Medienspiegel 13. November 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
(Vor 1 Jahr)
Wer ist schuld am Tod von Sezgin Dağ?
Am 13. November starb Sezgin Dağ, ein Überlebender des IS-Anschlags von Pirsûs, unter ungeklärten Umständen in der Schweiz. Angehörige und Weggefährten fordern eine umfassende Aufklärung und Schritte, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/wer-ist-schuld-am-tod-von-sezgin-dag-23479?fbclid=IwAR3Zy-ewqDT5Q11VIeeYJi3YKGnJwmA47zuHtGcC5pWIhe2zqlWvjVPhsKk
-> https://twitter.com/basel_nazifrei/status/1459646016303644673


+++THURGAU
tagblatt.ch 13.11.2021

Asylbewerber sollen Sozialhilfe doch nicht zurückerstatten müssen – Kommission des Grossen Rates krebst zurück

Überraschende Wendung in der Frage, ob von Asylbewerbern bezogene Sozialhilfe zurückgefordert werden darf. Der Grosse Rat sagte zuerst ja, überwies den umstrittenen Passus dann aber zurück an die Kommission. Und die meint nun: Nein.

Christian Kamm

Manchmal sind politische Mehrheiten da, um geändert zu werden. Noch im Juni votierte eine klare Mehrheit im Kantonsparlament gegen einen Antrag von SP-Kantonsrätin Marina Bruggmann, der in der Stossrichtung das verlangte, was die zuständige Kommission jetzt selbst vorschlägt. Für die Zeit, in der die Globalpauschale des Bundes für die Betreuung der Asylbewerber geflossen ist, soll es seitens der Gemeinden keinen Anspruch auf Rückerstattung von Sozialhilfe geben. 67 Parlamentarier votierten damals gegen Bruggmanns Antrag und nur 46 dafür.

Anlässlich der zweiten Lesung des Gesetzes im Juli begann die Stimmung zu kippen. Eine knappe Mehrheit (55 zu 51) stellte sich hinter den Vorstoss von Kantonsrat Turi Schallenberg (SP), wonach die vorberatende Kommission in dieser Frage nochmals über die Bücher gehen müsse. Am Freitag hat diese nun ihr Resultat vorgelegt, das innerhalb der Kommission mit grosser Mehrheit beschlossen worden ist (12 Ja, 1 Nein, 1 Enthaltung).

Weitere Prozesse verhindern

Woher dieser Sinneswandel in einer Angelegenheit, die im Thurgau schon zu einigen Gerichtsverfahren geführt hat, weil sich betroffene Asylbewerber gegen die Rückzahlungsforderung von Gemeinden wehrten? Antwort: Zu einem gewichtigen Teil aus Angst vor neuen Prozessen. Was ursprünglich geplant gewesen sei, hätte zu mehr Gerichtsfällen geführt, zeigt sich Schallenberg auf Anfrage überzeugt: «Die Juristen standen schon parat.»

Und auch der Arboner Stadtpräsident Dominik Diezi (Mitte) sagt, dass man sich nicht gleich die nächsten Streitfälle habe einhandeln wollen. Zudem soll absurden Rückforderungsbegehren ein Riegel geschoben werden. «Alle hoffen nun, dass wir eine Lösung gefunden haben, die ‹verhebt›.» Darüber hinaus fliesse die Globalpauschale des Bundes jetzt dorthin, wo sie auch hinfliessen sollte. Im Klartext: Neben dem Verzicht auf die Rückerstattung von Sozialhilfe wird im Gesetz explizit festgehalten, dass die Globalpauschalen im Asylbereich Staatsbeiträge sind und nicht auf dem jeweiligen Klientenkonto der Asylbewerber verbucht werden.

An detaillierter Regelung gescheitert

Wie der Kommissionsbericht illustriert, hat das Gremium seine Kehrtwende nicht übers Knie gebrochen. Vielmehr wurde intensiv nach einer Lösung gesucht, um doch noch eine Rückerstattungsregelung in detaillierter Form aufzugleisen. In der Folge lag ein komplizierter Paragraf mit nicht weniger als sechs Absätzen auf dem Tisch, der dann offenbar selbst grundsätzliche Anhänger einer Rückerstattungspflicht nicht zu überzeugen vermochte.

In den Gemeinden gebe es in diesem Bereich sehr unterschiedliche Buchhaltungsansätze, über die man nicht einfach mit richtig oder falsch urteilen könne, räumt Diezi ein. «Wir wollten nicht über Gebühr in die Gemeindeautonomie eingreifen.»

Deshalb habe sich die Kommission letztlich für eine schlanke Regelung auf Gesetzesstufe entschieden. «Das Ganze war auch ein Lernprozess.»

Eine Zusatzschlaufe gebraucht

Dass SP-Kantonsrat Schallenberg glücklich ist mit dem, was jetzt aufgegleist ist, versteht sich von selbst. Schliesslich sei man inhaltlich wieder bei dem, was bereits Marina Bruggmann gefordert habe. «Man hat einfach eine Zusatzschlaufe gebraucht.»

Die Schlacht in der Kommission ist damit geschlagen. Doch im Grossen Rat wartet bereits die nächste Runde. Wird das erneut zu einer knappen Angelegenheit? Dominik Diezi glaubt: «Es wird noch kritische Stimmen geben.»

Die Kommission habe aber eine sorgfältige rechtliche Auslegeordnung gemacht. Deshalb gehe er davon aus, dass das im Parlament grossmehrheitlich als gangbarer Weg gesehen werde.

Auch Schallenberg rechnet weiter mit einem gewissen Anteil Fundamentalkritik. «Aber ich bin zuversichtlich.» Nicht zuletzt, weil diese pragmatische Lösung aus den Reihen der ursprünglich sehr kritischen SVP in die Kommission eingebracht worden sei. «Das hilft enorm.»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/thurgau-asylbewerber-sollen-sozialhilfe-doch-nicht-zurueckerstatten-muessen-kommission-des-grossen-rates-krebst-zurueck-ld.2213762)


+++POLEN/EU/BELARUS
-> https://www.srf.ch/news/international/belarus-polen-lukaschenko-schickt-hilfe-fuer-migrantenkinder-ins-grenzgebiet
-> https://twitter.com/HannaLiubakova
-> https://www.tagesanzeiger.ch/sie-campieren-in-der-kaelte-zwischen-zwei-reihen-aus-soldaten-920388594150
-> https://www.nau.ch/news/europa/weitere-leiche-in-polens-grenzgebiet-zu-belarus-entdeckt-66043857
-> https://www.tagesschau.de/investigativ/irak-belarus-fluechtlinge-101.html
-> https://taz.de/Migrationsexpertin-zum-Belarus-Konflikt/!5815104/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158568.konflikt-zwischen-polen-und-belarus-im-dunklen-versteckwald.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158570.fluechtlinge-an-der-polnisch-belarussischen-grenze-vor-sechs-jahren-waere-das-nicht-denkbar-gewesen.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158577.solidaritaet-fuer-fluechtlinge-warme-socken-als-willkommensgeschenk.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158563.gefluechtete-das-wahre-gesicht-der-eu.html
-> https://de.euronews.com/2021/11/13/lage-in-kuznica-hifsorganisationen-kritisieren-regierung-in-warschau
-> https://www.spiegel.de/ausland/syrische-fluggesellschaft-stellt-fluege-nach-minsk-ein-a-ec91abb2-45b5-4a69-a046-28cd8b019007?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss


+++GRIECHENLAND
Griechenland: Was und wie darf Journalismus fragen?
Eklat bei Pressekonferenz: Wer über Pushbacks reden will, beleidigt angeblich das griechische Volk. Eine niederländische Journalistin bekommt dafür einen Shitstorm der Extraklasse
https://www.heise.de/tp/features/Griechenland-Was-und-wie-darf-Journalismus-fragen-6266178.html


+++GASSE
solothurner.ch 13.11.2021

Oltner Suchthilfe-Chefin über Randständige: «Man darf den Glauben an solche Menschen nicht verlieren»

Ursula Hellmüller ist Geschäftsführerin der Suchthilfe Ost. Sie setzt sich täglich mit den Randständigen in der Oltner Kirchgasse auseinander, die jüngst für Schlagzeilen in der Stadt sorgten. Im Interview erzählt sie, welche Lösungsansätze vielversprechend sind und was ihre Institution dazu beitragen könnte.

Interview: Fabian Muster

Die Randständigen in der Oltner Kirchgasse sorgen beim Gewerbe, bei der christkatholischen Gemeinde, aber auch bei Teilen der Bevölkerung für rote Köpfe: Konsum von harten Drogen und Alkoholika, Bettelei, Pöbeleien, Lärm. Wie schätzen Sie als Leiterin der Suchthilfe Ost die Lage ein?

Ursula Hellmüller: Wir wissen von der Polizei, dass es nicht alleine die Randständigen sind, welche in der Kirchgasse für die von Ihnen erwähnten Probleme sorgen, sondern auch Jugendliche; es kommt auch zu Provokationen, wenn die beiden Lager aufeinandertreffen. Bei den Randständigen ist das Hauptproblem in meinen Augen immer noch der Alkohol und nicht etwa die harten Drogen – das einzige, was in diesem Zusammenhang nicht geht, sind natürlich die liegengelassenen Spritzen auf den öffentlichen WCs.

Wie sehen Sie und Ihre Mitarbeitenden diese Menschen, mit denen Sie fast täglich zu tun haben?

Wir haben sie gerne und finden, es sind nette Menschen – mehrheitlich (lacht): Es kommt natürlich auf ihren Zustand und ihre Tagesform an. Die Wahrnehmung ist für uns aber schon eine ganz andere: Es gibt schillernde Figuren darunter und sehr liebenswürdige Personen. Auf der Suchthilfe erleben wir es praktisch nie, dass wir beispielsweise beschimpft werden. Wenn mich jemand beschimpft, bin ich nicht beleidigt, sondern sehe das zuerst einmal als ein in Beziehung treten an. Ganz selten kommt es vor, dass zwei Personen aufeinander losgehen. Wir haben bei uns wirklich kaum Vorfälle.

Die Randständigen selbst haben sich in dieser Zeitung zu ihrer Situation geäussert. Sie sagen, nur wenige Personen sind verantwortlich für das schlechte Bild in der Kirchgasse. Wie sehen Sie das?

Das sehe ich genauso – ich sehe übrigens vieles ähnlich wie die Randständigen selbst. Dieser Zeitungsartikel zeigt mir, dass dies Menschen sind, die die Situation zum Teil sehr differenziert wahrnehmen und eine gute Beobachtungsgabe haben. Wenn wir sie einbeziehen würden, kämen wir wahrscheinlich auf bessere Lösungen, als wenn wir ständig versuchten, für sie zu denken. Es sind tatsächlich wenige, die nicht einmal an einer ganzen Hand abzuzählen sind, die sich auffällig benehmen sowie für Aussenstehende unangenehm und bedrohlich wirken können. Es ist schade, dass wegen einzelner Personen alle anderen Randständigen ins schlechte Licht gerückt werden. Das sind zum Teil die gleichen Leute, die auch bei uns Hausverbot haben – aktuell sind es deren zwei. Dies kommt selten vor und wird ausgesprochen, wenn gröbere Gewaltanwendungen festgestellt oder in der Gassenküche gedealt wurde. Sie dürfen dann erst wieder bei uns auftauchen, wenn die Einsicht bei den Betroffenen da ist, und sie ein Gespräch mit der Leiterin der Stadtküche verlangen. Solche Hausverbote sind aber meistens in zwei Wochen vorbei.

Welche Lösung sehen Sie für einzelne, sehr auffällige Personen?

Wenn solche Leute auf die Hilfsangebote nicht einsteigen, die sie erhalten, dann gibt es zuerst Wegweisungen durch die Polizei. Wenn die Situation eskaliert, dann erhält die Person eine fürsorgliche Unterbringung und wird in eine Klinik eingewiesen. Es existieren aber überall Leute, die unser System sprengen und nicht auf unsere Angebote ansprechen. Bei solchen Menschen besteht meiner Meinung nach keine andere Möglichkeit, als sie zu ertragen und irgendwie mitzunehmen. Man darf den Glauben an solche Menschen nicht verlieren, dass irgendwann der richtige Moment kommt; gleichzeitig müssen wir ihnen klar die Grenzen aufzeigen, dass gewisse Verhaltensweisen nicht akzeptiert werden können.

Der Konsum von harten Alkoholika und Drogen mitten auf der Kirchgasse und in den öffentlichen WC-Anlagen ist immer wieder ein Thema. Wie sehen Sie das?

Das ist so. Die Gruppe Sicherheit Intervention Prävention, kurz SIP, die seit Anfang Jahr in Zweiergruppen in der Stadt unterwegs ist, hat dies mehrfach beobachtet und bestätigt. Ich schätze die Situation aber nicht ganz so dramatisch ein, wie sie von gewissen Leuten aus dem Gewerbe oder der Bevölkerung gesehen wird – mir ist die Zeit vom Platzspitz in Zürich noch gegenwärtig. Aber ich heisse die Situation natürlich nicht gut. Egal, ob das jetzt Kinder sind oder Erwachsene, die zum Beispiel solche Spritzen auf den WCs antreffen – das sollte nicht vorkommen, aber geschieht trotzdem. Wenn dies störend ist für eine Mehrheit, dann muss hier etwas dagegen unternommen werden.

Welchen Vorschlag haben Sie?

Bei uns in der Kontakt- und Anlaufstelle gibt es einen geschützten Raum, in dem zum Beispiel Drogen mit sauberen Spritzen konsumiert werden können. Das Problem ist allerdings: Menschen, die nicht aus dem Einzugsgebiet unserer Gemeinden stammen, dürfen wir nicht aufnehmen. Das würde ich gerne ändern respektive diese Ausgrenzung aufheben. Bei uns wären dann alle willkommen – zugleich müssten sie ihre Personalien nicht mehr angeben. Der Preis wäre natürlich, dass beispielsweise manchmal auch Aargauer zu uns kämen. Mit der heutigen Mobilität sind Kantonsgrenzen aber viel durchlässiger geworden. Trotzdem würde es dank dieser Lockerung immer noch Leute geben, die auf der öffentlichen Toilette ihre Spritze setzten.

Einen Grund nannten die Randständigen selbst: Sie laufen Gefahr, dass sie von der Polizei angehalten werden, wenn sie mit dem gekauften Stoff von der Innenstadt zur Suchthilfe-Zentrale unterwegs sind.

Das habe ich nicht gewusst. Dies müsste man zwingend mit der Polizei klären, damit solche Vorkommnisse künftig verhindert werden. Denn einerseits werden die Süchtigen so doppelt bestraft: Sie haben danach keinen Stoff mehr und müssen erst noch eine hohe Busse bezahlen – das nötige Geld fehlt ihnen eigentlich dazu. Andererseits wird uns als Suchthilfe verwehrt, unserem Job nachzugehen, weil wir nicht mit den Randständigen in Kontakt kommen, wenn sie mit dem Stoff nicht bis zu uns gelangen.

Was würden Sie der Polizei vorschlagen?

Zum einen müssten wir die Abmachung treffen, dass die Polizei die Süchtigen in Ruhe lässt, wenn diese von der Innenstadt zur Suchthilfe unterwegs sind. In unseren Räumlichkeiten werden die Randständigen jetzt schon nicht kontrolliert – ausser die Polizei sucht jemanden wegen eines schweren Verbrechens: In solchen Fällen melden sie sich aber vorgängig bei uns, und wir können die Betroffenen direkt darauf ansprechen. Zum anderen sind unsere Klientinnen und Klienten nicht diegrossen Drogendealenden: Es wäre besser, wenn die Polizei sie ganz grundsätzlich in Ruhe liesse, solange sie nicht in Verbrechen involviert sind.

Man könnte auch sagen, dass die Suchthilfe mit ihrer Kontakt- und Anlaufstelle an der Aarburgerstrasse zu weit weg vom Geschehen ist und näher beim Zentrum sein müsste, wo sich die Randständigen aufhalten.

Das wäre eine andere Strategie, der ich zwar grundsätzlich nicht verschlossen bin – ich habe aber trotzdem meine Zweifel. Den Standort der Suchthilfe hier finde ich nämlich ausgesprochen gut. Zur Altstadt ist es nicht weit. Bei uns halten sich pro Tag mehr Leute auf als in der Kirchgasse, nämlich durchschnittlich deren 35. Wenn wir unseren Standort dorthin verlegen würden respektive mit einem Container vor Ort wären, wären diese 35 Süchtigen zusätzlich in der Kirchgasse: Ich zweifle, dass das die Bevölkerung und das Gewerbe goutieren würde. Zudem haben wir auch die Aufgabe, den öffentlichen Raum zu entlasten. Das gelingt uns besser, wenn unser Standort nicht mittendrin ist. Die Toleranzgrenze wäre nämlich in der Nähe der Altstadt sicher tiefer als an einer vielbefahrenen Achse wie der Aarburgerstrasse. Ausserdem ist es hier für viele Klientinnen und Klienten anonymer: Sie können herkommen, ohne dass dies alle sehen.

Das heisst, von einer Container- Lösung in der Innenstadt, wie dies an der Podiumsdiskussion Ende Oktober vorgebracht wurde, halten Sie nichts?

Die Immissionen wären im Stadtzentrum vielleicht noch grösser: Denn auch dann könnten wir den Randständigen nicht vorschreiben, dass sie sich nur bei uns rund um den Container und nicht in der Kirchgasse aufhalten dürfen. Bessere Chancen rechne ich mir für ein mobiles Angebot wie einem Bus oder Camper aus. Das Gute daran: Wenn sich Gruppierungen an einen anderen Ort verschieben, etwa in die Schützi, wäre man flexibel. Diese Möglichkeit gäbe es mit einem stationären Angebot nicht.

Der Stadtrat liess auch die Idee prüfen, eine aufsuchende Sozialarbeit mithilfe Ihrer Organisation einzuführen. Das kam aber nicht zustande.

Das war vor meiner Zeit (Anmerkung der Redaktion: Ursula Hellmüller ist seit August 2020 bei der Suchthilfe tätig). Ich glaube, die Idee einer aufsuchenden Sozialarbeit war damals politisch in Olten noch nicht reif genug, die SIP bisher das höchste der Gefühle. Ich bin aber ein Fan der aufsuchenden Sozialarbeit: Diese Leute sind reine Sozialarbeitende, haben keine Weste an und keine «halbrepressiven» Aufgaben. In Zürich, wo ich vor meiner Zeit in Olten lange gelebt habe, gibt es die SIP und die aufsuchende Sozialarbeit, die Hand in Hand zusammenarbeiten. In Olten bin ich mir nicht sicher, ob eine SIP wirklich das richtige Mittel ist für eine Kleinstadt und ob nur eine aufsuchende Sozialarbeit nicht die bessere Alternative wäre. Der Frust beim Gewerbe und in Teilen der Bevölkerung ist da, weil die Probleme mit den Randständigen in der Kirchgasse nicht einfach verschwunden sind – und diese werden nicht einfach so verschwinden, egal was getan wird. Die Probleme könnten aber abnehmen, falls über die Jahre etwas wachsen würde.

Das heisst, es bräuchte in Olten zwingend respektive eher so etwas wie eine aufsuchende Sozialarbeit als eine SIP?

Das erste wäre ideal; eine reine aufsuchende Sozialarbeit ist sicher die beste Lösung, etwa in Verbindung mit einem mobilen Angebot wie einem Bus. Ich will mich aber nicht gegen die SIP aussprechen, das wäre falsch – weil dann das, was sie bisher erreicht hat, auch zunichte gemacht würde.

Wie sieht denn Ihr Fazit der SIP-Patrouillen aus, die seit Anfang Jahr in der Stadt unterwegs sind und dafür sorgen sollen, dass verhaltensauffällige Personen in der Öffentlichkeit sich besser benehmen?

Die SIP findet zum einen heraus, wo überhaupt die Probleme liegen, etwa dass auch Personen ausserhalb unseres Einzugsgebiets sich in der Kirchgasse aufhalten, aber nicht zu uns in die Suchthilfe kommen dürfen. Andererseits ist die SIP so etwas wie ein Fremdkörper, der für eine kurze Zeit eingeflogen wird. Seitens Gewerbe wurden bereits Wünsche laut, dass die SIP ständig vor Ort sein soll. Aber aus meiner Sicht ist es nicht der richtige Ansatz, immer dafür zu sorgen, dass die Probleme aus dem Weg geschafft werden – nur damit ich nicht angebettelt werde, wenn ich ins Coop City einkaufen gehe. Viel klüger wäre es, bei der Not dieser Menschen anzusetzen und dafür zu sorgen, dass sie das Betteln nicht mehr nötig hätten. Oder mit den Randständigen Projekte angehen, damit sie sich auch einmal von einer anderen Seite zeigen könnten.

Die christkatholische Gemeinde geht nun aber mit einem repressiven Ansatz voran: Sie will per gerichtlichem Verbot mehr Ordnung in der Stadtkirche und auf dem Kirchensockel schaffen. Künftig untersagt sind Littering, freilaufende Hunde oder laute Musik. Was halten Sie davon?

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass der Nutzen von Verboten nicht so gross ist, wie man gemeinhin vielleicht annimmt. Jemand muss ein Verbot einsehen, damit man etwas nicht tut. Und ich bin skeptisch, ob dies bei einer Mehrheit der Fall sein wird. Oder die Randständigen verbringen ihre Zeit einfach zwei Meter neben dem Kirchensockel. Das heisst: Ich bin nicht sicher, ob das Verbot viel bringt. Aber vielleicht ist es einen Versuch wert. Es braucht wahrscheinlich einen Mix an Massnahmen, darunter könnten auch repressive sein. Falsch finde ich hingegen, dass die Bussen bis zu 2000 Franken betragen dürfen. Das trifft Leute hart, die sonst schon kaum genügend Geld zum Leben haben.

Das führt uns zur allgemeinen Frage: Die Drogen, welche die Randständigen konsumieren, sind ausser Alkohol alle eigentlich verboten. Würde eine Lockerung dieses Verbots zur Entschärfung der Situation beitragen?

Aus meiner Sicht ja. Es geht grundsätzlich um eine Schadensminderung und nicht um eine völlige Schadensvermeidung. Ich bin eine absolute Verfechterin einer Legalisierung – aber inklusive einer Regulierung aller Substanzen. Die Schweiz hat positive Erfahrungen mit der Heroinabgabe unter staatlicher Aufsicht gemacht: Die Süchtigen erhalten ihren Stoff ohne Streckmittel und sonstige schädlichen Inhaltsstoffe; den Dealenden, die sich auf Kosten der Gesundheit anderer bereichern, wird so der Markt entzogen. Zudem erhält die Polizei mehr Ressourcen, um sich anderen Aufgaben zuzuwenden, weil sie nicht mehr die Drogensüchtigen filzen muss. Nicht zuletzt hätte unsere Pharmaindustrie einen lukrativen Auftrag. Aber wahrscheinlich ist die Zeit für eine solche Idee politisch noch nicht reif.



Die Suchthilfe Ost hat ein breites Angebot für Betroffene aus sechs Bezirken im Kanton Solothurn

Die Suchthilfe Ost bietet Menschen und deren Umfeld Begleitung und Unterstützung bei Suchtproblemen wie Alkohol, Drogen und Rauchen an – dies kostenlos und anonym. Einzugsgebiet sind die Gemeinden der Bezirke Olten, Gösgen, Thal, Gäu sowie Dorneck und Thierstein. Beim Hauptsitz in Olten an der Aarburgerstrasse 63 gibt es neben der Verwaltung auch die Kontakt- und Anlaufstelle für Suchtbetroffene, die Stadtküche, wo täglich bis zu 30 Mahlzeiten zu einem günstigen Preis verkauft werden, aber auch einen Raum zur Konsumation von harten Drogen. Das Bier der einheimischen Brauerei Drei Tannen mit reduziertem Alkoholgehalt ist in der Stadtküche für 60 Rappen ebenfalls erhältlich. «So kommen wir mit den Klientinnen und Klienten in Kontakt und haben gleichzeitig den Bierkonsum im Blick», sagt Suchthilfe-Leiterin Ursula Hellmüller. Eigenes Bier darf seit diesem April nicht mehr mitgenommen werden. In allen Räumen darf allerdings geraucht werden. Neben dem Hauptsitz in Olten gibt es Standorte in Balsthal, Dornach und Breitenbach mit einem eingeschränkten Unterstützungs- und Beratungsangebot. Insgesamt sind bei der Suchthilfe Ost derzeit 36 Personen in 2920 Stellenprozenten tätig. Das Budget betrug im vergangenen Jahr 3,75 Millionen Franken. Drei Viertel des Aufwands wird durch den Kanton getragen. Die restlichen Kosten müssen über die eigenen Projekte gedeckt werden, die über kantonale und nationale Fonds finanziert werden. Besitzer der Suchthilfe Ost GmbH ist der Regionalverein Olten-Gösgen-Gäu. Ebenfalls eine Beteiligung halten der Verein Region Thal, die Sozialregion Dorneck und der Zweckverband Sozialregion Thierstein. (fmu)



Ursula Hellmüller, Co-Geschäftsführerin Suchthilfe Ost

Ursula Hellmüller startete im August 2020 als Co-Geschäftsführerin der Suchthilfe Ost. Die 54-Jährige ist mittlerweile alleinige Chefin, da die bisherige Co-Leiterin Esther Altermatt vor ihrer geplanten Pensionierung im Jahr 2022 Verantwortung abgeben wollte und derzeit noch als Stellvertreterin amtet. Hellmüller ist ausgebildete Sozialarbeiterin und hat sich dann in Supervision, Coaching und Organisationsberatung weitergebildet. Sie hat Berufserfahrung in der operativen Leitung von Unternehmen, unter anderen als Geschäftsführerin der Plattform Glattal im Kanton Zürich und in ambulanten wie auch stationären Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens. Seit Beginn ihrer Berufskarriere war Hellmüller immer wieder im Suchtbereich tätig, besonders im Bereich der Schadensminderung. Fünf Jahre war sie zudem als Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz an der Hochschule für Soziale Arbeit tätig. Die gebürtige Baslerin wohnt heute in Olten. (fmu)
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/region-olten-suchthilfe-chefin-ueber-randstaendige-man-darf-den-glauben-an-solche-menschen-nicht-verlieren-ld.2213552)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
À Genève : autorisation rime avec répression
La Coordination genevoise pour le droit de manifester (CGDM) s’est créée en 2019 afin de répondre à la régression du droit fondamental à la liberté de réunion pacifique observée au cours de la décennie qui a suivi l’entrée en vigueur de la Loi sur les manifestations sur le domaine public (LMDPu). La CGDM s’est constituée en association en mars 2021 afin de pérenniser son action.
https://renverse.co/infos-locales/article/a-geneve-autorisation-rime-avec-repression-3303


+++POLICE CH
Polizei erklärt die Techniken: Deshalb sehen Festnahmen so brutal aus
Immer wieder machen Bilder von brutalen Festnahmen die Runde. Viele Menschen fragen sich, ob das noch verhältnismässig ist. Blick TV wollte von der Berner Polizei wissen, wie sie bei Festnahmen vorgeht und warum einige Aufnahmen so heftig aussehen.
https://www.blick.ch/video/aktuell/polizei-erklaert-die-techniken-deshalb-sehen-festnahmen-so-brutal-aus-id16983223.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Streit unter Richtern: Swisscoy-Offizier schockte mit Hitlergruss – bis heute straffrei
Seit vier Jahren debattieren die Richter, ob der Thurgauer Leutnant M.N.* mit seinen Nazigesten gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen hat. Nun soll das Gesetz verschärft werden.
https://www.blick.ch/politik/streit-unter-richtern-swisscoy-offizier-schockte-mit-hitlergruss-bis-heute-straffrei-id16984975.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/gesetz-aendern-nazigeste-bestrafen-verbietet-den-hitlergruss-id16985250.html
-> https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/nach-hitlergruss-eines-thurgauer-offiziers-strafgesetz-soll-verschaerft-werden-00168966/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Vor dem SRF: Mehrere Hundert demonstrieren gegen Corona-Berichterstattung in den Medien
Am Samstagnachmittag haben sich mehrere hundert Massnahmen-Gegner vor dem Schweizer Radio und Fernsehen SRF in Zürich Oerlikon zu einer Kundgebung versammelt. Zu der bewilligten Demonstration hatte die Studentenbewegung “Bildung für Alle” aufgerufen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/massnahmen-gegner-vor-dem-srf-mehrere-hundert-demonstrieren-gegen-corona-berichterstattung-in-den-medien-ld.2214125
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-hunderte-massnahmengegner-in-oerlikon-zh-versammelt-66043999
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/hunderte-personen-demonstrieren-in-zuerich-gegen-corona-massnahmen-00168950/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/clubgaenger-verschmaehen-die-erste-lange-nacht-der-impfung?id=12088919 (ab 03:34)
-> https://twitter.com/farbundbeton
-> https://twitter.com/CovidiotenCH


DEMO BERN:
-> https://twitter.com/CovidiotenCH
-> https://twitter.com/Becher79928642/status/1459546642391179264


Covid-Gesetz und die Sportszene: Ein Milliardärs-Paar bekämpft das Covid-Gesetz – und trifft den Sport
Urs Wietlisbach, der mit seinem Geld das Covid-Gesetz bekämpft, ist zugleich Co-Präsident der Sporthilfe. Bisher sorgte das Engagement des Milliardärs vor allem in der Hochfinanz für Knatsch. Nun wirbelt die Kontroverse auch in der Schweizer Sportszene Staub auf.
https://www.blick.ch/wirtschaft/covid-gesetz-und-die-sportszene-ein-milliardaers-paar-bekaempft-das-covid-gesetz-und-trifft-den-sport-id16985004.html


Darum schreien Demonstranten in Zürich auf Französisch
Bei Demos in der Deutschschweiz werden vermehrt französische Begriffe wie «Résistance» oder «Liberté» gerufen. Das hat seine Gründe, wie ein Experte erklärt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/darum-schreien-demonstranten-in-zurich-auf-franzosisch-66039295


Viola Rossi von «Mass-Voll»: Sie schrie Polizisten an – jetzt tritt sie in der «Arena» auf
Am Freitag wird «Mass-Voll»-Co-Präsidentin Viola Rossi wohl in der SRF-«Arena» auftreten. Das sorgt bereits im Vorfeld der Sendung für Zoff.
https://www.20min.ch/story/sie-schrie-polizisten-an-jetzt-tritt-sie-in-der-arena-auf-419998235766


Impfen? Nein, danke – deutschsprachige Regionen haben ein Problem mit der Spritze
Die Schweiz ist im Vergleich zu anderen Ländern Westeuropas Schlusslicht beim Impfen. Gemeinsam mit Österreich und Deutschland. Gründe für diese germanische Impfskepsis gibt es viele.
https://www.watson.ch/!195039641


Liberté – oder: die Freiheit, die wir meinen
Kaum ein Begriff ist ideologischer aufgeladen als jener der Freiheit. Und kaum einer wird schamloser missbraucht. Auch jetzt wieder in den Debatten um das Covid-19-Gesetz. Versuch einer Klärung.
https://www.tagblatt.ch/meinung/wochenkommentar-liberte-oder-die-freiheit-die-wir-meinen-ld.2212969


United States of Switzerland
Der anstehende Wahlbetrug in der Schweiz hat die Schwurbler gezwungen, amerikanische Verstärkung in die Eidgenossenschaft zu holen.
https://www.youtube.com/watch?v=3koP0EL-Gi4


+++HISTORY
“Ein Affront” – Forschende kritisieren Kunsthaus Zürich
“Ein Affront gegenüber potenziellen Raubgut-Opfern”: Die Stiftung der Bührle-Sammlung und das Kunsthaus Zürich sehen sich mit heftiger Kritik von ehemaligen Mitgliedern der Bergier-Kommission konfrontiert.
https://www.swissinfo.ch/ger/schweiz-sammlung-buehrle-nazi-raubkunst-provenienzforschung-kunsthaus-zuerich-affaere/47106124


Erlebnisse eines Schwarzen – Als Schwarzer im Bern der 50er-Jahre: «Alle starrten mich an»
Vincent Carter gilt als erster Schwarzer, der in Bern lebte. Sein Erlebnisse schrieb er auf. Noch heute hallen sie nach.
https://www.srf.ch/news/schweiz/erlebnisse-eines-schwarzen-als-schwarzer-im-bern-der-50er-jahre-alle-starrten-mich-an


Auch Basler wurden mit Sklavenhandel reich – doch die historischen Fakten drangen nie ins Bewusstsein der Bevölkerung
Nach einem Stadtrundgang mit einem Sklavenforscher sieht unser Autor die Stadt Basel anders – und dass an den schönsten Patrizierhäusern Blut klebt.
https://www.tagblatt.ch/leben/geschichte-auch-basler-wurden-mit-sklavenhandel-reich-doch-die-historischen-fakten-drangen-nie-ins-bewusstsein-der-bevoelkerung-ld.2213432