Medienspiegel 24. August 2021

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+++BERN
bernerzeitung.ch 24.08.2021

Verdacht auf Schwarzarbeit in Bern: Zürcher Restaurantkette hat Anzeige am Hals

Im tibetischen Restaurant Tenz Momo in Bern sollen abgewiesene Asylsuchende gearbeitet haben. Acht Personen wurden deshalb angezeigt.

Claudia Salzmann

Lässt das Restaurant Tenz an der Speichergasse abgewiesene Asylsuchende kochen? Diesen Verdacht äusserte ein Leser gegenüber dieser Zeitung. Auf Anfrage bestätigt Alexander Ott, Leiter der Stadtberner Fremdenpolizei, dass zwei Kontrollen in der Berner Filiale des Zürcher Unternehmens Tenz stattgefunden haben.

Bei der ersten Kontrolle am 9. Februar sei die Polizei in der Küche des tibetischen Restaurants, die sich im Untergeschoss befindet, auf mehrere Personen gestossen, die mit der Produktion von tibetischen Teigtaschen, sogenannten Momos, beschäftigt waren. An und für sich nichts Besonderes, jedoch seien einige der vor Ort anwesenden Personen abgewiesene Asylsuchende gewesen, sagt Ott.

Tipp aus der Bevölkerung

Acht Personen wurden danach angezeigt. Dieser Fall liegt derzeit zur Abklärung bei der Berner Staatsanwaltschaft. Sie bestätigt, dass sie gegen mehrere Personen Strafanzeige wegen diverser Widerhandlungen gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz erstattet hat. Sie hat die Kantonspolizei mit ergänzenden Ermittlungen beauftragt.

Die Fremdenpolizei habe einen Tipp aus der Bevölkerung erhalten, so Ott. Gehen bei der Behörde Hinweise ein, dass in einem Lokal Anzeichen von Schwarzarbeit vorliegen, rückt sie seit Ende 2016 im Verbund aus. Das bedeutet, dass nicht nur die Fremdenpolizei an der Razzia teilnimmt, sondern auch die Gewerbepolizei und die Arbeitsmarktbehörde. Laut Alexander Ott seien die angetroffenen Mitarbeitenden auch in Ausschaffungszentren rekrutiert worden. Ihnen werden Verstösse gegen das Ausländergesetz vorgeworfen.

Vierte Filiale in der Schweiz

Beim Restaurantbetreiber wiederum stellt sich die Frage, ob er mit der Beschäftigung dieser Leute gegen das Arbeitsgesetz verstösst. Die Löhne werden in solchen Fällen oft bar ausgerichtet und ohne dass Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden, so Alexander Ott. Zudem prüft die zuständige Stelle, ob eine Arbeitsausbeutung vorliegt.

Das Lokal in Bern hat ein in Zürich lebender Gastronom letzten Frühling aufgemacht. Der Standort in Bern ist schweizweit die vierte Filiale des Zürcher Unternehmens. Tenz verkauft seit 2015 Momos, zuerst an Streetfoodfestivals. Zu den Vorwürfen der Schattenwirtschaft will der Geschäftsführer keine Stellung nehmen. Dies, weil die Ermittlungen noch andauern. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(https://www.bernerzeitung.ch/zuercher-restaurantkette-hat-anzeige-am-hals-707943075159)


+++AARGAU
Solidarität: Dutzende fordern, dass der Kanton Aargau Flüchtlinge aufnimmt
Mit emotionalen Plakaten machen in Aarau über 100 Asylbewerber und Sympathisanten aufmerksam auf das Leid der afghanischen Bevölkerung. Viele haben Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.
https://www.telem1.ch/aktuell/solidaritaet-dutzende-fordern-dass-der-kanton-aargau-fluechtlinge-aufnimmt-143498400
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/grosser-rat-demonstration-fuer-solidaritaet-mit-afghanistan-ld.2177899


+++SCHWEIZ
Bericht: Zugang zu Bildung unabhängig vom Aufenthaltsrecht
Der neue Fachbericht der SBAA analysiert den Bildungszugang von jungen Geflüchteten und Migrant:innen und empfiehlt Anpassungen zugunsten einer grösseren Chancengerechtigkeit.
https://beobachtungsstelle.ch/news/bericht-zugang-zu-bildung-unabhaengig-vom-aufenthaltsrecht/
-> https://telebasel.ch/2021/08/24/kaum-zugang-zur-bildung-fuer-personen-im-asylbereich/?channel=105105


Flucht vor den Taliban – So kommen Afghaninnen und Afghanen an ein humanitäres Visum
Mit dem Visum können bedrohte Afghaninnen und Afghanen in die Schweiz kommen. Doch das Verfahren ist sehr kompliziert.
Ein humanitäres Visum ist derzeit für viele Afghaninnen und Afghanen der einzige Weg, um aus dem Land zu kommen. Doch es ist kompliziert, ein solch humanitäres Visum zu bekommen. Für die Schweiz zum Beispiel haben es 230 Angestellte der Schweizer Entwicklungshilfe in Afghanistan und deren engste Angehörige erhalten. Die Juristin Monika Plozza sagt, wie Menschen aus Afghanistan an ein humanitäres Visum kommen können.
https://www.srf.ch/news/schweiz/flucht-vor-den-taliban-so-kommen-afghaninnen-und-afghanen-an-ein-humanitaeres-visum


Drei kriminelle Afghanen nach Deutschland evakuiert
Unter verzweifelte Flüchtende aus Afghanistan mischten sich in Deutschland auch einst ausgewiesene. In der Schweiz will man ganz genau hinschauen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/drei-kriminelle-afghanen-nach-deutschland-evakuiert-65987939


Evaluation zum Rechtsschutz und Entscheidqualität im beschleunigten Asylverfahren
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) mit einer Evaluation des Rechtsschutzes und der Entscheidqualität bei der Anwendung des neuen Asylverfahrens beauftragt. Der Bericht des vom SKMR eingesetzten Team, das sich während zwei Jahren mit den Fragen befasst hat, ist nun veröffentlicht und kann als Voll- und als Kurzversion abgerufen werden.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/migration/publikationen/schlussbericht-evaluation-peru.html?zur=2


Petition: Schweiz soll 5000 Schutzsuchende aufnehmen
Eine Petition fordert, dass die Schweiz mindestens 5000 Flüchtlinge aus Afghanistan aufnimmt. Am Dienstag wurde sie der Bundeskanzlei übergeben.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/afghanistan-petition-schweiz-soll-5000-schutzsuchende-aufnehmen-ld.2177867


+++ÄRMELKANAL
Flucht über den Ärmelkanal: London registriert dramatische Zunahme der Bewegung
Knapp über 30 Kilometer trennen die vielen Migranten an der französischen Küste vom Ziel Grossbritannien. Nun haben die Fluchtversuche einen neuen Höchstwert erreicht. Die Anzahl der Grenzpolizisten wird verdoppelt, und gegen die Schleuser soll härter vorgegangen werden.
https://www.derbund.ch/london-registriert-dramatische-zunahme-der-bewegung-766911683536


+++MITTELMEER
In Libyen sei „niemand sicher“: Rettungsschiff „Geo Barents“ mit hunderten Flüchtlingen in Sizilien eingelaufen
Das Seenotrettungsschiff „Geo Barents“ ist mit 322 geretteten Menschen an Bord in den Hafen von Augusta in Sizilien eingelaufen. Das teilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Montag in Berlin mit. Die Crew und die Geretteten hatten demnach zuvor mehrere Tage auf die Zuweisung eines sicheren Hafens warten müssen.
https://www.n-tv.de/ticker/Rettungsschiff-Geo-Barents-mit-hunderten-Fluechtlingen-in-Sizilien-eingelaufen-article22759677.html


+++EUROPA
Verträge mit Charterfirmen: Frontex zahlt weitere 84 Millionen Euro für Luftüberwachung
Die Grenzagentur gibt ein Sechstel ihres Budgets für Flüge an den EU-Außengrenzen aus. Mit dem Dienst macht sich der Frontex-Direktor unabhängig von den Regierungen der Mitgliedstaaten. Ein Vertrag für Hubschraubereinsätze kommt zunächst nicht zustande. Mittlerweile hat jedoch Libyen Helikopter bei Airbus bestellt.
https://netzpolitik.org/2021/vertraege-mit-charterfirmen-frontex-zahlt-weitere-84-millionen-euro-fuer-luftueberwachung/


+++TÜRKEI
Türkei und die Flüchtlinge aus Afghanistan – Rendez-vous
Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan machen auch in der Türkei Schlagzeilen. Die Türkei gehört heute schon zu jenen Ländern mit den meisten Flüchtlingen. Wie viele andere fragt sich auch der junge Kurde Firat, was jetzt auf das Land zukommen
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/tuerkei-und-die-fluechtlinge-aus-afghanistan?id=c281b116-a5f4-486b-bac9-0682e7d81802


+++FREIRÄUME
Rechtsstreit in Zürich Wollishofen: Die Rote Fabrik kann saniert werden
Die Stadt Zürich will das alternative Kulturzentrum nach einem Brand vor fast zehn Jahren erneuern. Eine Gruppe Anwohner zog gegen das Projekt vor Bundesgericht – und ist abgeblitzt.
https://www.tagesanzeiger.ch/die-rote-fabrik-kann-saniert-werden-906378981460
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/bundesgericht-rote-fabrik-in-wollishofen-wird-saniert-anliegen-der-nachbarschaft-werden-abgelehnt-ld.2177833


+++GASSE
Die Waldmenschen von Bern: Asoziale Aussteiger oder Freigeister?
Im Bremgartenwald leben zurzeit fünf Männer, die sogenannten Berner Waldmenschen. Ihre Lebensform polarisiert. Handelt es sich um asoziale Schmarotzer oder Freigeister, die unsere Gesellschaft gar bereichern? Was trifft zu? Um das herauszufinden, zieht rec.-Reporter Donat Hofer in die Wald-WG.
https://www.srf.ch/play/tv/rec-/video/die-waldmenschen-von-bern-asoziale-aussteiger-oder-freigeister?urn=urn:srf:video:d9702e07-ef93-4291-85db-ac8d8e8e8dd8&aspectRatio=16_9


Regierung will diese Woche über das Bettel¬verbot informieren
Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann wird am Donners¬tag darlegen, ab wann und wie das Verbot durch-gesetzt wird.
https://primenews.ch/news/2021/08/regierung-will-diese-woche-ueber-das-bettelverbot-informieren


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„Dieses Camp sehen wir als Ort des revolutionären Austausch“
Interview mit Victoria und Lukas, die beide Teil der schweizer Koordination für die zapatistische Rundreise sind. Über die Hintergründe, Ziele und Probleme der zapatistischen „Viaje por la Vida“ und über das Camp in Basel.
https://barrikade.info/article/4720
-> https://lotta.info/dieses-camp-sehen-wir-als-ort-des-revolutionaeren-austausches/


+++POLIZEI BS
Prozessbeginn in Basel: Vier Gefängnis-Angestellte wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht
Eine abgewiesene Asylbewerberin verstarb im Juni 2018 nach einem Suizidversuch in Untersuchungshaft. Die Aufsichtspersonen sollen nicht genügend Hilfe geleistet haben.
https://www.derbund.ch/vier-gefaengnis-angestellte-wegen-fahrlaessiger-toetung-vor-gericht-188791720003
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basler-strafgericht-prozessauftakt-schwere-vorwuerfe-gegen-vier-gefaengnisaufseher-nach-suizid-im-waaghof-ld.2177693
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/prozess-in-basel-vier-gefaengnisaufseher-werden-der-fahrlaessigen-toetung-beschuldigt
-> https://www.watson.ch/schweiz/basel/236824568-asylbewerberin-stirbt-nach-suizidversuch-heute-stehen-vier-aufseher-vor-gericht
-> https://www.20min.ch/story/29-jaehrige-wurde-nach-suizidversuch-nackt-am-boden-in-zelle-liegen-gelassen-751531171649
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/vier-gefangnis-angestellte-wegen-fahrlassiger-totung-vor-gericht-65988140
-> https://www.blick.ch/schweiz/basel/frau-erhaengte-sich-mit-traineroberteil-liessen-vier-gefaengniswaerter-eine-insassin-sterben-id16775318.html
-> https://telebasel.ch/2021/08/24/vier-gefaengnis-angestellte-der-fahrlaessigen-toetung-angeklagt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nach-suizid-stehen-aufseherinnen-und-aufseher-vor-dem-gericht?id=12042945
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/suizid-im-waaghof-warum-aufseher-so-lange-nicht-handelten?id=12044145
-> Schweiz Aktuell; https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/basel-gefaengnisaufseher-werden-der-fahrlaessigen-toetung-beschuldigt?urn=urn:srf:video:13c8b29e-fcb5-432c-9636-5d9e1010e916
-> https://www.bazonline.ch/gefaengnisaufseher-liessen-bewusstlose-nackt-in-zelle-liegen-432009847575
-> https://www.bazonline.ch/vogelgrippe-breitet-sich-in-loerrach-aus-177714431135
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/4716


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 24.08.2021

Elfmal auf psychisch Kranken geschossen: Polizist freigesprochen

Das Obergericht hat im Fall eines heute 34-jährigen Stadtpolizisten entschieden. Er habe 2015 in einer Notwehrsituation auf einen Äthiopier geschossen, der ein Messer in der Hand hielt.

Corsin Zander

Das Zürcher Obergericht hat einen Zürcher Stadtpolizisten vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen. Der heute 34-Jährige hatte 2015 bei einer Kontrolle elfmal auf einen Äthiopier geschossen und diesen lebensbedrohlich verletzt.

Das Obergericht ist zum Schluss gekommen, dass der Polizist in einer Notwehrsituation gehandelt und nicht auf den Äthiopier geschossen hat, als von diesem keine Gefahr mehr ausging. Damit bestätigt es das Urteil des Bezirksgerichts vom Juni 2020.

Der Fall ereignete sich an einem frühen Sonntagmorgen im Dezember 2015. Damals traf eine Polizeipatrouille zwischen Schmiede Wiedikon und Goldbrunnenplatz auf einen 42-jährigen Äthiopier, der ein Fleischermesser in der Hand trug.

Der Mann litt an einer paranoiden Schizophrenie. Seine Partnerin hatte die Polizei gebeten, nach ihrem Mann zu sehen. So beschrieb sie es später im Onlinemagazin «Republik». Der Äthiopier war der Polizei bekannt, sie hatte ihn schon mehrfach angehalten und jeweils entweder zu seinem Wohnort oder in eine Klinik gebracht.
-> https://www.republik.ch/2020/06/25/herr-ali-und-die-polizei

«Der Neger hat ein Messer in der Hand!»

An diesem Sonntagmorgen artete die Situation aber aus: Weil der Mann mit seinem Messer herumfuchtelte und nicht stehen blieb, als ihn die Polizisten dazu aufforderten, zückten mehrere Polizisten ihre Schusswaffe. Zuvor hatte einer noch eilends einen Funkspruch abgesetzt: «Der Neger hat ein Messer in der Hand!»

Insgesamt 13-mal schossen Polizisten auf den Mann. Sechs Kugeln verletzten ihn lebensgefährlich. Ein damals 28-jähriger, noch relativ unerfahrener Stadtpolizist feuerte 11 Schüsse ab. In der späteren Untersuchung sagte er, es sei sein «erster echter Schusswaffeneinsatz» gewesen.

Dass es überhaupt ein ordentliches Strafverfahren und ein Gerichtsverfahren gibt, dafür musste der Rechtsvertreter des Äthiopiers bis vor Bundesgericht gehen und den Staatsanwalt so dazu zwingen, Anklage zu erheben. Dieser beschuldigte den Polizisten schliesslich der versuchten vorsätzlichen Tötung, verlangte zugleich aber einen Freispruch.

Kritik des Bezirksrichters am Staatsanwalt

Der Bezirksrichter sparte bei seiner Urteilsverkündigung 2020 nicht mit Kritik: Weil der ermittelnde Staatsanwalt schon kurz nach dem Vorfall eine Medienmitteilung mit dem Titel «Notwehrsituation führt zu polizeilicher Schussabgabe» absegnete, sagte der Richter, das Vorgehen könne den Anschein erwecken, der Staatsanwalt sei voreingenommen gewesen.

Zudem kritisierte der Richter ungewöhnlich scharf, dass der Polizist nach dem Vorfall nicht verhaftet wurde. «Für jeden normalen Bürger würde ein Staatsanwalt nach elf Schüssen Untersuchungshaft beantragen», sagte er. Stattdessen hatte der beschuldigte Polizist die Möglichkeit, sich mit seinen vier Kollegen, die mit ihm im Einsatz standen, abzusprechen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/polizist-vor-gericht-waren-elf-schuesse-auf-psychisch-kranken-gerechtfertigt-766812008610)

-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/199299494-schuesse-auf-psychisch-kranken-zuercher-polizist-freigesprochen
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/er-schoss-11-mal-auf-omar-m-42-zuercher-stadtpolizist-von-versuchter-toetung-freigesprochen-id16776550.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/schuesse-auf-psychisch-kranken-zuercher-polizist-freigesprochen-00164260/
-> https://www.20min.ch/story/ich-hatte-angst-polizist-schiesst-11-mal-auf-angreifer-506912187531
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/schuesse-in-zuerich-wiedikon-freispruch-fuer-zuercher-polizisten?id=12044109



nzz.ch 24.08.2021

Gab es in Zürich Polizeigewalt gegen einen Schwarzen? Nein, sagt das Obergericht – aber es spart nicht mit Kritik an der Untersuchung

Ein Mann attackierte in Zürich Polizisten mit einem Messer und liess sich auch von Kugeln nicht stoppen. Ein Polizist musste sich wegen versuchter Tötung verantworten. Nun sprach ihn das Obergericht frei.

Michael von Ledebur

Ein dunkelhäutiger Mann rennt mit einem 25 Zentimeter langen Messer auf eine Gruppe Stadtpolizisten zu. Er schreit «Kill me, kill me!». Es ist der 27. Dezember 2015 um 6 Uhr morgens, nahe der Schmiede Wiedikon. Die fünf Polizisten haben eine lange Nachtschicht hinter sich – nun sehen sie sich unvermittelt einer akuten Bedrohung gegenüber. Zwei von ihnen haben ihre Dienstwaffe gezogen. «Jetzt kommt es drauf an, er oder ich», erinnert sich ein heute 34-jähriger Polizist, der damals im Zentrum des Geschehen stand, vor Gericht. Zwei Mal schoss er auf den Mann.

Hätten diese Kugeln den Angreifer, einen damals 42-jährigen Äthiopier, gestoppt, hätte sich der Polizist wohl kaum vor Gericht verantworten müssen. Doch nun muss dies der Mann am Dienstag ein weiteres Mal tun – vor Obergericht. Verhandelt werden nicht die in offensichtlicher Notwehr abgegebenen Schüsse. Sondern das, was danach folgte.

Elf Schüsse abgefeuert

Gemäss einem Gutachten wurde der Angreifer nämlich drei Mal von hinten angeschossen, zweimal in den Arm und einmal in den Rücken. Der Anwalt des Geschädigten sieht es deshalb als erwiesen an, dass der Polizist mindestens einen Schuss auf den Mann abgab, als keine Gefahr mehr von diesem ausging. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf versuchte Tötung. Klar ist, dass der Polizist insgesamt elf Mal abgedrückt hatte.

Der Vorfall sorgte deshalb für Schlagzeilen, weil der Vorwurf der Polizeigewalt gegen einen Dunkelhäutigen im Raum stand – und von Kungelei unter den Untersuchungsbehörden. Am Dienstag hat das Obergericht den Polizeibeamten nun wie bereits die Vorinstanz freigesprochen. Doch die Begründung des Gerichts ist dennoch interessant. Sie zeigt, dass es gute Gründe gab, den Vorfall gründlich und im Rahmen einer Gerichtsverhandlung zu untersuchen.

Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen hatte einstellen wollen. Dass es anders kam, ist auf eine erfolgreiche Beschwerde des Geschädigten ans Bundesgericht zurückzuführen. Auf bundesgerichtliche Anordnung hin musste der Staatsanwalt die Ermittlungen gegen einen der beiden beschuldigten Stadtpolizisten wieder aufnehmen und Anklage erheben.

Ein Schuss wurde stehend abgefeuert

Die Kernfrage ist: Was passierte, nachdem der mit einem Messer bewehrte Mann auf den schiessenden Polizisten traf? Offensichtlich kam es zu einer Rangelei. Doch diese habe geendet, so der Vertreter des Geschädigten – und eben zu diesem Zeitpunkt habe der Polizist auf den Angreifer geschossen, der sich bereits entfernt und somit keine Gefahr mehr dargestellt habe. Es ist ein entscheidender Punkt, denn der Polizist hatte stets beteuert, sämtliche Schüsse während der Rangelei abgegeben und danach nicht mehr geschossen zu haben. Das ballistische Gutachten zeigt aber, dass eines der Projektile, die den Angreifer trafen, stehend abgegeben wurde.

Das Obergericht sprach der Schilderung des Geschädigtenvertreters keineswegs die Plausibilität ab. Aber ein anderes Szenario liege eben näher – nämlich, dass tatsächlich sämtliche Schüsse während der Rangelei abgegeben worden seien. Darauf liessen das Tatortbild und die gefundenen Patronenhülsen schliessen. Es sei auch nicht so gewesen, dass die beiden Männer während der Rangelei am Boden gelegen hätten. Sie hätten sich vielmehr stehend fortbewegt. Das würde auch den im Stehen abgegebenen Schuss erklären. Abschliessend klären lasse sich der Vorgang nicht, so das Gericht. Es gelte zu bedenken, dass er nur wenige Sekunden gedauert habe.

Dem Freispruch zum Trotz übte das Obergericht deutliche Kritik an der Untersuchung der Staatsanwaltschaft. Diese habe mehrfach ungeschickt agiert. So war sie an einer Medienmitteilung beteiligt, die noch am Tag des Vorfalls versandt wurde, in der jener bereits als «Notwehr» gewertet wurde. Es wäre gemäss Obergericht wohl auch vertretbar gewesen, die Beteiligten in Untersuchungshaft zu setzen – gerade, um sämtlichen Vorwürfen von Verdunkelung und Absprache unter den Polizisten von Anfang an entgegenzutreten. Und dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren habe einstellen wollen, habe das Bundesgericht ja bereits korrigiert, so das Obergericht.

«Geheimtreffen» und Stummfilm

Es gab weitere Pannen. Eine Befragung von Beschuldigten wurde aufgenommen – aber ohne Ton. Weiter versäumte es die Staatsanwaltschaft, eine Sitzung mit dem zweiten, mittlerweile nicht mehr beschuldigten Polizisten zu protokollieren. Der Geschädigtenvertreter sprach prompt von einem «Geheimtreffen». Das rieche ein wenig nach «Infantino», befand der Gerichtsvorsitzende, eine Anspielung auf die nicht dokumentierten Treffen zwischen dem Fifa-Präsidenten und der schweizerischen Bundesanwaltschaft.

Aber all dies habe das Verfahren nicht entscheidend beeinflusst, so das Obergericht. Insbesondere lasse sich aus den Zeugenaussagen der Polizisten keine Absprache erkennen. Sie seien allerdings auch nicht besonders erhellend – was angesichts der Hektik des Vorfalls aber nicht weiter erstaunlich sei. Falsch liege der Geschädigtenvertreter, wenn er eine völlige Gleichbehandlung von Polizisten und Zivilisten praktisch unmittelbar nach einer Schussabgabe fordere. Polizisten machten nun einmal in einem ganz anderen Kontext von der Waffe Gebrauch. Das heisse natürlich nicht, dass sie rechtlich begünstigt werden dürften, und dies sei auch nicht der Fall.

Für den Beschuldigten bedeutet der Freispruch offenkundig eine grosse Erleichterung. Der Ehemann und Vater einer Tochter ist nach wie vor bei der Stadtpolizei angestellt, allerdings nicht mehr bei der Regionalwache Wiedikon, sondern im Bereich digitale Forensik.

Der heute 48-jährige Geschädigte, der den Vorfall mit lebensgefährlichen Verletzungen überlebte, leidet unter paranoider Schizophrenie. Seit dem Vorfall sei seine linke Hand nicht mehr funktionsfähig, sagt sein Rechtsvertreter. Er lebe seither sozial zurückgezogen, sein Leben sei «ruiniert». An den Vorfall hat er keine Erinnerung.

Einen interessanten Aspekt brachte der Verteidiger des beschuldigten Polizisten an der Verhandlung ein. Als St. Galler frage er sich, wieso die Polizisten den Angreifer nicht mit einem Taser ausser Gefecht gesetzt hätten. Die Antwort ist einfach: Anders als in anderen Kantonen und Gemeinden tragen die Frontpolizisten in der Stadt Zürich keine Taser. Dies ist speziellen Interventionseinheiten vorbehalten. Deren Einsatz können Frontpolizisten anfordern.

Dass dieses Vorgehen in Fällen wie dem vorliegenden viel zu lange dauert, liegt auf der Hand. Der letzte Versuch, dies zu ändern, unternahm im Stadtparlament die SVP. Er scheiterte im Januar 2017 am Widerstand der linken Parteien, knapp ein Jahr nach dem Vorfall von Wiedikon.

Fall SB200413-O, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/gab-es-in-zuerich-polizeigewalt-gegen-einen-schwarzen-nein-sagt-das-obergericht-aber-es-spart-nicht-mit-kritik-an-der-untersuchung-ld.1641994)



890’000 Franken: Zürcher Kantonspolizei erhält 190 neue Taser
Die Taser der Kantonspolizei Zürich werden ersetzt. Die neuen Geräte sollen grösstenteils noch dieses Jahr geliefert werden.
https://www.20min.ch/story/zuercher-kantonspolizei-erhaelt-190-neue-taser-223996480108
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/zuerich-kantonspolizei-kauft-170-neue-taser-eingesetzt-werden-duerfen-diese-nur-von-polizistinnen-und-polizisten-mit-zusaetzlicher-ausbildung-ld.2177957


+++POLIZEI EUROPA
Europäischer Polizeikongress 14. – 15. September 2021
https://www.europaeischer-polizeikongress.de/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: Kommendes Wochenende finden schweizweit Demos statt
Die Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus sorgen immer noch für Unmut. In der kommenden Woche geht in Sachen Demonstrationen so richtig die Post ab.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-kommendes-wochenende-finden-schweizweit-demos-statt-65987667



nzz.ch 24.08.2021

Angriff auf Natalie Rickli: Polizist bei Verhaftung des Täters verletzt

Zum Angriff eines Impfgegners auf die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (svp.) am vergangenen Samstag gibt es neue Einzelheiten. Der Fall ist nicht der erste seiner Art – und doch aussergewöhnlich.

Zeno Geisseler, Michael von Ledebur

Die Zürcher Staatsanwaltschaft bestätigt Informationen der NZZ, wonach beim Einsatz am vergangenen Samstag in Gossau (ZH) ein Polizist verletzt worden sei. Es handle sich um einen Polizisten in Zivil, sagte Erich Wenzinger von der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft. Er sei bei der Verhaftung eines Mannes verletzt worden. Bei der Veranstaltung in Gossau hatte dieser Mann Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (svp.) mit Apfelschorle übergossen.

Gegen den Festgenommenen, einen 44-jährigen Schweizer, hat die Staatsanwaltschaft See/Oberland mittlerweile ein Verfahren eröffnet, unter anderem wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Der Mann befindet sich laut Oberstaatsanwaltschaft inzwischen wieder auf freiem Fuss.

Proteste und Zwischenrufe

Gesundheitsdirektorin Rickli war am Samstag nach Gossau im Zürcher Oberland gereist, um die neuen Zürcher Impfbusse einzuweihen. Vor dem Gossauer Gemeindehaus gab es ein Festzelt mit kostenlosem Essen und Trinken, eine Musikgesellschaft spielte. Über 100 Personen liessen sich impfen, es hatten sich aber auch rund 25 Impfgegnerinnen und Impfgegner vor dem Festplatz aufgestellt.

Sie protestierten lautstark gegen die in ihren Augen gefährliche und unnötige Impfung. Sie verteilten Pamphlete und hielten Kartonschilder in die Höhe. Während der Ansprachen von Natalie Rickli und von Peter Indra, dem Leiter des Amts für Gesundheit, gab es immer wieder Zwischenrufe.

Im Anschluss an eine Medienorientierung in einem Saal des Gemeindehauses begab sich Rickli wieder auf das Festgelände, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen und Interviews zu führen. Dort trat der 44-jährige Schweizer auf die Regierungsrätin zu, übergoss sie mit Apfelschorle und rannte davon.

Mehrere Polizisten in Zivil nahmen umgehend die Verfolgung auf und konnten den Mann nach wenigen Metern packen. Rickli blieb beim Angriff unverletzt.

Vor dem Anlass hatten Impfgegner in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, nach Gossau zu fahren und dort «Radau zu machen».

Die SVP-Fraktion im Zürcher Kantonsrat gab am Montagvormittag eine Fraktionserklärung ab. Ein Vorfall wie in Gossau dürfe sich «nicht wiederholen». Man verurteile Gewalt in jeglicher Form, sie habe in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen. «Tätlichkeiten und Übergriffe, gewaltsame Manifestationen gegenüber Personen und Institutionen, insbesondere gegenüber politisch gewählten Magistraten, werden auf Schärfste verurteilt und dürfen nicht geduldet werden.» Gerade rund um Corona öffneten sich die Gräben quer durch die politische Landschaft immer stärker. «Die politische Auseinandersetzung soll und darf stattfinden, aber sie hat immer friedlich zu erfolgen.»

Joghurt, Torten, Bier gegen Politiker

Es ist nicht das erste Mal, dass jemand aus der Politikszene der Schweiz mit Flüssigkeiten oder Ähnlichem übergossen wurde – und auffällig oft traf es Vertreter der SVP. Ueli Maurer musste als SVP-Präsident einen Tortenangriff über sich ergehen lassen, Alt-SVP-Bundesrat Christoph Blocher eine Attacke mit Joghurt. Vor zwei Jahren schütteten vermummte Personen dem Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel sowie dem ehemaligen SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli im Zürcher Kultur-Lokal Sphères Getränke ins Gesicht. Auch Regierungsräte wurden schon Opfer von Angriffen: Vor vier Jahren machte eine Bier-Attacke auf Sicherheitsdirektor Mario Fehr, damals SP, in der Kneipe des Winterthurer Fussballstadions Schützenwiese Schlagzeilen.

Der Fall von Natalie Rickli allerdings ist anders gelagert als jene der attackierten SVP-Politiker. Diese waren von linksextremen Kreisen angegriffen worden. Bei Rickli hingegen war die Impffrage der Kontext. Rickli hat sich in dieser Frage persönlich nicht besonders exponiert. So gesehen ist es zufällig, dass es mit ihr eine SVP-Politikerin getroffen hat. Sie wurde schlicht als Vertreterin der Regierung zur Zielscheibe – Unmut über deren Kurs in der Corona-Pandemie und vor allem bei der Impffrage war mutmasslich der Auslöser.

Während vergleichbare frühere Attacken also Personen zum Ziel hatten, die in der Öffentlichkeit stark polarisierten, sah sich in diesem Fall eine Person offenbar durch die Regierungspolitik provoziert. Das macht den Fall aussergewöhnlich – und ist ein klares Indiz dafür, wie verhärtet die Haltungen in der Impffrage sind.

Wird das Sicherheitsdispositiv für Regierungsräte nach dem Vorfall von Gossau angepasst? Sicherheitsdirektor Mario Fehr sagt, über das jeweilige Dispositiv werde nicht öffentlich gesprochen. Aber selbstverständlich werde dieses immer der aktuellen Situation angepasst. Öffentliche Auftritte von Regierungsräten werde es in jedem Fall weiterhin geben. «Von solchen Leuten lassen wir uns den direkten Austausch mit der Zürcher Bevölkerung nicht nehmen.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/beim-angriff-auf-natalie-rickli-wurde-ein-polizist-verletzt-ld.1641801)



nzz.ch 24.08.2021

«Man soll diesen Spinnern keine Plattform bieten», sagt der Zürcher SVP-Präsident über die Schorle-Attacke auf die SVP-Regierungsrätin

Am Samstag wurde die SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli von einem Impfgegner angegriffen. Impfgegner haben zunehmend Gewicht in der Partei. Einen Zusammenhang gebe es aber nicht, sagt der Zürcher SVP-Präsident Benjamin Fischer dezidiert.

Michael von Ledebur

Herr Fischer, am Samstag wurde die Regierungsrätin Natalie Rickli in Gossau attackiert – erst am Montag früh äusserte sich die SVP-Fraktion dazu. Hätten Sie sich nicht früher und entschiedener hinter die eigene Regierungsrätin stellen und die Attacke verurteilen müssen?

Wir stehen selbstverständlich hinter Natalie Rickli. Aber man sollte das Thema nicht zu gross machen. Diese Gewalttäter wollen ja gerade möglichst grosse Aufmerksamkeit erlangen. Es ist ein Abwägen. Wir haben entschieden, dass wir unsere Haltung mit der Erklärung deutlich machen. Aber damit soll das Thema abgeschlossen sein. Man soll diesen Spinnern keine Plattform bieten.

Die Zahl der Impfskeptiker in der SVP ist gross, sie gewinnen an Gewicht in der Partei. Unter diesen Leuten gibt es auch welche, die Verschwörungstheorien anhängen. Legt man da nicht mit den Nährboden für solche Exzesse?

Das weise ich in aller Schärfe zurück. Wir sprechen hier von einer Gewalttat. Ich höre Stimmen, die den Vorfall verharmlosen wollen, weil Frau Rickli nur mit Apfelschorle überschüttet worden sei. Aber die Flüssigkeit hätte auch Säure sein können. Das geht nicht und ist nicht zu rechtfertigen. Mit einer bestimmten Haltung hat das nichts zu tun. Die SVP hat sich nie gegen das Impfen ausgesprochen, sondern betont die Wahlfreiheit des Einzelnen. Doch selbst wenn es anders wäre, wäre eine solche Handlung durch nichts zu rechtfertigen.

Distanziert sich die SVP klar genug von Verschwörungstheorien?

Sie müssten definieren, was Sie damit meinen.

Dass mit der Impfung Mikrochips implantiert werden und dergleichen.

Davon spüre und höre ich nichts in der Partei. Und ich glaube auch nicht, dass sich solche Leute bei der SVP wohl fühlen würden. Und wenn doch, dann würde sie etwas lernen, sie würden in den demokratischen Prozess eingebunden.

Kann man in der SVP Zürich noch sagen, dass man geimpft ist?

Selbstverständlich. Dass es anders sei in der SVP, habe ich nur in den Medien gelesen. Ich persönlich sage es nicht öffentlich – es ist eine medizinische Frage, die niemanden etwas angeht. Vor einem Jahr hätte man eine solche Frage auch niemandem gestellt. Bei uns in der Fraktion weiss man aber, wer geimpft ist und wer nicht, es ist überhaupt kein Thema. Was aber die Befürworter falsch einschätzen: Die Strategie, ewig Druck zu machen für das Impfen und Panik zu schüren, fördert nur die Abwehrhaltung. Man soll aufklären und mit Fakten argumentieren. Man muss die Emotionen aus der Debatte herausnehmen, von beiden Seiten.

Die SVP ist nicht gerade als Partei des Ausgleichs bekannt.

Wir vertreten inhaltlich eine klare Position und treten für die Freiheitsrechte des Einzelnen ein. Es ist doch bedenklich, dass Leute, die das Impfen skeptisch sehen, sich nur noch bei der SVP willkommen fühlen. Ob man sich impfen lassen will oder nicht, ist ein sehr persönlicher Entscheid. Sie sprechen von Verschwörungstheoretikern, aber etwas vom Verrücktesten, was ich in letzter Zeit gehört habe, war die Forderung eines FDP-Politikers, die Nichtgeimpften sollten die Behandlungskosten auf der Intensivstation selbst bezahlen – was man dann ja auch von Rauchern oder Autofahrern einfordern müsste. Das ist irr. Die Spaltung der Gesellschaft wurde enorm vorangetrieben in den letzten Monaten. Das bereitet mir grosse Sorgen. Den Vorfall in Gossau muss man in diesem Licht sehen.

Wollen Sie wirklich behaupten, die SVP trage dazu bei, dass die Spaltung in der Gesellschaft abnimmt?

Stellen Sie sich vor, alle Parteien stünden auf einer Seite, es stünde nur noch der Bürger gegen den Staat. Demokratie muss der Kampf um die besseren Ideen sein, Alternativlosigkeit gibt es nicht. Wenn Leute, die das staatliche Handeln in der Corona-Krise kritisch sehen, bei uns eine politische Heimat finden, stärkt dies doch das Vertrauen ins politische System.

Wie stehen Sie zum Kurs Ihrer Regierungsrätin?

Es ist klar, dass wir gewisse Differenzen in der Pandemiebekämpfung haben – dass sie eine restriktivere Haltung hat als die Partei. Das gilt auch für den Einsatz des Covid-Zertifikats oder die anstehende Abstimmung über das Covid-Gesetz, wobei ich davon ausgehe, dass die Zürcher Delegierten der Nationalpartei folgen und sich dagegen aussprechen werden. Dass es diese Differenzen gibt, ist völlig in Ordnung. Natalie Rickli hat eine andere Aufgabe, eine andere Rolle.

Ironischerweise wurde Frau Rickli beim Versuch attackiert, mit der Bevölkerung in einen Austausch zu treten. Hat der Regierungsrat mit diesem direkten Kontakt vielleicht zu lange zugewartet, hat sich etwas aufgestaut?

Ich würde da nicht den Regierungsrat kritisieren. Auf Bundesebene ist so vieles schiefgelaufen in der Kommunikation. Das Vertrauen in den Staat ist gestört. Man sollte endlich ein wenig ernster nehmen, dass die Leute sehr verunsichert sind. Bis heute gibt es Regelungen, die man nicht nachvollziehen kann. Der Gesetzgeber muss aufhören zu meinen, er könne das Privatleben der Menschen regulieren. Das geht kurzfristig, in einer Notsituation, aber nicht über lange Zeit.

Die derzeitige Befürchtung ist, dass es erneut zu einer Überlastung der Spitäler kommt. Dann könnte die Frage, ob bei Massnahmen zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden werden soll, nochmals in ganz anderer Intensität diskutiert werden.

Wirklich überlastet waren die Schweizer Spitäler nie, obwohl seit eineinhalb Jahren davor gewarnt wird. Die Notfallszenarien sind jedenfalls nie zur Anwendung gekommen. Ich glaube nach wie vor nicht daran, dass es so weit kommt. Falls doch, müsste man auf diese Notfallszenarien zurückgreifen und damit leben, dass die Pflege nicht mehr in der allerhöchsten Qualität angeboten werden kann. Das wäre auch zu rechtfertigen, weil jeder die Möglichkeit gehabt hat, sich zu impfen. Aber darüber können wir diskutieren, wenn es so weit ist.
(https://www.nzz.ch/zuerich/attacke-auf-natalie-rickli-svp-praesident-sieht-spinner-am-werk-ld.1641800?mktcid=smch&mktcval=twpost_2021-08-24)



Coronavirus: Corona-Skeptiker auch im Ausland aggressiver
Am Wochenende sorgten Skeptiker der Massnahmen gegen das Coronavirus gleich mit zwei Angriffen für Schlagzeilen. Auch im Ausland eskalieren Demos immer wieder.
https://www.nau.ch/news/ausland/coronavirus-corona-skeptiker-auch-im-ausland-aggressiver-65988199


+++HISTORY
Missionsgesellschaften und ihre Haltung zur Sklaverei
Der 23. August ist der internationale Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Folgen. In einer Reihe von Webseminaren setzt sich das Hilfswerk «Mission 21» mit der Geschichte auseinander und zeigt, wie komplex die Motive waren, sich für oder gegen Sklaverei einzusetzen.
https://www.srf.ch/audio/kultur-kompakt/missionsgesellschaften-und-ihre-haltung-zur-sklaverei?id=12042111