Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Neue Selbsthilfegruppe im Berner Oberland
51’000 Geflüchtete haben aufgrund des Krieges in der Schweiz bereits eine Unterkunft gefunden, ein guter Teil davon auch im Berner Oberland. Um diesen bei der Verarbeitung des Erlebten zu helfen, lanciert Selbsthilfe BE eine neue Gruppe.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200964/
+++APPENZELL
Wer bezahlt mir das Bahnbillett? – Geflüchtete erhalten im Zeughaus Teufen alle wichtigen Infos zur Integration
Sich im Appenzellerland zurechtzufinden, ist für all die ukrainischen Geflüchteten eine grosse Herausforderung. Um ihnen den Start zu erleichtern, lud das Amt für Soziales zu einem Abend, an welchem die Schutzbedürftigen alle Informationen erhielten, die sie benötigen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/fluechtlingskrise-so-funktioniert-das-leben-in-der-schweiz-gefluechtete-erhalten-im-zeughaus-teufen-alle-wichtigen-infos-zur-integration-ld.2311352
+++ST. GALLEN
Borschtsch, Beisammensein und sich beistehen: So leben ukrainische Flüchtlinge in der Unterkunft Riederenholz in St.Gallen
Im ehemaligen Wohnheim für Betagte Riederenholz in der Stadt leben seit Ende April 48 ukrainische Flüchtlinge. Das jüngste Kind ist eineinhalbjährig, die älteste Ukrainerin 88 Jahre alt. Ein Rundgang in der Flüchtlingsunterkunft Riederenholz.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/einblick-in-die-fluechtlingsunterkunft-riederenholz-ld.2311563
+++FRANKREICH
Bootshavarie: 15 mutmaßliche Schleuser nach Tod von Migranten im Ärmelkanal gefasst
Sie wollten in einem aufblasbaren Boot von Frankreich nach Großbritannien: 27 Migranten starben im November 2021 im Ärmelkanal. Nun meldet die Polizei in Frankreich einen ersten Ermittlungserfolg.
https://www.spiegel.de/ausland/frankreich-15-moegliche-schleuser-nach-tod-von-27-migranten-im-aermelkanal-gefasst-a-9dff6840-b5fa-499e-bb3b-41ba2105b7e4?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
+++EUROPA
Asylwerber dürfen nicht bloß wegen illegalem Aufenthalt in Haft
Laut einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind weitere Gründe nötig. In Litauen spitzte sich die Lage an der Grenze zu Belarus zuletzt zu
https://www.derstandard.at/story/2000137049500/asylwerber-duerfen-nicht-bloss-wegen-illegalem-aufenthalt-in-haft?ref=rss
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Demonstrationen dürfen den Zürcher ÖV weiter ausbremsen
Demonstrationen in der Zürcher Innenstadt dürfen den Tram- und Busverkehr (ÖV) weiterhin behindern: Der Gemeinderat hat am Mittwochabend ein Postulat der SVP abgelehnt, das forderte, dass «jede einzelne Linie ungehindert weiter funktionieren kann».
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/demonstrationen-duerfen-den-zuercher-oev-weiter-ausbremsen-00187648/
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/strassenverkehr-demonstrationen-duerfen-den-zuercher-oev-weiter-ausbremsen-ld.2311402
Umzug in der Zürcher Innenstadt: Demonstration gegen verschärfte Abtreibungsrechte
Am Donnerstagabend gingen mehrere Hundert Menschen auf die Strasse, um gegen den Entscheid des Obersten amerikanischen Gerichts zu protestieren.
https://www.landbote.ch/demonstration-gegen-verschaerfte-abtreibungsrechte-279077520542
-> https://www.20min.ch/story/es-macht-mich-wuetend-und-traurig-dass-wir-darueber-diskutieren-muessen-300907011744
+++ANTITERRORSTAAT
Bericht zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat vom Bericht zur Umsetzung des «Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus» Kenntnis genommen. Der Bericht zeigt auf, welche Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und Extremismus im Kanton Bern umgesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Erarbeitung von Leitfäden, die Weiterbildung von Fachpersonen, das kantonale Bedrohungsmanagement oder die Umbenennung und Neuausrichtung der Stelle des Beauftragten für kirchliche und religiöse Angelegenheiten.
Zum Bericht «Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus»: https://www.rrgr-service.apps.be.ch/api/rr/documents/document/c20700127bb74f37b7155e8736875ede-332/31/2017.POM.712-Beilage-DF-249902.pdf
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=186de45c-240d-440b-b7c8-749919cdcf2a#26ede038-0e8f-44b4-b1a0-c6d9d4c3cff3
+++POLIZEI CH
24.06.2022 VSPB 96. Delegiertenversammlung 2022 in Zürich-Kloten
VSPB – Am 23. und 24. Juni 2022 versammelten sich rund 220 Polizistinnen und Polizisten aus der ganzen Schweiz zur 96. Delegiertenversammlung des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB. Dabei wurde die amtierende Präsidentin Johanna Bundi Ryser für eine weitere Amtszeit bestätigt. Ebenfalls weiterhin in seinem Amt als Vizepräsident wurde Emmanuel Fivaz gewählt. Die Geschäftsleitungsmitglieder Sébastien Gerber und Roger Huber wurden ebenfalls bestätigt. Als neue Mitglieder in der Geschäftsleitung begrüsst der VSPB den Tessiner Ivano Bodino und den Zürcher Gerhard Schaub. Sie ersetzen Michele Sussigan und Beat Frei, welche aus der Geschäftsleitung aufgrund von persönlichen Gründen, respektive der Erreichung der maximalen Amtsdauer, ausscheiden.
https://www.vspb.org/de/fuer_medien/medienmitteilungen
-> https://www.vspb.org/content/docs/004%20F%C3%BCr%20Medien/1%20Medienmitteilungen/2022/DE%20Medienmitteilung_VSPB_DV_2022.pdf
+++FRAUEN/QUEER
«Um eine Bewegung am Laufen zu halten, muss man Verbindungen schaffen»
Marina Widmer übergibt die Leitung des Ostschweizer Archivs für Frauen-, Geschlechter und Sozialgeschichte an ihre Nachfolgerin Judith Grosse. Im Interview berichten sie von den aktuellen Herausforderungen im Archivwesen, von Geschichten, die noch nicht erzählt sind, etwa jene von Olga Lee-Rüesch, und vom Vadiana-Chef, der sich in den 80er-Jahren verschwörerisch in der Frauenbibliothek Wyborada umgesehen hat.
https://www.saiten.ch/um-eine-bewegung-am-laufen-zu-halten-muss-man-verbindungen-schaffen/
+++RASSISMUS
Regierungsrätin Fehr nimmt Rassismus-Kritik «sehr ernst»
Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), die von der Eidg. Kommission gegen Rassismus wegen der Absage des Alba-Festivals 2021 gerüffelt wurde, nimmt diese Kritik «sehr ernst». Aus aktuellem Anlass will sie an diesem Wochenende selber ans albanische Festival.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/regierungsraetin-fehr-nimmt-rassismus-kritik-sehr-ernst-00187661/
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Bundesrat traf in Schaffhausen auf Corona-Kritiker: Sprecher nimmt Berset das Weinglas weg
Der Bundesrat hat auf seiner diesjährigen Bundesratsreise am Donnerstag Halt am Rheinfall gemacht. Später am Tag führt Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) seine Regierungskollegen in seinen Heimatkanton Tessin.
https://www.blick.ch/politik/bundesrat-traf-in-schaffhausen-auf-corona-kritiker-skeptiker-rimoldi-plaudert-mit-berset-id17620321.html
—
luzernerzeitung.ch 30.06.2022
Prorussisch, homophob, sexistisch: Kanton Zug stellt Mitarbeiter frei wegen problematischer Facebook-Posts
Der Kanton Zug prüft personal- und strafrechtliche Schritte gegen den Leiter der Durchgangsstation Steinhausen.
Linda Leuenberger
«Sehr gemein» sei er gewesen, habe gemobbt und schikaniert. Im März des letzten Jahres erhoben ehemalige Angestellte schwere Vorwürfe gegen den Leiter der Durchgangsstation Steinhausen, wie unsere Zeitung berichtete. Passiert ist seither wenig, er durfte seine Führungsposition behalten. Jetzt aber knallt’s: Der Kanton Zug stellte den Durchgangsstationsleiter am Dienstagmorgen per sofort und bis auf weiteres frei. Und zwar nicht wegen der Kritik an seinem Führungsstil, sondern wegen seiner Einträge auf Facebook.
Wie eine Recherche unserer Zeitung ergab, teilte, postete und kommentierte der Mann – wir nennen ihn im Folgenden Alexander P. – auf seinem Facebook-Profil rund ein halbes Jahr lang homophobe, sexistische und vor allem prorussische Beiträge. Sein Account war öffentlich und für alle einsehbar. Unsere Zeitung konfrontierte seine Arbeitgeberin, die Zuger Direktion des Innern, am Montagnachmittag mit den Befunden. Tags darauf stellte sie ihn frei. Alexander P. löschte sein Profil umgehend. Aber unsere Zeitung hat über 60 Screenshots angelegt.
Der erste auffällige Post von Alexander P. datiert auf den 11. Oktober 2021 zurück. Bemerkenswert ist vor allem die Abfolge von Emojis, die P. ab diesem Zeitpunkt immer wieder verwendet. Emojis sind kleine Smileys und Bildzeichen, die vor allem in Chats und SMS verschickt werden.
«Die Welt von der Unreinheit befreien»
Eingerahmt in Hundehaufen- und Kotz-Emojis reiht Alexander P. ein Schweinchen und eine Schlange aneinander, gefolgt von verschiedenen Krustentieren und Insekten. Wie sich im Verlauf seiner Facebook-Posts herausstellt, verwendet P. die …
– … Schweinchen als Symbol für «Unreinheit»,
– die Schlange als Symbol für «Lüge»,
– und die Krustentiere stehen für «unreine Lebensformen», die es verdienen, «lebendig zerstückelt» zu werden.
Auf die Tiere folgen unter anderem die Emojis eines lesbischen und eines schwulen Pärchens, die sich unter einem Herzchen küssen. Die zweite Emoji-Abfolge könnte für gängige Corona-Verschwörungsmythen stehen, die hier nicht ausgeführt werden.
Am 12. Dezember 2021 folgt der erste Post, in dem sich Alexander P. auf einen (noch nicht ausgebrochenen) Krieg zwischen Russland und der Ukraine bezieht. Er postet ein Video einer Kriegssituation, wahrscheinlich aus einem Videospiel. Als Gefühl gibt er an «fühlt sich toll», als Standort hat er «Europa/Kiew» ausgewählt. Dazu schreibt er auf Englisch: «Krieg in EUROPA – die Frage ist nicht OB, die Frage ist WANN», gefolgt von obiger Emoji-Abfolge.
Am 30. Januar 2022 wird Alexander P. deutlich. Zu einem Video der russischen Armee schreibt er auf Englisch: «Helden, welche die Welt von der UNREINHEIT befreien», gepaart mit Applaus- und Krone-Emojis. Solche Beiträge setzt P. zu Dutzenden ab, bis er sein Profil am 28. Juni 2022 löscht.
Ebenfalls kehren die hebräischen Bezeichnungen für «Unreinheit» und «rituell unrein» immer wieder, meist zusammen mit «LGBTQI+», der Bezeichnung für die Queer-Community. Die Redaktion verzichtet darauf, die weiteren zahlreichen Beleidigungen gegen diese Community wiederzugeben. Am 18. Juni wird P. besonders ausfällig – am Tag der Pride-Parade in Zürich. Er postet Bilder vergangener Pride-Parades, auf denen Gesichter erkenntlich sind.
Atombomben und Jungfräulichkeitszertifikate
Aus Alexander P.s Beiträgen ergibt sich ein klares Bild: Er unterstützt die Haltungen von Wladimir Putin und des obersten russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Letzterer ist ein enger Vertrauter Putins, der auch als sein «Hassprediger» bekannt ist. P. übernimmt ein prorussisches Narrativ, wonach er die «Werte der westlichen Welt» verachtet und mit Queerness gleichsetzt.
Der Westen sei eine «böse», «unreine» «Abfall-Allianz», und es müsse eine «neue Weltordnung» installiert werden. Er schreckt auch vor Themen wie einem Atombombenabwurf über der Ukraine nicht zurück und fragt: «Wann?» Die russisch kontrollierten Gebiete nennt er «befreite» Gebiete. Er kommentiert seine prorussischen Beiträge mit «Keine Gnade», «Kein Frieden», «Kein Zusammenleben», «Keine Kompromisse».
Für Alexander P. spielt zudem «Jungfräulichkeit» eine grosse Rolle. Er bezieht sich mehrmals auf die «heilige, reine Mutter» und postet «Jungfräulichkeitszertifikate» oder die Visualisierung einer Vulva, die zugenäht wird, um die Jungfräulichkeit «wiederherzustellen».
Kanton Zug prüft strafrechtliche Schritte
Die Direktion des Innern distanziere sich «in jeder Form vollständig» von den Äusserungen des Durchgangsstationsleiters, sagt Regierungsrat Andreas Hostettler. «Unsere Haltung ist ganz klar. Diese Äusserungen sind absolut inakzeptabel und nicht tolerierbar.»
Die Entscheidung, Alexander P. freizustellen, sei innert Stunden gefallen. Computer, Handy und Badge habe er sogleich abgeben müssen. Eine Stellvertretung stehe schon parat. Hostettler weiter: «Es gilt die Unschuldsvermutung, aber wir prüfen diese Angelegenheit genau und werden, wo angezeigt, personalrechtliche und strafrechtliche Schritte einleiten.»
Mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine habe der Leiter der Durchgangsstation nie zu tun gehabt, versichert Hostettler. Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S seien bewusst von Beginn weg vom übrigen Asylwesen getrennt worden. Sonst hätten die S-Status-Privilegien unter Geflüchteten aus anderen Ländern womöglich zu Spannungen geführt.
Unsere Zeitung hat P. um eine schriftliche Stellungnahme angefragt. Er hat nicht geantwortet. Gegenüber seinen Vorgesetzten habe er laut Andreas Hostettler gesagt, er stehe den Medien nicht zur Verfügung.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/steinhausen-leiter-durchgangszentrum-steinhausen-mit-problematischem-internetauftritt-ist-per-sofort-freigestellt-worden-ld.2310918)
—
«Welt von Unreinheit befreien»: Leiter von Zuger Asylheim entlassen – wegen prorussischer Aussagen
Der Leiter der Durchgangsstation Steinhausen ZG postete auf Facebook prorussische Beiträge. Er beleidigte auch mehrmals die LGBTQ-Community. Nun wurde der Mann per sofort freigestellt. Er muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/zug/welt-von-unreinheit-befreien-leiter-von-zuger-asylheim-entlassen-wegen-prorussischer-aussagen-id17619985.html
-> https://www.zentralplus.ch/news/zentrumsleiter-nach-homophonen-aeusserungen-freigestellt-2398681/
-> https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/zug-gefeuerter-homophober-zentrumsleiter-gibt-zu-reden-2399249/
-> https://www.20min.ch/story/prorussische-rassistische-facebook-posts-leiter-von-durchgansstation-freigestellt-617562379774
Michael Ballweg: Dann machen sie ihn eben zum Märtyrer
Michael Ballweg war Mitbegründer von Querdenken, nun wurde er wegen Betrugsverdachts festgenommen. Die Bewegung schwächt das nicht, sie wittert die nächste Verschwörung.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/michael-ballweg-querdenken-gruender-haft-fluchtgefahr
Jede fünfte Anfrage bei Sekten-Beratung wegen Verschwörungsmythen
Im letzten Jahr hat sich jede fünfte Anfrage bei der Sektenberatungsstelle Infosekta um Verschwörungsmythen gedreht. Insgesamt gab es 1047 Erstanfragen zu sektenhaften Milieus, vor allem von Angehörigen von Betroffenen.
https://www.swissinfo.ch/ger/jede-fuenfte-anfrage-bei-sekten-beratung-wegen-verschwoerungsmythen/47716756
—
aargauerzeitung.ch 30.06.2022
Alle gegen Christoph Fux bei SVP-Podium: Infektiologe stellt sich der Debatte mit coronakritischem Arzt und Nationalrätin
Oft heisst es, die SVP stehe allein gegen alle – an einem SVP-Podium zur Coronapandemie war es umgekehrt: Infektiologe Christoph Fux stand ziemlich einsam da. Die Veranstaltung in Boswil war geprägt von hitzigen Diskussionen um Impfnebenwirkungen, Maskenpflicht und die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.
Hans-Caspar Kellenberger
Covid-19 kann bei ungeimpften Personen tödlich enden, Maskentragen hilft gegen die Verbreitung des Virus und die Impfung schützt vor schweren Verläufen: Das ist weltweit wissenschaftlicher Konsens und die Position der überwiegenden Mehrheit aller Expertinnen und Ärzte, wenn es um Corona geht. Diese Position vertrat Christoph Fux, Infektiologe am Kantonsspital Aarau, bei einem Podium im «Löwen» in Boswil, das sich um die Coronapandemie drehte.
Covid-19 ist eine relativ harmlose Grippe, Masken bringen nichts, sondern sind sogar schädlich, die Impfung ist unwirksam und hat gravierende Nebenwirkungen: Diese Position vertrat Thomas Binder, Kardiologe aus Wettingen, am selben Anlass, der von der SVP Bezirk Muri organisiert worden war. Binders Ansichten widersprechen Forschungsresultaten und wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden nur von einer kleinen Minderheit von Ärzten geteilt.
Ganz anders war dies im «Löwen»-Saal: Die überwiegende Mehrheit der rund 100 Besucherinnen und Besucher des Podiums applaudierte bei Binders Ausführungen, während Fux fast durchwegs Kopfschütteln und halblaute Kritik erntete. Zwischen den beiden Ärzten auf dem Podium stand die Obwaldner SVP-Nationalrätin Monika Rüegger – die Aargauer SP-Nationalrätin Yvonne Feri, die auch hätte auftreten sollen, musste wegen einer Sitzung in Bern kurzfristig absagen.
Familienvater verlangt wissenschaftlichen Konsens vor Massnahmen
«Sitzen Sie zusammen, einigen Sie sich darüber, was man gegen Corona tun soll – und wenn sie keine gemeinsame Position finden, dann verschonen Sie uns mit Massnahmen», sagte ein Familienvater aus dem Publikum zu Fux und Binder. Nationalrätin Rüegger gab nach mehreren Runden der Auseinandersetzung zwischen dem Infektiologen und dem Coronaskeptiker zu, dass sie nicht wisse, wem sie nun glauben sollte.
Zu einem Konsens zu kommen, war bei dieser Besetzung des Podiums allerdings nicht möglich – zumal Binder durchwegs bei seinen Theorien und Behauptungen blieb. Er beklagte, dass seine Position weder bei den rund 200 Aargauer Hausärzten noch bei der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) auf Anklang gestossen sei, und bezeichnete die Verantwortlichen wissenschaftlicher Journals, die Beiträge seriöser Coronaforscher veröffentlichten, als Mafiosi.
Andreas Glarner: «Man sollte Herrn Fux aus seinem Amt entheben»
Fux versuchte, Gegensteuer zu geben, was im Publikum nicht ankam, das sich seine Meinung schon lange gemacht hatte. Auch SVP-Nationalrat und Kantonalpräsident Andreas Glarner war im Saal und sagte, aus seiner Sicht müsse man den Infektiologen seines Amtes entheben, weil dieser eine Zulassungsstudie für Impfstoffe nicht ganz gelesen und trotzdem die Impfpflicht gefordert hatte.
Trotzdem versuchte der KSA-Arzt, auf das Publikum einzugehen: Einer Frau, die von sich selbst sagte, sie sei ungeimpft und habe trotzdem nie Corona gehabt, entgegnete Fux, dass es bei der Ansteckung und bei der Schwere des Verlaufs von Corona auf das Immunsystem der einzelnen Person ankomme. «Wir wissen, dass Todesfälle und schwere Verläufe mit der Impfung reduziert werden», sagte Fux.
Binder schüttelte den Kopf und behauptete, es sei Wahnsinn, den Bauplan für die Herstellung eines körperfremden Proteins zu injizieren, während Rüegger darauf verwies, dass es mehrere tausend Meldungen von gravierenden Nebenwirkungen gebe. Fux entgegnete, die Impfung habe allein in der Schweiz den Tod von rund 20’000 Menschen verhindert und das Virus verursache ein Mehrfaches jener Symptome, die als seltene Nebenwirkung der Impfung auftreten.
Fux würde Maskentragpflicht für Kinder nicht mehr unterstützen
Moderator Fabian Hägler, stellvertretender Chefredaktor der AZ, lenkte das Gespräch danach auf die Fragen, wie die Schweiz die Pandemie bewältigt hat, welche Fehler begangen wurden und was man rückblickend anders machen würde. Dabei stand die Maskenpflicht für Kinder im Zentrum, die sowohl Binder als auch Rüegger kritisiert hatten. Infektiologe Fux, der in der Pandemie auch die Aargauer Regierung beraten hatte, sagte dazu: «Dass Kinder Masken tragen müssen, würde ich heute nicht mehr unterstützen.»
Kinder seien durch Corona nicht speziell gefährdet, räumte er ein. Die Politik habe die Maskenpflicht erlassen, um zu verhindern, dass Kinder zu Hause ihre Eltern anstecken. Ziel sei gewesen, eine drohende Überlastung der Spitäler und Intensivstationen zu verhindern.
Auch die Abschottung der Alters- und Pflegeheime sieht der KSA-Infektiologe heute kritisch. Die Impfkampagne verteidigte Fux jedoch vehement. «Es war kein Fehler, möglichst viele Menschen impfen zu wollen. Hier müssen wir den gesellschaftlichen Nutzen im Blick haben, nicht nur das Individuum.»
«Debatte hätte früher geführt werden müssen»
Der Umgang mit Ungeimpften in der Schweiz war das Stichwort für Nationalrätin Rüegger: «An der Diskussion der beiden Ärzte hier sieht man, wie gespalten unsere Gesellschaft ist», sagte Rüegger. Und: «Es war ein Shitstorm gegen die Ungeimpften. Gesellschaftlich war es nichts wert, was wir hier gemacht haben.»
Sie habe sich gefragt, ob man überhaupt wieder einmal zurück zur Normalität komme. Sie sei «schockiert» gewesen, wie die Menschen miteinander umgegangen seien, sagte Rüegger. «Es war menschenunwürdig, die Leute so wegzusperren. Und mit dem Zertifikat haben wir alles kaputtgemacht.» Sie sieht die Wissenschaft in der Pflicht: «Wir hatten jetzt ein halbes Jahr Zeit, um hinzuschauen, wo wir übertrieben haben. Ich habe diese Debatte bisher vermisst.» Auch Arzt Thomas Binder sagte: «Wir hätten diese Debatte schon im März 2020 führen sollen.»
Intensivpflegerin am KSA warnt eindringlich vor Personalmangel
In den letzten zwei Jahren habe es immer wieder geheissen, dass die Spitäler wegen Personalmangels nicht mehr Intensivbetten zur Verfügung stellen konnten, sagte Rüegger, an Fux gerichtet. Für die Obwaldnerin war klar, dass man auch weniger gut geschulte Pflegefachkräfte und nicht nur «Studierte» hätte einsetzen müssen, um dies zu verhindern.
Eine Intensivpflegerin des Kantonsspitals Aarau im Publikum korrigierte Rüegger. Es sei nicht möglich, dass eine weniger ausgebildete Pflegekraft einen Intensivplatz betreuen könne. Die Intensivpflegerin sagte: «Wenn man eine unausgebildete Person einen Intensivpatienten betreuen lässt, stirbt dieser innerhalb von einer Stunde.»
Die Pflegekräfte seien am Anschlag und ab jetzt gelte im KSA auch wieder Maskenpflicht für das Personal, sagte sie. Die Intensivpflegerin fragte die Podiumsteilnehmer, was sie für Lösungen hätten, um dem Personalmangel auf Intensivstationen zu begegnen. Eine klare Antwort gab es nicht – und so blieb am Ende die Hoffnung, dass es keine neue Virusvariante gibt, die schwere Verläufe verursacht und zu einer grösseren Spitalbelastung führt.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/coronavirus-alle-gegen-christoph-fux-bei-der-svp-ksa-infektiologe-stellt-sich-der-debatte-mit-coronakritischem-arzt-und-nationalraetin-ld.2310863)
+++HISTORY
Documenta: Eine Debatte über das koloniale Konstrukt
Der Antisemitismus-Vorfall an einer der weltgrössten Kunstschauen zeigt: Die Erkundung der gemeinsamen europäisch-indonesischen Geschichte von Antisemitismus und Kolonialismus ist überfällig.
https://www.woz.ch/2226/documenta/eine-debatte-ueber-das-koloniale-konstrukt
+++ROCKERKRIEG
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/teils-lange-strafen-am-berner-rockerprozess?id=12215993
-> https://www.neo1.ch/artikel/rockerprozess-regionalgericht-verurteilt-rocker-zu-acht-jahren-gefaengnis
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200974/
-> https://www.20min.ch/story/jetzt-beginnt-der-monsterprozess-gegen-22-mitglieder-von-rocker-gangs-980689683342
-> https://www.20min.ch/video/rocker-treffen-in-bern-ein-992493122741
-> https://www.nzz.ch/schweiz/bern-rockern-drohen-harte-strafen-ld.1691019
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/101234432-berner-gericht-verhaengt-teils-lange-freiheitsstrafen-gegen-rocker
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/rocker-versammeln-sich-vor-urteil-im-berner-rockerprozess-66212427
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/urteil-im-berner-rocker-prozess?partId=12215987
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/risiko-zu-hoch-toeff-treffen-in-thun-be-abgesagt-wegen-rockerkrieg-organisatoren-enttaeuscht-hells-angels-und-bandidos-wollten-auffahren-id17618760.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/vor-rocker-prozess-in-bern-hier-stuerzt-ein-hells-angel-mit-seinem-toeff-id17619468.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/blick-tv-reporterin-rebecca-spring-zum-letzten-tag-im-biker-prozess-pro-biker-waren-etwa-zwei-polizisten-im-saal-id17620513.html
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/hauptbeschuldigter-bandido-rocker-muss-acht-jahre-ins-gefaengnis?urn=urn:srf:video:a896a319-8836-4a60-b57b-727817a62eba
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/acht-jahre-hinter-gitter-rund-um-rockerprozess-bleibt-es-trotz-aufmarsch-ruhig-147037090
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/acht-jahre-freiheitsstrafe-urteil-im-rocker-prozess-gefaellt-147036713
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/berner-rockerprozess-lange-strafen-und-ruhige-machtdemonstration?id=12216302 (ab 03:04)
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/urteilsverkuendung-kampf-der-rocker-in-bern-vor-gericht-und-auf-der-strasse-kommt-es-wieder-zur-eskalation-ld.2310651
—
ajour.ch 30.06.2022 (11:05)
Urteilsverkündung: Gericht gibt Urteil zum «Rockerkrieg» von Belp bekannt: Hohe Freiheitsstrafen sowie Freisprüche
Das Regionalgericht Bern-Mittelland gibt um 9 Uhr sein Urteil gegen 22 Angeklagte bekannt. Die Polizei steht mit einem Grossaufgebot bereit. Die Ereignisse im Überblick – laufend aktualisiert.
Andreas Maurer und Kari Kälin
Worum geht es?
Der Motorradclub Hells Angels verlangt, dass sich alle anderen Rockerclubs ihm unterordnen. Wer das nicht tut, muss damit rechnen, verprügelt zu werden. Es geht nicht nur um die Ehre, sondern um geschäftliche Interessen. Mitglieder der Hells Angels sind in verschiedenen, zum Teil kriminellen, Bereichen aktiv und wollen diese kontrollieren.
Lange Zeit war es in der Schweizer Szene ruhig, weil die Hells Angels konkurrenzlos agieren konnten. Das änderte sich 2019, als die Bandidos ihren ersten Schweizer Ableger in Belp BE gründen wollten. Mitglieder der Hells Angels und der verbündeten Broncos statteten einer Bandidos-Party im designierten Clubhaus deshalb einen «Einschüchterungsbesuch» ab. Es kam zu einer Massenschlägerei, in der vor allem die Angreifer verletzt wurden. Ein Hells Angel erlitt einen Bauchdurchschuss.
Die Berner Staatsanwaltschaft klagte 22 Beteiligte beider Seiten an und verlangt für drei Bandidos Gefängnisstrafen und für alle anderen bedingte Strafen. Beim Prozessbeginn vor einem Monat lieferten sich die verfeindeten Rockergangs vor dem Gericht eine Strassenschlacht.
Warum ist das wichtig?
Die Szene ist verschwiegen. Alle Angeklagten haben die Aussage verweigert. Entsprechend schwierig ist die Beweisführung für die Ermittler. Der Fall gibt Einblick in eine Welt, die in der Schweiz häufig glorifiziert wird, und zeigt auf, ob die Justiz die Rockerkriminalität mit den bestehenden Mitteln im Griff hat.
Deutschland geht härter gegen die Rocker vor und verbietet gefährliche Ortsgruppen. Eine Folge davon: Die Mitglieder dürfen keine Waffe mehr tragen. In der Schweiz kommen sie hingegen legal zu Pistolen und Gewehren. Wird das liberale System dem Problem gerecht?
Wie läuft die Urteilsverkündung ab?
Sie beginnt um 9 Uhr und dauert aussergewöhnlich lange. Das Gericht rechnet mit drei Stunden. Es kündet «scharfe Sicherheitskontrollen» am Eingang an. Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot vor Ort und will ein Aufeinandertreffen der Gangs diesmal verhindern.
Auf der Schützenwiese in unmittelbarer Nähe zum Amtshaus haben sich Hunderte Hells Angels und Mitglieder befreundeter Motorradclubs versammelt. Harleys mit Kennzeichen aus der ganzen Schweiz sind dort parkiert. Einige Mitglieder der Motorradgangs sind mit Sturmhauben ausgerüstet. Die Rocker tragen ihre Lederjacken mit den Emblemen.
An ein Gitter haben die Schweizer Motorradclubs, also die Hells Angels und Konsorten, einen QR-Code montiert. Beim Öffnen schlägt einem eine grosse Portion Pathos entgegen: die Schweizerflagge mit Wilhelm Tell in der Mitte und einem Statement, festgehalten auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch. Zudem erklingt der Schweizer Psalm. In der Erklärung betonen die Motorradclubs ihr freundschaftliches und friedliches Verhältnis untereinander. Sie hätten seit mehr als 50 Jahren ein System mit eigenen Regeln für die Bikerszene – das solle auch so bleiben.
-> https://sslsites.de/helvetiamcpower.bighost.info/
Mitglieder der mit den Höllenengel verfeindeten Bandidos wurden in Zone rund um das Amtsgericht bis jetzt keine gesichtet. Die Polizei steht mit zahlreichen Einsatzwagen, Wasserwerfern und einem Grossaufgebot bereit.
So lautet das Urteil in Kürze
Die Urteilsverkündung beginnt. Der Gerichtspräsident geht die Beschuldigten einzeln durch. Der Hauptbeschuldigte wird wie beantragt wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt und zwar zu acht Jahren Gefängnis. Der zweite Beschuldigte hingegen wird von den schweren Vorwürfen freigesprochen und nur wegen Raufhandels verurteilt. In diesem Stil geht es weiter: Mehrere Angeklagte werden verurteilt, mehrere aber auch freigesprochen.
(https://ajour.ch/story/gericht-gibt-urteil-zum-rockerkrieg-von-belp-bekannt-hohe-freiheitsstrafen-sowie-freisprche/16616)
—
derbund.ch (12:29)
Urteilsverkündung in BernHells Angels räumen Schützenmatte | Prozess endet friedlich | Nause ist erleichtert
Acht Jahre Freiheitsstrafe für den Hauptangeklagten, massives Polizeiaufgebot, keine Spur von den Bandidos: Der Rockerprozess in Bern geht ohne Auseinandersetzungen zu Ende.
Michael Bucher, Sibylle Hartmann, Sarina Keller, Jürg Spori (Fotos), Adrian Moser(Fotos), Beat Mathys(Fotos), Benjamin Bitoun
15:48 Uhr
Nause: «Bern erlebte einen ruhigen Morgen»
Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) ist nach eigenen Angaben «sehr zufrieden» und erleichtert, dass die Urteilsverkündung im Rockerprozess ohne Krawalle und Zwischenfälle über die Bühne ging.
Die Polizei habe am Donnerstag – wie während des ganzen Prozesses seit Ende Mai – ausgezeichnete Arbeit geleistet, sagte Nause. Sie habe den undankbaren Auftrag, die verfeindeten Rockergruppen voneinander fernzuhalten, sehr gut erfüllt.
Am Donnerstag waren in Bern keine Bandidos zu sehen, wie Nause bestätigte. Warum sie der Urteilsverkündung fernblieben, wisse er nicht. «Das müsste man die Bandidos selber fragen.»
Die Behörden hätten Hinweise gehabt, wonach die Bandidos Bern diesmal fernbleiben würden. «Aber die Polizei hat sich natürlich trotzdem vorbereitet auf ein Szenario, bei dem sie verfeindete Gruppen voneinander fernhalten muss.»
Insgesamt habe die Stadt Bern einen ruhigen Morgen erlebt, stellte Nause fest. Das Amthaus sei gut abgeschirmt und geschützt worden – «und der Verkehr rollte jederzeit». (SDA)
15:11 Uhr
Zusammenfassung: Berner Gericht verurteilt Rocker zu teils langen Freiheitsstrafen
Im Berner Rockerprozess hat das Gericht am Donnerstag teils lange Freiheitsstrafen verhängt. Der eine Hauptangeklagte wurde zu acht Jahren Freiheitsstrafe wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt.
Bei der Auseinandersetzung verfeindeter Rockerbanden 2019 in Belp BE soll der 37-jährige Schweizer mit einer durchgeladenen Pistole einem Gegner auf den Kopf geschlagen haben. Ein Schuss aus der Pistole verletzte einen weiteren Mann.
Der Verurteilte habe bewusst in Kauf genommen, Menschen zu verletzen und zu töten, sagte der Gerichtspräsident in seiner Urteilsbegründung. Der Beschuldigte befindet sich bereits im vorzeitigen Strafvollzug.
Er ist Mitglied der Bandidos, genau wie der zweite Hauptangeklagte. Der 42-jährige gebürtige Spanier kam mit einer unbedingten Strafe von acht Monaten wegen Raufhandels davon. Vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung wurde er freigesprochen.
Ein weiterer Mann – auch er ein Bandido – wurde wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten verurteilt. Es handelt es sich um einen 34-jährigen Österreicher. Der Mann wird zudem des Landes verwiesen.
19 weitere Angeklagte hatte das Gericht in der Mehrheit wegen Raufhandels zu beurteilen. In fünf Fällen gab es Freisprüche. In den übrigen Fällen sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Angeklagten bei der Auseinandersetzung dabei waren und das Geschehen «physisch und psychisch» unterstützt hatten. Das Gericht fällte bedingte Freiheitsstrafen um die zehn Monate aus.
Beweise sprechen lassen
Vor Gericht hatten die meisten Angeklagten zur Tat eisern geschwiegen, so wie dies im Rockermilieu üblich ist. Angelegenheiten werden intern geregelt.
Der Gerichtspräsident kritisierte die Rechtsauffassung der Szene scharf: «Es kann nicht sein, dass gewisse Mitglieder unserer Gesellschaft eigene Regeln aufstellen, die dem Strafrecht zuwiderlaufen, und dann auch noch versuchen, diese zu legitimieren.»
Es liege genügend Beweismaterial mit DNA-, Blut- und Schmauchspuren vor Ort, Zeugenaussagen, Auswertungen von Telefon-Chats und rechtsmedizinischen Untersuchungen vor, befand das Gericht.
Es ging davon aus, dass die im Ausland aktiven Bandidos in der Schweiz ein eigenes Chapter gründen wollten, was den Platzhirschen – den Hells Angels und den mit ihnen befreundeten Berner Broncos – nicht passte.
Die Bandidos sollten daher mit Gewalt vertrieben werden, und zwar an einem Abend, als sie in Belp eine Party feiern wollten. Die Bandidos erhielten jedoch Wind vom Vorhaben der Gegner.
Beide Gruppierungen hätten gewusst, dass Stunk anstehe, so das Gericht. Sie hätten umgehend ihre Getreuen mobilisiert, wie eindeutig aus Chat-Protokollen hervorgehe. Auch habe man sich bewaffnet. Wer mit Schlagstöcken, Schlagringen und Messern auftauche, der wolle nicht bloss Konversation machen.
Die teilweise mit Schusswaffen ausgerüsteten Bandidos gewannen beim Kampf die Oberhand, worauf sich die Hells Angels und Freunde zurückzogen. Der Gewaltexzess forderte mehrere Schwerverletzte.
Diesmal ohne Ausschreitungen
Die Urteilsverkündung am Donnerstag zog sich mehr als vier Stunden hin. Vor dem Amtshaus fanden sich wiederum rund 300 Rocker ein, um ihre Kameraden moralisch zu unterstützen. Der gesamte Prozess fand unter grossen Sicherheitsvorkehrungen statt.
Beim Prozessbeginn Ende Mai hatten sich Mitglieder der Hells Angels und der Bandidos Scharmützel vor dem Berner Amthaus geliefert. Die Polizei setzte Gummischrot und Wasserwerfer ein, um die beiden Lager voneinander fernzuhalten.
Am Donnerstagmorgen blieb die Lage friedlich. Bandidos tauchten keine auf, die Polizei nahm keine Anhaltungen vor. Nach der Urteilsverkündigung zogen die Rocker alle ab. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause zeigte sich auf Anfrage «sehr zufrieden“: Die Polizei habe ausgezeichnete Arbeit geleistet, die Stadt habe einen ruhigen Morgen erlebt.
Motorradgangs wie die Hells Angels wurden in der Schweiz vor rund 50 Jahren populär. Lange wurden sie von der Öffentlichkeit vor allem als spleenige Aussenseiter auf schweren Töffs wahrgenommen. Doch die verschwiegene Szene ist durchzogen von Kriminalität.
Das erstinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann an die nächsthöhere Instanz weitergezogen werden. (SDA)
12:29 Uhr
Prozess ist zu Ende
Der Prozess ist zu Ende. Die rund 300 Rocker haben die Schützenmatte geräumt. Nachdem die angeklagten Hells Angels am Versammlungsort eingetroffen waren, schwangen sich alle auf ihre Motorräder und brausten rasch davon.
Die angeklagten Hells Angels wurden am Eingang zum Platz vor dem alternativen Berner Kulturzentrum Reitschule von anderen Rockern mit Schulterklopfen begrüsst. Dann ging es keine fünf Minuten und der Platz war geräumt.
Geduldig harrten die Mitglieder zahlreicher Schweizer Motorradclubs auf dem Platz aus, bis die Angeklagten aus dem Berner Amthaus traten, das rund hundert Meter vom Platz entfernt steht. Rund viereinhalb Stunden lang dauerte die Urteilsverkündigung und -begründung. (SDA)
-> https://unityvideo.appuser.ch/video/uv445442h.mp4
11:58 Uhr
So werden die Freisprüche begründet
Die Urteilsverkündung zieht sich etwas in die Länge. Es braucht seine Zeit, bis zu allen 22 Beschuldigten etwas gesagt ist.
Der Gerichtspräsident macht deutlich, dass die Regeln der Motorradgangs für Aussenstehende unverständlich, ja schlicht abstrus seien: «Es kann nicht sein, dass gewisse Mitglieder unserer Gesellschaft eigene Regeln aufstellen, die dem Strafrecht zuwiderlaufen, und dann auch noch versuchen, diese zu legitimieren»
Für das Gericht ist klar, dass sich alle Beteiligte vor Ort des Raufhandels schuldig gemacht haben. Von Sippenhaft könne keine Rede sein. Wer in grosser Zahl bewaffnet und überhastet zu einer verfeindeten Gruppierung fahre, wolle nicht bloss reden. Zu den fünf Freisprüchen in Sachen Raufhandel kam es, weil den Betroffenen nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass sie zum Zeitpunkt der Prügelei auf dem Platz anwesend waren.
Dass jener Bandido, der laut Anklage einem Bronco ein Messer in den Rücken gerammt haben soll, der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen wurde, erfolgte ebenso nach dem Grundsatz «in dubio pro reo». Dies weil an dem Messer noch andere DNA gefunden worden war.
10:39 Uhr
Viel Polizei im Gerichtssaal
Nach der Urteilseröffnung legt der Gerichtspräsident die Gründe des Entscheids dar. Er rekonstruiert die Abläufe am Tag der Auseinandersetzung in Belp. Das dauert bis nach 12 Uhr. Im Gerichtssaal, in dem es wegen der zahlreichen Angeklagten, Anwälten, Polizisten und Journalisten sehr eng ist, geht es gesittet zu. Anwesend ist nur ein Drittel der Angeklagten, der Rest wurde dispensiert, womöglich ebenfalls aus Sicherheitsgründen.
Das Polizeiaufgebot im Gerichtsgebäude wurde gegenüber den ersten Prozesstagen nochmals deutlich erhöht. Jedem Beschuldigten sind im Saal zwei Polizisten zur Seite gestellt. Auch im Eingangsbereich sind mehrere Polizisten stationiert. Dort war es am zweiten Prozesstag zu einer Rangelei zwischen Hells Angels und einem Bandido gekommen.
09:57 Uhr
Zufriedener Sicherheitsdirektor
Der zuständige Regierungsrat Philippe Müller ist vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Er ist bislang zufrieden mit dem Einsatz: «Die Polizei hat die Lage im Griff». Informationen aus Polizeikreisen, dass die Polizei Mitglieder der mit den Hells Angels verfeindeten Bandidos auf dem Weg nach Bern abgefangen hat, kommentiert Müller mit einem Lächeln und sagt: «Kein Kommentar».
09:33 Uhr
Fünf Freisprüche
Die restlichen 19 Beschuldigten standen «nur» wegen Raufhandels vor Gericht. Die zentrale Frage war für die Richter: Wer hat sich wie an der Schlägerei beteiligt? Sämtliche Anwälte forderten einen Freispruch für ihre Mandanten mit gleich lautenden Argumenten. Den Angeschuldigten könne nicht nachgewiesen werden, dass sie in die blutige Auseinandersetzung direkt und aktiv involviert gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft wiederum hatte für die Beteiligung am Raufhandel bedingte Gefängnisstrafen zwischen 6 und 14 Monaten gefordert.
Nun, das Fünfergericht hat die restlichen Rocker teils schuldig-, teils freigesprochen. Bei den Schuldsprüchen wurden zumeist bedingte Freiheitsstrafen um die zehn Monate verhängt. Insgesamt gab es 5 Freisprüche. Dabei handelt es sich um zwei Broncos, zwei Bandidos und ein Mitglied der Hells Angels. Jene erhalten vom Kanton eine Entschädigung von 200 Franken. Ausserdem muss der Kanton in diesen Fällen die Verfahrenskosten tragen.
09:17 Uhr
Urteile sind gefallen
Die Verhandlung beginnt mehr oder weniger pünktlich. Es geht sogleich los mit der Verkündung der Urteile. Zuerst zu den drei Hauptbeschuldigten, bei denen es sich um Mitglieder der Bandidos handelt:
Vom Gericht schuldig gesprochen wegen versuchter vorsätzlicher Tötung wird jener 37-jährige Bandido, der bei der Auseinandersetzungen in Belp auf ein Mitglied der Hells Angels geschossen hatte. Das Opfer wurde dabei lebensbedrohlich verletzt. Dafür muss der Schweizer 8 Jahre ins Gefängnis. Er befand sich bereits im vorzeitigen Strafvollzug. Der Staatsanwalt hatte 9,5 Jahre gefordert.
Sein 42-jähriger Kollege wird hingegen der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen. Der Mann wurde beschuldigt, bei der Auseinandersetzung einem Bronco ein Klappmesser in den Rücken gerammt zu haben. Er wird bloss des Raufhandels verurteilt und kassiert eine unbedingte Freiheitsstrafe von 8 Monaten. Der Staatsanwalt hatte 8,5 Jahre gefordert. Der gebürtiger Spanier wird nicht des Landes verwiesen.
Schuldig gesprochen wurde jener 34-jährige Österreicher, der als Präsident des Bandidos-Chapters in Belp vorgesehen war. Und zwar wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Der Mann soll einem Bronco mit einem massiven Elektrokabel mehrmals auf den Kopf geschlagen haben. Er kassiert vom Gericht eine Freiheitsstrafe von 42 Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Gefängnis gefordert. Zusätzlich erhält er einen Landesverweis von 8 Jahren.
08:54 Uhr
Beschuldigte betreten das Gericht
08:15 Uhr
Mehr Rocker vor Ort
Es sind deutlich mehr Rocker auf der Berner Schützenmatte als an den ersten Prozesstagen. Geschätzt sind es rund 300. Die Hells Angels konnten für den Tag des Urteils viele Mitglieder der befreundeten Clubs aufbieten. So sind etwa auch die Thors und Devils inzwischen vor Ort. Weil von den verfeindeten Bandidos bislang niemand aufgetaucht ist, ist die Stimmung um das Amthaus bisher ruhig.
Die Rocker haben auf der Schütz ein Transparent aufgehängt mit einem QR-Code. Dieser führt zu einer Website mit einem Statement der Schweizer Motorradszene. «Seit mehr als 50 Jahren haben wir hier in der Schweiz unser eigenes System und unsere eigenen Regeln was die MC- und Bikerszene betrifft», steht dort. Das solle auch weiterhin so bleiben, finden die Clubs. «Wir stehen geschlossen hinter diesem System und wollen und brauchen hier in der Schweiz keine anderen Zustände.»
Das ist eine Anspielung auf die Bandidos, die sich hier ohne den Segen der bestehenden Clubs niederlassen wollen.
07:30 Uhr
Broncos und Hells Angels auf Schützenmatte
Bereits vor 7 Uhr haben sich auf der Schützenmatte Mitglieder der Broncos versammelt. Rund eine halbe Stunde später trafen gleichenorts auch die Hells Angels ein. Laut einem Reporter vor Ort sind es je 50 bis 100 Personen pro Gang. Die Polizei auf der gegenüberliegenden Seite steht mit Wasserwerfer und einem Grossaufgebot bereit.
Sperrzone und Personenkontrollen
Gerichtsverhandlungen gehen in der Regel für die Bevölkerung kaum wahrnehmbar vonstatten. Nicht so in diesem Fall. Seit Wochen laufen bei den Berner Sicherheitsbehörden die Vorbereitungen für den Tag der Urteilseröffnung auf Hochtouren.
Das Areal rund ums Amthaus ist seit dem frühen Donnerstagmorgen eine Sperrzone. Zu Fuss ist der Zugang in den abgesperrten Bereich bloss für Anwohnende, Geschäftstreibende und Kunden möglich sein. Die Polizei führt deshalb verschärfte Fahrzeug- und Personenkontrollen durch. Damit die Strassen rund ums Gerichtsgebäude am Tag des Urteils auch sicher leer sind, galt zum Teil bereits ab Mittwochmittag ein Parkverbot. Die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse etwa wird aufgrund der Komplikationen heute gleich geschlossen bleiben.
Dass ein derart grosses Polizeiaufgebot offenbar nötig ist, zeigten die ersten Prozesstage Ende Mai. Rund 200 Rocker der verfeindeten Gruppen Hells Angels und Bandidos lieferten sich vor dem Amthaus Scharmützel. Dabei flogen auch faustgrosse Steine. Die Polizei setzte Gummischrot, Wasserwerfer und Hunde ein, um die beiden Lager voneinander fernzuhalten. Die Achse Lorraine-Hauptbahnhof war während mehreren Stunden für den Verkehr gesperrt. (mib)
Showdown im Berner Rockerprozess
Am Donnerstagmorgen ab 9 Uhr findet der Monsterprozess gegen 22 Angeklagte von verfeindeten Motorradgangs ein vorläufiges Ende. Das Regionalgericht wird im Amthaus die erstinstanzlichen Urteile verkünden. Rund drei Stunden sind dafür veranschlagt.
Darum gehts: Im Mai 2019 lieferten sich die verfeindeten Motorradgangs Hells Angels und Bandidos in Belp eine blutige Auseinandersetzung. MIt dabei waren auch die mit den Hells Angels befreundeten Berner Broncos. Die Bandidos wollten damals im Motel Steinbach ein Clublokal eröffnen, was den mächtigen und tonangebenden Hells Angels nicht passte. Als die «Höllenengel» ihren Kontrahenten einen Einschüchterungsbesuch abstatten wollten, kam es zu einer wüsten Prügelei. Im Spiel waren Messer, Eisenstangen und Holzlatten. Auch Schüsse fielen. Die Fehde endete mit mehreren Schwerverletzten.
Seit Ende Mai müssen sich 22 Angeklagte vor Gericht verantworten. Zahlenmässig am stärksten auf der Anklagebank vertreten sind die Bandidos – nämlich mit 15 Beschuldigten. Aufs Konto der Bandidos gehen denn auch die schwerwiegendsten Delikte. Zwei müssen sich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verantworten, einer wegen schwerer Körperverletzung. Den restlichen 19 Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft bloss Raufhandel bzw. Gehilfenschaft dazu vor. (mib)
(https://www.derbund.ch/rockerprozess-hells-angels-bandidos-bern-936303802304)
—
«Das Eskalationsrisiko liegt bei über 90 Prozent»: Behörde verbietet BEO Bike Week wegen Rockerkrieg
Die aufgeheizte Stimmung der Bikergangs Hells Angels und Bandidos zieht weitere Kreise: Diese Woche wird bekannt, dass die vom Verein Berner-Oberland-Biker geplante «Bike Week», die im August in Thun stattfinden sollte, abgesagt wird. Laut der Kantonspolizei Bern sei das Risiko einer Eskalation zwischen den verfeindeten Banden zu gross.
https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/das-eskalationsrisiko-liegt-bei-ueber-90-prozent-behoerde-verbietet-beo-bike-week-wegen-rockerkrieg-147037084
Bandenkrieg in der Schweiz
Der Bandenkrieg zwischen Mitgliedern der Hells Angels, Broncos und Bandidos vor drei Jahren in Belp war der Höhepunkt im Kampf der verfeindeten Rockerbanden in der Schweiz. Heute wurden die Urteile im Berner Rockerprozess gesprochen. Wird damit dem Bandenkrieg ein Ende gesetzt oder wird er neu entfacht? Wie ticken die Rockergruppen in der Schweiz und warum gibt es diese blutigen Rivalitäten? Antworten hat Valentin Landmann, Rechtsanwalt und Kenner der Schweizer Rockerszene heute live im «TalkTäglich».
https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/bandenkrieg-in-der-schweiz-146768348
—
derbund.ch 30.06.2022
Berner Rockerprozess: Wie das Gericht zu seinem Urteil kam
Zwei Bandidos haben mehrjährige Gefängnisstrafen erhalten. Einer von ihnen hat laut dem Gericht den Tod eines Kontrahenten in Kauf genommen.
Hans Ulrich Schaad, Michael Bucher, Benjamin Bitoun
Mit dem Urteil ist am Donnerstag der Monsterprozess rund um einen blutigen Revierkampf zwischen drei Motorradclubs zu Ende gegangen. Im Mai 2019 gingen in Belp Mitglieder der Bandidos auf der einen und Mitglieder der Hells Angels und Broncos auf der anderen Seite aufeinander los. Es wurden Schusswaffen, Messer und Schlaginstrumente eingesetzt. Es gab mehrere Verletzte, zwei von ihnen mussten notoperiert werden und überlebten nur knapp.
22 Beschuldigte mussten sich seit Ende Mai vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten, die meisten wegen Raufhandels. «Es war eine aussergewöhnliche Verhandlung, bei der wir einzig die Vorfälle in Belp individuell beurteilen mussten», fasste Gerichtspräsident Jürg Christen zum Schluss der gut vierstündigen Urteilsbegründung zusammen. «Unabhängig davon, was vor dem Amthaus passiert und über den Prozess geschrieben worden ist.»
Die Aufgabe für das Gericht war nicht einfach. Denn die meisten Beschuldigten schwiegen eisern zu den Vorfällen. Das Gericht stützte sich bei seinem Urteil auf DNA-, Blut- und Schmauchspuren vor Ort, Zeugenaussagen, Auswertungen von Telefon-Chats sowie rechtsmedizinische und kriminaltechnische Untersuchungen.
So kam es zum blutigen Streit
Die Bandidos waren daran, in der Schweiz ihren ersten Ableger zu gründen, was die Hells Angels als Platzhirsche verhindern wollten. An jenem Maiabend feierten die Bandidos in ihrem zukünftigen Clublokal. Davon bekamen die Rivalen Wind und mobilisierten.
«Das Ziel der Hells Angels war es, die Bandidos mit Gewalt aus der Schweiz zu verjagen», sagte der Gerichtspräsident. Sie hätten nicht mobilisiert, um mit den Bandidos nur zu reden. Der Angriff sei klar von den Hells Angels und den Broncos ausgegangen. Aber die Bandidos hatten eine solche Einschüchterung erwartet und aufgerüstet. Sie konnten ihre Widersacher nach zwei bis drei Minuten zum Rückzug zwingen.
Der Gerichtspräsident machte deutlich, dass die Regeln der Motorradgangs für Aussenstehende unverständlich, ja schlicht abstrus seien: «Es kann nicht sein, dass gewisse Mitglieder unserer Gesellschaft eigene Regeln aufstellen, die dem Strafrecht zuwiderlaufen, und dann auch noch versuchen, diese zu legitimieren.»
Der Schütze wird am härtesten bestraft
Der Hauptangeklagte, der designierte Sicherheitschef der Bandidos, hatte beim Vorfall in Belp mit einer Pistole in die Luft und in Richtung Angreifer geschossen. Einen der Hells Angels hat er mit einem Bauchschuss lebensgefährlich verletzt. Der 38-Jährige erhielt wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung eine Gefängnisstrafe von acht Jahren. Das Gericht anerkannte zwar, dass er sich in einer Notwehrlage befunden hatte. Seine Reaktion sei aber unverhältnismässig und unentschuldbar gewesen.
Straferhöhend ist, dass er bereits zweimal wegen Gewaltdelikten zu sechseinhalb respektive vier Jahren verurteilt worden war. Aber er profitiert von einem Rabatt, weil er ein Geständnis abgelegt hat. Er befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug.
Messerstich nicht geklärt
Ein 42-jähriger Spanier aus dem Berner Oberland wurde vom Hauptvorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen nach dem Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Ihm konnte nicht bewiesen werden, dass er einem Bronco das Messer in den Rücken gestossen hatte. Aber er erhielt eine unbedingte Gefängnisstrafe von 8 Monaten wegen Raufhandels. Unbedingt deshalb, weil er vor gut einem Jahr zu 24 Monaten verurteilt worden war.
Der dritte Hauptbeschuldigte, Österreicher und designierter Präsident des neuen Bandidos-Chapters, muss dreieinhalb Jahre in Gefängnis. Er hatte mit einem massiven Elektrokabel einem Bronco heftig auf den Kopf geschlagen. Bei ihm kommt ein Landesverweis von acht Jahren dazu.
Das hohe Gewaltpotenzial
14 Beschuldigte hat das Gericht wegen Raufhandels zu meist bedingten Gefängnisstrafen zwischen 6 und 12 Monaten verurteilt. Die Länge hängt vor allem von den Vorstrafen ab. Die drei Schwerverletzten erhielten zudem eine leichte Reduktion wegen besonderer Betroffenheit.
Gerichtspräsident Jürg Christen sagte klipp und klar, dass es sich um einen extremen Fall von Raufhandel mit einem hohen Gewaltpotenzial gehandelt habe. Wer direkt vor Ort gewesen sei, habe das Geschehen «physisch und psychisch» unterstützt. In dubio pro reo ging das Gericht davon aus, dass sich keiner von ihnen bewaffnet oder zugeschlagen hatte. Sonst wären die Strafen höher ausgefallen.
Fünf Freisprüche
Je zwei beschuldigte Bandidos und Broncos sowie ein Hells Angel wurden vom Vorwurf des Raufhandels freigesprochen. Ihnen konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie unmittelbar in die Auseinandersetzung involviert waren. Sie erhalten je eine Entschädigung von 200 Franken. Der Kanton muss ihre Verteidigungs- und Verfahrenskosten übernehmen.
Erste Reaktionen
Staatsanwalt Marco Amstutz war grundsätzlich zufrieden mit dem gut begründeten Urteil. Das Gericht habe sich intensiv mit der Materie befasst. Den einen oder anderen Punkt müsse er aber noch genauer überprüfen, insbesondere den Freispruch beim zweiten Hauptangeklagten.
Beat Luginbühl, der Verteidiger des Schützen, sagte, dass das Urteil wohl ans Obergericht weitergezogen werde. Wichtig war für ihn, dass das Gericht festhielt, dass die andere Seite angegriffen und sein Klient nur reagiert hatte.
Sein Mandant sei erleichtert über den Freispruch im Hauptanklagepunkt der versuchten vorsätzlichen Tötung, sagte Christian Zuberbühler, der Verteidiger des zweiten Hauptangeklagten. Aus seiner Sicht war die Beweislage so dünn, dass es gar keine Anklage hätte geben dürfen. Offen lässt Zuberbühler eine Berufung gegen die Gefängnisstrafe wegen Raufhandels. Das Gericht habe hier einen strengen Massstab gesetzt.
Was auf der Strasse vor dem Gericht los war
Im Gegensatz zum heissen Auftakt, an dem es zu Scharmützeln unter den verfeindeten Rockergangs gekommen war, blieb es zum Prozessende beinahe gespenstig still. Insgesamt habe die Stadt Bern einen ruhigen Morgen erlebt, lautet das Fazit des Stadtberner Sicherheitsdirektors Reto Nause (Mitte). Das Amthaus sei gut abgeschirmt und geschützt worden – «und der Verkehr rollte jederzeit».
«Der Einsatz ist ohne Zwischenfälle verlaufen», bestätigt auch Kantonspolizei-Sprecherin Jolanda Egger. Dies dürfte auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass sich von den mit den Hells Angels verfeindeten Bandidos zur Urteilsverkündung niemand blicken liess.
Gerüchte, dass die Polizei Mitglieder der Bandidos auf dem Weg nach Bern gestoppt habe, dementiert die Kapo-Sprecherin: «Wir haben im Zusammenhang mit dem Prozess heute keine Personen angehalten oder weggewiesen.» Jedoch habe die Kapo gegen einzelne Mitglieder verschiedener Motorradclubs im Vorfeld Fernhalteverfügungen für den heutigen Tag ausgesprochen, also ein Verbot, nach Bern zu kommen, sagt Egger. Dies aufgrund der Vorfälle der ersten beiden Prozesstage.
(https://www.derbund.ch/wie-das-gericht-zu-seinem-urteil-kam-490812237111)