Medienspiegel 12. November 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++ZÜRICH
Kein Vergessen #1 | Die Geschichte von Oleg N.
Am 12.11.2012 beging Oleg N., ein queerer Russe, im Flughafengefängnis Zürich Selbstmord, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war.
https://barrikade.info/article/4820


+++SCHWEIZ
Was es heisst als «Abgewiesen» in der Schweiz zu leben
Es ist Freitag und somit Zeit für unsere akustische Kolumne, den Radioblog. Heute zu Gast ist Mahtab Aziztaemeh, sie macht sich Gedanken über die Situation von abgewiesenen Asylsuchenden in der Schweiz.
https://rabe.ch/2021/11/12/was-es-heisst-als-abgewiesen-in-der-schweiz-zu-leben/


+++POLEN/EU/BELARUS
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/migration-fluechtlingsstreit-belarus-un-sicherheitsrat-horst-seehofer
-> https://www.derstandard.at/story/2000131098929/unhcr-bietet-belarus-unterstuetzung-an?ref=rss
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/belarus-alexander-lukaschenko-russland-russische-regierung-polen
-> https://www.derstandard.at/story/2000131101692/tuerkei-kappt-nach-eu-sanktionsdrohung-fluege-nach-belarus?ref=rss
-> https://www.nau.ch/news/europa/sprecher-8000-fluchtlinge-aus-iraks-kurdengebieten-sitzen-fest-66043064
-> https://www.srf.ch/news/international/fluechtlingsdrama-in-belarus-so-gelangen-fluechtende-von-kurdengebieten-nach-europa
-> https://www.srf.ch/news/international/fluechtlinge-in-grenzgebiet-die-eu-kann-polen-schlecht-sanktionieren
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/tausende-von-migranten-gefangen-in-einer-rechtsfreien-zone-zwischen-polen-und-belarus


+++GASSE
bzbasel.ch 12.11.2021

Das Bettelverbot wurde gestrichen – wie Liestal trotzdem gegen Bettelnde vorgehen will

Ein komplettes Verbot hat die Sicherheitsdirektion aus dem Polizeireglement gestrichen. Jetzt startet der Stadtrat einen neuen Versuch.

Kelly Spielmann

Das neue Liestaler Polizeireglement hatte keinen einfachen Weg, bis es am 1. Oktober in Kraft gesetzt werden konnte. Erst wurde im Einwohnerrat über diverse Änderungsanträge abgestimmt, und als das Liestaler Parlament die Totalrevision schliesslich verabschiedete, funkte der Regierungsrat dazwischen: Ein komplettes Bettelverbot, wie es der Einwohnerrat vorsah, verstosse gegen die europäische Menschenrechtskonvention und wurde deshalb von der Sicherheitsdirektion gestrichen.

Doch wer glaubte, damit sei die Odyssee vorbei, lag falsch. In der Einwohnerratssitzung vom 24. November wird bereits wieder über eine Teilrevision des Liestaler Polizeireglements entschieden. Wie ein Antrag auf der Website der Stadt zeigt, will der Stadtrat nämlich das Betteln wieder in das Reglement aufnehmen. Dieses Mal soll es kein komplettes Verbot geben – das Betteln soll stattdessen bewilligungspflichtig sein.

Wörtlich besagt der revidierte Paragraf 23: «Das Betteln ist auf dem gesamten Stadtgebiet bewilligungspflichtig. Für das Erlangen einer Bewilligung müssen sich die Gesuchstellenden mittels einem amtlichen Dokument ausweisen. Die Bewilligung kann befristet erteilt und mit örtlichen Auflagen verbunden werden. Bei Widerhandlung wird das erbettelte Geld beschlagnahmt.»

Damit, schreibt der Stadtrat im Antrag, habe man eine rechtskonforme Formulierung gefunden. Das Betteln ist nicht mehr verboten, sondern mit Bewilligung und unter klaren Auflagen möglich ­– und somit vereinbar mit der Konvention.

Die neue Formulierung soll genehmigungsfähig sein

Regula Nebiker, Stadträtin Sicherheit und Soziales, sagt auf Anfrage, dass das neue Polizeireglement sehr viel mehr enthalte als nur das Bettelverbot und man die genehmigten Teile so rasch wie möglich in Kraft setzen wollte. Deshalb geschah dies bereits im Oktober. Nebiker fügt an: «Dass die Thematik des Bettelns nun nicht mehr ins Polizeireglement aufgenommen werden soll, stand nie zur Debatte.»

Denn: Wie alle anderen Aktivitäten im öffentlichen Raum müsse es auch beim Betteln klare Regeln geben.    «Der Stadtrat hatte in der ursprünglichen Vorlage bereits eine Bewilligungspflicht für das Betteln vorgeschlagen. Die Mehrheit des Einwohnerrats hat sich jedoch für ein Bettelverbot ausgesprochen.»

In der neuen Vorlage werde dieser restriktiveren politischen Vorgabe soweit möglich nachgekommen. Die neuen Formulierungen seien auf der Basis des Rechtsgutachens des Rechtsdienstes des Regierungsrates zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erarbeitet und sollten so genehmigungsfähig sein. «Auch die Entwicklung im Kanton Basel-Stadt wurde mitberücksichtigt», so Nebiker.

Im Stadtkanton ist das Bettelverbot seit Monaten ein Thema. Seit dem 1. September ist ein neues, weitgehendes Bettelverbot in Kraft – dennoch seien nach einer kurzen Abnahme seit Oktober augenscheinlich wieder mehr Bettelnde in der Stadt anzutreffen, wie das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) gegenüber «PrimeNews» bestätigte. Das JSD habe seit dem 1. September 100 Ordnungsbussen wegen Verstössen gegen das Bettelverbot ausgestellt.
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/polit-debatte-das-bettelverbot-wurde-gestrichen-wie-liestal-trotzdem-gegen-bettelnde-vorgehen-will-ld.2213435)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Besuch bei der Firma Solway – In Solidarität mit den Protesten in Guatemala
Wir haben gestern, am Donnerstag 11.11, im und vor dem Büro des Hauptsitzes von Solway Poster und Banner aufgehängt, eine Rede abgespielt und Flyer verteilt. Damit solidarisieren wir uns mit dem Protest in El Estor, Guatemala.
https://barrikade.info/article/4835


Farbe gegen kantonale Sicherheitsdirektion
In der Nacht auf den 12.11.2021 haben wir der Zürcher Sicherheitsdirektion einen neuen Anstrich verpasst. Diese Aktion versteht sich als Akt der Solidarität mit unserer Genossin Andi, die nächste Woche vor das Bundesstrafgericht in Bellinzona muss.
https://barrikade.info/article/4838


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Kosovare schmuggelte 120 Kilogramm Haschisch in die Schweiz – vor Gericht will er seine Niederlassungsbewilligung zurück
Das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau hat einem Mann die Niederlassungsbewilligung entzogen, weil er mit 120 Kilo Haschisch erwischt wurde. Dieses Urteil hat der Kosovare vor Bundesgericht nun angefochten.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/bundesgericht-kosovare-fuehrt-120-kilogramm-haschisch-in-die-schweiz-ein-vor-gericht-will-er-seine-niederlassungsbewilligung-zurueck-ld.2213633
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/lausanne-widerspricht-aargau-aufenthaltsbewilligung-von-kosovaren-zu-unrecht-herabgestuft
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargau-x-fach-verurteilter-auslaender-darf-bleiben?id=12088460
-> Medienmitteilung Bundesgericht: https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/2c_0667_2020_2021_11_12_T_d_11_27_53.pdf
-> Urteil Bundesgericht: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://19-10-2021-2C_667-2020&lang=de&zoom=&type=show_document


+++SOZIALES
Bedingungsloses Grundeinkommen: Allianz der linken Fraktionen fordern Pilotversuch
In den nächsten drei Jahren soll eine Versuchsgruppe das Leben in der Stadt Bern mit einem bedingungslosen Grundeinkommen testen. Das fordern gleich vier Fraktionen des Stadtrats in einer parlamentarischen Initiative.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/194934/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/mehr-romands-fuer-austauschjahr-in-den-kanton-bern-holen?id=12088340 (ab 02:39)
-> Vorstoss: https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=ce7ffeff10524de39a4510ea44fac812


+++KNAST
Fall Brian: Bundesgericht spricht drei Psychiater frei
13 Tage lang war der bekannte Straftäter Brian in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich an ein Bett gefesselt. 16 Jahre alt war er zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2011. Verantwortlich dafür waren drei Ärzte, die deswegen vor dem Zürcher Obergericht standen und nun freigesprochen wurden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/fall-brian-bundesgericht-spricht-drei-psychiater-frei?id=12088301


Ausbruch: Ein Theaterprojekt im Gefängnis
Ein Theaterprojekt der anderen Art: In Kriens in der Strafanstalt Grosshof wird ein Theater von Gefängnisinsassen aufgeführt. Die jungen Männer haben das Stück selber entwickelt, gemeinsam mit den Verantwortlichen des Projekts «Ausbruch.»  (ab 09:25)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/ausbruch-ein-theaterprojekt-im-gefaengnis?id=12088646


+++POLIZEI SO
Grenchen: Die Diskussion über die Abschaffung der Stadtpolizei läuft. Die Gemeinderatskommission hat das Thema lanciert, also das politische Führungsorgan der Stadt. Nun greift die Stadtpolizei selber in die Debatte ein. Sie macht Werbung für sich auf Facebook und verteilt Goodies an die Bevölkerung. Darf sie das? (ab 06:34)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/der-aargau-verkauft-ein-kraftwerk-an-sich-selber?id=12088628


+++POLIZEI TG
Gerechtfertigt? Polizei TG schlägt Frau mit Pfahl nieder
https://www.tvo-online.ch/aktuell/gerechtfertigt-polizei-tg-schlaegt-frau-mit-pfahl-nieder-144339371
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/muensterlingen-thurgauer-kantonspolizei-stoppt-suizidgefaehrdete-frau-mit-zaunpfahl-diskussion-um-polizeigewalt-ld.2214019


+++POLICE DE
Kampagne KOP „Go film the Police“
Die Kampagne „Go Film the Police“ ist die Aufforderung rassistische Polizeigewalt zu filmen, um die Brutalität der Polizei als organisierte Gewalt sichtbar zu machen und die Rechenschaftspflicht der Polizei einzufordern.
https://kop-berlin.de/veranstaltung/kampagne-kop-go-film-the-police
-> https://www.belltower.news/go-film-the-police-neue-kampagne-gegen-rassistische-polizeigewalt-gestartet-124025/


+++RECHTSPOPULISMUS
Kleine Anfrage Fraktion SVP (Alexander Feuz, SVP/Thomas Glauser, SVP): Gestoppte Hausdurchsuchung bei der Reithalle und Beizug eines städtischen Chefbeamten? Können auch andere Dritte im Fall einer drohenden polizeilichen Intervention auf den Beizung städtischer Chefbeamter zählen oder hängt dies mit der vom Stadtpräsidenten Sonderfall Reithalle zusammen oder war dies reiner Zufall? Die Fragesteller mussten mit Erstaunen aus den Medien entnehmen, dass ein Co¬ Direktionssekretär der PRO am Tage der polizeilichen Intervention zufällig vor Ort war. Eine Einmischung wird seitens des Gemeinderats allerdings dementiert:
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=3f3f2c13e73147cf9e0f13e77783983c


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
#LieberTee: Covid-Gesetz-Befürworter lancieren Online-Kampagne
Obwohl die Mehrheit der politischen Parteien hinter dem Covid-19-Gesetz steht, haben sie sich bisher nicht stark dafür eingesetzt. Lautstark sind hingegen die Corona-Massnahmengegner mit ihrem Slogan «Liberté» unterwegs. Darauf reagieren nun Private mit der Online-Kampagne #LieberTee.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/liebertee-covid-gesetz-befuerworter-lancieren-online-kampagne-144340131
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/videos/massnahmenkritiker-liebertee-statt-liberte-corona-skeptiker-auf-twitter-verspottet-ld.2214042


Auftritt von Kennedy-Neffe: Redemarathon an Corona-Demo im Wankdorf
Und wieder demonstrierten in Bern schätzungsweise 3000 Personen gegen die Corona-Massnahmen. Diesmal jedoch im Wankdorf.
https://www.derbund.ch/rund-1000-personen-an-corona-demo-im-wankdorf-740341628351
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/kennedy-neffe-als-stargast-mehrere-tausend-massnahmengegner-protestieren-in-bern-id16982609.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-versammeln-sich-in-bern-zu-corona-demo-66041370
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/steuertrick-wochenaufenthalter-bern-entgehen-millionen?id=12088586
-> https://twitter.com/farbundbeton/status/1459139515776475136
-> https://twitter.com/farbundbeton
-> https://twitter.com/querdenkenwatch
-> https://twitter.com/CovidiotenCH
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Francis_Kennedy_junior


«Grösster Betrug der Schweiz!» – Covid-Gesetz-Gegner wittern Manipulation bei Abstimmung
Die Stimmung unter den Corona-Skeptikern ist aufgeheizt. Sie sind sich sicher, dass die Abstimmung über das Covid-Gesetz bereits entschieden und durch die «korrupten Führer» manipuliert sei.
https://www.blick.ch/news/groesster-betrug-der-schweiz-covid-gesetz-gegner-wittern-manipulation-bei-abstimmung-id16981557.html


Ausschluss aus Freier Fraktion: Jetzt steht Simone Machado im Berner Stadtrat alleine da
Das Engagement der Berner Stadträtin gegen das Covid-Gesetz geht ihrer Fraktion zu weit. Machado bezeichnet das Vorgehen ihrer ehemaligen Fraktionspartner als «unhaltbar».
https://www.derbund.ch/freie-fraktion-schliesst-simone-machado-aus-331038332626
-> https://www.blick.ch/politik/zu-nahe-an-corona-skeptikern-berner-stadtratsfraktion-wirft-politikerin-raus-id16982031.html
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kurznachrichten-144339886
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/194973/


“Die Leute sollen selber recherchieren”
Rhetorische Tricks des verschwörungstheoretischen Diskurshabitus.
https://markokovic.substack.com/p/die-leute-sollen-selber-recherchieren


Heftiger Schlagabtausch: Krach unter Milliardären um Covid-Gesetz
Alfred Gantner und Urs Wietlisbach haben mit der Partners Group das erfolgreichste Finanzunternehmen der Schweiz gegründet. Jetzt sind sie sich in die Haare geraten.
https://www.derbund.ch/krach-unter-milliardaeren-um-covid-gesetz-671230200993


Gemeinderat sucht Lösung: Skeptiker-Beiz Walliserkanne bleibt wohl länger geschlossen
Die Wirte der Walliserkanne hatten angekündigt, weiter gegen die geltende Zertifikatspflicht zu kämpfen. Ihre Beiz muss nach dem Entzug der Betriebsbewilligung nun wohl doch länger geschlossen bleiben.
https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/gemeinderat-sucht-loesung-skeptiker-beiz-walliserkanne-bleibt-wohl-laenger-geschlossen-id16981328.html


Schliessung der Walliserkanne endet heute – Gemeinde sucht jetzt Lösung
Die Walliserkanne in Zermatt ist nicht mehr geschlossen – theoretisch. Derweil wehrt sich die Kapo Wallis gegen die Vorwürfe der Betreiberfamilie.
https://www.20min.ch/story/schliessung-der-walliserkanne-endet-heute-gemeinde-sucht-jetzt-loesung-915745445291


Zermatter Wirte rufen zu Spenden auf: UBS sperrt Walliserkanne-Konto wegen Verdachts auf Geldwäscherei
Ihr Kampf gegen die Zertifikatspflicht beschert den Wirten der Walliserkanne schon so genug Probleme. Um sich Anwälte leisten zu können, rufen die Zermatter jetzt zu Spenden auf. Die UBS sperrte prompt das Konto – wegen Verdachts auf Geldwäscherei.
https://www.blick.ch/schweiz/zermatter-wirte-rufen-zu-spenden-auf-ubs-sperrt-walliserkanne-konto-wegen-verdachts-auf-geldwaescherei-id16980800.html


Vor Impf-Auftritt in St. Gallen gibt sich die Walliserin versöhnlich: Stefanie Heinzmann geht auf Konzert-Saboteure zu
Musiker wie Stress und Stefanie Heinzmann mussten an den vergangenen Impf-Konzerten vor halbleeren Rängen spielen.
https://www.blick.ch/people-tv/schweiz/vor-impf-auftritt-in-st-gallen-gibt-sich-die-walliserin-versoehnlich-stefanie-heinzmann-geht-auf-konzert-saboteure-zu-id16981701.html


+++HISTORY
Lügen, versagen, wegschauen, anbiedern
Der Nazi-Skandal um Emil Bührle zeigt auf, dass die Schweiz über 20 Jahre nach der Holocaust-Debatte immer noch Nachhilfe im Umgang mit Geschichte benötigt – ein Kommentar.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/luegen-versagen-wegschauen-anbiedern


Viel zu spät – aber wirksam
Die Kritik an Zürichs Kunsthaus und Regierung zur Causa des Nazi-Waffenhändlers Bührle reisst nicht ab – doch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund schweigt.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/viel-zu-spaet-aber-wirksam


«Apropos» – der tägliche Podcast: Cancel-Culture im Kalten Krieg
Helene Bossert war eine Baselbieter Mundartdichterin. Nach einer Reise in die Sowjetunion war sie plötzlich eine Landesverräterin. Nun laufen Bemühungen, sie zu rehabilitieren.
https://www.bernerzeitung.ch/cancel-culture-im-kalten-krieg-263608473521



derbund.ch 12.11.2021

Berner in fremden Diensten: Als in Bern der Handel mit käuflicher Gewalt florierte

Im Dienste des Sonnenkönigs für Ruhm, Geld und Karriere: Ein junger Berner Historiker hat die Berner Patrizierfamilie von Erlach als private Militärunternehmer erforscht.

Alexander Sury

Johanna von Erlach, geborene von Graffenried, war gar nicht glücklich über den eingeschlagenen militärischen Werdegang ihres Sohnes Johann Jakob. Sie fürchtete um das Leben ihres Sohnes und wollte ihn vom Dienst in der Schweizer Gardekompanie in Frankreich abhalten. Ihr Neffe, Sigmund von Erlach (1614–1699), redete ihr deswegen in einem Brief 1650 ins Gewissen. Sigismund von Erlach war eine Respektsperson und sollte später als General des bernischen Heeres im Schweizer Bauernkrieg und als Schultheiss der Stadt Bern hohe Ämter bekleiden. Die «profession dess Kriegss» sei doch, ermahnte der Schreibende seine Verwandte, «des adels eigenschafft und ursprung». Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht, der Neffe zog in fremde Kriegsdienste.

Schweizer, die in den Krieg zogen – war damit nicht 1515 Schluss? Ja und nein. Die Schlacht im norditalienischen Marignano beendete 1515 die Expansionsbestrebungen der Eidgenossenschaft. Die Niederlage gegen das Königreich Frankreich in der Auseinandersetzung um das Herzogtum Mailand war die letzte Schlacht der Schweiz auf ausländischem Boden und bedeutete das Ende der Expansionsbestrebungen. Fortan wollte sich die Schweiz nicht mehr in fremde Händel einmischen und blieb bis zum Einmarsch napoleonischer Truppen 1798 von Kriegen verschont.

Aber da gab es eben auch die andere Seite: Schweizer Soldaten und Offiziere standen im Dienste fremder Mächte weiter auf diversen ausländischen Kriegsschauplätzen im Einsatz. Über den Export von eidgenössischen Kriegern, dieses lukrative, grenzüberschreitende Geschäft, wachten die aristokratischen Eliten. Von ausländischen Mächten wurde für Anwerbelizenzen viel Geld bezahlt an Schweizer Politiker und Kantone.

Der Berner Historiker Benjamin Ryser zeigt in seiner in Buchform erschienenen Dissertation anhand der Berner Patrizierfamilie von Erlach, wie die Militärunternehmer agierten. Der Solddienst wurde über Jahrhunderte als urpatrizische Aufgabe aufgefasst. «Keinem Berner Patrizier wäre es in den Sinn gekommen, als Kaufmann sein Geld zu verdienen. Das war schlicht nicht standesgemäss», sagt Ryser. Dabei war der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. der wichtigste Arbeitgeber, unterhielt er doch bei weitem die meisten Schweizer Söldner. Ludwig XIV. schuf 1671 permanente Schweizer Regimenter, die nun den Namen ihres Obersten trugen. Das 1672 aufgestellte Berner Regiment von Erlach stand bis zur Revolution 1789 ununterbrochen im Dienste des französischen Königs.

Militärische Arbeitsmigranten

Der Solddienst war – wie auch das Beispiel der Familie von Erlach zeigt – ein eigentliches Familienunternehmen, in das eine ganze Reihe von Verwandten einbezogen war. Über Jahrhunderte wurde der Solddienst, bis ins 16. Jahrhundert auch Reisläuferei genannt, immer stärker reglementiert, Die Obrigkeit wollte genauer wissen, wer wo in Fremde Dienste zog. Allein im 17. Jahrhundert dürften je nach Region und Generation zwischen zehn und dreissig Prozent der erwachsenen Schweizer Männer als militärische Arbeitsmigranten im Ausland unterwegs gewesen sein. Meistens waren es ledige Bauernsöhne und Knechte, aber auch Familienväter aus verschiedenen Schichten, die sich in Geldnöten befanden.

Ende des 17. Jahrhunderts kam es jedoch zu einschneidenden Änderungen: zum Aufkommen stehender Heere. Nach dem Niederländisch-Französischen Krieg (1672–1678) wurden die Truppen nicht entlassen, sondern zu einem günstigeren Sold in kleinerer Mannschaft, aber gleicher Struktur im Dienst behalten. Die Berner Militärunternehmer im Dienst des Sonnenkönigs mussten sich wechselnden Dienstvorschriften anpassen, die aber einseitig vom französischen König bestimmt wurden. Durch die immer stärkere Reglementierung nahm auch der Gewinn zusehends ab. Dienstzeiten verlängerten sich, aber auch die Zeit, bis sich die Investition des Militärunternehmers auszahlte.

Der Historiker Ryser hat die Aktivitäten der Berner Patrizierfamilie von Erlach als Militärunternehmer genauer erforscht. Erfolgreiche Familienverbände teilten ihre Aktivitäten dabei auf verschiedene Kriegsherren auf. Das gilt auch für die Familie von Erlach, wobei sie insgesamt zu den profranzösischen Familien gezählt werden kann. Rund 60 Prozent aller Offiziere in Fremden Diensten der Familie dienten für Frankreich. Familienmitglieder finden sich aber auch von Beginn an als Offiziere in englischen oder niederländischen Diensten. «Die Haltung war pragmatisch», sagt Benjamin Ryser. «Falls die Beziehung zu Frankreich nicht gehalten hätte, war es sinnvoll, sein Portfolio früh genug zu erweitern beziehungsweise abzusichern.»

Allerdings bestand, wie Ryser zeigt, ständig die Gefahr von Loyalitätskonflikten, wenn man zwei Herren diente. Zu Loyalitätskonflikten kam es insbesondere bei sogenannten Transgressionen. Gemeint waren damit offensive Einsätze ausserhalb der französischen Ländereien. Der vertragswidrige Einsatz des Berner Regiments etwa auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation und der Vereinigten Niederlande brachte die eidgenössischen Orte in Erklärungsnotstand gegenüber Verbündeten: Die Eidgenossenschaft hatte zu diesem Zeitpunkt nämlich ein multilaterales Bündnissystem – beispielsweise war man auch mit Habsburg verbündet.

«Unmoralisches» Angebot

Die Berner Regierung versuchte deshalb immer wieder, auf die Offiziere des Regiments von Erlach Einfluss zu nehmen. Sie sollten sich weigern, an vertragswidrigen militärischen Aktionen teilzunehmen. Doch die französische Militäradministration blieb nicht untätig: So sabotierte sie gezielt die Kommunikation zwischen der Berner Obrigkeit und ihren Offizieren. Teils fingen die Franzosen eidgenössische Korrespondenz ab, zensurierten sie entweder oder vernichteten sie mit dem Ergebnis, dass Befehle zu spät oder gar nicht eintrafen.

Es wurde mit harten Bandagen gekämpft auf diesem lukrativen Kriegsmarkt. Gerüchte wurden gestreut, Intrigen angezettelt. Ryser nennt als Beispiel die Berner Patrizierfamilie Imhof. Nachdem die Berner Regierung die Rekrutierungen wegen vertragswidriger Militäraktionen vorübergehend verboten hatte, trat die französische Diplomatie in Aktion: Um Gegner der Rekrutierungen auf ihre Seite zu ziehen, wurden ihnen Kompanien und damit verbundene Pensionen angeboten.

Simon de la Loubère, ein Mitarbeiter der französischen Botschaft in Solothurn, unterbreitete dem Berner Patrizier Daniel Imhof (1633–1713) ein solches «unmoralisches» Angebot. Dieser ging scheinbar darauf ein, nutzte aber die Information, um de la Loubère öffentlich Korruption vorzuwerfen. Der redliche Berner wurde entsprechend belohnt von der Berner Regierung und und wenig später zum neuen Landvogt von Lausanne gewählt.

Insgesamt aber kam es zu einer paradoxen Entwicklung: Während immer mehr Offiziere und Soldaten in der Regierungszeit des Sonnenkönigs in französischen Diensten waren, wurde das machtbewusste Frankreich zunehmend als grösste militärische Bedrohung für den Stadtstaat Bern angesehen. Der bereits eingangs erwähnte Sigismund von Erlach (1614–1699) war noch überzeugt gewesen, dank der Aufstellung eines Regimentes 1671 eine «kriegsschul durch abwechsel» zu installieren – eine kostenfreie Auslagerung der soldatischen Ausbildung.

Das Geschäftsmodell funktionierte noch bis ins frühe 19. Jahrhundert. Dann erfolgte abermals eine folgenreiche Zäsur: Als man im revolutionären Frankreich 1793 die allgemeine Wehrpflicht einführte, wurde Krieg zur Sache einer Nation. Diese Entwicklung läutete auch in Bern das Ende des Söldnerwesens ein. 1848 wurde es in der Bundesverfassung schliesslich verboten. Heute gibt es, wenn man so will, noch zwei Überbleibsel: die Fremdenlegion, bei der noch heute Schweizer illegal mitwirken, und die Schweizergarde im Vatikan.

Benjamin Ryser: Zwischen den Fronten. Berner Militärunternehmer im Dienst des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Verlag Hier und Jetzt, Zürich 2021. 367 Seiten. 49 Fr.
(https://www.derbund.ch/als-in-bern-der-handel-mit-kaeuflicher-gewalt-florierte-266670649217)