Medienspiegel 17. Juni 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
«Build bridges not walls»: Die «Schärme-Brügg» soll an die gestorbenen Flüchtlinge erinnern
Am Bahnhof Bern steht seit Mittwoch eine Holzbrücke. Sie wurde anlässlich des Flüchtlingstags gebaut
https://www.20min.ch/video/diese-bruecke-steht-in-gedenken-an-48-000-tote-529981092548


+++AARGAU
Lenzburg: Ein ehemaliges Hotel ist in eine Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine umfunktioniert worden. Seit zwei Wochen leben nun schutzsuchende Menschen in diesem Gebäude. Wie läuft der Betrieb? (ab 02:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargau-als-hotspot-fuer-die-geothermie?id=12208793


+++FRIBOOURG
Freiburg freut sich über hohe Zahl junger Flüchtlinge in Ausbildung
700 von 650 Asylsuchenden zwischen 15 und 35 Jahren im Kanton Freiburg absolvieren eine Ausbildung. Den Kanton freut’s.
https://www.nau.ch/news/schweiz/freiburg-freut-sich-uber-hohe-zahl-junger-fluchtlinge-in-ausbildung-66203060


+++LUZERN
Bessere Unterkünfte und mehr finanzielle Unterstützung: Grüne wollen anderen Umgang mit Flüchtlingen aus der Ukraine (ab 03:11)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/gruenes-licht-fuer-carparkplaetze-beim-suedpol-in-kriens?id=12208790


+++ST. GALLEN
St.Gallen stockt Personal im Asylwesen auf
Durch die stetig steigende Anzahl von Geflüchteten aus der Ukraine stossen die Sozial- und Asylämter an ihre Grenzen. Die Stadt St.Gallen will nun zusätzliche Mitarbeitende anstellen.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/stgallen-stockt-personal-im-asylwesen-auf-00186609/



tagblatt.ch 17.06.2022

«Sie sind tot, aber nicht vergessen»: Die städtischen Kirchgemeinden erinnern am nationalen Flüchtlingstag an jene, die auf der Flucht nach Europa gestorben sind

Mit einer Aktion kritisieren die Kirchgemeinden die Missstände im Flüchtlingswesen. Und wollen Menschen, die auf der Flucht gestorben sind, ihre Würde zurückgeben.

Diana Hagmann-Bula

Eine Mutter mit Kind, ein hochgewachsener, hagerer Mann, eine ältere Frau, alle schauen sie traurig in die Umgebung. «Entwurzelt, ausgeliefert, niemand will sie», sagt Chika Uzor, Seelsorger für Flüchtlinge und Migranten bei der katholischen Kirche im Lebensraum St.Gallen. «Gemein und böse», murmelt ein Mädchen, das mitgehört hat. «Deshalb veranstalten wir diese Aktion», antwortet Uzor.

Die Mutter mit Kind, der Mann, die Frau, es sind Holzfiguren, erschaffen vom Bündner Künstler Peter Leisinger. Sie stellen Flüchtlinge und ihre Gefühle dar. Am Freitag und am Wochenende sind sie auf verschiedenen, öffentlichen Plätzen der Stadt zu sehen und weisen auf den nationalen Flüchtlingstag von Samstag hin. Aufgabe der Kirche sei es auch, sich für Arme und Ausgegrenzte einzusetzen. Bereits zum zweiten Mal findet die Aktion «Beim Namen nennen» in St.Gallen statt.

Mit Bleistift, weil er langsamer verblasst

2021 haben die Kirchen in der Stadt St.Gallen und viele Organisationen damit begonnen, die Namen all jener Flüchtlinge auf Stoffzettel zu schreiben, die seit 1993 auf der Flucht nach Europa gestorben sind. 48’647 Frauen, Männer, Kinder sind es unterdessen. Aus Syrien, Afghanistan, Somalia oder Rumänien, geflüchtet wegen Krieg, Dürre oder wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit. Auf dem Mittelmeer mit dem Boot gekentert, an der Grenze erschossen oder in den Bergen erfroren.

Wie jenes rumänische Paar, das seine Tochter in Deutschland besuchen wollte, aber keine Erlaubnis für die Einreise bekam. «Also wählte es den Weg über die Berge», sagt Uzor, der für die Aktion in St.Gallen mitverantwortlich ist. Vor einem Jahr wehten Tausende Zettel an der Fassade der Kirche St.Laurenzen mitten in der Altstadt. Ein Mahnmal für die «Opfer der Festung Europa», so das Ziel.

Dieses Wochenende kommen Tausende Zettel dazu. Die katholische Kirche lädt die Bevölkerung ein, beim Beschriften zu helfen. Mit Bleistift, weil er in der Sonne nicht schnell verblasst. Uzor: «Wir können diese Leben nicht zurückholen. Aber wir können Anteil nehmen. Sie sind tot, aber nicht vergessen.»

Über 500 Organisationen weltweit würden Daten über verstorbene Flüchtlinge sammeln und die Organisation United for Intercultural Action in den Niederlanden damit beliefern. Zusammen versuchen sie, jedem Namen ein Datum, Fundort, Geschlecht und Herkunftsland zuzuordnen. «Auch die Todesursache, sofern bekannt. Das gibt ihnen ihre Würde zurück.» Identifizieren bedeute aber auch, die Verwandten der Verstorbenen aufzuspüren. Uzor: «Damit sie sie betrauern und weitergehen können in ihrem Dasein.»

Richtige und falsche Flüchtlinge?

Nachdenken muss er auch oft über die Unterschiede, die es zwischen Flüchtlingen neuerdings gibt. Der Krieg in der Ukraine verdeutliche, wie schrecklich es ist, wenn Menschen flüchten müssen. «Die grosse Solidarität gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine ist überwältigend und schön. Der Krieg zeigt aber auch, dass es eine Zweiklassengesellschaft gibt bei Flüchtlingen.»

In der Schweiz habe es keinen Platz mehr für Flüchtlinge und Migranten, habe es immer wieder geheissen. «Und plötzlich hat es Platz für 43’000 Geflüchtete aus der Ukraine. Sie bekommen auch den speziellen Schutzstatus.» Uzor kann das nicht verstehen. Es gebe doch keine richtigen und falschen Flüchtlinge. «Jedes Menschenleben ist ein Menschenleben, jedes ist wertvoll und schützenswert, auch wenn die Heimat dieses Geflüchteten nicht gleich um die Ecke liegt.»

Migration gibt es schon lange, wird es wohl immer geben. «Dass sich Menschen bewegen, aus verschiedenen Gründen, wegen Krieg oder weil sich ihre Lebensumstände drastisch geändert haben, wird man nicht ändern können», sagt Uzor denn auch. Den Rest schon, ist er überzeugt.

Traurig und wütend zugleich stimmt ihn «die ablehnende Haltung Europas gegenüber Flüchtlingen aus Ländern ausserhalb Europas». Sein Wunsch: das Botschaftsasyl wiedereinführen. Heute können Menschen auf der Flucht nur an der europäischen Grenze Asyl beantragen. «Sie werden damit auf eine gefährliche Reise gezwungen. Sie suchen das Leben und finden dabei oft den Tod. Nur aus Abenteuerlust macht das niemand.»

Das Botschaftsasyl würde Flüchtlingen ermöglichen, ihr Asylgesuch auf der Botschaft ihres Fluchtlandes einzureichen. «Wird es abgelehnt, haben sie immerhin nicht ihr Leben riskiert.» Weniger Todesfälle würde das bringen, weniger menschliche Katastrophen. Der Ständerat hat eine Wiedereinführung allerdings erst im März abgelehnt.

Übrig bleibt nur ein Stück von einem Liebesbrief

Etwas Hoffnung sieht Uzor in Menschen, die alles dafür geben, Flüchtlingsopfer von ihrer Anonymität zu befreien. Am 18. April 2015 sank 130 Kilometer vor der libyschen Küste ein Schiff mit über tausend Flüchtlingen. «Das schwerste Schiffsunglück seit dem Zweiten Weltkrieg», betont er. Die italienische Regierung liess das Schiff 2016 bergen und die Toten so weit möglich identifizieren.

Der Dokumentarfilm «#387» begleitet die Leiterin der Mission sowie ihre Mitarbeiter, die auf Sizilien und in Nordafrika versuchen, die Daten eines der Opfer aufzudecken. Von ihm übrig ist nur ein Stück eines Liebesbriefs, der an ihn adressiert war. Der Film läuft am Freitag, 19 Uhr, im Kinok. «Die Einstimmung auf unsere Aktion», sagt Uzor, der nach der Vorführung bei einem Podiumsgespräch mitdiskutiert.

Auch er war mal nicht willkommen

Am Samstag, ab 12 Uhr, lesen er und viele Freiwillige während 24 Stunden die Namen der Opfer vor. Dazwischen gibt es Musik, Schweigeminuten, Performances. Uzor weiss selber, was es heisst, nicht willkommen zu sein. Er wächst in Nigeria auf, erlebt als Bub einen Bürgerkrieg. «Unsere Familie war innerhalb des Landes drei Jahre lang auf der Flucht. In einem Flüchtlingscamp habe ich einen Luftangriff erlebt», sagt er.

Als er um sein Leben rennt, versperren Dorfeinwohner ihm und anderen Flüchtlingen den Weg, bedrohen sie mit der Waffe. Uzor hat Glück. Jahre später kann seine Familie in die Heimatstadt zurückkehren, er erhält ein Stipendium, studiert in Innsbruck Theologie, kommt beruflich in die Schweiz. In Bern, im Bündner Oberland, in der Innerschweiz hat er schon gearbeitet, seit vielen Jahren St.Gallen. «Ich schätze es sehr, Frieden zu kennen.»

Wenn er am Samstag eine halbe Stunde lang Namen von toten Flüchtlingen vorträgt, fühlt Chika Uzor besonders mit. Und eigentlich wünscht er sich nur eines: Dass keine Stoffzettel mehr wehen müssen an der Fassade der Kirche. Und es seine Aktion nicht mehr braucht.

https://www.beimnamennennen.ch/de/2021/st-gallen
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/stgallen-sie-sind-tot-aber-nicht-vergessen-die-staedtischen-kirchgemeinden-erinnern-am-nationalen-fluechtlingstag-an-jene-die-auf-der-flucht-nach-europa-gestorben-sind-ld.2305483)



tagblatt.ch 17.06.2022

Die Stadt rechnet bis Herbst mit weiteren 500 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine: Die Sozialen Dienste sind stark gefordert und stellen temporär zusätzliches Personal ein

Der Stadtrat hat eine Interpellation von Andreas Hobi (Grüne) ungewöhnlich schnell beantwortet. Die Direktion Soziales und Sicherheit macht keinen Hehl daraus: Die anhaltende Flüchtlingswelle stellt die Sozialen Dienste (SDS) vor grosse Herausforderungen.

Daniel Wirth

Aktuell leben in der Stadt St.Gallen 483 ukrainische Kriegsflüchtlinge. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) rechnet damit, dass die Zahl der Schutzsuchenden in der Schweiz steigen könnte. Demnach muss die Stadt St.Gallen damit rechnen, dass ihr bis Herbst weitere 500 Flüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen werden. Das antwortet der Stadtrat auf eine Interpellation, die Andreas Hobi an der Sitzung vom 24. Mai einreichte.

Den Interpellanten freut, dass der Stadtrat seinen Vorstoss sehr rasch beantwortet hat. «Der politischen Aktualität wird Rechnung getragen», sagt der Grünen-Politiker. Er war auf der Strasse von Mitarbeitenden der Sozialen Dienste angesprochen worden. Sie klagten bei ihm, die Flüchtlingswelle decke sie mit Arbeit zu, es fehle an Personal, ihre Hilferufe würden nicht gehört bei den Sozialen Diensten. Hobi reagierte mit einem Vorstoss.

Der Stadtrat hat zusätzliches Personal angestellt

Der Stadtrat schreibt in seiner Antwort auf seinen politischen Vorstoss, die Flüchtlingswelle als Folge des Kriegs in der Ukraine fordere und überfordere das gesamte Asylsystem. Es herrsche eine Ausnahmesituation, deren Ende nicht absehbar sei. Eine Mehrbelastung der Mitarbeitenden der Sozialen Dienste sei Tatsache.

Die angestrebte, beim courant normal vorgegebene hohe Qualität der Fallführung, sei derzeit nicht leistbar. Dennoch betont der Stadtrat: «Die Mitarbeitenden der Sozialen Dienste leisten auch unter den aktuellen Bedingungen ausgezeichnete Arbeit.»

Innerhalb der SDS seien unterschiedliche organisatorische Vorkehrungen getroffen worden, um die zusätzliche Arbeitslast zu bewältigen. So wurde das «Koordinationsteam Ukraine» (KtU) gebildet. Dieses Team mit fünf bisherigen und vier neuen Mitarbeitenden nahm seine Arbeit Ende März auf. Bestehende Fälle dieser Teammitglieder wurden an Sozialberaterinnen und -berater der langfristigen Sozialhilfe übergeben. Die Fallzahl pro 100 Stellenprozente nahm gemäss Interpellationsantwort von 80 auf 100 zu. Die Folge: Die Fallarbeit musste angepasst und inhaltlich reduziert werden.

Die Bildung eines weiteren Ressorts für die Sozialberatung der Personen mit Schutzstatus S ist gemäss Stadtrat in Vorbereitung. Dafür würden weitere zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt. Als Folge der Flüchtlingswelle hätten die SDS bereits acht neue Mitarbeitende, die sich 600 Stellenprozente teilten, angestellt. Es würden auch Springerorganisationen in Anspruch genommen und nach Möglichkeit Teilzeitpensen bestehender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht.

Die Rekrutierung von Personal ist schwierig

Die Rekrutierung geeigneter und kurzfristig verfügbarer Mitarbeitender für ein vorerst auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis sei trotz anhaltender Bemühungen äusserst schwierig und aufwendig. Der Arbeitsmarkt sei ausgetrocknet, Eintritte erfolgten aufgrund der Kündigungsfristen zeitlich verzögert. Es sei nicht möglich, den notwendigen Personalausbau mit derselben Geschwindigkeit zu realisieren, wie es die Entwicklung der Flüchtlingswelle erfordere. Dadurch hinke der Personalbestand der Arbeitsbelastung permanent hinterher. Der Stadtrat spricht Klartext.

Hobi erkundigt sich in seiner Interpellation auch danach, ob mit Gruppen- und Massenunterkünften für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu rechnen sei. Solange die Zuweisung von wöchentlich 20 bis 30 Personen auf diesem Stand bleibe, sei die private Unterbringung sowie die Anmietung und Möblierung von Wohnungen durch die SDS möglich, antwortet der Stadtrat. Aktuell seien in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg 49 Wohnungen angemietet worden. Bewohnt würden derzeit 33 davon von insgesamt 137 Ukrainerinnen und Ukrainerin mit Kindern. Demzufolge leben im Durchschnitt mehr als vier Flüchtlinge in einer Wohnung.

Zivilschutzanlage Riethüsli wäre in 72 Stunden bereit

Falls die Stadt eine spürbar erhöhte Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen müsse, sei die Unterbringung nach der aktuellen Strategie aus Ressourcengründen zumindest kurzfristig nicht mehr möglich. Aus diesem Grund sei es sinnvoll, eine oder mehrere Sammelunterkünfte für eine kurz- bis mittelfristige Verweildauer bereitzuhalten. Eine Unterbringung in der Zivilschutzanlage Riethüsli sei im Sinne einer Notlösung für einen kurzen Zeitraum denkbar, schreibt der Stadtrat.

Die Anlage, die auch schon Flüchtlingen aus Syrien zur Verfügung gestellt wurde, steht gemäss Interpellationsantwort in 72 Stunden zur Verfügung. Aktuell prüfe die Stadt verschiedene Möglichkeiten zur Realisierung weiterer Unterkünfte.

Im ehemaligen Wohnheim für Betagte Riederenholz im Osten der Stadt leben aktuell 47 ukrainische Flüchtlinge dort; die maximal Belegzahl dort liegt bei 58 Personen. Am 8. April verliessen die letzten Bewohner das Altersheim, bereits 20 Tage später wurden die ersten Flüchtlinge untergebracht. Die Stadt reagiert also sehr schnell. Sie zog den ehemaligen Leiter der Asylunterkunft Riethüsli für den Aufbau und den Betrieb des umfunktionierten «Riederenholz» bei. Ebenfalls sei ein Wohnhaus als Gruppenunterkunft eingerichtet. Dort leben derzeit 13 Kriegsflüchtlinge.

Flüchtlinge erhalten deutlich weniger finanzielle Hilfe

Hobi will vom Stadtrat auch wissen, welche Mehrkosten die Unterbringung und Unterstützung von Geflüchteten aus der Ukraine verursachen. Für eine Kostenschätzung sei es zu früh, schreibt der Stadtrat. Grundsätzlich sollten die Mittel aus der sogenannten Globalpauschale von 1500 Franken pro Monat und die Integrationspauschale von 3000 Franken im Jahr ausreichen, um Unterkunft, Existenzsicherung, Gesundheitsversorgung und Sprachausbildung zu refinanzieren.

Die Stadt leiste bei verschiedenen Massnahmen die Vorfinanzierung. Die weitere Kostenentwicklung sei wesentlich abhängig von der Wucht der Flüchtlingswelle. Nicht im Rahmen der Refinanzierung abgedeckt werden könnten Honorar- und Lohnkosten.

Das wichtigste Element bilde die finanzielle Existenzsicherung für bedürftige Kriegsflüchtlinge. Geflüchtete aus der Ukraine mit Schutzstatus S beziehen gegenüber der Regelsozialhilfe tiefere Unterstützungsleistung für die Bestreitung der Lebensunterhaltungskosten wie etwa für Lebensmittel, Kleidung oder Hygieneartikel. Eine Einzelperson bekommt 450 Franken im Monat, das ist nicht einmal die Hälfte einer regulären Sozialhilfe von monatlich 997 Franken.

Eine fünfköpfige Kriegsflüchtlingsfamilie erhält 1740 Franken im Monat, in der Regelsozialhilfe sind es im Vergleich 2413 Franken im Monat. Etwa gleich verhält es sich bei den Ansätzen für Mieten: In der Asylsozialhilfe sind es 350 Franken Unterstützung, in der Regelsozialhilfe sind es 800 Franken.

Stadträtin Sonja Lüthi will keine Vorwürfe im Raum stehen lassen

Stadträtin Sonja Lüthi, Vorsteherin der Direktion Soziales und Sicherheit, sagt, die Interpellation Hobis sei so schnell beantwortet worden, weil sie die im Vorstoss erhobenen Vorwürfe, wonach die SDS trotz Flüchtlingswelle personell nicht aufgestockt worden sei, nicht habe im Raum stehen lassen wollen. Für sie sei es nicht nachvollziehbar, weshalb Mitarbeitende der Dienststelle diesen Weg über die Politik gegangen seien. Sie bedauere das enorm, sagt Sonja Lüthi.

Mit der sofortigen Beantwortung des Vorstosses, der voraussichtlich in der Augustsitzung vom Stadtparlament behandelt wird, konnten Lüthi und die SDS darlegen, was als Folge der Flüchtlingswelle alles läuft in der Stadt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/fluechtlingswelle-die-stadt-stgallen-rechnet-bis-herbst-mit-weiteren-500-kriegsfluechtlingen-aus-der-ukraine-die-sozialen-dienste-sind-stark-gefordert-und-stellen-neues-personal-ein-ld.2305784)


+++SCHWEIZ
1-4 Suizidversuche pro Woche pro BAZ: Spielt das SEM mit seiner Fürsorge- und Schutzpflicht für das Recht auf Leben?
Es sind alarmierende und skandalöse Zahlen. Allein im Bundesasylzentrum (BAZ) in Boudry haben sich mindestens zwei Personen das Leben genommen. Laut einer vom Staatssekretariat für Migration (SEM) in Auftrag gegebenen Studie von UNISANTÉ/CHUV kommt es in den BAZ Boudry, Vallorbe und Giffers jede Woche zu 1-4 Suizidversuchen/Selbstschädigungen. „Offensichtlich unternimmt das SEM zu wenig, um das Recht auf Leben in diesen BAZ genügend zu schützen“, kritisiert das Migrant Solidarity Network und fordert vom SEM Zahlen und Erklärungen zur Lage in den anderen Asylregionen der Schweiz.
https://migrant-solidarity-network.ch/2022/06/15/1-4-suizidversuche-pro-woche-pro-baz-spielt-das-sem-mit-seiner-fuersorge-und-schutzpflicht-fuer-das-recht-auf-leben/#more-3120



tagblatt.ch 17.06.2022

Bund rechnet mit Stabilisierung: Erste ukrainische Flüchtlinge verlassen die Ostschweiz

Im Laufe des Ukraine-Kriegs haben offiziell erst 207 Geflüchtete die Schweiz wieder verlassen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Während Ausserrhoden keine Schutzsuchende mehr zugeteilt werden, nähert sich der Kanton St.Gallen der Soll-Vorgabe.

Renato Schatz

Von einem Ostschweizer Politiker hört man über eine Ecke, es gebe ukrainische Geflüchtete, die «Knall auf Fall» alles liegen lassen und in ihr Land zurückkehren. Dazu passt die Geschichte von 22 ukrainischen Frauen und Kindern, die Kreuzlingen am vergangenen Sonntag nach drei Monaten wieder verliessen. Sie gingen zurück nach Lemberg.

Ein Zufall ist das nicht, im Westen der Ukraine ist es derzeit vergleichsweise sicher. Ein Mitarbeiter einer Anlaufstelle für Geflüchtete in der Ostschweiz berichtet Ähnliches. Er habe mehrfach von Westukrainern gehört, die wieder in die Heimat zurückkehrten.

56’276 Geflüchtete mit Status S seit Kriegsbeginn

Er will nicht zitiert werden und ist nicht der Einzige, der sich hinter der vorgehaltenen Hand oder einer Andeutung versteckt. Die Brisanz von Flüchtlingsthemen? Viel eher dürfte die Zurückhaltung darauf gründen, dass sich das Gehörte und Gesehene noch nicht belegen lassen.

Denn wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage sagt, haben seit Kriegsbeginn in der Ukraine offiziell erst 207 Menschen mit Schutzstatus S die Schweiz wieder verlassen. Im Vergleich zu den gegenwärtig 56’276 gemeldeten Geflüchteten mit Status S ist das ein verschwindend kleiner Anteil. Zur Erinnerung: Der Schutzstatus S wurde nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine aktiviert, um vom Krieg gefährdete Menschen unbürokratisch aufnehmen zu können.

Doch es könnten deutlich mehr Ukrainerinnen und Ukrainer als angenommen wieder in die Heimat zurückgekehrt sein, zumindest temporär. Denn Lukas Rieder, Pressesprecher des SEM, sagt: «Es gibt zwei Möglichkeiten, das Land zu verlassen. Entweder man meldet sich aktiv ab, oder man geht einfach. Diese 207 haben sich aktiv abgemeldet.» Die Dunkelziffer könnte deshalb hoch sein, weil man sich im Schengen-Raum frei bewegen kann, eine Abmeldung in der Schweiz folglich nicht nötig ist, um in die Ukraine zu gelangen.

Klar ist: Es kommen weniger Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz als noch zu Kriegsbeginn. Das SEM schreibt auf Anfrage, dass sich die Lage «nach der intensiven Phase im März und April mit bis über 1500 Registrierungen pro Tag» nun «stabilisiert» habe. Inzwischen würden sich täglich unter 200 Geflüchtete registrieren lassen.

St.Gallen nähert sich der Vorgabe

Wird pro Tag 200 Geflüchteten Schutz gewährt, kommen gemäss der sogenannten «Kantonszuweisung» des SEM zwölf, also rund 6 Prozent, in St.Gallen unter. Zumindest lautet so die Soll-Vorgabe, die gekoppelt ist an die Einwohnerzahl der jeweiligen Kantone. Nur erreicht St.Gallen diese Vorgabe nach wie vor nicht.

Von den 3339 Geflüchteten, die der Kanton nach der neuesten Berechnung des SEM aufnehmen müsste, hat er gegenwärtig effektiv 3188 in seinen Gemeinden untergebracht. Der Anteil am Soll beträgt demnach rund 95 Prozent und ist damit im Vergleich zu Ende April um 20 Prozentpunkte gestiegen.

Appenzell Ausserrhoden steht mit derzeit 162 Prozent schweizweit an der Spitze, auch der Thurgau ist mit 117 Prozent vorne dabei. Allerdings ist es für einen kleineren Kanton auch einfacher, Prozentpunkte gutzumachen. In Appenzell Innerrhoden reichen beispielsweise 109 Schutzsuchende für 103 Prozent der Soll-Vorgabe.

Doch es ist so eine Sache mit den Zahlen. Der Kanton St.Gallen schreibt auf Anfrage, dass er laut seinen aktuellsten Zahlen «mehr Flüchtlinge aufgenommen» habe «als vom SEM vorgegeben». Und: «Die Zahlen schwanken, manchmal ist ein Kanton im Plus, dann wieder im Minus – je nach Zuteilungspraxis des SEM.» Auch die Daten des Kantons Appenzell Innerrhoden stimmen nicht exakt mit jenen des SEM überein.

Tendenz: Migration stabil oder rückläufig

Klarer als die Interpretation der Geflüchtetenzahlen ist, dass St.Gallens Nicht-Erfüllen des Solls nicht fehlendem Willen zuzuschreiben ist. Die Zuteilung der Schutzsuchenden obliegt nämlich dem SEM.

Überdies hatten gerade kleinere Kantone die Soll-Vorgaben durch privates Engagement schon früh übertroffen. So zum Beispiel der Kanton Appenzell Ausserrhoden. An diesen wird das SEM aufgrund der Soll-Erfüllung von 162 Prozent vorerst keine weiteren Schutzsuchenden mehr zuteilen, abgesehen von Familienzusammenführungen: Das sagt Georg Amstutz, Leiter des kantonalen Kommunikationsdienstes. Sollten mehr Unterkünfte nötig sein und damit auch die Soll-Vorgabe steigen, könne der Kanton aber weitere Schutzsuchende aufnehmen.

Bei den Prognosen hält sich Amstutz an die Meinungen der SEM-Experten. Diese schreiben:  «Die Migration aus der Ukraine hinaus dürfte in den kommenden Wochen in der Tendenz stabil oder rückläufig sein. Bei einem signifikanten Geländegewinn der russischen Armee bleibt ein rascher Anstieg der Fluchtmigration möglich.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/ukraine-krieg-bund-rechnet-mit-stabilisierung-erste-ukrainische-fluechtlinge-verlassen-die-ostschweiz-ld.2305954)


+++DEUTSCHLAND
Kritik am Bamf: Abschiebepraxis diskriminiert homosexuelle Geflüchtete
Homosexuelle Geflüchtete können nach SPIEGEL-Informationen in ihr Heimatland abgeschoben werden, selbst wenn ihnen dort Verfolgung und Haft drohen. Die Begründung für derartige Entscheidungen ist bemerkenswert.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bamf-asylpraxis-diskriminiert-homosexuelle-gefluechtete-a-03db5070-1131-482c-8303-7ed0d4d5a084


+++MITTELMEER
Mittelmeer: Freiwillig bei SOS MéditerranéeARTE Reportage
In den letzten sechs Jahren rettete die europäische Hilfsorganisation SOS Méditerranée 35.038 Migranten vor dem Ertrinken im Mittelmeer. Europa delegierte zur Sicherung seiner Grenzen die Steuerung der Migrationsströme an die Türkei und Libyen, deshalb kreuzen nur noch NGOs zur Rettung auf hoher See. Freiwillige aus der ganzen Welt verpflichten sich an Bord dieser Schiffe.
https://www.arte.tv/de/videos/108062-000-A/mittelmeer-freiwillig-bei-sos-mediterranee/


+++MOLDAU
Ukrainische Kriegsflüchtlinge in Moldau: Zwischen Solidarität und Weiterreise
Seit Kriegsbeginn ist fast eine halbe Million Ukrainer*innen in die angrenzende Republik Moldau geflohen. Auch wenn die meisten Schutzsuchenden weiter in die EU fliehen, steht Moldau, das als ärmstes Land Europas gilt, dennoch vor immensen Herausforderungen und ist dringend auf die Solidarität der EU-Staaten angewiesen.
https://www.proasyl.de/news/ukrainische-kriegsfluechtlinge-in-moldau-zwischen-solidaritaet-und-weiterreise/


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Jenisches Volk: Feckerchilbi zu Besuch in Chur
https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news/rondo-news-17-06-22


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Polizeieinsatz am Frauenstreik in Basel wirft Fragen auf
Das Grossaufgebot der Kantonspolizei, die während des Feministischen Streiks vom letzten Dienstag in Vollmontur die Fassaden der Stadt bewachen mussten, hat für Irritationen gesorgt.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/interpellation-polizeieinsatz-am-frauenstreik-in-basel-wirft-fragen-auf-ld.2306031


+++RECHTSEXTREMISMUS
Gewalt in Zürcher Badi: Vermummte prügeln auf Badegast ein – direkt neben Kinderbecken
„Mehrere Personen vor Ort sagten gegenüber watson, dass der angegriffene Mann mehrere Tattoos mit Nazi-Symbolik trug. „
https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/573672112-gewalt-in-zuercher-badi-vermummte-pruegeln-auf-mann-am-unteren-letten-ein



tagesanzeiger.ch 17.06.2022

Tatort Flussbadi in ZürichVermummte schlagen mit Stöcken auf Badegast ein

In der Badi Unterer Letten ist ein Mann mit auffälligen Tattoos angegriffen worden. Er musste ins Spital gebracht werden.

Pascal Unternährer

Es ist ein schöner warmer Mittwochabend, die Zürcherinnen und Zürcher strömen ans Wasser, um sich abzukühlen. In der Badi Unterer Letten aber stören sich zwei Badegäste an einem Mann mit auffälligen Tattoos, die mutmasslich Nazi-Symbolik zeigen. Er liegt auf dem Liegerost im Zwischenteil zwischen der Wiese neben dem Kinderbecken und dem hölzernen Längsgebäude an der Limmat. Die beiden sprechen den Mann an, doch dieser kommt der Aufforderung, zu gehen, nicht nach.

Etwas später, es ist 19.30 Uhr, kommt es zu einer verstörenden Gewalttat. Vermummte Männer in langen Kleidern und Kapuzenpullis stürmen die Anlage und prügeln mit Stöcken auf den Mann ein.

Ein Augenzeuge spricht gegenüber dieser Zeitung von fünf männlichen Angreifern. Der kräftige Angegriffene habe es geschafft, ebenfalls einen Stock zu behändigen. Ob auch er zugeschlagen hat, ist unklar. «Es ging blitzschnell», sagt der Augenzeuge. Nach 30 Sekunden sei die Attacke beendet gewesen. Die Angreifer ergriffen die Flucht in Richtung Wasserwerkstrasse, das Opfer blutete stark am Kopf.

Eine Mutter berichtete dem Newsportal Watson: «Es war eine sehr unschöne Situation, und es passierte mitten im Familienbereich. Das Ganze wirkte wie ein gezielter Angriff.» Gemäss dem Medienportal bestätigten mehrere Personen vor Ort, dass der angegriffene Mann mehrere Tattoos mit Nazisymbolen getragen habe.

Die Stadtpolizei Zürich bestätigt letzteren Befund nicht. «Die Ermittlungen laufen», sagt Sprecher Pascal Siegenthaler. Bestätigt wird aber, dass die Polizei gerufen wurde und die ausgerückten Polizisten eine Person mit Riss- und Quetschwunden vorfanden. Der Mann wurde von Schutz & Rettung Zürich ins Spital gebracht.

Rechtsextreme treten offen auf

Falls es sich tatsächlich um einen Angriff auf einen Rechtsextremen handelte, wäre es nicht der erste. Im vergangenen Jahr stand ein Student vor Gericht, der verdächtigt wurde, gemeinsam mit anderen Männern eine Gruppe Rechtsextremer im Niederdorf angegriffen zu haben, die einen Polterabend feierten.

Neonazis treten wieder vermehrt öffentlich auf. Mitte Februar kam es mitten in Zürich – beim Hauptbahnhof – zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Antifa-Aktivisten, die zur Gegendemo aufgerufen hatten. Und am 1. Mai provozierten Rechtsextremisten mit einem Transparent auf einem Baukran die Teilnehmenden des traditionellen linken Umzugs.
(https://www.tagesanzeiger.ch/vermummte-schlagen-mit-stoecken-auf-badegast-ein-602193096786)