Medienspiegel 31. Januar 2022

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+++BERN
beobachter.ch 26.01.2022

Tibetischer Sans-Papiers verurteilt: Am Thunersee im Nirgendwo

Fast zehn Jahre lang hält sich ein Tibeter als Sans-Papiers in der Schweiz auf. Dann wird er vor Gericht gebracht. Er war in Spiez BE spazieren gegangen.

Von René Ammann

«U de sy Schwoscht?» Fragt die Frau. Sie ist Präsidentin des Regionalgerichts in Thun.

Sie sei in Tibet geblieben, sagt die Übersetzerin. Er habe keinen Kontakt zur Schwester.

«U de sy Brüetsch?»

Er sei in Tibet geblieben. Er habe keinen Kontakt zum Bruder.

«Ke Kontakt zu syner Familie? Das isch nid gloubhaft.»

Er wolle sie nicht in Gefahr bringen.

Wortlos sitzen wir da. Verteilt auf schwarze Stühle, stapelbare. Portioniert von Plexiglas. Bedeckt von Hygienemasken. Made in China. In der Mitte die Präsidentin. Links die Schreiberin. Rechts die Übersetzerin. Sie spricht Tibetisch und übersetzt das Berndeutsch der Präsidentin.

Vor ihnen der Angeklagte. Ein drahtiger Mann mit kurzem schwarzem Haar. Die maisfarbene Mütze hält er in der Hand. Geboren 1989 in China. Lebte zehn Jahre in einer buddhistischen Klosterschule. Dann habe er mit einem Freund eine «Free Tibet»-Flagge aufgehängt. Die Polizei sei gekommen. Sagen die Akten. Mit 23 in die Schweiz geflüchtet, sagt der Angeklagte. Papiere hatte er nicht dabei, als sein Flieger in Basel landete. Die habe ihm der Begleiter nach der Landung abgenommen, sagt die Übersetzerin.

Jahrelang lebte der Tibeter in Asylunterkünften. Im Februar 2015 wies die offizielle Schweiz den Flüchtling ab. Während sein Verfahren lief, verschärfte man die Kriterien zur Aufnahme. Seit 2014 erhalten Tibeterinnen und Tibeter aus China eher Asyl als solche aus Nepal oder Nordindien. In China zählt man 3,5 Millionen Tibeter. Sie leben auf einem Gebiet, das grösser ist als Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Geschult werden ihre Jungen und Mädchen in Chinesisch.

Aus China oder nicht?

Wenn die Schweizer Behörden vermuten, ein Asylbewerber sei nicht in China sozialisiert worden, sondern in den Nachbarländern Indien oder Nepal, lehnen sie sein Gesuch in der Regel ab. Sie stützen sich dabei auf Sprachanalysen, die von Menschenrechtsaktivisten und Tibetologen in Zweifel gezogen werden.

In der Kleinstadt Dharamsala in Nordindien wohnt der Dalai-Lama, seit China sich Tibet 1959 aneignete. Tausende folgten ihm ins Exil.

1961 nahm die Schweiz als erstes europäisches Land tibetische Flüchtlinge auf. Private finanzierten den Bau eines tibetischen Klosters in Rikon im Zürcher Tösstal. Legal leben etwa 8000 Tibeterinnen und Tibeter im Land. Sie stellen hinter den Filipinos die zweitgrösste Gruppe von Einwanderern aus Ostasien.

Als der Dalai-Lama 2005 acht Tage lang im Zürcher Hallenstadion auftrat, setzten sich 30’000 Leute auf die runden Kissen am Boden und hörten zu, wie sie ein glückliches, friedvolles und erfülltes Leben erreichen könnten. Eines, von dem auch der Angeklagte in Thun träumt.

«Heit dir nech Gedanke gmacht, wie s wytergeit?» Fragt die Richterin.

«Warten», sagt die Übersetzerin.

«Uf waas?»

«Dass er hierbleiben und arbeiten kann.»

Seit der Verschärfung der Kriterien fristen mehrere Hundert Tibeter in Gruppenunterkünften jahrelang «ein Dasein von ungewissem Ausgang», sagt der Anwalt des Angeklagten. Die Abgewiesenen beziehen nur eine Nothilfe von acht Franken pro Tag. Macht 240 Franken im Monat.

«Er sieht die Arbeit»

Ein Ehepaar aus Spiez am Thunersee nahm den Flüchtling auf. Seit Anfang März 2020 wohnt er im Erdgeschoss ihres Hauses. In einem Studio, sagt die Gastgeberin. Im Garten half er das Laub zusammenrechen. Er sieht die Arbeit. Er half in einem Pflegeheim. Gratis. Er machte seine Arbeit gut. Man kann ihn brauchen, sagt sie.

Er spricht sehr gut Deutsch, sagt die Lehrerin, die Flüchtlinge freiwillig unterrichtet. So anständige Leute. Ich verstehe das nicht.

Im März 2021 beschloss der Ständerat, abgewiesene Asylbewerber dürften überhaupt nichts mehr tun Kommentar Erzwungener Lehrabbruch: Ein Entscheid gegen Ethik und Logik . Manche mussten sogar ihre Lehre abbrechen, die sie begonnen hatten, als ihr Asylverfahren noch lief. Seither langweilen sie sich in Randgebieten wie Valzeina im Prättigau, wo der letzte Bus um 18.33 Uhr hält. Während der Velomech in der Stadt händeringend nach Arbeitskräften sucht.

«Rechtswidrig» in der Spiezer Bucht

Am 26. Januar 2021 spazierte der Flüchtling aus Spiez in der Nähe seines Studios in der Bucht, «einem Bijou im Berner Oberland», wie die Gemeinde Spiez auf ihrer Website feststellt. Da wurde er von einem Polizisten angehalten. Der Grund? Es sei in der Bucht vermehrt Vandalismus festgestellt worden.

Ausweisen konnte sich der Flüchtling nicht. Er hat lediglich eine schriftliche Bestätigung, dass er sich seit dem 12. Februar 2015 «illegal in der Schweiz» aufhalte und «mit dem Einverständnis der zuständigen Behörde» beim Ehepaar in Spiez wohne. «Wer in Spiez wohnt, fühlt sich immer auch ein wenig wie in den Ferien», steht auf der Website des Orts.

Fünf Tage nach der Personenkontrolle schickte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern dem Flüchtling einen Strafbefehl. Er habe sich vom 1. März 2020 bis zum 26. Januar 2021, 17.40 Uhr, «in Spiez und anderswo» rechtswidrig aufgehalten. Macht 1440 Franken Geldstrafe. Der Vollzug der Strafe werde aufgeschoben.

Sofort zu bezahlen aber seien eine mit dem «rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz» verbundene Busse in Höhe von 480 Franken sowie 500 Franken Gebühren. Macht 980 Franken.

Wie soll der Mann das abstottern oder bezahlen bei einer Nothilfe von 240 Franken im Monat? Wenn er die denn bekäme? Die Nothilfe wird sofort gestrichen, wenn ein abgewiesener Asylbewerber privat unterkommt. Auch das Ehepaar in Spiez bekommt vom Staat keinen Rappen.

Der Verein Spiez Solidar und die Berner Aktionsgruppe Nothilfe erhoben Einspruch. Sie wollen einen Beitrag leisten, «den menschenunwürdigen Schicksalen von diesen gut integrierten, abgewiesenen Geflüchteten entgegenzuwirken. Viele von ihnen können nicht in ihr Heimatland ausgewiesen werden. Sie dürfen nicht bleiben und können nicht gehen.»

Insgesamt wohl 20’000 Franken Kosten

Der Prozess in Thun findet zwei Tage vor Weihnachten statt. Im Gerichtssaal 5 gibt der Anwalt seine Honorarnote ab. Seine Entschädigung wird auf 3878 Franken angesetzt. Der Kanton Bern schiesst das Honorar vor und holt es sich vom Angeklagten zurück, falls der je zu Geld kommen sollte. Alles in allem 20’000 Franken dürfte das Verfahren Bern kosten. Was andere Kantone dazu veranlasst hat, auf ähnliche Prozesse zu verzichten.

Rückschaffungen gelängen nur selten, sagt der Anwalt. Und als eine Tibeterin nach Nepal ausgeschafft wurde, sei sie dort direkt ins Gefängnis gekommen. Man spreche tibetischen Asylbewerbern ab, dass sie aus China stammten. Doch dass Indien oder Nepal Flüchtlinge aus Tibet zurücknähmen, sei «völlig aussichtslos». Weder China noch Indien oder Nepal würden einem papierlosen Tibeter einen Pass ausstellen.

Ein neugeborenes Baby

Es ist kurz still im Gerichtssaal, da hört man das Schmatzen eines Kindes. Es ist das Baby des Flüchtlings und seiner Partnerin. Die Lider des Babys werden schwer und schwerer und fallen schliesslich zu. Kennengelernt hat sich das Paar im Asylzentrum. Das Kind kam zwei Monate vor dem Prozess zur Welt.

In der Pause öffnet die Richterin für die Mutter ein Zimmer, um das Baby zu stillen und zu wickeln. Und der Anwalt sagt in der Pause, eigentlich müsste man der Mutter gleich auch den Prozess machen, denn sie ist ebenso «illegal» hier wie der Vater.

Nach vier Stunden Verhandlung wird der Mann schuldig gesprochen. Er habe über seine damalige Ausreise vorsätzlich «nicht wahrheitsgemässe Angaben» gemacht, begründet die Richterin. Ohne präzise Angaben könne die Schweizer Ausländerbehörde keine Papiere besorgen. Die Angaben seien «nicht glaubhaft». Daher sei die Ausreise aus der Schweiz gescheitert. Folglich: «rechtswidriger Aufenthalt».

Die Richterin hält dem Angeklagten zugute, dass er nicht untergetaucht sei. Man habe jederzeit gewusst, wo er wohne. Die Verfahrenskosten würden von 2000 Franken auf 1200 Franken reduziert.

«Ich will Ihnen keine Geldstrafe aufhalsen, die Sie nicht bezahlen können», sagt die Richterin. «Ich kann nicht nach Sympathie und Antipathie urteilen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Ihnen und Ihrer Familie.»

Das Baby ist unter seinem Nuscheli eingeschlafen. Der Vater nimmt das Urteil schweigend entgegen. Ein Dutzend Jahre Klosterschule in Geduld und Demut. Der Gastgeberin und der Deutschlehrerin laufen die Augen über. Auch die Mutter des Kindes wischt eine leise Träne weg.

Mit Blick auf das Märchenschloss

Der Berichterstatter packt die Notizen ein. Die Schreiberin druckt das Urteil aus. Die Übersetzerin steht auf. Der Anwalt unterhält sich mit der Richterin. Die 1200 Franken werden von der Staatskasse übernommen. Auf einen Weiterzug ans Obergericht wird verzichtet.

Draussen vor dem Gerichtsgebäude schaukelt der Vater sein kleines Kind. Er sieht gefasst aus. Bald ist er zehn Jahre da. Vielleicht greift dann die Härtefallregelung.

Da zieht fröhlich ein Paar an uns vorbei. Blumen in den Zapfenlocken der Braut im Tüllkleid. Frisch gebügelt und rasiert der Bräutigam. Sie sind auf dem Weg zum Glück. Zu ihrem Glück. Über ihnen das Schloss Thun mit seinen vier runden Türmchen. Nur im Trickfilm sieht ein Schloss märchenhafter aus.
(https://www.beobachter.ch/migration/tibetischer-sans-papiers-verurteilt-am-thunersee-im-nirgendwo)


+++ST. GALLEN
Tilla Jacomet ist die neue Leiterin der Asylabteilung des Kantons St.Gallen
Das Sicherheits- und Justizdepartement hat Tilla Jacomet zur neuen Leiterin der Asylabteilung des Kantons St.Gallen gewählt. Sie tritt im Februar 2022 die Nachfolge von Urs Weber an, der in Pension gehen
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/nachfolge-tilla-jacomet-ist-die-neue-leiterin-der-asylabteilung-des-kantons-stgallen-ld.2244662


+++SCHWEIZ
SEM führt muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren weiter
BDas Staatssekretariat für Migration (SEM) hat entschieden, die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren (BAZ) bis Ende Dezember 2022 zu verlängern. Der Entscheid erfolgte aufgrund einer Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg, die das Projekt sehr positiv beurteilt. Das SEM sucht nach Möglichkeiten, um die langfristige Finanzierung der muslimischen Seelsorge sicherzustellen und diese in eine stabile Regelstruktur zu überführen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-86982.html
-> https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/muslimisches-seelsorge-angebot-in-asylzentren-hat-sich-bewaehrt?partId=12134696
-> https://www.blick.ch/politik/hilfe-fuer-fluechtlinge-aber-nicht-nur-muslimische-seelsorger-in-asylzentren-sind-gefragt-id17193891.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bilanz-nach-einem-jahr-muslimische-seelsorge-in-asylzentren-ein-erfolgsmodell
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/muslimische-seelsorge-in-bundesasylzentren-wird-weitergefuehrt?urn=urn:srf:video:e649656e-5cde-484d-832e-c97032fc7fa1
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/migration-muslimische-seelsorge-in-asylzentren-evaluation-empfiehlt-ausbau-ld.2244215
-> https://www.derbund.ch/muslimische-seelsorgende-sollen-asylzentren-sicherer-machen-690487934412
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bilanz-nach-einem-jahr-muslimische-seelsorge-in-asylzentren-ein-erfolgsmodell



nzz.ch 31.01.2022

Weniger Gewalt: Muslimische Seelsorger beruhigen die Nerven in den Asylzentren

Flüchtlinge aus Afghanistan oder Syrien haben seit einem Jahr muslimische Ansprechpersonen in den Asylzentren des Bundes. Das Projekt ist so erfolgreich, dass es zu einer fixen Lösung werden soll.

Simon Hehli

Praktisch nicht bemerkt von der Öffentlichkeit hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) im Januar 2021 ein Pilotprojekt gestartet: In den Asylregionen Zürich, Westschweiz und Ostschweiz kümmern sich seither vier muslimische Seelsorger und eine Seelsorgerin um die Flüchtlinge in den dortigen Bundesasylzentren (BAZ). Die Dienstleistung hätte probeweise nur bis Ende des vergangenen Jahres angeboten werden sollen, doch am Montag verkündete das SEM eine Verlängerung bis mindestens Ende 2022. Ziel ist es, dass die muslimische Seelsorge zu einem festen Bestandteil der Bundesasylzentren wird.

Das SEM stützt sich dabei auf eine Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg: Es beurteilt das Projekt als sehr gelungen. Laut dem SZIG-Leiter Hansjörg Schmid waren die Rückmeldungen überwiegend positiv, sowohl jene der Asylbewerber als auch jene der BAZ-Angestellten und der christlichen Seelsorger, die schon länger in den Zentren aktiv sind. Der Anteil der Muslime unter den Flüchtlingen in der Schweiz ist hoch, viele stammen aus Afghanistan oder Syrien.

Verbesserte Sicherheitssituation

Die Asylzentren hatten im letzten Jahr für Negativschlagzeilen gesorgt, weil es immer wieder zu Gewalttaten kam, entweder zwischen Bewohnern oder zwischen Asylsuchenden und dem Sicherheitspersonal. Laut dem SEM hat sich die Situation mittlerweile aber stark beruhigt – und dazu hätten auch die muslimischen Seelsorger beigetragen, erklärt Eric Kaser, Leiter der Abteilung Integration. «Sie waren ein Mosaikstein in unseren Bemühungen, die schwierige Sicherheitssituation in den Zentren zu verbessern.»

In der Evaluation sagt ein BAZ-Angestellter über den dort tätigen Seelsorger: «Also er wird wirklich respektiert, vor allem habe ich das Gefühl, auch von jungen, vielleicht ein bisschen rebellischen Personen wird er wirklich sehr akzeptiert, kann sehr gut mit den Personen umgehen, kann sehr gut deeskalieren.» So könne der Seelsorger auch Konflikte teilweise vorwegnehmen. Aber die Gewaltprävention sei nicht die Hauptaufgabe der muslimischen Geistlichen, sagt Kaser. Diese Funktion übernehmen vor allem erfahrene Betreuungspersonen zur Konfliktprävention, von denen das SEM in den Zentren 60 einsetzt.

Auch die Erkennung und Prävention von Radikalisierungstendenzen bei den jungen muslimischen Männern gehört nicht direkt zum Pflichtenheft der Seelsorger. «Sie sind keine Detektive», betont der SZIG-Chef Schmid. Dennoch würden die Geistlichen indirekt wertvolle Präventionsarbeit leisten: «Die Flüchtlinge sind oft in einer schwierigen persönlichen Situation und deswegen möglicherweise anfällig für eine Radikalisierung. Die Seelsorger können religiöse Fragen kanalisieren und die Nachfrage nach Sinnstiftung befriedigen.» Geschätzt werden die Seelsorger in diesem Kontext auch als Ansprechpersonen für das BAZ-Personal. Wenn ein Muslim ein auffälliges spirituelles Verhalten an den Tag legt, sehr oft betet und sich einen Bart wachsen lässt, können dies die religiösen Experten einordnen.

Begleitung in schwierigen Lebenssituationen

Die fünf Seelsorger haben Gespräche mit Asylbewerbern aus 19 Ländern geführt, die Mehrheit davon auf Arabisch. Es ging dabei laut der Studie vor allem um psychische oder psychosomatische Beschwerden, Zukunftsängste, Streitigkeiten, Familienprobleme und emotionale Belastungen, wobei religiöse Dimensionen in sehr vielen Gesprächen eine Rolle spielten. «Sie begleiten Geflüchtete in schwierigen Lebenssituationen und unterstützen diese bei der Bewältigung von Konflikten und Krisensituationen.» Sie hätten eine sprachliche, kulturelle und religiöse Nähe zu den Gesuchstellenden und könnten so zur Stabilisierung von deren Lebenssituation und zum Aufbau eines sicheren Lebensumfelds in den BAZ beitragen.

Ab Februar kümmern sich auch im Tessin und in der Zentralschweiz muslimische Geistliche um die Asylbewerber. Zudem stockt das SEM die Pensen der bisherigen Seelsorger auf. Denn eine Erkenntnis der Evaluation war, dass die Pensen nicht ausreichen, um die Nachfrage nach seelsorgerlichen Leistungen zu decken. Darüber hinaus schlägt Schmid vor, in den BAZ mehr Rückzugsorte für vertiefte Gespräche zu schaffen und den Bewohnern noch besser zu kommunizieren, dass das Angebot besteht.

Das SEM sucht bis Ende Jahr nach Möglichkeiten, um die langfristige Finanzierung der muslimischen Seelsorge sicherzustellen. Wenn aus dem Projekt eine feste Einrichtung wird, stellt sich die Frage, wer die Geistlichen künftig beschäftigen soll. Denn verschiedene Befragte haben auf eine Asymmetrie hingewiesen: Die muslimischen Seelsorger sind im Unterschied zu ihren christlichen Kollegen vom SEM und nicht von einer Religionsgemeinschaft angestellt.

Finanzierung durch Muslime?

«Auch wenn dies kurzfristig keine negativen Auswirkungen auf die Tätigkeit der muslimischen Seelsorger und deren Rolle hatte, bedarf es an dieser Stelle längerfristig einer strukturellen Klärung», erklärt Schmid. Ein im Bericht zitierter christlicher Seelsorger fände es sinnvoller, wenn die muslimischen Gemeinschaften selbst die Seelsorge anbieten würden. Damit würde der Verdacht ausgeräumt, dass die islamischen Seelsorger sich auch um die Prävention von Radikalisierung kümmern sollten.

Das SEM hatte in den Jahren 2016 und 2017 bereits ein Pilotprojekt mit muslimischen Seelsorgern durchgeführt, die Übung danach aber trotz ebenfalls positiven Rückmeldungen abgebrochen. Die muslimischen Organisationen hatten damals erklärt, sie seien nicht in der Lage, die Kosten für die Asylseelsorge selber zu tragen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/weniger-gewalt-muslimische-seelsorger-beruhigen-die-nerven-in-den-asylzentren-ld.1667428)


+++GASSE
Essen und ein Rat – in Bern öffnet ein spezielles Restaurant
Dock8 heisst das neue Restaurant, welches mehr als nur eine Speisestätte sein will. Auf dem Warmbächli-Areal – einer neuen Genossenschaftssiedlung in der Stadt Bern – entsteht es. Das Restaurant will Menschen mit und ohne Geld zusammenbringen.  (ab 06:26)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/essen-und-ein-rat-in-bern-oeffnet-ein-spezielles-restaurant?id=12134825
-> https://www.dock8.ch/


+++DROGENPOLITIK
Legale Abgabe von Marihuana: Stadt Olten bereitet Versuch vor
Im Auftrag der Stadt Olten führen die Fachhochschule Nordwestschweiz und die Suchthilfe Ost GmbH ab heute eine anonyme Umfrage unter Kifferinnen und Kiffer durch. Ziel ist es herauszufinden, wie ein Pilotversuch für die legale Abgabe von Cannabis in der Stadt organisiert werden könnte.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/legale-abgabe-von-marihuana-stadt-olten-bereitet-versuch-vor?id=12134645


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Legale Graffiti: Burgdorf prüft die Einführung legaler Wände zum Sprayen, Bern macht damit bereits positive Erfahrungen
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/essen-und-ein-rat-in-bern-oeffnet-ein-spezielles-restaurant?id=12134825 (ab 03:19)


+++SPORTREPRESSION
Eskalation nach FCB-Auswärtsspiel in Luzern: Das sagen die Fans
Ein Video zeigt, wie nach dem Spiel des FC Basel in Luzern eine Person aus nächster Nähe mit Gummischrot beschossen wird. Was ist passiert? Bajour hat mit fünf Fans und Polizei gesprochen.
https://bajour.ch/a/Jo5o17ZRWPFh2qtl/eskalation-nach-fcb-auswartsspiel-in-luzern-das-sagen-die-fans
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/polizei-zu-gummischrot-einsatz-wir-klaren-sachverhalt-ab-66097565
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/obwalden-fast-200-maenner-und-frauen-wollen-in-den-kantonsrat?id=12134822 (ab 05:39)
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/eskalation-nach-fussballspiel-hier-wird-ein-basler-fan-mit-gummischrot-beschossen-id17194551.html
-> https://www.zentralplus.ch/fcb-fans-kritisieren-vorgehen-der-luzerner-polizei-2290799/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/kommentar-gewalt-von-fussballchaoten-jetzt-braucht-es-auch-vorschlaege-von-liga-und-clubs-ld.2244717
.- https://www.20min.ch/story/zerstoerung-in-diesem-ausmass-waehrend-fantransport-gab-es-noch-nie-676698048601


+++KNAST
Untersuchungshäftlinge sollen Familien besser treffen können
Im Kanton Zürich galt bis jetzt ein sehr strenges Haft-Regime in den Untersuchungsgefängnissen. Bis Familienangehörige Insassen besuchen oder mit ihnen telefonieren konnten, dauerte es teilweise Jahre. Nun soll der Kontakt einfacher werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/untersuchungshaeftlinge-sollen-familien-besser-treffen-koennen?id=12134093


+++BIG BROTHER
Strategischer Kompass: EU soll neues Geheimdienstzentrum erhalten
Die beiden geheimdienstlichen EU-Lagezentren könnten bald in einer gemeinsamen Einrichtung zusammengefasst werden. Ihre Überwachungskapazitäten werden derzeit ausgebaut, möglicherweise auch mit eigener Nachrichtengewinnung.
https://netzpolitik.org/2022/strategischer-kompass-eu-soll-neues-geheimdienstzentrum-erhalten/


+++FRAUEN/QUEER
Regierungsratsantwort auf Interpellation Schindler (Bern, SP) Alle Möglichkeiten nutzen, um die Suizidrate bei LGBT-Jugendlichen zu senken.
https://www.rr.be.ch/rr/de/index/rrbonline/rrbonline/suche_rrb/beschluesse-detailseite.gid-4466b2337a204fe4b8a0a7a872a48030.html


Elisabeth Duval – «Man wird nicht als trans geboren»
Sie ist erst 21, aber in Spanien längst ein Star. Schon mit 14 Jahren stand Elizabeth Duval in der Öffentlichkeit. Nun hat sie ein Buch über Transidentität geschrieben. Was bedeutet es, trans zu sein? Die Philosophin und Transfrau über Biologie und Begriffe, Veranlagung und Vergangenheit – und die Zukunft von trans.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/elisabeth-duval-man-wird-nicht-als-trans-geboren


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Bundesrat kürzt Sozialhilfe, Antisemitische Straftaten nehmen zu, Libyen inszeniert für die Medien
https://antira.org/2022/01/31/bundesrat-kuerzt-sozialhilfe-antisemitische-straftaten-nehmen-zu-libyen-inszeniert-fuer-die-medien/


+++RECHTSPOPULISMUS
Aus für «Maus» in Tennessee
Eine Schul-Verwaltung nimmt den Comic-Klassiker von Art Spiegelman aus dem Lehrplan.
https://www.tachles.ch/artikel/news/aus-fuer-maus-tennessee


SVP-Grossrat fordert Demo-Verbot an Samstagen
In Teilen der Innenstadt sollen zwischen 11 Uhr und 16 Uhr keine Protestmärsche mehr erlaubt werden.
https://primenews.ch/news/2022/01/svp-grossrat-fordert-demo-verbot-samstagen



Basler Zeitung 31.01.2022

SVP-Vorschlag in BaselAm Samstag soll in Einkaufsstrassen nicht demonstriert werden

Sperrzeiten für Demonstrationen: Die Basler SVP will die Bewilligungspraxis für Demos verschärfen. Ist das überhaupt möglich?

Alexander Müller

Die grosse Zahl der Demonstrationen in der Basler Innenstadt sorgt immer wieder für Diskussionen. 180 waren es beispielsweise im Jahr 2020. Besonders beliebt bei den Organisatoren von Demos ist das Wochenende. An manchen Samstagen finden in der Basler Innenstadt gleich mehrere Kundgebungen statt. Dann sind die meisten Menschen unterwegs, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Anliegen der Protestierenden wahrgenommen wird, am höchsten. Dann ist aber auch der Ärger der Unbeteiligten am grössten. Das Tramnetz ist mitunter längere Zeit blockiert, und Ladenbesitzer befürchten Umsatzeinbussen.

Die SVP ergreift in einem Vorstoss im Grossen Rat nun Partei für jene, die sich belästigt fühlen. Roger Stalder fordert in seiner Motion eine Anpassung der Bewilligungspraxis für Demonstrationen. Zwischen 11 und 16 Uhr sollen samstags keine Demonstranten durch eine Reihe von Strassen in der Innenstadt ziehen dürfen, darunter die Freie Strasse, die Falknerstrasse, aber auch Spalenberg, Kohlenberg sowie Steinenvorstadt. Also überall dort, wo samstags eingekauft und das Wochenende in den Boulevardcafés genossen wird.

Stalder, der nach eigenen Angaben selbst noch nie an einer Demonstration teilgenommen hat, ärgert sich, dass die Behörden einerseits viel Geld ausgeben, um die Stadt zu beleben, und andererseits diese Bemühungen mit dem Erlauben zahlreicher Demos gleich wieder torpedieren. Er spricht von vielen Reaktionen aus der Bevölkerung, von Menschen, die ihm gesagt hätten, dass sie wegen der vielen Demos nicht mehr in die Innenstadt gingen.

Es gehe ihm nicht darum, die Grundrechte einzuschränken. «Aber die anderen haben auch Grundrechte.» Sein Vorstoss sei ein Kompromiss, um alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen.

Für GLP-Grossrat David Wüest-Rudin geht der Vorstoss der SVP in die falsche Richtung. Ganz abgeneigt ist er dem Vorschlag dennoch nicht. Er sei bereit, die Ideen Stalders zu diskutieren. Eine zeitliche und räumliche Einschränkung könne er sich unter Umständen vorstellen. Wüest-Rudin weist aber darauf hin, dass es grundsätzlich ein Anliegen von Demonstranten ist, Aufmerksamkeit zu generieren. Und das müsse auch am Samstag möglich sein, auch oder gerade in der Innenstadt. «Man könnte sich überlegen, ob es andere Routen gibt, bei denen die Demonstranten ähnlich viel Aufmerksamkeit erhalten, ohne alles zu blockieren», sagt er.

Wüest-Rudin ist Mitunterzeichner einer Motion von Heidi Mück, die fordert, die Antragsfrist für Kundgebungen zu reduzieren. Eine Meinungsäusserung auf der Strasse könne nicht immer wochenlang im Voraus geplant werden, kritisiert eine Gruppe von Grossrätinnen und Grossräten in der Motion, die derzeit beim Regierungsrat zur Beantwortung hängig ist.

Doch ist eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit rechtlich überhaupt zulässig? Laut Markus Schefer, Staatsrechtsprofessor der Uni Basel, muss das Anliegen der SVP sehr genau geprüft werden. Zwar sei eine gewisse allgemeine Regelung, wann und wo (nicht) demonstriert werden dürfe, nicht per se unzulässig. Jede einzelne Einschränkung müsse jedoch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen. «Wenn man Demos jeden Samstag ausschliesst, hat man zwar die einen Interessen geschützt. Aber aus kommunikativer Sicht ist es ein Nachteil für die Demonstrierenden», sagt Schefer. Man laufe dann Gefahr, einseitig die Interessen des Detailhandels zu bevorzugen.

Solange aber genügend Raum bleibe für eine öffentliche Versammlung auch an einem Samstag in der Innenstadt, sei eine Regelung nicht gänzlich undenkbar. Schefer gibt aber zu bedenken, dass eine solche allgemeine Regelung auch weitere negative Folgen habe. So enge sie den Spielraum der Basler Kantonspolizei ein, der er einen umsichtigen Umgang mit den Bewilligungen von Demonstrationen attestiert. Ausserdem würden sich die Demos verlagern. «Man hat nicht einfach weniger Demonstrationen. Sie sind dann nur an einem anderen Ort.» Und dort seien dann andere Gruppen möglicherweise noch stärker negativ betroffen.
(https://www.bazonline.ch/am-samstag-sollen-in-einkaufsstrassen-nicht-demonstriert-werden-246117710916)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Eine Gefahr für Demokraten
Die nationalistischen »Grauen Wölfe« sind in der Türkei ein anerkannter Teil der politischen Elite, meint Ismail Küpeli. Die Situation in Deutschland ist für sie eine andere, was nicht heißt, dass die Rechten nicht auch bei uns aktiv sind.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160909.graue-woelfe-in-deutschland-eine-gefahr-fuer-demokraten.html


Rechte Musik auf Streaming-Plattformen: Nazi-Song ist Antifa-Experiment
Die Band „Hetzjaeger“ bedient, was die Rechtsrockszene begehrt – aber sie ist ein Fake. Als Experiment zeigt sie, wie sich rechte Musik verbreitet.
https://taz.de/Rechte-Musik-auf-Streaming-Plattformen/!5828978/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
So ticken die Freiheitstrychler
Noch mehr Verbindungen zwischen der sogenannten Freiheitsbewegung der Massnahmengegner*innen, reaktionären, und organisierten Neonazis.
Ein Instagram-Account namens „Antifa_Outing“ mit zugehörigem Telegram-Kanal hetzt gegen die Gegenseite der nationalistischen Massnahmengegner*innen-Bewegung. Dabei werden Journalist*innen und linke Parteimitglieder*innen sowie unbeteiligte Passant*innen als „Antifa“ bezeichnet, um sie zur Zielscheibe rechter Gewalt zu machen. Doch wer betreibt diesen Kanal, und was hat das mit den Freiheitstrychlern zu tun?
https://barrikade.info/article/4983
(siehe auch „Hell Bells für Eidgenossistan“: https://barrikade.info/article/4842)


Spotifys Problem mit Joe Rogan
Impfstoffe als Gentherapie; Geimpfte, die Mutationen entwickelten und Behauptungen über eine geplante Pandemie: Der Spotify-Podcaster Joe Rogan hat diverse Fehlinformationen verbreitet. Er verteidigt die Aussagen als Meinungen.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/spotify-joe-rogan-101.html
-> https://www.spiegel.de/kultur/spotify-podcaster-joe-rogan-raeumt-fehler-ein-a-0cbb5f3f-e81c-42d5-aed0-8efad31908a0
-> https://www.heise.de/news/Kritik-an-Corona-Desinformation-Spotify-gelobt-etwas-Besserung-6343121.html
-> https://www.watson.ch/international/digital/955551395-protest-der-superstars-young-und-mitchell-gegen-streamingdienst-spotify
-> https://www.derstandard.at/story/2000132979480/spotify-star-joe-rogan-erhitzt-mit-corona-interviews-die-gemueter?ref=rss
-> https://www.watson.ch/digital/streaming/791176838-das-corona-schlamassel-von-spotify-geht-weiter-die-wichtigsten-fragen


Ein Adliswiler Gemeinderat im Pandemieleugner-Sumpf und die Scheiterhaufen
Eine Recherche im Facebook-Umfeld des SVP-Gemeinderats Christian Titus; Erschiessungskommandos, Galgen und Scheiterhaufen
https://eidgenossischemeldezentrale.wordpress.com/2022/01/31/der-adliswiler-svp-gemeinderat-im-pandemieleugner-sumpf-und-die-scheiterhaufen


+++HISTORY
Zwei «glaubwürdige Kapitalisten»
Danielle Jaeggis Dokfilm Thiel der Rote – Ein sehr diskreter Agent zeigt eine Familiengeschichte, aber auch ein unbehagliches Stück Schweizer Überwachungsgeschichte.
https://www.saiten.ch/zwei-glaubwuerdige-kapitalisten/