Medienspiegel 26. November 2021

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+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 26.11.2021

Bundesasylzentrum: So viele Coronafälle gab es im ersten Betriebsjahr

Das Bundesasylzentrum in den militärischen Hallen in Brugg hat einen Drittel seiner maximalen Betriebszeit hinter sich – Zeit für ein Fazit und einen Ausblick.

Claudia Meier

In einer Notlage könne der Bund bis zu 550 Asylsuchende auf dem Waffenplatz unterbringen, hiess es in der ersten Ankündigung des Staatssekretariats für Migration (SEM) im Dezember 2016. Die Stadt Brugg konnte damals aushandeln, dass im Rahmen dieser Notfallplanung in einer ersten Phase nur maximal halb so viele Asylsuchende untergebracht würden.

Anfang Juni 2020 wurde klar, dass der Bund die militärischen Hallen als Bundesasylzentrum (BAZ) für maximal 230 Männer vorbereitet. Gemäss Asylgesetz können Anlagen und Bauten des Bundes ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen für maximal drei Jahre genutzt werden. Im benachbarten Wohnquartier machte sich Verunsicherung breit. «Wenn die kommen, ist es fertig mit der Ruhe im Quartier», meinte ein Senior damals. Ein Mann mit Migrationshintergrund sagte:  «Ich mache mir Sorgen, dass sich vielleicht IS-Kämpfer unter den Asylsuchenden befinden.»

Und eine Frau forderte eine Anlaufstelle für die Quartierbevölkerung.

Aktuell sind es 55 Asylsuchende aus insgesamt 20 Nationen

Am 30. November 2020 war es dann soweit und die ersten 40 Asylbewerber wurden in den militärischen Hallen in Brugg erwartet. Das BAZ wurde in Sektoren unterteilt, um für Coronafälle und Quarantäneaufenthalte gewappnet zu sein. Zudem wurde eine Begleitgruppe ins Leben gerufen. Und für die Bevölkerung wurde eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet.

«Aktuell sind 55 Asylsuchende in der Unterkunft untergebracht», sagt SEM-Sprecher Reto Kormann. Sie stammen aus folgenden 20 Nationen: Somalia, Irak, Türkei, Afghanistan, Äthiopien, Nigeria, Kolumbien, Venezuela, Gambia, Angola, Tansania, Iran, Marokko, Georgien, China, Belarus, Armenien, Simbabwe, Ghana und Syrien.

Die effektive Maximalbelegung im ersten Betriebsjahr belief sich laut SEM bis zum 30. September 2021 auf 29. Seit dem 1. Oktober können bis zu 59 Personen im BAZ Brugg untergebracht werden. Kormann erklärt: «Insgesamt gab es drei Coronafälle im ersten Jahr. Zwei davon traten gleichzeitig auf.»

In die Asylunterkunft in Brugg hat das SEM bisher über 700’000 Franken investiert. Seit dem vergangenen Sommer sind laut Reto Kormann verschiedene Bereiche verschönert worden mit Flaggen, Bildern im Innenraum, Sonnenschirmen und selbst gebauten Sitzbänken. «Auch ein kleiner Fitnessbereich wurde eingerichtet», ergänzt der SEM-Sprecher. «Aktuell werden verschiedene Wände gestrichen.»

Eine Rückmeldung wegen zu lauter Musik am Abend

Allgemein zusammengefasst teilt Reto Kormann zum BAZ in Brugg mit, dass Nachbarn, Polizei und andere Gruppen sehr wenig Probleme festgestellt haben. Zu erwähnen seien eine Rückmeldung wegen zu lauter Musik am Abend und Beschwerden von Anwohnern «über die Betriebsgeräusche der Wärmetauschelemente, welchen durch die Verschalung mit Dämmelementen Rechnung getragen wurde». In der Anfangszeit wurde der von Anwohnern verlangte Sichtschutz an den Fenstern angebracht und später auch die IT-Infrastruktur verbessert.

Auf die Frage, ob in den kommenden Monaten mit einer höheren Belegung des BAZ Brugg zu rechnen sei, sagt Reto Kormann: «Grundsätzlich nein, denn die Belegung hängt stark mit der Entwicklung der Zahl der Asylgesuche in der Schweiz zusammen. Zudem müssen die Corona-Massnahmen eingehalten werden.»

Stadt Brugg zeigt Interesse an Einsatzprogramm für Männer

Der SEM-Sprecher weist ausserdem auf die positiven Rückmeldungen im Zusammenhang mit dem BAZ in Brugg hin. So hätten Anwohner zum Ausdruck gebracht, dass sie erleichtert darüber seien, wie reibungslos das Zusammenleben in der Nachbarschaft bisher funktioniert habe. «Hin und wieder bringen Anwohner auch Kleiderspenden für die untergebrachten Asylsuchenden vorbei», ergänzt Reto Kormann.

Durchweg positiv hat sich laut dem SEM-Sprecher auch das Militär geäussert. Und die Polizei sei sehr zufrieden mit den wenigen Einsätzen und der Zusammenarbeit mit den BAZ-Angestellten. Die Stadt Brugg stellt einen Sportplatz zur Verfügung und zeigt Interesse an externen gemeinnützigen Einsatzprogrammen für Asylsuchende.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/brugg-bundesasylzentrum-so-viele-coronafaelle-gab-es-im-ersten-betriebsjahr-ld.2220087)


+++ZÜRICH
Ein Postfach gegen Papierlose
Ein finanzstarker Verein in der Stadt Zürich setzt sich sowohl gegen die Richtpläne als auch gegen die «Züri-City-Card» ein. Wer steckt dahinter? Die Spuren führen zum Hauseigentümerverband Kanton Zürich. Dort schweigt man lieber.
https://www.pszeitung.ch/ein-postfach-gegen-papierlose/#top


+++SCHWEIZ
Bewegungsfreiheit für alle: Referendum gegen die Finanzierung von Frontex
Seit Ende Oktober 2021 sammelt in der Schweiz ein breites Bündnis aus Parteien, Organisationen und linken Projekten Unterschriften für das Referendum gegen den geplanten Ausbau der europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex.
https://sozialismus.ch/antirassismus/2021/bewegungsfreiheit-fuer-alle-referendum-gegen-die-finanzierung-von-frontex/


++GROSSBRITANNIEN
Migration nach Großbritannien: EU-Polizeien wollen versteckte Kameras an Stränden installieren
Mit mehreren Polizeiaktionen wollen die Anrainer des Ärmelkanals unerwünschte Überfahrten von Migrant:innen verhindern. Trotz Brexit nimmt Großbritannien an diesen vom Rat der EU finanzierten Maßnahmen teil. Deutsche Behörden planen Internet-Kampagnen gegen den Verkauf von Schlauchbooten und Motoren.
https://netzpolitik.org/2021/migration-nach-grossbritannien-eu-polizeien-wollen-versteckte-kameras-an-straenden-installieren/


Bootsflüchtlinge – Tragödie setzt das «blame game» am Ärmelkanal wieder in Gang
Die britische Regierung sucht Schuldige für die Migrationskrise – und zeigt auf die andere Seite des Ärmelkanals.
https://www.srf.ch/news/international/bootsfluechtlinge-tragoedie-setzt-das-blame-game-am-aermelkanal-wieder-in-gang


+++GRIECHENLAND
Flüchtlinge in Griechenland Geschlossene Lager, fern der Städte
Nach der Katastrophe von Moria unterstützt die EU den Bau neuer Flüchtlingslager auf griechischen Inseln. Sie sind modern, aber geschlossen und fern der Orte. Kritiker erinnern die Bauten an Gefängnisse.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/fluechtlingslager-griechenland-105.html


+++MITTELMEER
Seenotrettung: Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ darf sizilianischen Hafen ansteuern
Wegen eines Unwetters hatte die Crew den Notstand ausgerufen. Die 461 geretteten Migranten drohten zu unterkühlen. Vier wurden ohnmächtig.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-11/seenotrettung-sea-watch-4-mittelmeer-migration


+++EUROPA
Inhaftiert und verbannt: Ein britischer Journalist in EU-Migrationshaft
Zwei Monate saß Matt Broomfield, Mitbegründer des Rojava Information Center, in griechischer Migrationshaft. Nach seiner Freilassung erhielt er ein zehnjähriges Einreiseverbot in den Schengen-Raum – auf Betreiben von Deutschland.
https://anfdeutsch.com/hintergrund/inhaftiert-und-verbannt-ein-britischer-journalist-in-eu-migrationshaft-29461



nzz.ch 26.11.2021

«In der europäischen Asylpolitik verschieben sich die Grenzen dessen, was wir akzeptieren»

Die Krise an der polnisch-weissrussischen Grenze zeigt, wie verletzlich die EU im Bereich der Zuwanderung ist: Das Asylsystem funktioniert nicht. Der Konstanzer Völkerrechtler Daniel Thym erklärt das Malaise mit dem Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit in der Migrationspolitik.

Meret Baumann, Andreas Ernst

Herr Thym, an den Rändern der EU wird eine neue Form von Grenzschutz betrieben: offen praktizierte Push-backs. In Griechenland und Kroatien geschah solches meist im Dunkel der Nacht und wurde abgestritten. Aber die von den Weissrussen an die Grenze geschleppten Migranten wurden von polnischen Grenzwächtern ganz offensichtlich zurückgetrieben. Das ist doch ein Bruch internationalen Rechts, weil die Migranten keine Möglichkeit haben, ein Asylgesuch zu stellen.

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist diesbezüglich nicht ganz eindeutig. Sie verbietet zwar das «refoulement», das Zurückschaffen in ein Land, in dem eine Person mit Verfolgung zu rechnen hat. Aber sie gewährleistet nicht unbedingt, dass jeder Anspruch auf ein Asylverfahren hat. Hingegen verstossen die Polen klar gegen die Asylrichtlinien der EU. Diese halten fest, dass jeder an der Grenze oder zumindest an einem Grenzübergang ein Asylgesuch stellen kann. Daran hält sich Polen nicht – und andere Mitgliedstaaten auch nicht. Schon lange unternehmen viele Länder Versuche, dass Migranten gar nicht bis an ihre Grenzen kommen, indem sie mit Nachbarländern kooperieren. Neu ist hingegen tatsächlich, dass der Rechtsbruch nicht mehr verdeckt geschieht und sogar offen verkündet wird.

Polen hat diese Praxis legalisiert und im Oktober ein Gesetz verabschiedet, wonach zurückgeschoben werden darf, wer illegal über die Grenze kommt.

Ja, aber nationale Gesetze müssen dem europäischen Recht entsprechen – und dieses polnische Gesetz verstösst eindeutig dagegen. Zwar kann man über Ausnahmen diskutieren, wenn die innere Sicherheit bedroht ist. So radikal wie in Polen geht es aber auf keinen Fall. Die Kommission wehrt sich nicht dagegen, und auch die Mitgliedsstaaten schweigen. Das ist ein klares Zeichen, dass das geltende Asylrecht erodiert. Offen dazu bekennen sich nur noch wenige. Etwa die neue deutsche Bundesregierung.

Ist Polen also verpflichtet, alle, die auf der anderen Seite der Grenze stehen und Asyl wollen, hereinzulassen, damit sie den Antrag stellen können?

Man kann von den Polen nicht erwarten, dass sie ein Loch in den Grenzzaun schneiden. Sie können durchaus verlangen, dass die Migranten den Asylantrag an einem Grenzübergang stellen. Ein solcher muss dann aber auch tatsächlich zugänglich sein. Um Menschen zurückweisen zu können, muss ein Verfahren mit einem rechtsgültigen Bescheid abgeschlossen werden. In der Praxis funktioniert das leider notorisch schlecht. Wenn die Leute einmal in Europa sind und ein Verfahren bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass sie bleiben. Denn es dauert ewig, bis eine vollziehbare Entscheidung vorliegt. Und die Rückführungen funktionieren nicht. Deshalb lässt man die Migranten schon gar nicht herein – in Griechenland und jetzt in Polen. Man glaubt nicht mehr an das Recht, das man einmal vereinbart hat.

Die Briten bereiten eine Asylrechtsrevision vor, die in eine ähnliche Richtung geht. Nur diejenigen haben Anrecht auf ein Asylverfahren, die auf regulärem Weg ins Land kommen. Das soll Bootsmigranten abschrecken, die über den Ärmelkanal kommen.

Der Trend in Europa geht klar in diese Richtung. Das Asylrecht wird eingeschränkt, für gewisse Gruppen sogar ausser Kraft gesetzt. Das machte man früher indirekt, indem man verhinderte, dass die Menschen überhaupt kommen können, um Asyl zu beantragen. Heute sagen einige ganz offen: Wir wollen das Asylrecht so nicht mehr.

Zeigen denn die praktischen Probleme nicht, dass die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 revisionsbedürftig ist?

Die Konvention ist recht unspezifisch. Sie enthält das Refoulement-Verbot, aber keinen Anspruch auf ein individuelles Verfahren. Da sehe ich kein Problem.

Dann müssten also die Asylrichtlinien der EU angepasst werden . . .

Diese Debatte wird ja seit über fünf Jahren geführt! Die Mitgliedstaaten können sich bei der Verteilungsfrage nicht einigen. In der Kommission gibt es eine Diskussion, im Fall einer sogenannten hybriden Bedrohung – wie ja die Krise an der polnischen Grenze auch genannt wird – punktuelle Ausnahmen zuzulassen. Ein Vorschlag dazu kommt Anfang Dezember. Der könnte in bestimmten Fällen sogar Push-backs legalisieren.

Wenn die grosse Reform in Europa nicht vorankommt, sollte man es dann nicht mit kleinen Schritten probieren? Mit Blick auf Polen etwa, dass die Asylverfahren für die Migranten an der Grenze nicht in Polen oder Deutschland durchgeführt werden, sondern in einem Drittland, das nicht zur EU gehört. Vorgeschlagen werden etwa die Ukraine oder die Moldau. So könnte ein Sogeffekt vermieden und trotzdem das Recht eingehalten werden.

Das ist theoretisch möglich, und es steht auch im neuen deutschen Koalitionsvertrag. Aber man macht die Rechnung ohne den Wirt – die Drittländer nämlich. Auch die Dänen möchten das, aber sie finden kein Drittland.

Natürlich muss man diesen Drittländern ein attraktives Angebot machen. Zum Beispiel Kontingente von Arbeitsvisa für den legalen Zugang zum Arbeitsmarkt oder Stipendien für Studierende. Oder sehen Sie da rechtliche Hindernisse?

Rechtlich geht es, wenn man ein Aufnahmeland findet und die Kontrolle behält. Die Unterbringung muss ordentlich, das Verfahren fair und der Rechtsschutz gegeben sein. Ob es dann praktisch funktioniert, ist eine andere Frage. Frustrierend ist aber, dass solche Standards zum Beispiel in Griechenland eben nicht gelten. Wir haben uns in Brüssel Regeln gegeben, die in Deutschland, in den Niederlanden oder der Schweiz eingehalten werden, aber an der Peripherie nicht.

Wäre das sogenannte Botschaftsasyl eine Alternative? Dass also Schutzsuchende ihren Antrag bei der Botschaft eines EU-Lands in ihrem Heimatland oder einem Nachbarland stellen?

Da ist die Quantität das Problem. Es würde nicht jeder aufgenommen, der theoretisch einen Anspruch auf Asyl hat. Stattdessen müsste man wohl Kontingente schaffen – auch grosszügige, was in der Praxis nie der Fall ist. Man definiert eine Anzahl von Menschen, die man bei Schutzbedarf aufnimmt. Es wäre also kein individuelles Asylrecht. Das wäre hart, aber es wäre auch humanitär.

Nach welchen Regeln würden Personen in ein solches Kontingent aufgenommen? Wer schnell genug ist?

Das ist genau das Problem. Das wird aber schon praktiziert bei sogenannten Resettlement-Programmen. Kanada zum Beispiel nimmt jedes Jahr eine bestimmte Anzahl Flüchtlinge auf, aus verschiedenen Ländern und nach unterschiedlichen Kriterien. Es ist letztlich immer etwas Willkür im Spiel.

Aber das derzeitige System ist ja auch willkürlich: Wer es irgendwie über die EU-Aussengrenze schafft, hat Chancen auf Asyl. Erfolg hat nur, wer finanzielle Ressourcen hat und körperlich robust ist.

Absolut. Nach Weissrussland und an die polnische Grenze sind viele Kurden aus dem Nordirak gekommen. Das ist die sicherste Region des Landes. Aber diese Menschen haben die nötigen Ersparnisse. Die Migrationsforschung zeigt insgesamt, dass nie die Ärmsten gehen, sondern diejenigen, welche die finanziellen, organisatorischen und körperlichen Fähigkeiten dafür haben.

Ein Problem ist auch, dass die Abschiebungen nicht funktionieren. Wie könnte man das verbessern?

Ich kenne die Situation in Deutschland am besten. Da gibt es drei Gründe, warum Rückführungen scheitern. Einer ist deutsche Unfähigkeit: Verfahren sind zu lang, Ressourcen fehlen. Der zweite Grund ist, dass die Herkunftsländer Migranten nicht zurücknehmen. Das ist vor allem bei afrikanischen Ländern der Fall. Und schliesslich gibt es oft praktische Probleme, dass Menschen etwa den Pass weggeworfen haben. Der Ansatz, Herkunftsländern legale Zugangswege anzubieten gegen bessere Kooperation, ist sehr gut. Nigeria könnte man etwa 10 000 Arbeitsvisa jährlich in Aussicht stellen für gut ausgebildete Menschen, die vielleicht die Sprache schon beherrschen. Das würde wohl von der Bevölkerung in Deutschland oder der Schweiz auch besser akzeptiert als die Asylmigration. Aber es bleibt jeweils bei Sonntagsreden. Es gibt nur Modellprojekte für einige Dutzend Leute.

Oder es scheitert am politischen Willen, weil mit dem Status quo alle leben können.

Auf der politischen Ebene gibt es schon einen starken Druck für mehr Abschiebungen. Auf der Ebene der Umsetzung gibt es aber einen ebenso starken Druck dagegen. Rückführungen werden rasch als inhuman gebrandmarkt.

Sollte das individuelle Recht auf Asyl preisgegeben werden?

Wollen wir als europäische Gesellschaft wirklich, dass Menschen an der Aussengrenze mit Gewalt zurückgedrängt werden? Das wäre ja die logische Konsequenz. Das kann ich mir nicht vorstellen. Zumal es immer Situationen geben kann, in denen es gute Gründe gibt, dass Menschen spontan kommen.

Aber an der Grenze zu Weissrussland ist genau das passiert. Schutzsuchende wurden mit Gewalt zurückgewiesen, und Polen hat dafür breite Unterstützung erhalten von den anderen EU-Ländern.

Ja. Wie in Australien verschieben sich auch bei uns die Grenzen dessen, was wir zu akzeptieren bereit sind. Dem steht aber eine jahrzehntealte grosszügige Judikatur entgegen. Zu sagen, dass jede Person zurückgeschickt werden kann, wäre eine fundamentale Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Das ist nicht realistisch.

Sehen Sie denn überhaupt Wege, regelmässig wiederkehrende Krisen an den Aussengrenzen zu verhindern? Es ist immer von Hilfe vor Ort die Rede, aber wird das Wohlstandsgefälle nicht immer so gross bleiben, dass Menschen sich auf den Weg machen und das Asylrecht dafür nutzen?

Absolut. Man muss sich nur die Bevölkerungsentwicklung etwa in Tunesien oder Nigeria ansehen. Selbst wenn wir grosszügige Regeln für Wirtschaftsmigration hätten, könnte dies nicht die ganze Nachfrage decken. Es wird immer irreguläre Zuwanderung geben.

Aber wir können doch das Konzept nicht aufgeben, die Einwanderungspolitik endlich vom Asylsystem zu trennen.

Nein. Aber die Vorstellung, mit mehr legalen Arbeitsplätzen für Zuwanderer die irreguläre Migration zu unterbinden, ist wahrscheinlich illusorisch.

Heisst das nicht auch, die stets versprochene Bekämpfung von Fluchtursachen ist nur ein politisches Schlagwort?

Natürlich braucht es das auch. Wenn man etwa 2015 die Versorgung der syrischen Flüchtlinge in Libanon nicht hätte zusammenbrechen lassen, weil Hilfsorganisationen kein Geld mehr hatten, wären vielleicht weniger Menschen gekommen. Kurzfristig ist humanitäre Unterbringung immer gut, langfristig braucht es Perspektiven. Als humanitäres Gebot braucht es Hilfe in den Herkunftsländern. Aber das Problem vor allem mit der Bekämpfung von Fluchtursachen lösen zu wollen, wird nicht funktionieren.



Ein Spezialist für Migrationsrecht

bam. Daniel Thym lehrt an der Universität Konstanz öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht und ist Direktor des dortigen Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht. Er hat sich auf Flüchtlings- und Migrationsrecht spezialisiert und berät als stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) auch die Politik in entsprechenden Fragen. Er ist zudem Vorsitzender des Beirats für Forschungsmigration beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
(https://www.nzz.ch/international/migration-europa-grenzen-des-akzeptablen-verschieben-sich-ld.1657117)


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Kantonale Überbauungsordnung (KUeO) Transitplatz für Ausländische Fahrende, Wileroltigen
Information und Mitwirkung der Bevölkerung nach Art. 58 BauG
Die Direktion für Inneres und Justiz, vertreten durch das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) informiert hiermit über die öffentliche Mitwirkung des Entwurfs der KUeO Transitplatz für Ausländische Fahrende, Wileroltigen. Die KUeO Transitplatz für Ausländische Fahrende, Wileroltigen bildet die raumplanerische Grundlage für die langfristige Sicherung und den Bau des Halteplatzes in der Gemeinde Wileroltigen. Die KUeO-Unterlagen bestehen aus Überbauungsplan, Überbauungsvorschriften und Erläuterungsbericht. Der Situationsplan hat nur orientierenden Charakter und dient als zusätzliche Information.
Die Mitwirkung dauert vom 26. November 2021 bis zum 7. Januar 2022. Zusätzlich findet am 9. Dezember 2021 eine Informationsveranstaltung statt.
https://www.raumplanung.dij.be.ch/de/start.html?newsID=0bdae141-df28-464d-a888-c153d5bb0cd6
-> https://www.derbund.ch/der-baus-des-transitplatzes-in-wileroltigen-wird-konkret-438718146849
-> https://www.bernerzeitung.ch/der-baus-des-transitplatzes-in-wileroltigen-wird-konkret-438718146849
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/weiterer-schritt-fuer-transitplatz-in-wileroltigen?id=12097274
-> https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/transitplatz-fuer-auslaendische-fahrende-wird-konkret


+++GASSE
baslerzeitung.ch 26.11.2021

So viele Bedürftige wie noch nie: Basels Wärmestube kann Ansturm nicht bewältigen

Die Leiterin der Basler Essensausgabestelle Soup & Chill fordert mehr warme Plätze für die Bettler – unter anderem in Kirchen.

Leif Simonsen

Die meisten Baizer freuen sich, wenn die Kunden Schlange stehen. Nicht so Claudia Adrario de Roche, die Leiterin der Essensabgabe Soup & Chill im Gundeli. Die Popularität ihres Lokals ist grösser, je schlechter es den Menschen geht. Das Soup & Chill bietet Menschen, die sich kein Essen leisten können, eine warme Mahlzeit – und die Möglichkeit, sich aufzuwärmen.

Adrario de Roche sagt: «So viele Gäste wie jetzt hatten wir noch nie, es sind noch mehr als im Corona-Jahr 2020. Und der war auch schon sehr gästereich.» Bis 2019 habe man im November 70 bis 80 Personen täglich bewirtet, letztes Jahr sei man bei über 100 gewesen. Und in diesem Jahr stünden an den Wochenenden jeweils 150 Menschen für ein warmes Essen an. Von diesen hätten rund fünfzig Bedürftige eine Wohnung. Diese Kunden würden gebeten, mangels Platz im Soup & Chill das Essen mit nach Hause zu nehmen. «Wir sagen ihnen, sie sollten die Miete und die Krankenkasse bezahlen. Das Essen können wir ihnen geben», so de Roche.

Kirchen haben nicht genug WCs

Adrario de Roche fordert schnelles Handeln. Am meisten Sorgen machen ihr die tiefen Temperaturen. Diese Woche sank das Thermometer in Basel erstmals unter null Grad. «Die Menschen kommen nicht nur wegen des Essens zu uns, sondern auch, um sich aufzuwärmen», sagt sie. Viel zu viele Menschen müssten derzeit im Freien übernachten. «Die von uns abgegebenen warmen Kleider und Schlafsäcke ändern nicht viel an dieser Not.» Es sei deshalb dringend nötig, den Obdachlosen Tag und Nacht warme Räume zur Verfügung zu stellen. Denkbar seien Hotels, die wegen der Pandemie ungenutzt seien, aber auch Kirchen. «Die Kirchgebäude haben viele grosse Räume, die oft leer stehen oder nur punktuell genutzt werden», sagt die gebürtige Österreicherin. Sie habe bereits Kirchen angeschrieben, in Stadt und Land.

Die Kirchenverantwortlichen reagieren nicht gerade euphorisch. Matthias Zehnder, Sprecher der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt, sagt: «Es ist immer wieder Mal Thema, dass die Obdachlosen in den Kirchen übernachten können. Aber das Problem ist, dass die Räume nicht geheizt sind und dass die sanitären Anlagen in den Kirchengebäuden nicht genügen.»

Christian Griss, Präsident der römisch-katholischen Kirche, schliesst die Aufnahme von Obdachlosen immerhin nicht ganz aus. Er sagt: «Wenn wirklich Not herrscht, sollten wir die Kirchenräume sicherlich zur Verfügung stellen.» Aber auch er meint, es gäbe sehr viele geeignetere Unterkünfte. «Im Winter ist wohl jedes stillgelegte Hotel, jede Mehrzweckhalle oder gar eine Zivilschutzanlage gemütlicher.»

Zivilschutzanlagen dürfen nicht benutzt werden

Der Aufruf der «Soup & Chill»-Chefin stösst bei den Behörden aber offenbar auf taube Ohren. Das zuständige Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) will vom angesprochenen Trend nichts bemerkt haben. «Wir orientieren uns bei der Einschätzung der Lage an der Belegung in den Notschlafstellen, der Entwicklung bei den Meldeadressen beim Verein Schwarzer Peter und den Rückmeldungen der privaten sozialen Institutionen», sagt WSU-Generalsekretärin Brigitte Meyer. Alle diese Indikatoren würden nicht auf einen Anstieg hinweisen. Im Gegenteil. Die Sozialhilfe Basel verzeichne einen starken Rückgang bei den Bezügerinnen und Bezügern und eine stabile Belegung in den Notschlafstellen. Derzeit gebe es keinen Anlass für zusätzliche Angebote für die Obdachlosen. Für die Öffnung von Zivilschutzanlagen bestehe im Übrigen keine rechtliche Grundlage. «Das Bundesrecht lässt diese Nutzung nicht zu. Eine Beherbergung ist grundsätzlich nur für Angehörige von Zivilschutz- oder Partnerorganisationen zulässig», sagt Meyer.

Adrario de Roche bezeichnet diese Einschätzungen als «unfassbar zynisch». Sie wirft der Sozialhilfe vor, vor der Basler Armut die Augen zu verschliessen. «Ich würde mir so sehr wünschen, dass man die gesamte Belegschaft der Sozialhilfe von Samstag früh bis Sonntagabend mal zu einem Selbstversuch einlädt – oder zumindest zu einem sozialen Stadtrundgang von ‹Surprise›.» Das habe man bisher mehrmals vergeblich versucht.



60 Bettler sind derzeit in Basel

Basel-Stadt hat im September die Regeln fürs Betteln verschärft. Seither gilt unter anderem, dass nicht näher als fünf Meter von Geschäften oder öffentlichen Institutionen gebettelt werden darf. Verboten ist auch das Betteln in den Parkanlagen. Die neue Regelung hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Zahl der Bettelnden ging im Herbst stark zurück. Von den einst rund 150 hauptsächlich aus osteuropäischen Ländern stammenden Bettlerinnen und Bettlern blieben kaum noch welche in Basel. Nun ist die Zahl wieder angestiegen. Polizeisprecher Toprak Yerguz sagt, es seien derzeit schätzungsweise 60 Bettler in Basel. Auch die Zahl der verteilten Ordnungsbussen ist gestiegen. Im September waren es 30, im Oktober 40 und im November bisher bereits rund 70. (lsi)
(https://www.bazonline.ch/basels-waermestube-kann-ansturm-nicht-bewaeltigen-503732621916)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Gegen patriarchale Gewalt: Demo blockierte ÖV in Berner Innenstadt
Am Freitagabend zogen rund 300 Personen im Rahmen einer Kundgebung gegen patriarchale Gewalt durch die Berner Innenstadt.
https://www.bernerzeitung.ch/oev-in-berner-innenstadt-wegen-demo-blockiert-878180927846
-> Demo-Aufruf: https://barrikade.info/article/4821


Raus zur Demo in Bern gegen patriarchale Gewalt
Heute morgen haben wir anlässlich des Tages gegen Gewalt an Frauen* ein Transparent beim Inselspital in Bern gehängt. Mit dem Slogan „Feministische Selbstverteidigung gegen patriarchale Gewalt“ wollen wir zur Demo am Freitag 21.11. in Bern mobilisieren.
Kommt Alle* am Freitag 26.11. um 19Uhr zum Bubenbergplatz in Bern – Zusammen zerschlagen wir das Patriarchat!!
https://barrikade.info/article/4878


16 Tage gegen Gewalt an Frauen (ab 03:41)
https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2021-11-26


Proteste am Basler Dies academicus: Mit Wasserballons und Schimpftiraden gegen den Festzug
Der akademische Festtag ist durch Protestaktionen der Antifa gestört worden. Die linksextremen Aktivisten hatten Studentenverbindungen im Visier.
https://www.bazonline.ch/mit-wasserballons-und-schimpftiraden-gegen-studenten-und-uni-vertreter-730217214946
-> https://primenews.ch/news/2021/11/linksextreme-werfen-wasserballone-auf-uni-festgemeinde
-> Aktions-Aufruf: https://barrikade.info/article/4850


Klimabewegte protestieren gegen Black Friday: Mehr Schneeball-, weniger Rabattschlachten
Am frühen Freitagabend haben in der St.Galler Innenstadt knapp 100 Klimabewegte gegen die Rabattaktion Black Friday protestiert. Der vom Detailhandel aus den USA übernommene Black Friday sei ein schwarzer Tag für die Umwelt, sagte dazu etwa der grüne Kantonalpräsident Daniel Bosshard im Leonhardspärklein. Die Rabattorgie sei mit Überkonsum verbunden, der die Umwelt stark belaste und letztlich auch niemanden wirklich befriedige. Es seien innere Werte, die es dafür brauche, nicht sinnloser Konsum.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stgaller-stadt-ticker-mehr-schneeball-statt-rabattschlachten-wege-fuer-igel-eichhoernchen-co-oeffnen-kerzen-ziehen-im-zelt-weihnachten-im-erzgebirge-ld.1084940


+++SPORTREPRESSION
«Mir ist wichtig, dass alle Kantone gleich vorgehen»
Die neue Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) hat sich für eine ID-Pflicht in Fussball-Stadien ausgesprochen. Dafür erntete sie heftige Kritik. Jetzt äussert sich Eymann erstmals zu dieser Kritik und verteidigt ihre Haltung.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mir-ist-wichtig-dass-alle-kantone-gleich-vorgehen?id=12097694
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/nach-gewalt-in-stadien-regierungsraetin-stephanie-eymann-im-interview-es-wird-kein-eymann-alleingang-ld.2219317


+++WEF
suedostschweiz.ch 26.11.2021

WEF streicht wegen heftiger Drohungen das Open Forum

Parallel zum WEF findet jeweils das dem Dialog dienende Open Forum statt. Aus Sicherheitsgründen ist es 2022 abgesagt.

Béla Zier

Es werde ein Jahrestreffen «wie kein anderes sein, das zu einem einzigartigen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte stattfindet». Diese kernige und auf die Folgen der Covid-Pandemie bezogene Aussage ist in einer Präsentation von Alois Zwinggi, dem Direktor des World Economic Forum (WEF) festgehalten. Am vergangenen Mittwochabend informierte er die Davoser Bevölkerung an einer öffentlichen Veranstaltung in einem Ausblick darüber, was im Januar 2022 am WEF zu erwarten ist. Dass die kritische Pandemielage in der Schweiz die Pläne zur Durchführung des Grossanlasses durchkreuzen könnte, davon geht Zwinggi zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus. «Wir haben kein Alternativdatum im Kalender», hielt der WEF-Direktor gegenüber dem rund 60-köpfigen Publikum fest. Zu Radio Südostschweiz meinte Zwinggi: «Wir arbeiten im Moment darauf hin, dass wir das Jahrestreffen am 17. Januar werden eröffnen können und passen natürlich auch unsere Schutzmassnahmen der aktuellen Situation an.» Ein Schutzkonzept – alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Zutritt zur Sicherheitszone müssen doppelt geimpft sein und sich wiederholt testen lassen– hat das WEF bereits vorgelegt

Nicht zur Sicherheitszone gehört die Aula der Schweizerischen Alpinen Mittelschule Davos. Hier fand der Infoanlass mit Zwinggi statt, und in dieser Aula wird jeweils parallel zum WEF auch das Open Forum durchgeführt. Zu diesem Veranstaltungsformat haben alle Zutritt. Es wurde 2003 ins Leben gerufen, damit ein breiteres Publikum an den Aktivitäten des WEF teilnehmen kann. Das WEF reagierte damit auf die vielfach laut gewordene Kritik, dass sich das Jahrestreffen hinter verschlossenen Türen abspiele und man als Otto  Normalbürger von jeglicher Beteiligung ausgeschlossen werde. Ziel des Open Forum ist es laut dessen Internetseite, die «Öffentlichkeit an den Diskussionen zwischen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilhaben zu lassen». 2022 wird niemand an solchen stets gut besuchten Diskussionen und dem Austausch mit weltweit bekannten Persönlichkeiten, darunter teils auch hochrangige Regierungsvertreterinnen und -vertreter, teilnehmen können. Das Open Forum findet nicht statt, gab Zwinggi in seinem Ausblick bekannt. Die Gründe dafür sind erschreckend.

«Täglich Drohungen»

Dass gegen das immer wieder als «Bonzentreffen» betitelte WEF in Davos wie auch anderen Orten der Schweiz demonstriert wird, ist im Lauf der Jahre zur Gewohnheit geworden. Nun sieht sich die WEF-Organisation aber offenbar mit einer neuen Form von Gegnerschaft konfrontiert. So sagte Zwinggi an dem Anlass: «Wir konnten uns nicht vorstellen, dass wir im Fadenkreuz von Verschwörungstheoretikern landen könnten.» Man bekomme «praktisch täglich Drohungen», so Zwinggi. Der sonst im Umgang mit Interna äusserst verschwiegene WEF-Direktor machte publik: «Morddrohungen sind an der Tagesordnung, es wurde ungemütlich.»

Der Zutritt zum Davoser Kongresszentrum als WEF-Hauptschauplatz ist streng überwacht. Ohne WEF-Ausweis setzt niemand auch nur einen Fuss in diese Sicherheitszone, und 2022 werden die Zugangsregeln noch um den Covid-Massnahmenplan erweitert. Bei den Durchführungen des Open Forum waren jeweils auch Sicherheitskräfte zugegen, doch die Türe der Aula stand allen offen. «Wir werden die Sicherheit nicht gewährleisten können», hielt Zwinggi zur Absage des Open Forums fest. Dies in Zusammenhang mit Verschwörungstheoretikern, dies, so Zwinggi, Leute, die WEF-Mitarbeitende «an Leib und Leben bedrohen». Zur Absage beigetragen haben aber auch «Hygienegründe», liess eine WEF-Sprecherin des Open Forum auf Anfrage wissen. Also im Klartext wegen den der Coronapandemie geschuldeten Gesundheitsvorkehrungen. Zwinggi kündigte an, dass man trotz dieses Wegfalls am WEF 2022 ein «Vehikel für den Dialog» finden werde.

Kommt neuer Bundeskanzler?

Wie Zwinggi an dem vom Verein Wissensstadt Davos organisierten und durch SRF-Moderator Urs Gredig geleitetem Podium informierte, erwarte man am WEF über 2000 Teilnehmende. Davon stammten rund 1300 aus der Wirtschaft, 250 bis 300 seien Regierungsvertreterinnen und -vertreter. «Das Bedürfnis an persönlichen Begegnungen ist sehr stark da», hielt Zwinggi zum Interesse am WEF fest, 35 Staatsoberhäupter aus allen Weltregionen hätten ihren Besuch schon angekündigt. Namen nannte Zwinggi noch keine, er liess aber durchblicken, dass China nicht so stark präsent sein werde. Die Frage von Radio Südostschweiz, ob der designierte deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz anreisen wird, blieb unbeantwortet. Als «extrem wichtiges Thema» des Jahrestreffens bezeichnete Zwinggi die wirtschaftliche Neuausrichtung, die Behandlung der Frage, wie es mit der Zukunft der Weltwirtschaft weitergeht.
(https://www.suedostschweiz.ch/wirtschaft/wef-streicht-wegen-heftiger-drohungen-das-open-forum)

-> https://www.blick.ch/wirtschaft/open-forum-abgesagt-morddrohungen-am-wef-id17018626.html
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/195289/
-> https://www.watson.ch/wirtschaft/schweiz/454652093-morddrohungen-von-verschwoerungstheoretikern-open-forum-am-wef-abgesagt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/wir-wollen-nicht-nur-lustig-sein?id=12097733 (ab 03:30)


+++POLICE BE
Polizeigewalt: Mehdi wird noch vor Prozessende abgeschoben
Mehdi wurde im Juni in Bern Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Statt Mehdi zu unterstützen, damit er sich juristisch gegen die Polizei wehren kann, liess der Berner Migrationsdienst den abgewiesenen Asylsuchenden gestern nach Deutschland abschieben. Dabei ist sein Prozess gegen die gewalttätigen Polizist*innen noch am laufen.
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/11/26/polizeigewalt-mehdi-wird-noch-vor-prozessende-abgeschoben/


+++POLIZEI DE
Aktion „Go Film the Police“: Der Dreh gegen Polizeigewalt
Eine Initiative will mit Videos die Beweislage bei Polizeiübergriffen verbessern. Beamte nehmen filmenden Zeugen gern das Handy ab – zu Unrecht.
https://taz.de/Aktion-Go-Film-the-Police/!5816907/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Ausschreitungen befürchtet: Bundeshaus wird am Sonntag abgeriegelt
Die Abstimmung übers Covid-Gesetz erregt die Gemüter. Die Frage ist: Würden die Gegner eine Niederlage akzeptieren? In sozialen Medien werden sie aufgerufen, nach Bern zu kommen. Die Polizei bereitet sich auf Ausschreitungen vor.
https://www.blick.ch/politik/ausschreitungen-befuerchtet-bundeshaus-wird-am-sonntag-abgeriegelt-id17018001.html
-> https://www.20min.ch/story/bundesplatz-wird-am-sonntag-wegen-demos-abgesperrt-391512254484



bernerzeitzung.ch 26.11.2021

Abstimmung über Covid-Gesetz: Bundesplatz wird am Sonntag erneut zur Sperrzone

Für Sonntag kursieren Demo-Aufrufe im Netz. Wie viele Leute effektiv nach Bern kommen, ist schwer abzuschätzen. Abgeriegelt wird das Bundeshaus so oder so.

Michael Bucher

Der Stadt Bern steht mit der Abstimmung über das Covid-Gesetz ein heikler Abstimmungssonntag bevor. So kursieren auf dem Messengerdienst Telegram Aufrufe zu einer Demonstration am Sonntagnachmittag. Zu Polizeitaktik und Sicherheitsdispositiv äussern sich die Stadt und die Kantonspolizei wie üblich nicht. Laut Bundeskanzlei soll jedoch einmal mehr der Bundesplatz mit einem Schutzzaun abgeriegelt werden, und zwar bereits ab 10 Uhr am Sonntagmorgen. Sie rechnet damit, dass ab 14 Uhr auch die Zufahrtstrassen gesperrt werden. Weiter soll auch die Bundesterrasse ab 10.30 Uhr zum Sperrgebiet werden.

«Mass-voll» will fernbleiben

Wie viele Massnahmenkritikerinnen und -kritiker effektiv in die Bundesstadt kommen werden, bleibt indes ziemlich vage. Tatsache ist jedoch, dass keine der einflussreichen Protestbewegungen den Demo-Aufruf teilt. Die Freiheitstrychler etwa geben in ihrem Telegram-Kanal an, nicht nach Bern zu kommen und stattdessen einen «eigenen privaten Anlass» durchzuführen. Auch die Bewegung «Mass-voll» will der Kundgebung fernbleiben. «Wir nehmen aus Prinzip nur an bewilligten Demos teil», sagt Co-Präsident Nicolas A. Rimoldi auf Anfrage.

Zur Frage, ob die Kundgebung am Sonntag unbewilligt ist, hält die Medienstelle der Stadtberner Sicherheitsdirektion lediglich fest, dass kein Gesuch eingereicht worden sei. Auch habe sich keine verantwortliche Person mit den Behörden in Verbindung gesetzt. Ob die Möglichkeit einer Spontandemo bestünde, beantwortet die Stadt nicht. Eine solche ist ohne Bewilligung möglich, wenn sie innerhalb von 48 Stunden nach einem «unvorhergesehenen Ereignis» durchgeführt wird. Eine Meldepflicht besteht jedoch trotzdem.

Beobachter in Stimmlokalen?

Unklar ist auch, ob sich an der Sonntagsdemo vor allem jene Kreise beteiligen, welche seit Wochen die Stimmung aufheizen, indem sie behaupten, die Behörden würden die Abstimmung zu ihren Gunsten manipulieren. Es wurde gar eine neue Onlineplattform ins Leben gerufen, die sich als Alternative zur staatlichen Auszählung der Stimmzettel präsentiert. Nichts von derartigen Verschwörungstheorien hält man etwa bei der Protestbewegung «Mass-voll». «Wir zweifeln das Abstimmungsresultat selbstverständlich nicht an, das ist keine Frage», meint Co-Präsident Rimoldi.

Diese von Einzelpersonen verbreiteten Zweifel an der Stimmenauszählung wirft die Frage auf, ob in den Stadtberner Stimmlokalen nun mit kritischen Beobachtern gerechnet wird. Bei der Stadtkanzlei seien keine solchen Ankündigungen eingegangen, sagt Regula Tschanz, Leiterin Wahlen, Abstimmungen und Ressourcen. Laut Gesetz ist die Auszählung von Wahlen und Abstimmungen öffentlich. «Interessierte Bürgerinnen und Bürger dürfen zuschauen, sich aber nicht daran beteiligen und die Arbeiten nicht stören», so Tschanz.
(https://www.bernerzeitung.ch/bundesplatz-wird-am-sonntag-erneut-zur-sperrzone-580094336507)



Schwurbel-Demo Grenchen:
-> https://twitter.com/farbundbeton


Schwurbeldemo Frauenfeld:
-> https://twitter.com/farbundbeton


Nach Schaffhausen ermitteln bereits fünf weitere Kantone: Zertifikatsbetrug weitet sich aus!
Der Zertifikatsbetrug in Schaffhausen ist womöglich kein Einzelfall. Inzwischen gibt es auch in fünf weiteren Kantonen Verdachtsmomente, die missbräuchlich Covid-Zertifikate für Impfgegner ausgestellt haben könnten.
https://www.blick.ch/schweiz/nach-schaffhausen-ermitteln-bereits-fuenf-weitere-kantone-zertifikatsbetrug-weitet-sich-aus-id17017389.html


Wüster Abstimmungskampf geht weiter: Hacker-Angriff auf Seite von Covid-Gesetz-Gegnern
Der Abstimmungskampf zum Covid-Gesetz wird zur Schlammschlacht. Vertreter beider Seiten werden mit Hasstiraden und Drohungen eingedeckt. Nun wurde die Website des Nein-Komitees gehackt und mit Ja-Animationen versehen.
https://www.blick.ch/schweiz/wuester-abstimmungskampf-geht-weiter-hacker-angriff-auf-seite-von-covid-gesetz-gegnern-id17019681.html


„Corona-Gurus“ im ORF-„Schauplatz“: Virusleugner und Geschäftemacher
Masseure, die das Virus leugnen, Globuli gegen Corona und Kräuter gegen negative Energie: Gudrun Kampelmüller hat sich in der boomenden Energetikerszene umgesehen – und deren Aussagen mit Experten besprochen
https://www.derstandard.at/story/2000131458393/corona-gurus-im-orf-schauplatz-virusleugner-und-geschaeftemacher?ref=rss


Die Corona-Gurus
Die Branche der Energetiker boomt – gerade in Zeiten der Pandemie. Ob, Raum-, Tier-, oder Humanenergetik, österreichweit gibt es derzeit rund 30.000 Gewerbetreibende, die bei der Wirtschaftskammer gemeldet sind. Globuli vor und nach der Impfung, die Reinigung der Aerosol-verschmutzten Räume mit Hilfe von Räucherwerk, oder herzstärkende Übungen im Wald nach Anleitung eines selbsternannten Covid-19-Spezialisten – die Angebote zur Stärkung des Immunsystems sind vielfältig. Waren es 2018 noch rund 18.000 gewerbetreibende Energetiker, so sind es 2021 schon fast 30.000. Viele davon versprechen einen komplementären oder alternativen Weg zur Impfung. In Zeiten von steigenden Inzidenzzahlen sind diese medizinischen Tipps heiß begehrt. Fakt ist, dass diverse Essenzen, Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminprodukte fast überall angeboten und gekauft werden, obwohl ihre Wirkung höchst umstritten ist. Am Schauplatz-Reporterin Gudrun Kampelmüller hat sich in der Energetikerszene umgehört und fragt: Wo beginnt dubiose Geschäftemacherei, wo wird es wirklich gefährlich und warum hat die Esoterik aktuell einen derartigen Zulauf? In der Reportage spricht sie mit Kritikern der „Fakemedizin“ und lässt Ärzte zu Wort kommen, die sich von der Schulmedizin abgewendet haben und nun auf alternative Methoden schwören.
https://tvthek.orf.at/profile/Am-Schauplatz/1239/Am-Schauplatz-Die-Corona-Gurus/14114395/Am-Schauplatz-Die-Corona-Gurus/15043265


Bekannter Schweizer Impfgegner wegen Covid im Koma
Der Schweizer Impfgegner und Verschwörungstheoretiker François de Siebenthal liegt wegen Covid auf der Intensivstation. Dies berichtet ein Angehöriger gegenüber Westschweizer Medien.
https://www.watson.ch/!256446312
-> https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/ploetzlich-verstummt-bekannter-schweizer-impfgegner-liegt-im-corona-koma-id17020583.html


«Wir wollen keine Nazis auf Luzerns Strassen»
Wann soll eine Demonstration verboten werden? Diese Frage wurde am Donnerstag im Luzerner Stadtparlament diskutiert. Anlass dafür waren Coronademos, bei welchen Rechtsextreme mit dabei gewesen sind. Die Schwelle für ein Demonstrationsverbot sei aber sehr hoch, argumentierte der Stadtrat.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/wir-wollen-keine-nazis-auf-luzerns-strassen?id=12096821


Kurz vor Abstimmung: Gegner des Covid-Gesetzes versammeln sich in Zuchwil
Die Gegner des Covid-19-Gesetzes versammelten sich am Freitagabend in Zuchwil. Mit einem Fackelzug wollten sie für ihr Anliegen werben. Die Demonstration war bewilligt.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/lebern-bucheggberg-wasseramt/treicheln-und-fackeln-kurz-vor-abstimmung-gegner-des-covid-gesetzes-versammeln-sich-in-zuchwil-ld.2219843


Illegale Demos in Aarau: Fackelumzug gegen Covid-Gesetz trifft auf Gegendemo
Am Donnerstagabend kam es in Aarau zu zwei illegalen Demos. Einerseits einem Fackelumzug von rund 50 Gegnern des Covid-Gesetzes. Anderseits einer Gegendemo mit rund 25 Personen. Mittendrin war der zukünftige Buchser Gemeinderat Reto Fischer.
https://www.telem1.ch/aktuell/illegale-demos-in-aarau-fackelumzug-gegen-covid-gesetz-trifft-auf-gegendemo-144478101
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/aaraubuchs-bald-gemeinderat-reto-fischer-erklaert-wieso-er-an-der-gegendemonstration-zum-corona-fackelzug-teilnahm-ld.2219798


Drohungen gegen Beamte nehmen zu
Im Kanton Thurgau hat sich die Zahl von Drohungen und Beleidigungen gegen Angestellte der kantonalen Verwaltung in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht. Im letzten Jahr registrierte der Kanton 62 Fälle, so viele wie noch nie. Dies schreibt die Regierung in einer Antwort auf eine Anfrage.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/drohungen-gegen-beamte-nehmen-zu?id=12097271


+++HISTORY
Der Bührle-Skandal erreicht das Bundeshaus
Das Debakel um die Sammlung des Kanonen¬königs im Zürcher Kunsthaus ruft das Parlament in Bern auf den Plan. Eine geplante Motion fordert eine nationale Experten¬kommission. Sie soll künftig helfen, strittige Besitz-ansprüche auf Kunst¬werke zu klären.
https://www.republik.ch/2021/11/26/der-buehrle-skandal-erreicht-das-bundeshaus


Die Chronik der Lethargie
Zivilgesellschaft, Experten und Journalisten kritisieren Zürichs posthumen Pakt mit einem Nazi-Kollaborateur – offizielle jüdische Stimmen fehlen.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/die-chronik-der-lethargie


Rassistische Inschriften an städtischen Häusern bleiben vorerst
Die Stadt Zürich will an zwei städtischen Liegenschaften im Niederdorf rassistische Inschriften abdecken lassen. Weil es dazu eine Baubewilligung braucht, bleiben die Inschriften vorerst weiterhin sichtbar. Infotafeln vor Ort weisen auf die Pläne der Stadt hin.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-rassistische-inschriften-an-staedtischen-haeusern-bleiben-vorerst-ld.2219905



tagesanzeiger.ch 26.11.2021

Kampf um InschriftenDie rassistischen Häusernamen dürfen bleiben – vorerst

Um Inschriften im Zürcher Niederdorf abzudecken, braucht es eine Baubewilligung. Die Befürworter befürchten eine lange Verzögerung.

Beat Metzler

Ihre Zeit schien schon abgelaufen. Doch nun dürfen sie bleiben, auf unbestimmte Dauer – die Inschriften im Zürcher Niederdorf, die das rassistische Wort «Mohr» (in diesem Text fortan «M-Wort») enthalten. Anfang April hat Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) angekündigt, zwei dieser Inschriften auf Ende Jahr zu entfernen. Doch daraus wird nichts. Die Stadt möchte die Häusernamen am Neumarkt 13 und an der Niederdorfstrasse 29 nur noch abdecken, nicht wegmachen.

Corine Mauch sieht darin die beste Lösung. «Damit brechen wir die Wirkung.» Gleichzeitig lasse die Stadt die Möglichkeit offen, dass künftige Generationen die Schilder anders beurteilen werden. «Wir sind uns bewusst, dass das nur die heutige Realität ist.»

Dieses Abdecken findet nicht sofort statt. Denn die beiden Häuser stehen unter strengem Denkmalschutz. Auch für kleine Veränderungen an der Fassade braucht es eine Baubewilligung. Das Gesuch dafür veröffentlicht die Stadt am 1. Dezember. Dadurch werden Einsprachen möglich gegen den Entscheid und ein Weiterzug bis vors Bundesgericht. Ein Baugesuch mache auch inhaltlich Sinn, sagt Corine Mauch. Es könne eine wichtige rechtliche Debatte auslösen. «Bei einem Rekurs müssen die Gerichte abwägen, welche Interessen mehr zählen.»

Damit doch nicht alles gleich bleibt wie bisher, hat die Stadt heute Freitag Infotafeln anbringen lassen neben den Inschriften. Diese sollen eine «kritische Auseinandersetzung» mit der kolonialen Vergangenheit ermöglichen. Ein QR-Code leitet auf eine Website zum Thema weiter. Weiter vergibt die Stadt einen Forschungsauftrag. Dieser soll die Geschichte der Inschriften aufarbeiten und zeigen, «wie sich die Bedeutung des M-Worts über die Zeit gewandelt hat». Die historischen Hintergründe seien wichtig, sagt Corine Mauch. «Sie ändern aber nichts an der heutigen demütigenden und rassistischen Wirkung des M-Wortes.» Weiter ist eine Ausstellung im Stadthaus geplant.

Kollektiv hält an Forderung fest

Das Kollektiv «Vo da», das die Entfernung Anfang 2020 angestossen hat, reagiert enttäuscht. «Das ist wieder ein Schritt zurück», sagt Mitgründer Dembah Fofanah. Der Widerstand nach der Ankündigung sei – neben vielen Unterstützungsbekundungen – heftig ausgefallen. «Viele scheinen die Entfernung als einen Angriff auf ihre Identität zu verstehen und an den rassistischen Inschriften zu hängen.» Daher geht Fofanah davon aus, dass es Rekurse geben wird gegen die Baugesuche. «Das dürfte die Abdeckung auf lange Zeit verschieben.»

Mit gewissen Verzögerungen könne das Kollektiv «Vo da» leben, sagt Fofanah. Was ihn stärker stört, ist der Forschungsauftrag, den die Stadt vergibt. «Damit suggeriert man, dass es eine Zeit gab, in der das M-Wort unproblematisch war», sagt Fofanah. Doch dies sei historisch nachweislich falsch. Die Beschreibung des Forschungsauftrags suggeriere weiter, dass die damaligen Hausbesitzer die Inschriften wohl nicht böswillig anbringen liessen. «Deren Absichten lassen sich aber kaum rekonstruieren, ausserdem machen sie gar keinen Unterschied», sagt er. Die Eigentümer hätten in einer Zeit gelebt, in der es Sklaverei gab, Kolonialismus, rassistische Gesetze, sogenannte Völkerschauen. «In einem derartigen Kontext kann man einen Begriff wie das M-Wort nicht unbelastet verwenden. So wie heute nicht.»

In der Schweiz bestehe offenbar ein grosses Bedürfnis, die Vergangenheit zu rechtfertigen und zu verteidigen, sagt Fofanah. «Dabei wird die Sicht von jenen, die der Rassismus bis heute benachteiligt, oft ausgeblendet.» Der Zürcher Stadtrat verurteile immer wieder jede Diskriminierung. «Aber man kann nicht beides haben: eine antirassistische Stadt und rassistische Zeichen an den Häusern.» Das Kollektiv «Vo da» werde sich weiterhin für deren Entfernung einsetzen.

SVP-Gemeinderat Stefan Urech hat die Pläne von Corine Mauch von Beginn weg bekämpft. Er deutet den neuen Entschluss als Eingeständnis, dass eine Entfernung übertrieben wäre. «Aber um es den Aktivisten recht zu machen, malt man jetzt mit dem Tipp-Ex darüber.» Urech findet auch das Abdecken falsch, weil das Wort «Mohr» nicht rassistisch sei. Dies habe die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) gegenüber der Stadt bestätigt. «Wenn man überall Rassismus wittert, verliert der Begriff an Bedeutung. Das ist kontraproduktiv.»

Eine Erforschung der Wortgeschichte begrüsst Stefan Urech. Er ist überzeugt, dass das Wort «Mohr» nichts mit Sklavenhandel zu tun hat. Allerdings bezweifelt er, dass Forschende, die von der Stadt bezahlt würden, neutral urteilen könnten. «Meistens kommt heraus, was der Auftraggeber will. Das wäre die Aufgabe unserer Hochschulen.»

Heimatschutz prüft Rekurs

Urech hofft, dass der Heimatschutz die Abdeckung juristisch bekämpft. Ob dies geschieht, sei noch offen, sagt Evelyne Noth, Präsidentin des Stadtzürcher Heimatschutzes. Dieser hatte den Stadtrat aufgefordert, die Fassadenänderung per Baubewilligung auszuschreiben. «Es geht uns um das korrekte baurechtliche Verfahren in diesem geschützten Gebiet. Zur Rassismusfrage äussern wir uns nicht», sagt Noth. Nun werde der Vorstand die Ausschreibung prüfen und danach über das weitere Vorgehen entscheiden. Zur Einsprache berechtigt sind auch Nachbarn.

Die beschlossenen Massnahmen betreffen Häuser, die sich im Besitz der Stadt befinden. Ein rassistisches Wandbild im Niederdorf ist hingegen auf einem privaten Haus angebracht. Dessen Eigentümerin hat sich grundsätzlich bereit erklärt, die frühere Werbegrafik zu übermalen. Die Details sind aber noch nicht geklärt.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-rassistischen-haeusernamen-duerfen-bleiben-vorerst-792736857525)



nzz.ch 26.11.2021

Der Begriff «Mohr» soll aus dem Zürcher Stadtbild verschwinden – der Stadtrat macht Ernst und plant die Abdeckung von Inschriften im Niederdorf

Der Zürcher Stadtrat wird in Sachen «M-Wort» aktiv. Die Resultate eines Forschungsauftrags zum historischen Kontext der Inschriften wartet er nicht ab.

Michael von Ledebur

Diese Absichtserklärung schlug im vergangenen Frühling hohe Wellen: Der Zürcher Stadtrat will die Hausbezeichnung «Mohr» auf städtischen Liegenschaften im Niederdorf tilgen. Und er will auf private Hausbesitzer einwirken, dasselbe zu tun.

Nun setzt der Stadtrat diese Grundsatzentscheidung um. Nach Prüfung verschiedener Varianten plant die Stadtregierung, zwei Inschriften abdecken zu lassen. «So sind die diskriminierenden Zeichen nicht mehr sichtbar, die historische Substanz bleibt aber erhalten», teilt er mit. Vor Ort sollen Info-Tafeln die Leute über die nicht mehr sichtbaren Inschriften aufklären – mit dem Ziel, «eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik zu ermöglichen und den Grund für die anstehende Abdeckung zu erklären». Ein QR-Code führe auf eine Website mit vertiefenden Informationen.

Baugesuch wird eingereicht

Die Info-Tafeln wurden bereits angebracht, die Abdeckung hingegen ist bewilligungspflichtig. Die beiden Liegenschaften liegen in der Kernzone Altstadt und befinden sich im kommunalen Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte. Das Baugesuch wird gemäss Stadtrat am kommenden Mittwoch, 1. Dezember, veröffentlicht.

Es handelt sich um die Liegenschaften am Neumarkt 13 und an der Niederdorfstrasse 29. «Zum Mohrenkopf» steht über der blauen Haustüre am Neumarkt 13. 400 Meter entfernt, an der Niederdorfstrasse 29, prangen in goldenen Lettern die Wörter «Zum Mohrentanz» über einem Türrahmen.

Den Schritt begründet der Stadtrat mit der Feststellung, das Wort habe eine rassistische Wirkung. Im vergangenen Frühling hatte sich indes gerade darum eine intensive Debatte entsponnen. Ist allein die Wirkung relevant? Oder ist doch die zeitgenössische Bedeutung wichtig, also die damalige Intention derjenigen, die die Häuser mit den entsprechenden Namen versehen haben? Diesbezüglich ist der Historiker Martin Illi zu dem Schluss gekommen, dass man von einem rassistischen Bezug der Hausnamen nicht sprechen könne.

Der Stadtrat hatte seinen damaligen Entscheid hingegen explizit auf einen Bericht einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe abgestützt, der sich mit dem «Umgang mit kolonialen Spuren im Stadtraum» auseinandergesetzt hatte und zu dem Schluss kam: Es sei unerheblich, wie ein Begriff einst gemeint war. Wichtig sei nur, wie er heute auf Leute wirke.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass der Stadtrat sich jetzt für die Klärung des historischen Kontextes interessiert. «Um aber die Geschichte der Inschriften genauer zu beleuchten», vergibt er einen Forschungsauftrag. Der Bericht soll Antworten darauf liefern, wann und wie die Häuser zu ihren Namen und Inschriften gekommen sind und wie sich die Bedeutung des Worts über die Zeit gewandelt hat.

Den Entscheid zur Entfernung macht der Stadtrat allerdings nicht von diesem Bericht abhängig, wie das eingereichte Baugesuch zeigt. Auch die Debatte im Stadtparlament wartet er nicht ab. Dort hatte es verschiedene Vorstösse zum Thema gegeben, hinter denen Politiker von SVP und FDP, aber auch von der GLP standen.

«Nicht mit Hammer und Meissel»

Stadtpräsidentin Corine Mauch (sp.) sagt, es werde ja noch etwas dauern, bis die Baubewilligung für die Abdeckung – eine Steinplatte ist eine mögliche Variante – vorliege. Womöglich habe bis dann auch die entsprechende Debatte im Stadtparlament stattgefunden. Es habe für den Stadtrat aber keinen Grund gegeben, nicht zu handeln, zumal er dies in seinem Kompetenzbereich tue.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, den historischen Kontext der Inschriften zu klären, ehe man den Entscheid zur Abdeckung fällt? Mauch verneint. «Es ging uns stets um die heutige rassistische Wirkung.» Der Anstoss zur Abdeckung sei ja von Dutzenden Bevölkerungsanliegen bezüglich der Inschriften gekommen. Aber die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei selbstverständlich wichtig. Deshalb gebe es jetzt diesen Forschungsauftrag.

Auf die Ankündigung im Frühling, die Inschriften zu entfernen, habe sie aus der Bevölkerung sehr emotionale Reaktionen erhalten, sagt Mauch. Es gebe die Angst, der Stadtrat wolle die Geschichtsschreibung verändern. Diese Befürchtung nehme man ernst – und dies sei mit ein Grund für die gewählte Form. «Eine Entfernung mit Hammer und Meissel wäre der falsche Ansatz.» Die Abdeckung erlaube es zukünftigen Generationen, zum Thema einen eigenen Umgang zu finden; es werde nichts definitiv zerstört.
(https://www.nzz.ch/zuerich/der-begriff-mohr-soll-aus-dem-zuercher-stadtbild-verschwinden-der-stadtrat-macht-ernst-und-plant-die-abdeckung-von-inschriften-ld.1657284)