Bern hatten sich bereits zuvor Menschen auf die Strasse gesetzt: Am Morgen des 11. Oktober war die Autobahnzufahrt bei der Wankdorfbrücke in Bern blockiert worden.

Die Forderung bleibt bei allen Strassenblockade-Aktionen die gleiche: Der Bund soll sofort vier Milliarden Franken bereitstellen, damit sich 100’000 Personen im Baugewerbe umschulen lassen und sich auf die sogenannte thermische Gebäudesanierung spezialisieren können.

Die Renovierung von möglichst vielen Gebäuden und deren Ausstattung mit klimaverträglichen Heizungen erachtet die Bewegung als «ersten offensichtlichen Schritt, um aus den fossilen Energien auszusteigen und die Energiewende einzuleiten», wie Renovate Switzerland in einer Medienmitteilung schreibt.

Die Bewegung hat angekündigt, in den nächsten Tagen weitere ähnliche Aktionen durchzuführen.
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Bei einigen Autofahrenden gingen die Emotionen ob der Strassenblockade hoch.
Video: Adrian Reusser (Keystone-SDA)
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv446739h.mp4
(https://www.derbund.ch/klima-aktivisten-blockieren-verkehr-auf-der-lorrainebruecke-931258910474)


+++RECHTSPOPULISMUS
SVP läuft au: 100’000 Flüchtlinge – und keinen störts
Neun Monate nach Kriegsbeginn ist die Solidarität mit den Ukrainerinnen weiterhin gross. Die Angriffe der SVP verpuffen. Noch.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/svp-laeuft-auf-100-000-fluechtlinge-und-keinen-stoerts-id18006714.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Das neue Feindbild: Rechte attackieren LGBTQ-Gemeinschaft
Rechtsextreme nehmen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ins Visier. Dahinter steckt System. Sie knüpfen an aktuelle Debatten an – und suchen den Schulterschluss mit bürgerlichen Kreisen.
https://www.blick.ch/sonntagsblick/das-neue-feindbild-rechte-attackieren-lgbtq-gemeinschaft-id18005814.html



Sonntagszeitung 30.10.2022

Angriff auf Tanzhaus: Neonazis drohen bis zu drei Jahre Gefängnis

Die Gruppe Junge Tat griff eine Veranstaltung für Kinder an. Nun eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren und ermittelt wegen Aufruf zu Hass.

Cyrill Pinto

Neonazis der Gruppe Junge Tat störten am Sonntag vor zwei Wochen eine Vorlesestunde über Geschlechteridentitäten im Zürcher Tanzhaus: Im Saal versuchten sie ein Transparent zu entrollen, draussen versperrten die vermummten und schwarz gekleideten Männer den Weg, entrollten ein Transparent, zündeten Rauchfackeln und skandierten Parolen. «Unsere Gäste wurden massiv gestört und erschreckt», hielten die Verantwortlichen des Tanzhauses in einer Stellungnahme zum Vorfall fest und reichten eine Strafanzeige ein.

Nachdem die Kantonspolizei Zürich die Ermittlungen aufgenommen hatte, eröffnete nun die Staatsanwaltschaft ein Verfahren: «Wir führen eine Untersuchung gegen mehrere Personen», bestätigt der Sprecher der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft, Erich Wenzinger. Die Behörde ermittle wegen des Verdachts des Verstosses gegen die Straftatbestände der «Diskriminierung und Aufruf zu Hass, Abbrennen eines pyrotechnischen Gegenstandes, Sachbeschädigung sowie Hausfriedensbruch».

Verurteilte Aktivisten sind noch in der Probezeit

Wie üblich werde während des laufenden Verfahrens geprüft, ob noch weitere Straftatbestände infrage kämen, so Wenzinger. Für die Personen, gegen die nun ermittelt werde, gelte bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss die Unschuldsvermutung. Kommt es zu einer Verurteilung wegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass, drohen gemäss Strafgesetzbuch bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

Dabei sind mehrere Aktivisten der Jungen Tat bereits vorbestraft. Sie wurden im Frühling 2021 zu bedingten Geldstrafen verurteilt, unter ihnen Manuel C. Der ehemalige Student der Zürcher Hochschule der Künste ist für die professionell wirkenden Propagandavideos der Gruppe verantwortlich. Er wurde im März 2021 zu 120 Tagessätzen à 30 Franken verurteilt. Die Strafe wurde bedingt ausgesprochen, die Probezeit beträgt zwei Jahre. Bei einer erneuten Verurteilung droht diese Strafe in eine unbedingte umgewandelt zu werden.

Die Staatsanwaltschaft verurteilte C. damals, «weil er die Ideologie des Nationalsozialismus verbreitete sowie Juden und dunkelhäutige Menschen diskriminierte, indem er sie in ihrer Menschenwürde krass herabsetzte und Hass gegen sie schürte», wie es im Strafbefehl heisst. Ob C. auch bei der Aktion im Tanzhaus dabei war und filmte, ist nun Gegenstand der Ermittlungen der Kantonspolizei unter Leitung der Staatsanwaltschaft.
(https://www.derbund.ch/neonazis-drohen-bis-zu-drei-jahre-gefaengnis-788116684092)


+++FUNDIS
Rudolf Steiner und die Folgen – Die Anthroposophie zwischen Alltag und Aberglauben
Wer war Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie? Und wie viel Esoterik steckt in Demeter-Apfel oder Weleda-Babyöl?
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/rudolf-steiner-und-die-folgen-die-anthroposophie-zwischen-alltag-und-aberglauben


+++HISTORY
Der lange Schatten von Mussolinis Schweizer Ehrendoktor-Titel
Die Universität Lausanne verlieh im Januar 1937 Benito Mussolini die Ehrendoktorwürde. Die akademische Auszeichnung stiess schon damals auf heftige Kritik. Und sie sorgt nach wie vor für Diskussionen. Von einer Aberkennung der Ehre hält die Uni bis heute nichts.
https://www.swissinfo.ch/ger/der-lange-schatten-von-mussolinis-schweizer-ehrendoktor-titel-italien-faschismus-zweiter-weltkrieg-mussolini/48008592


Knabenheim auf der Grube: «Das kann man nicht vergessen»
Heinz Kräuchi war in den 70er-Jahren im Erziehungsheim in Niederwangen bei Bern. Der Alltag war von Gewalt und Misshandlungen geprägt. In einem neuen Buch erzählen der heute 59-Jährige und andere Betroffene über diese Zeit. Ein Gespräch über das, was fast nicht zu erzählen ist.  (ab 01:14)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/knabenheim-auf-der-grube-das-kann-man-nicht-vergessen?id=12278767