Medienspiegel 9. April 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Bern sucht Lehrpersonen für Flüchtlinge
Damit die geflüchteten ukrainischen Kinder im Kanton Bern die Schule besuchen können, sucht der Kanton Personen, die helfen können.
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-04-08



derbund.ch 09.04.2022

Asylsozialhilfe im Kanton Bern: Wo die Geflüchteten Geld erhalten

Für Menschen aus der Ukraine steht im Kanton Bern Asylsozialhilfe bereit. Dafür müssen sie sich an eine von fünf regionalen Stellen wenden.

Brigitte Walser

Eigentlich sind die Abläufe geregelt, doch in der Praxis gibt es trotzdem viele Fragen. Das zeigen Rückmeldungen von Gastfamilien von Geflüchteten, etwa wenn es um Geld geht. Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten den Schutzstatus S und damit finanzielle Hilfe. Dazu sind allerdings zwei verschiedene Behördengänge nötig. Für das Ausstellen des Schutzstatus sind schweizweit die Bundesasylzentren verantwortlich. Die finanzielle Hilfe hingegen regelt im Kanton Bern eine von fünf regionalen Stellen. Um unbegleitete Minderjährige kümmert sich eine zusätzliche Stelle im ganzen Kantonsgebiet. Was es nicht einfacher macht: Die fünf Stellen werden von verschiedenen Organisationen betrieben.

Ukrainerinnen und Ukrainer können im Kanton Bern auf Asylsozialhilfe zählen. Je nachdem, wo sie wohnen, ist diese unterschiedlich hoch: Befindet sich die geflüchtete Person in einer Kollektivunterkunft, wo das Essen zur Verfügung gestellt wird, erhält sie 382 Franken pro Monat für den Grundbedarf. Wohnt die Person in einer individuellen Unterkunft, sind es 696 Franken. Extra bezahlt werden Miete, Krankenkasse sowie allfällige Extrakosten. Die Ansätze in der Asylsozialhilfe sind tiefer als jene in der Sozialhilfe für Schweizerinnen und Schweizer (977 Franken), was im Kanton Bern in den letzten Jahren für Kritik gesorgt hat.

Die Geflüchteten bekommen dieses Geld allerdings nur, wenn sie am Schalter einer der fünf regionalen Stellen vorstellig werden. Und ausbezahlt wird es erst, wenn sie eine Bestätigung des Schutzstatus S erhalten haben. Für Flüchtlinge in der Stadt Bern und Umgebung befindet sich der entsprechende Schalter beim Asylsozialdienst an der Effingerstrasse in Bern. Dort empfiehlt man den Geflüchteten, rasch ein Konto zu eröffnen, falls sie keines haben. Die anderen vier Schalter werden vom Schweizerischen Roten Kreuz in Zollikofen und Biel (für Bern-Mittelland, Seeland und Berner Jura), von der ORS Service AG in Burgdorf (Emmental und Oberaargau) und vom Verein Asyl Berner Oberland in Thun betrieben.

Geld für Gastfamilien

Diese fünf Stellen – der Kanton Bern nennt sie regionale Partner – zahlen das Geld auch aus. An sie können sich Gastfamilien wenden, wenn sie einen Anteil an Miete, Einrichtung und Nebenkosten erhalten möchten. Gemäss Angaben des Kantons steht eine Pauschale von 195 Franken pro Person und Monat zur Verfügung, falls die Gäste den Schutzstatus S haben. Der Betrag wird erst nach drei Monaten rückwirkend ausbezahlt. Wollen Private statt dieser Entschädigung Miete verlangen, ist ein Untermietvertrag nötig.

Das Geld für diese Asylsozialhilfe stammt vom Bund. Er zahlt den Kantonen eine Pauschale von 1500 Franken pro Person und Monat. Die Aufteilung ist laut Angaben des Bundes so vorgesehen: 400 Franken für die Krankenkasse, 200 Franken für Miete, 620 Franken für die Sozialhilfe – also Essen, Kleider, Medien und so weiter – sowie 280 Franken für die Verwaltung.

Offene Fragen

Obwohl verschiedene Stellen Informationen auf ihren Websites aufgeschaltet haben, ist der Durchblick nicht einfach. So stellte sich bei Gastfamilien die Frage, ob die Asylsozialhilfe bar oder auf ein Konto bezahlt wird. Gemäss Angaben des Kantons Bern ist beides möglich, bei einem Konto gehe es aber schneller. Auch beim Thema, ob und wie das Vermögen der Geflüchteten bei der Asylsozialhilfe angerechnet wird, stellen sich Fragen. Auf seiner Website hält der Kanton fest, dass privat untergebrachte Flüchtlinge, die nicht bedürftig seien, kein Anrecht auf Asylsozialhilfe hätten. Ihre Gastfamilien würden folglich auch keine Mietkostenentschädigung erhalten beziehungsweise müssten diese direkt mit den Geflüchteten ausmachen. Auf Anfrage hält der Kanton fest, das Ausrichten von Sozialhilfe sei grundsätzlich an die Bedürftigkeit geknüpft, sie werde ausbezahlt, wenn keine anderen Einkommens- oder Vermögensquellen vorhanden seien.

Hilfestellung bei Unklarheiten bietet neben den kantonalen Stellen im Kanton Bern etwa die Kirchliche Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen, die auch viele der obigen Informationen zur Verfügung gestellt hat. Als eigenständige Fachstelle berät sie Freiwillige sowie Fachpersonen im Flüchtlingswesen. Zurzeit führt sie regelmässig Onlineveranstaltungen zum Schutzstatus S im Kanton Bern durch.
(https://www.derbund.ch/wo-die-gefluechteten-geld-erhalten-325640241059)


+++SCHWEIZ
Ukraine-Krieg: Lieber Schweizer Gastfamilie als in Asylzentrum!
Im Ukraine-Krieg flüchten Millionen Menschen. Die Geflüchteten in der Schweiz bevorzugen eine Unterkunft in Gastfamilien. Das hat gute Gründe.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-lieber-schweizer-gastfamilie-als-in-asylzentrum-66147377


Einfach Politik: Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge
Tausende Menschen flüchten wegen des Krieges in der Ukraine in die Schweiz. Sie werden hier mit offenen Armen empfangen. Ganz anders war es bei Hamit Zeqiri. Er kam aus dem Kosovo in die Schweiz und stiess auf offene Ablehnung. Weshalb unterscheiden wir zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen?
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/einfach-politik-gute-fluechtlinge-schlechte-fluechtlinge?id=12173964
-> https://www.srf.ch/audio/kontext/kultur-talk-rassismus-spielt-eine-rolle-und-die-logik-des-kalten-krieges?id=12171804


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Für kürzere Arbeitszeiten: Mehrere 100 Klimastreikende zogen durch Berner Altstadt
In der Berner Innenstadt fand am frühen Samstagabend eine Kundgebung zum Abschluss der nationalen «Strike for Future»-Aktionswoche für kürzere Arbeitszeiten statt.
https://www.derbund.ch/mehrere-100-personen-demonstrieren-in-bern-fuer-kuerzere-arbeitszeiten-206224795996
-> https://www.bernerzeitung.ch/kundgebung-fuer-kuerzere-arbeitszeiten-in-bern-900770926232
-> https://www.unia.ch/de/aktuell/aktuell/artikel/a/19004
-> https://twitter.com/klimastreik
-> https://www.cash.ch/news/politik/klima-demonstrationen-fuer-reduktion-der-arbeitszeit-1943342
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/klima-demonstrationen-fur-reduktion-der-arbeitszeit-66152115
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/aktionstag-strike-for-future-klima-demonstrationen-fuer-reduktion-der-arbeitszeit
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/tausend-demo-teilnehmende-fordern-in-zuerich-reduzierte-arbeitszeit-00180666/
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/strike-for-future-forderungen-zu-klimapolitik-und-arbeitsrecht-146109456
-> https://twitter.com/JA_Bern
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/198690/
-> https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/regenwetter-verdirbt-klima-aktivisten-die-demos-2342705/
-> https://www.watson.ch/schweiz/energiewende/423851261-schweiz-klimademo-teilnehmende-fordern-reduzierte-arbeitszeit
-> https://www.tagesanzeiger.ch/klima-demonstrationen-fuer-reduktion-der-arbeitszeit-197230173886


+++RECHTSPOPULISMUS
Schweizer Asylpolitik – Frontex: Die zwei Herzen in der Brust der SVP
Die Frage, ob sich die Schweiz am Ausbau der europäischen Grenzschutzbehörde beteiligen soll, wurde von den Delegierten rege diskutiert. Am Schluss setzten sich die Befürworter durch.
https://www.srf.ch/news/schweiz/schweizer-asylpolitik-frontex-die-zwei-herzen-in-der-brust-der-svp
-> https://www.watson.ch/schweiz/svp/324041607-svp-fordert-wahrung-der-neutralitaet-und-ist-fuer-frontex-aufstockung
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/svp-deutliches-nein-zur-anderung-des-transplantationsgesetzes-66151970
-> https://www.blick.ch/politik/es-geht-um-unsere-sicherheit-ja-parole-der-svp-zur-frontex-vorlage-id17392629.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/frontex-frage-spaltet-die-svp?partId=12175179
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/delegiertenversammlung-die-svp-votiert-fuer-frontex?urn=urn:srf:video:c5ac555e-53c3-46d3-8b24-362a05e36b7c
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/svp-delegierten-diskutieren-ueber-die-sanktionen-gegen-russland-146110436
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/strike-for-future-bewegung-fordert-kuerzere-arbeitszeiten-146109791
-> https://www.bzbasel.ch/schweiz/neutralitaetsdebatte-brandrede-von-koeppel-die-svp-besinnt-sich-in-chur-auf-ihre-wurzeln-ld.2274705


Brandrede von Köppel: Die SVP besinnt sich in Chur auf ihre Wurzeln
Absolute Neutralität lautet das Gebot der Stunde für die wählerstärkste Partei der Schweiz. Das ergab die Delegiertenversammlung am Samstag in Chur.
https://www.bzbasel.ch/schweiz/neutralitaetsdebatte-brandrede-von-koeppel-die-svp-besinnt-sich-in-chur-auf-ihre-wurzeln-ld.2274705


+++RECHTSEXTREMISMUS
Gleich lange Spiesse für Neonazis und Linksradikale? – Auch Antifa hat Konto bei Postfinance
Die Antifa hat eine Online-Petition lanciert, um ein Postfinance-Konto der rechtsextremen Jungen Tat sperren zu lassen. Nun zeigt sich die Doppelzüngigkeit der Petition: Die Antifa hat selber auch ein Konto bei der Bank.
https://www.blick.ch/wirtschaft/gleich-lange-spiesse-fuer-neonazis-und-linksradikale-auch-antifa-hat-konto-bei-postfinance-id17390828.html


Enges Verhältnis der Rechtsextremen zu Russlands Oligarchen
Jüngst aufgetauchte Dokumente zeigen, wie vertraut Europas Rechte mit Kreml-nahen Oligarchen zusammenarbeiteten.
https://www.infosperber.ch/politik/enges-verhaeltnis-der-rechtsextremen-zu-russlands-oligarchen/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Entführer von Wallisellen soll Verbindungen zu Corona-Verschwörungs-Theoretiker gehabt haben
Erst kürzlich wurde eine Person, die in den letzten zwei Jahren oft in der Öffentlichkeit stand, mit einer Waffe bedroht und für mehrere Stunden festgehalten. Letzten Mittwoch starb der Entführer bei einer Schiesserei mit der Polizei, als er sich gegen seine Verhaftung wehrte. Es gibt Hinweise, dass der Entführer und sein Geschäftspartner Verbindungen zu Corona-Verschwörungs-Theoretikern hatten.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/entfuehrer-von-wallisellen-soll-verbindungen-zu-corona-verschwoerungs-theoretiker-gehabt-haben-146110489
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/entfuehrung-einer-bekannten-person-schockiert-die-schweiz-146110508
-> https://www.telem1.ch/aktuell/entfuehrer-von-wallisellen-soll-verbindungen-zu-corona-verschwoerungs-theoretiker-gehabt-haben-146110083
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/entfuehrung-einer-prominenten-person-in-wallisellen-146109468
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/reaktionen-und-einschaetzungen-zu-entfuehrung-wallisellen-146109750
-> https://www.20min.ch/story/verschwoerungsideologien-koennen-labile-seelen-zu-gewalt-verfuehren-916174062231


Mutmassliche Entführung – «Das Ereignis schockiert, aber überrascht mich nicht»
Extremismus-Forscher Marko Kovic über die Hintergründe der mutmasslichen Entführung einer Covid-Persönlichkeit.
https://www.srf.ch/news/schweiz/mutmassliche-entfuehrung-das-ereignis-schockiert-aber-ueberrascht-mich-nicht


Entführungsfall: Waren Verschwörungstheoretiker beteiligt? – Tagesschau
Eine Person, die sich regelmässig öffentlich zu den Covid-Massnahmen äussert, wurde diese Woche entführt. Ob dabei Verschwörungstheoretiker involviert waren, ist unklar. Doch die Gewaltbereitschaft in diesen Kreisen sei vorhanden, warnt Extremismus-Experte Marko Kovic.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/entfuehrungsfall-waren-verschwoerungstheoretiker-beteiligt?urn=urn:srf:video:9885ee3f-5202-41e8-ae44-9f09021adbfa


Glättli nach Fall Wallisellen: «Erhalten teilweise auch Todesdrohungen»
Am Mittwochabend kam es in Wallisellen bei einer Verhaftung zu einer Schiesserei zwischen der Polizei und einem mutmasslichen Entführer einer bekannten Persönlichkeit. Die Schweiz ist bekannt dafür, dass sich auch Personen des öffentlichen Lebens frei und sicher im Land bewegen können. Wurde nun eine Stufe der Gewalt erreicht? Politiker sind beunruhigt, eine Soziologin relativiert.
https://www.bzbasel.ch/videos/schiesserei-nach-entfuehrung-glaettli-nach-fall-wallisellen-erhalten-teilweise-auch-todesdrohungen-ld.2274708



nzz.ch 09.04.2022

Es beginnt mit einer harmlosen Geschäftspartnerschaft und endet mit zwei Todesopfern. Der rätselhafte Entführungsfall Berger

Zwei Männer sollen den Schweizer Impfchef Christoph Berger entführt haben. Führt die Spur in die Szene der Verschwörungstheoretiker?

Florian Schoop, Giorgio Scherrer, Fabian Baumgartner, Forrest Rogers

Im Februar 2020 gründen zwei Männer eine Firma. Der eine ist ein Geschäftsmann mit Hang zu luxuriösem Lebensstil. Der andere tief in die Welt der Verschwörungstheorien abgetaucht. Mit ihrer Firma wollen sie der Menschheit etwas Gutes tun: Hilfe zwischen Nachbarn erleichtern, dank einer neu entwickelten App.

Etwas mehr als zwei Jahre später entführt der eine mutmasslich Christoph Berger, den Präsidenten der nationalen Impfkommission und eine zentrale Figur der Schweizer Corona-Politik. Der andere könnte ihm dabei behilflich gewesen sein. Nach einigen Stunden kommt Berger wieder frei. Sechs Tage später ereignet sich in Wallisellen eine Schiesserei mit der Polizei. Am Ende ist einer der beiden Männer sowie seine Partnerin tot.

Wie ist es so weit gekommen?

Mit ihrer App treten die beiden Männer über den Instagram-Account des Unternehmens an die Öffentlichkeit. Der Geschäftsmann, hier Sebastian Müller genannt, sitzt mit seinem Partner Marc Wyss (Name ebenfalls geändert) auf einer Mauer in Bern. Gemeinsam erklären sie, was ihr Startup alles kann: Menschen zusammen bringen, Mitfahrgelegenheiten organisieren, einen Hundesitter finden. Angefangen habe alles mit einem langen und intensiven Gespräch. Bald darauf sei die App entstanden.

Der Anhänger der Flat-Earth-Bewegung

Die beiden Gründer treten geeint auf. Doch sie unterscheiden sich in vielem. Auf einem Online-Profil gibt Wyss an, dass er Aspirant auf der Polizeischule des Kantons Zürich war, diese Ausbildung jedoch nach einem Jahr abbrach. Danach war er bei verschiedenen Firmen tätig, meist in der Personalabteilung. Wyss ist Schweizer mit Jahrgang 1987. In den sozialen Netzwerken zeigt er sich anfangs unauffällig, postet Blumen oder Filmchen von Bowling-Abenden. Doch während der Pandemie scheint er sich zu radikalisieren.

Es fallen Beiträge auf, in denen er sich als Anhänger der Flat-Earth-Verschwörungstheorie zu erkennen gibt. Die Erde ist demnach keine Kugel, sondern eine Scheibe. Wyss betreut eine Facebook-Seite mit dem Namen «Flat Earth Switzerland». Darauf finden sich krude Thesen, etwa zu Chemtrails, Pharma-Intrigen und dem angeblichen Überwachungsstaat. Der 34-Jährige gibt sogar ein Interview, in dem er den langen Prozess beschreibt bis zur seiner «Wahrheitsfindung». Wenn man nicht mehr an den Globus glaube, fielen damit ganz viele andere Glaubenskonstrukte in sich zusammen. Auch Corona-kritische Beiträge teilt er.

Anders gibt sich sein Geschäftspartner. Der 38-jährige Sebastian Müller lässt sich lieber abbilden beim Zurich Film Festival. Oder mit Prosecco-Glas bei Netzwerk-Veranstaltungen in der Business-Welt. Er ist Deutscher, arbeitet als Vertriebsfachmann – und hat nebst der App mit Wyss noch eine weitere Firma, laut Handelsregister ansässig im Kanton Zug. Sein zweites Unternehmen stellt Entertainment-Filme her. In einem dieser Videos tritt Müller selbst auf – als Hundebesitzer, der keine Zeit hat, mit den Tieren spazieren zu gehen.

Sonst ist er auf den sozialen Netzwerken nicht sehr aktiv. Im Gegensatz zu seiner zehn Jahre jüngeren Freundin. Auf Instagram ist sie mit zwei Profilen präsent. Zusammengerechnet hat sie knapp 70 000 Follower. Nebst Aufnahmen am Strand gibt es auch Videos, die sie in einem Schiesskeller zeigen, wo sie sich im Umgang mit schweren Waffen übt.

Laut den Tamedia-Zeitungen waren Müller und seine Freundin regelmässige Gäste in einer Schiessanlage in Spreitenbach, der Swiss Shooting Group. Müller selbst soll auch der «Civilian Training Unit» nahegestanden haben, einer Gruppe von Sportschützen aus Volketswil, die gemeinsam den Umgang mit Waffen üben. Später werden Ermittler mehrere Waffen und Munition in Müllers Wohnung in Wallisellen finden.

Das prominente Opfer

Am 31. März schreitet Sebastian Müller zur Tat. Er entführt einen Mann mit Waffengewalt. Das Opfer: der bekannte Mediziner Christoph Berger, Schweizer Kinderarzt und Leiter der Eidgenössischen Kommission für Impffragen. Es gibt zudem Hinweise, dass sich auch Marc Wyss an der Tat beteiligt.

Mit der Personalie Berger erhält der Entführungsfall eine politische Dimension. Der Impfchef ist nicht nur einer der bekanntesten Schweizer Wissenschafter. Er gehört auch zu jenen, die in den letzten Jahren den stärksten Anfeindungen ausgesetzt waren.

Wegen Corona wurde Berger zum nationalen Pandemie-Erklärer. Und zum Gesicht der Impfkampagne des Bundes. Für Massnahmengegner wurde er zum Feindbild, speziell wenn es ums Thema Kinderimpfung ging. Dabei gehörte Berger nicht zu jenen Experten, die stets zu noch strikteren Massnahmen drängten. Gerade in Sachen Kinderimpfung äusserte er sich zurückhaltend – was wiederum Befürworter strengerer Schutzmassnahmen verärgerte.

Von beiden Seiten kritisiert, medial präsent und inmitten der grössten Impfaktion in der Geschichte der Schweiz blieb Berger fast immer ein ruhiger und sachlicher Kommunikator. Er sprach in kurzen klaren Sätzen und nüchternem Ton – wie um einer immer emotionaler geführten Debatte etwas entgegenzusetzen. Zuletzt trat er eine Woche vor seiner Entführung öffentlich auf.

Dass die persönlichen Anfeindungen ihm zusetzten, verhehlte Berger nicht. Anfang Januar sagte er in der «Rundschau» von SRF: «Wenn es zu viel wird, dann muss es halt ein anderer machen.» Wenig später erklärte er auch gegenüber der NZZ, auf die heftigen Reaktionen sei er nicht vorbereitet gewesen.

Trotz dem Ende der meisten Massnahmen bleibt Berger ein Feindbild für die radikalisierten Massnahmengegner. Nach dem Publikwerden von Bergers Entführung gehen die Anfeindungen in den einschlägigen Telegram-Kanälen weiter. Medienberichte zur Tat werden von Hunderten gelikt. Einige schreiben nicht zitierbare Drohungen unter die Meldungen. Natürlich gibt es auch bereits erste Verschwörungstheorien zum Vorfall: In einem Kanal mit über 30 000 Mitgliedern wird spekuliert, die Entführung sei bloss eine Inszenierung gewesen – mit dem Ziel, Massnahmengegner zu diskreditieren.

Die misslungene Entführung

In der Vergangenheit erhielt Berger wegen der massiven Anfeindungen und Drohungen Personenschutz. Ob es auch am Abend des 31. März ein solches Schutzkonzept gab, ist bis jetzt unklar. Auch der Ort der Entführung bleibt bisher offen.

Die Kantonspolizei Zürich äussert sich auf Anfrage nur allgemein zur Vorgehensweise. Wenn konkrete Hinweise auf eine Bedrohung bestünden, würden die notwendigen Sicherheitsmassnahmen getroffen. Parallel dazu werde ermittelt und ein Strafverfahren eingeleitet. «Erhärten sich die Hinweise weiter, nimmt sich der spezialisierte Gewaltschutzdienst des Falls an. Das ist pro Jahr rund 400-mal der Fall.» Die Polizei hält fest, dass in allen Fällen ein Mitwirken der Betroffenen erforderlich sei.

So oder so ist es im Fall von Christoph Berger zur Entführung gekommen. Mehrere Stunden befindet sich der Arzt in der Gewalt seines Kidnappers. Er bedroht ihn mit Schusswaffen. Doch dann plötzlich die Kehrtwende: Der Entführer lässt Berger wieder frei. Die Gründe für den Sinneswandel sind bisher völlig ungewiss.

Ob es Berger selbst war, der die Polizei darauf informiert hat, ist bisher unklar. Die Polizei schreibt dazu einzig, man habe umgehend Ermittlungen aufgenommen. Diese hätten zum 38-jährigen Sebastian Müller geführt.

Über die Beteiligung seines Geschäftspartners Wyss ist ebenfalls wenig bekannt. Klar ist, dass ihn die Polizei am Donnerstag verhaftete. Offiziell heisst es, seine Tatbeteiligung sei Gegenstand der laufenden Abklärungen. Er befindet sich in Gewahrsam der Zürcher Behörden. Bis jetzt hat die Staatsanwaltschaft noch nicht entschieden, ob sie in seinem Fall Antrag auf Untersuchungshaft stellt.

Die tödlichen Schüsse

Sechs Tage nach der Entführung überstürzen sich am Mittwochabend die Ereignisse. Eine Spezialeinheit der Polizei bereitet die Festnahme von Sebastian Müller vor. In Wallisellen – an seinem Wohnort – will sie ihn abpassen. In einer Neubau-Siedlung lebte Müller in einer Mietwohnung im 14. Stock. Die Überbauung befindet sich mitten im Zwicky-Areal, einer ehemaligen Industriebrache in der Zürcher Agglomeration.

Die Einsatzkräfte wissen, dass der Verdächtige über Schusswaffen und Munition verfügt. Sie wollen ihn stoppen, als er gerade mit seinem BMW vor die Tiefgarage des Wohnkomplexes fährt. Auf dem Beifahrersitz befindet sich die 28-jährige Freundin des Entführers.

Doch die Verhaftungsaktion gerät ausser Kontrolle. Laut gut informierten Quellen soll sich der Zugriff so abgespielt haben: Die Einsatzkräfte nehmen das Auto in die Zange. Der Lenker versucht daraufhin, rückwärts wegzufahren. Als die Polizisten zur Verhaftung schreiten und durch die Heckscheibe zugreifen wollen, fällt plötzlich ein Schuss. Die Einsatzkräfte bekommen mit, wie Müllers Freundin zusammensackt. Danach erwidern sie das Feuer.

Der Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich und des Forensischen Instituts Zürich bestätigt inzwischen, dass die 28-Jährige durch einen Schuss aus der Waffe des 38-jährigen Begleiters getötet wurde. Auch er stirbt noch vor Ort.

Zurück bleiben viele offene Fragen: Weshalb nahm der Entführer ausgerechnet Christoph Berger ins Visier? Steckt der Hass eines Verschwörungstheoretikers dahinter – oder doch finanzielle Motive, eine Erpressung? Oder spielen finanzielle Probleme des Entführers eine Rolle, über die die «Tamedia-Zeitungen» berichten? Und weshalb tötete Sebastian Müller bei der Polizeiaktion in Wallisellen seine Freundin? All diese Fragen müssen die Ermittlungen nun in den nächsten Monaten beantworten.
(https://www.nzz.ch/zuerich/entfuehrung-von-christoph-berger-ein-raetselhafter-kriminalfall-ld.1678870)



Im Verhör – Die Promi-Verschwörer: Hildmann, Wendler und Naidoo | SPIEGEL TV
Attila Hildmann, Michael Wendler und Xavier Naidoo: sie alle waren oder sind in ihrer Branche erfolgreich, aber irgendwann falsch abgebogen. Hildmann wird mit Haftbefehl gesucht, “der Wendler” irrlichtert auf Telegram und Popstar Naidoo sympathisiert offenbar mit kruden Verschwörungstheorien.
https://www.youtube.com/watch?v=oSphsBVtjrc


+++HISTORY
solothurnerzeitung.ch 09.04.2022

Putins «Lieblingsphilosoph» erklärte einst Bally-Angestellten Russland – der Staatsschutz fichierte seinen Auftritt

Der Philosoph Iwan Alexandrowitsch Iljin lebte lange Zeit in der Schweiz. Der Exilrusse erregte hierzulande die Aufmerksamkeit der Polizei und hinterliess Spuren im Niederamt: im Storchensaal in Schönenwerd.

Lorenz Degen

Iljin trat in der Schweiz immer wieder öffentlich auf, unter anderem an der Zürcher Volkshochschule. Am 18. Februar 1944 hielt er eine Rede Schönenwerd: Etwa 120 Zuhörerinnen und Zuhörer der Firma Bally finden sich abends um 20 Uhr im Storchensaal ein, um seinen Vortrag «Der geschichtliche Werdegang Russlands» zu hören. Was er an diesem Abend erzählt, scheint er nicht neu für diesen Abend vorbereitet zu haben; bereits zwei Jahre zuvor hielt er in Zürich eine Veranstaltung unter derselben Prämisse ab. Wer war dieser Mann, dessen Vortrag sogar die Solothurner Polizei lauschte?

Sein Name hat viele Schreibweisen: Iljin, Jlim oder Jlyn. Ebenso verschieden sind die Zugänge zu diesem heute in Russland wieder populär gewordenen Philosophen, der knapp die Hälfte seines Lebens im Ausland verbrachte. Geboren wurde Iljin, je nach Kalender, am 28. März, beziehungsweise 9. April 1883 in Moskau.

Die Familie väterlicherseits diente dem Zaren und gehörte zur aristokratischen Oberschicht. Seine Mutter war Deutschrussin, die für die Heirat zur orthodoxen Kirche konvertierte. Iljin schloss in Moskau ein Jura-Studium ab, wurde Privatdozent und schliesslich Professor. Er heiratete 1906 Natalia Nikolaewna Vokach, eine Übersetzerin und Kunsthistorikerin. Die Ehe blieb kinderlos.

Flucht aus Deutschland ins Tessin

Die russische Revolution ab 1917 brachte Iljin in Schwierigkeiten. Er wird wegen «anti-kommunistischer Umtriebe» sogar zum Tode verurteilt. Das Urteil aber wurde nicht vollstreckt. Doch 1922 musste er auf einem der «Philosophenschiffe» Russland für immer verlassen: Per Schiff wurden Intellektuelle auf Lenins Anordnung ausgeschafft, ohne Urteil oder Begründung. Leo Trotzki sagte dazu: «Wir haben diese Menschen ausgewiesen, weil wir keinen Grund gefunden haben, sie zu erschiessen, wir sie aber unmöglich ertragen konnten.»

Das Ehepaar Iljin kam in der deutschen Hafenstadt Stettin an. Ein Jahr später nahm es in Berlin Wohnsitz. Hier entfaltete Iljin eine rege Schreibtätigkeit, was sich in zahlreichen Veröffentlichungen niederschlug. Hitler stand Iljin anfänglich positiv gegenüber, doch 1934 wurde er von den Nationalsozialisten für kurze Zeit verhaftet und mit einem Lehr- und Schreibverbot belegt. Ferien im Tessin nutzte er zur Flucht, um sich ganz in der Schweiz niederzulassen. Der Komponist Rachmaninoff soll ihm dabei geholfen haben.

Zunächst in Genf lebend, zügelte Iljin mit seiner Frau nach Zollikon bei Zürich, wo er am 21. Dezember 1954 starb und anschliessend bestattet wurde. 2005 organisierte der russische Regisseur Nikita Michalkow die Rückführung seiner Gebeine und die seiner Frau ins Donskoi-Kloster nach Moskau, so wie Iljin sich dies testamentarisch gewünscht hatte. Damit wurde in Russland Iljins Name und Werk wieder langsam bekannt, nachdem die Bücher zu Sowjetzeiten verboten gewesen waren.

Sein Werk befasst sich stark mit dem Wesen Russlands, seiner Bestimmung und Organisation, wobei Iljin ein demokratisches Staatswesen nach westlichem Vorbild ablehnt und einen russischen Sonderweg befürwortet. Putin soll sein Denken sehr schätzen. So heisst es, Iljin sei gar sein «Lieblingsphilosoph», wie kürzlich der «Tages Anzeiger» berichtete. Eine wichtige Rolle mass Iljin der Kirche und der Religion generell bei, weshalb er auch unter Orthodox-Gläubigen ein hohes Ansehen geniesst.

Die Polizei Schönenwerd lauscht mit

Rückblende: Der Vortrag am besagten Abend im Storchensaal wird vom Bally-Hausverband organisiert. Im Publikum befindet sich auch Polizist Tschumi. Dieser rapportiert am 4. März 1944, also gut zwei Wochen nach dem Vortrag, an das Polizeikommando in Solothurn, was er gehört hatte. Durch seinen Bericht ist dokumentiert, was der Redner vortrug: «[Iljin] führte die Zuhörer, die schriftdeutsche Sprache sehr gut beherrschend, mit vortrefflichen Worten hinein in den russischen Aufbau.»

Gegenwärtig befinde sich Russland im Umbruch: «Infolge 250 jährigem Tartarenjochs sei das russische Volk sehr rückständig gewesen, daher auch viele Analphabeten. Heute aber, da dieses Joch endgültig zerschmettert sei, strebe der Russe mächtig empor.» Iljin habe seine Landsleute folgendermassen charakterisiert: «Der Russe, ein Kind der Natur und Leidenschaft, sowie freiheitsliebend und frei denkend, sei ein unerbittlicher Kämpfer. Der Härte des Klimas verdanke er seine verbissene Zähigkeit und Ausdauer.»

Polizist Tschumi wies am Ende seines Berichtes darauf hin: «Auffallend an diesem Referat war, dass sich der Redner nie in politische Sache einliess. Auch wurde durch das Referat keine fremde Macht erwähnt oder verletzt. Der Vortrag hatte in keiner Weise den Charakter politischer Propaganda.»

Iljin hatte auch eine Akte beim Staatsschutz. Vermutlich wurde diese zu Beginn des Zweiten Weltkriegs angelegt. Auf einer grünen Karteikarte wurde 1941 vermerkt: «I. [Iljin] gibt sich als Monarchist aus, doch das wird bezweifelt, da er aus Russland ausgewiesen wurde und auch von Berlin in die Schweiz flüchtete.»

1944 berichtete ein Informant, Iljin stehe im Verdacht, ein Gestapo-Agent zu sein. Die Zensur prüfte seine Bücher vor der Veröffentlichung und stellte fest, seine Ausführungen zum vorbolschewistischen Russland seien «aussergewöhnlich kompetent und künstlerisch gedankenreich.» Eine klare Verortung schien nicht möglich und Iljin blieb für die Schweizer Behörden eine diffuse Gestalt.



Der Bally-Hausverband

Der Vorstand des Bally-Hausverbandes organisierte den Iljin-Vortrag im Storchensaal. Martin Matter, Sprecher der Stiftung Ballyana, kennt die Geschichte dieser Vereinigung: «Der Bally-Hausverband wurde 1919 gegründet und war in erster Linie die Interessenvertretung des Mittelbaus, also des unteren und mittleren Bally-Kaders.

Und weiter erklärt Matter: «Die Arbeiterschaft hatte ihre eigene gewerkschaftliche Organisation. Dem Hausverband konnte man Anliegen nennen, die er dann an die Geschäftsleitung zu tragen pflegte.»

Der gesellige Teil spielte eine wichtige Rolle, so Matter: «Jedes Jahr gab es einen grossen Ausflug für die Mitglieder, die Beiträge zu zahlen hatten. Zugleich organisierte der Hausverband von Anfang an regelmässige kulturelle Veranstaltungen, vor allem Vorträge mit breiter Themenpalette.

Die Vorträge wurden zeitlich so angesetzt, dass im Anschluss die Züge erreicht werden konnten. Das Angebot scheint ‹bildungsorientiert› gewesen zu sein und schloss auch Konzerte ein.»

Anfang und Ende des Hausverbandes würden im Dunkeln liegen, sagt Matter: «Eine Gründungsakte oder Zweckbestimmung liegt uns nicht vor, ebenso wenig eine offizielle Auflösung. Laut ehemaligen Ballyanern im Ballyana-Team kann es sein, dass der Hausverband bis gegen Ende der Produktion in Schönenwerd bestand.»
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/niederamt/besuch-in-schoenenwerd-inspiration-putins-philosoph-erklaert-einst-bally-angestellten-russland-seine-rede-wird-durch-den-schweizer-staatsschutz-fichiert-ld.2274280)