Medienspiegel 11. August 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
(FB 3 Rosen gegen Grenzen)
In den letzten Tagen gab es diverse Neuankünfte im #Bundesasyllager #Basel: Menschen werden auf Corona getestet, je nach Ergebnis kommen sie auf den Isolations- oder Quarantänestock. Das #Camp50 ist zu einem Coronalager ohne Aussicht auf eine Ende umgebaut worden.

Gestern Abend gab es eine Soli-Aktion beim Bundesasyllager Basel. Viele der eingesperrten Bewohner*innen und rund 20 solidarische Menschen von ausserhalb trafen sich zum gemeinsamen Protest über die Mauer des Camps hinweg. Sie brachten ihre Wut über das unhaltbare Vorgehen der Lagerleitung zum Ausdruck und riefen in verschiedenen Sprachen nach Freiheit für alle. Die Forderungen der Menschen innerhalb des Camps wurden vorgelesen:

1. Transparente Informationen!
2. Strategieänderung im Umgang mit COVID 19!
3. Verbesserung der Essensversorgung!
4. Verbesserung der Hygienebedingungen!
5. Verbesserung der Situation spezifisch für Frauen, Kinder und Familien!
6. Zugang zu einer sinnvollen gesundheitlichen Versorgung!
7. die Beseitigung von Ungleichheiten, Willkür und Ausbeutung im Arbeitssystem
8. keine Eingangs- oder Ausgangszeiten, weder für die Zimmer noch für das Lager!
(https://fb.watch/7jLzYtKRZz/)


+++ST. GALLEN
Erfolgsquote von 100 Prozent
Auch dank der Hilfe von Mentoren bestehen sämtliche Flüchtlinge ihre Lehrabschlussprüfungen
Neun Flüchtlinge, die von Freiwilligen des Friedegg-Treffs während dem zweiten Lehrjahr Hausaufgabenhilfe erhielten, traten vor den Sommerferien zur Lehrabschlussprüfung an – und allesamt haben bestanden. Dies soll allerdings erst der Anfang des im letzten Herbst gestarteten Mentoring-Projekts sein.
https://www.st-galler-nachrichten.ch/gossau/detail/article/erfolgsquote-von-100-prozent-00202714/#


+++SCHWEIZ
Der Bundesrat verabschiedet die Botschaft zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung
Personen, welche die Schweiz verlassen müssen, können künftig zu einem Covid-19-Test verpflichtet werden, wenn der Wegweisungsvollzug sonst nicht möglich ist. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 11. August 2021 die entsprechende Botschaft zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) verabschiedet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-84658.html


Veränderte Situation im Land: Schweiz setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus
Aufgrund der Sicherheitslage im Land verzichten die Schweiz und andere Länder darauf, abgewiesene Asylbewerber zurückzuschaffen.
https://www.derbund.ch/niederlande-und-deutschland-setzen-abschiebungen-nach-afghanistan-aus-144717030599
-> https://twitter.com/SEMIGRATION/status/1425484706573869060
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/verschlechterung-der-lage-schweiz-stoppt-doch-noch-rueckfuehrungen-nach-afghanistan


SFH fordert sofortigen Rückführungsstopp nach Afghanistan
Angesichts der sich dramatisch verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan sind Rückführungen abgewiesener Asylsuchender dorthin aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) unhaltbar. Nachdem nun auch Deutschland auf Rückführungen verzichtet, fordert die SFH von der Schweiz einen expliziten Rückführungsstopp.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/sfh-fordert-sofortigen-rueckfuehrungsstopp-nach-afghanistan


+++DEUTSCHLAND
Bundesinnenministerium: Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus
In Afghanistan sind die Taliban weiter auf dem Vormarsch. Wegen der schwierigen Sicherheitslage gibt es nun einen Abschiebestopp in Deutschland.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-08/deutschland-setzt-abschiebungen-nach-afghanistan-aus
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/deutschland-setzt-abschiebungen-nach-afghanistan-aus,SfmHmIL
-> https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/deutschland-afghanistan-abschiebungen-101.html
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afghanistan-deutschland-setzt-abschiebungen-vorerst-aus-a-0aff9433-0a81-40db-bbd2-b3786cf14790
-> https://taz.de/Bundesinnenministerium-setzt-Fluege-aus/!5793336/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155471.horst-seehofer-bundesregierung-setzt-abschiebungen-nach-afghanistan-aus.html
-> https://www.proasyl.de/pressemitteilung/pro-asyl-zur-aussetzung-von-abschiebungen-nach-afghanistan/
-> https://www.derbund.ch/niederlande-und-deutschland-setzen-abschiebungen-nach-afghanistan-aus-144717030599
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155499.abschiebungen-nach-afghanistan-kein-zeichen-von-humanitaet.html


Niederlande und Deutschland stoppen Abschiebungen nach Afghanistan wegen Taliban-Vormarschs
Die Extremisten weiten ihre Kontrolle im Land aus. Rückführungen von Afghanen sind wegen der Sicherheitslage höchst umstritten. Österreich hält daran aber fest
https://www.derstandard.at/story/2000128854309/niederlande-und-deutschland-setzen-abschiebungen-nach-afghanistan-aus?ref=rss


+++BALTIKUM
Migranten an litauischer Grenze: “Ihr Ziel ist Deutschland”
Noch immer ist die Flüchtlingslage in Litauen angespannt. Während das Parlament in Vilnius einen Zaun an der Grenze zu Belarus bauen lassen will, verspricht die EU-Kommission Geld für humanitäre Hilfe.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/litauen-grenzzaun-101.html


+++SPANIEN
nzz.ch 11.08.2021

Der Migrationsdruck an Spaniens Grenzen steigt

Im Norden, Osten, Süden und Westen versuchen Flüchtlinge nach Spanien überzusetzen, um europäischen Boden zu erreichen. Selbst strenge Grenzkontrollen und Abschreckungsmanöver halten sie kaum auf. Inzwischen hilft Marokko aber wieder mit.

Ute Müller, Madrid

Mit dem Auto dauert die Fahrt vom nordspanischen Grenzort Irún ins französische Städtchen Hendaye nur wenige Minuten. Doch für Migranten aus Afrika ist diese Route riskant, denn die französische Grenzpolizei führt selektive Grenzkontrollen durch, um potenziell illegal eingereiste Einwanderer aufzugreifen. Wer entdeckt wird, wird umgehend über die Grenze zurück nach Spanien gebracht. Seit 2002 besteht zwischen den beiden Ländern ein Rückführungsabkommen.

Um diesem Schicksal zu entgehen, versuchen inzwischen immer mehr Migranten, durch den breiten, mit vielen Stromschnellen besetzten Grenzfluss Bidasoa zu schwimmen. Zwei Migranten sind dieses Jahr bei diesem Unterfangen bereits gestorben. Ein Mann starb am vergangenen Sonntag. Er stammte aus Guinea. «Der Tod eines Menschen, der verzweifelt ein besseres Leben anstrebt, darf uns nicht gleichgültig lassen», twitterte Irúns Bürgermeister José Antonio Santano.

Zusammen mit seinen Amtskollegen aus dem baskischen Städtchen Hondarribia und der französischen Gemeinde Hendaye hat er einen Brief an die Regierungen der beiden Länder geschrieben, in welchem sie die scharfen Grenzkontrollen kritisieren. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen unterstützen den Brief: «Wir sind nur eine Durchgangsstation. Es ist nicht rechtens, dass Menschen beim Passieren einer Grenze im Schengen-Raum aufgehalten werden», sagte Mikel Mazkiaran, ein Anwalt, der unter anderem für die Organisation SOS Rassismus tätig ist.

Nach Angaben des lokalen Netzwerks Irungo Harrea Sarea, dessen Helfer die Ankömmlinge im Baskenland verpflegen und ihnen Unterkünfte zur Verfügung stellen, kamen in diesem Jahr bisher 4100 Zuwanderer. Das sind so viele, wie die Organisation im gesamten letzten Jahr gezählt hat.

Die Kanaren als Sprungbrett nach Europa

Erstmals europäischen Boden hatten viele von ihnen auf den Kanarischen Inseln betreten. Dort landeten im letzten Jahr 22 000 Migranten. In diesem Jahr meldeten die Behörden bisher 7500 Flüchtlinge. Im ganzen Land wurden bis zum 30. Juni bereits knapp 27 000 Asylanträge gestellt. Rund 17 000 Menschen waren bis zum 1. August illegal nach Spanien gelangt. Dies sind rund 50 Prozent mehr illegal Eingewanderte, als im letzten Jahr zur selben Zeit. Lange Zeit hatte das spanische Innenministerium versucht, die Ankommenden so lange wie möglich auf den Inseln aufzufangen und nicht auf spanisches Festland auszufliegen.

So sollten weitere Bootsflüchtlinge von der gefährlichen Atlantiküberfahrt abgeschreckt werden. Wiederholt kam es wegen dieser Praxis unter den Flüchtlingen, die grösstenteils in einem zentralen Auffanglager auf Teneriffa untergebracht wurden, zu Unruhen und Protesten. Nachdem ein Gericht jedoch entschieden hatte, dass Migranten mit korrekten Papieren weiter auf das spanische Festland reisen dürfen, entspannte sich die Lage. Zurzeit befinden sich nach Angaben des Innenministeriums nur noch etwa 2000 Migranten auf den Kanarischen Inseln.

Frankreich hingegen hat kein Interesse an anhaltender Zuwanderung aus dem Nachbarland. «Seit den terroristischen Attentaten in Paris im Jahr 2015 ist es für Migranten aus Spanien viel schwieriger, die Grenze zu passieren», sagt Mazkiaran. Im November 2020 kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron deshalb bei einem Besuch des spanisch-französischen Grenzübergangs La Jonquera eine Verdoppelung der Zahl der Grenzpolizisten auf 4800 an.

Laut Recherchen der französischen Tageszeitung «Le Figaro» hat die französische Polizei zwischen November 2020 und März 2021 knapp 16 000 Flüchtlinge aus Spanien zurückgewiesen. 12 282 wurden direkt an der Grenze angehalten, 3469 Menschen waren bereits in Frankreich und wurden ausgeschafft. Von spanischer Seite gibt es für diesen Zeitraum noch keine offiziellen Zahlen.

Im Herbst droht eine neue Flüchtlingswelle

Um den Druck bei der Migration nach Spanien allerdings zu mindern, ist Ministerpräsident Pedro Sánchez in erster Linie daran interessiert, die diplomatische Krise mit Marokko zu beenden. Der Maghrebstaat hatte es Mitte Mai aus Verbitterung über die aus seiner Sicht fehlende spanische Unterstützung in der Westsahara-Frage zugelassen, dass mehr als 11 000 Flüchtlinge die spanischen Exklave Ceuta stürmten.

Erst nachdem Sánchez im Juli einen neuen Aussenminister ernannt hatte, der Marokko demonstrativ als grossen «Freund und Nachbarn» lobte, hat sich der Konflikt entschärft. Seit Anfang August verhinderten marokkanische Sicherheitskräfte bisher erneut vier Anstürme auf den Grenzzaun von Melilla.

Vor allem in den kommenden Monaten werden die Spanier aber noch mehr auf die Mitarbeit der Marokkaner angewiesen sein. Im Herbst, wenn das Wasser im Atlantik ruhiger ist und sich der Wind abschwächt, könnten sich erneut Tausende von Migranten von Marokkos Westküste aus auf den Weg zu den Kanarischen Inseln machen.
(https://www.nzz.ch/international/immer-mehr-migranten-nutzen-das-baskenland-als-tor-nach-frankreich-ld.1639910)


+++GASSE
Videokameras am Zürcher Utoquai abgeschaltet
Die Überwachungskameras an der Zürcher Seepromenade sind nicht mehr scharf gestellt. Mitte Juni seien die Kameras abgestellt worden, heisst es auf Anfrage bei der Stadtpolizei Zürich. Die Lage habe sich beruhigt.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/videokameras-am-zuercher-utoquai-abgeschaltet?id=12035457
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/videokameras-am-utoquai-lieferten-in-sieben-faelle-beweise?id=12035598
-> https://www.tagesanzeiger.ch/kameras-sind-vorerst-ausgeschaltet-855353382806


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
bernerzeitung.ch 11.08.2021

Blitzaktion im Schönbergpark: Nur ein kurzes Gastspiel der Berner Hausbesetzer

Am Dienstag besetzte ein Kollektiv eine städtische Liegenschaft an der Laubeggstrasse in Bern. Lange dauert die Aktion allerdings nicht.

Michael Bucher

Die Berner Hausbesetzerszene ist in der Nacht auf Dienstag mal wieder in Erscheinung getreten. Ihr Ziel: das stattliche Wohnhaus an der Laubeggstrasse 40, das sich am Rande des Schönbergparks befindet. Das Gebäude gehört der Stadt Bern, genauer: dem städtischen Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik. Für 3,18 Millionen Franken will die Stadt den ehemaligen Herrenstock sanieren und die neuen Wohnungen ab Frühjahr 2022 zu Marktmieten und nach Möglichkeit an Familien vermieten.

Besetzt wurde die Liegenschaft von einem Kollektiv namens Matsutake, wie es auf dem linksautonomen Infoportal Barrikade.info heisst. Laut dem Communiqué handelt es sich beim Kollektiv um rund ein Dutzend Menschen unterschiedlichen Hintergrunds. Studenten, Sozialarbeiterinnen, Handwerker seien darunter, aber auch eine junge Familie und «Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus aufgrund ihrer Herkunft».

Die Besetzung sieht das Kollektiv unter anderem als «ein Zeichen gegen die Aufwertung und die damit verbundene Verdrängung von Menschen unterer Schichten aus nahezu allen Quartieren der Stadt Bern». In seinen Augen trägt auch die Wohnbaupolitik der rot-grünen Stadt Bern zu diesem Missstand bei.

Umbau beginnt am Montag

Doch die Besetzung wird wohl als eine der kürzesten in die Historie eingehen. Denn die Hauptarbeiten an dem denkmalgeschützten Haus beginnen schon am kommenden Montag, wie Marc Lergier, Bereichsleiter bei Immobilien Stadt Bern, auf Anfrage mitteilt. Das Gebäude steht auch noch nicht lange leer. Die Mieter der drei Wohnungen sind laut Lergier erst vor rund zwei Wochen ausgezogen. Anschliessend hätten bereits die Vorarbeiten der Sanierung begonnen. Strom und Wasser wurden abgestellt, der Eingangsbereich gut sichtbar abgesperrt.

Trotzdem besetzte das Kollektiv die Liegenschaft. Die Beteiligten informierten die Stadt in einem Schreiben darüber. Diese suchte umgehend das Gespräch mit den ungebetenen Gästen. Bereits am Dienstagvormittag habe er die Gruppe besucht und darüber informiert, dass aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Sanierung keine Zwischennutzung möglich sei, sagt Marc Lergier. Das Gespräch sei konstruktiv verlaufen. Vereinbart wurde, dass das Besetzerkollektiv die Liegenschaft bis Donnerstagabend wieder verlässt.

Doch wie es scheint, haben die Besetzerinnen und Besetzer das Ende der Frist gar nicht erst abgewartet und sind bereits am Mittwoch wieder ausgezogen. So hingen am Mittag jedenfalls weder Transparente an der Fassade, noch war jemand im Haus anzutreffen.
(https://www.bernerzeitung.ch/nur-ein-kurzes-gastspiel-der-hausbesetzer-717717804712)
-> Communiqué zur Hausbesetzung an der Laubeggstrasse 40: https://barrikade.info/article/4693



tagesanzeiger.ch 11.08.2021

«Ablenkungsschläge» an Frauendemo: Staatsanwalt darf gegen Zürcher Stadtpolizist ermitteln

Gegen den Polizisten, der bei einer Demo eine junge Frau geschlagen hat, läuft eine Strafuntersuchung. Doch solche Ermittlungen führen selten zu einer Verurteilung.

Corsin Zander

Es kommt selten vor, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen Polizisten ermittelt. Oft tut sie es widerwillig, weil etwa ein mutmassliches Opfer von Polizeigewalt darauf besteht. Umso ungewöhnlicher ist es, dass nach einer gewalttätigen Verhaftung vom vergangenen März ein Zürcher Staatsanwalt von sich aus tätig geworden ist.

Er wollte eine Strafuntersuchung gegen einen Polizisten eröffnen, der eine Demonstrantin anlässlich einer unbewilligten Demonstration mehrfach gegen den Kopf geschlagen hat, als diese bereits am Boden lag.

Er habe der Frau zwei «Ablenkungsschläge» gegen den Kopf verpasst, nachdem diese ihn in die Hand gebissen habe, sagte der Polizist nach der Verhaftung. Gegen die Frau läuft ein Strafverfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte.

Eine Anzeige gegen den Polizisten ist nicht eingegangen. Der zuständige Staatsanwalt der Abteilung «Besondere Untersuchungen», die für sogenannte Internal Affairs zuständig ist, hat beim Obergericht den Antrag gestellt, gegen den Polizisten zu ermitteln. Bei Beamten muss das Obergericht dazu die Ermächtigung erteilen.

Weil die zuständige Abteilung am Obergericht stark ausgelastet ist, musste der Staatsanwalt lange auf einen Entscheid warten. Inzwischen haben die Richter den Antrag aber bewilligt, wie die NZZ berichtet. Nun werde der Staatsanwalt den genauen Sachverhalt und die im Raum stehenden Straftaten klären, bestätigt ein Sprecher auf Anfrage.

Stadtpolizei stellt sich hinter Polizist

Ob es zu einer Anklage oder einem Strafbefehl gegen den Polizisten kommen wird, ist offen. Der Staatsanwalt hat die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen, wenn er zum Schluss kommt, dass dem Polizisten keine Straftat nachgewiesen werden kann.

Der Polizist dürfte sich auf den Standpunkt stellen, dass solche Ablenkungsschläge zulässig sind, wenn sich eine Person bei einer Verhaftung massiv zur Wehr setzt. Zu diesem Schluss ist auch eine polizeiinterne Untersuchung nach der umstrittenen Verhaftung gekommen, wie der Stadtrat in einer Antwort auf entsprechende Fragen aus dem Gemeinderat im Mai geschrieben hat. Der Polizist ist deshalb auch weiter im Dienst. Angesichts des politischen Drucks verfügte der Kommandant der Zürcher Stadtpolizei, dass solche Schläge künftig nur noch in Notwehrsituationen zulässig sind.

Im Zweifel für das Härtere

Sieht der Staatsanwalt aber die Möglichkeit, dass sich der Polizist eines strafbaren Handelns schuldig gemacht hat, dann muss er nach dem Grundsatz «in dubio pro duriore» (im Zweifel für das Härtere) Anklage erheben. Das Bezirksgericht müsste dann in der Folge über den Fall entscheiden.

Dass Gerichte Polizisten verurteilen, ist selten. 2017 sprach das Bezirksgericht Zürich beispielsweise einen Kantonspolizisten schuldig, der einen abgewiesenen Asylbewerber bei einer Leibesvisitation nach einer Schlägerei als «Drecksausländer» beschimpft und ihm eine Ohrfeige verpasst hatte. Auch dieser Polizist sprach damals von einem «Ablenkungsschlag». Er zog das Urteil weiter, und das Obergericht sprach ihn vollumfänglich frei.
(https://www.tagesanzeiger.ch/staatsanwalt-darf-gegen-zuercher-stadtpolizist-ermitteln-157922832182)
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/pruegel-an-zuercher-frauen-demo-wegen-diesen-schlaegen-ermittelt-staatsanwaltschaft-gegen-polizisten-id16743352.html



nzz.ch 10.08.2021

Staatsanwaltschaft eröffnet Strafverfahren gegen Zürcher Polizisten wegen «Ablenkungsschlägen» auf den Kopf einer Demonstrantin

Mehrfach hat ein Stadtpolizist bei einer unbewilligten Frauen-Demo einer Demonstrantin gegen den Kopf geschlagen. Nun laufen Strafverfahren gegen ihn und die junge Frau.

Fabian Baumgartner

Das Video einer Verhaftungsaktion anlässlich des Internationalen Frauentages sorgte für Empörung. Die Filmaufnahmen von der «8. März Unite»-Demonstration vom 6. März in Zürich zeigten, wie ein Polizist einer am Boden liegenden jungen Frau mehrmals gegen den Kopf schlägt.

Mehrere hundert Demonstrantinnen hatten sich trotz dem damals geltenden Demonstrationsverbot in der Zürcher Innenstadt versammelt. Die Polizei versuchte mit einem Grossaufgebot, die unbewilligten Aktionen zu verhindern, sie verfügte Wegweisungen und setzte auch Reizstoffspray ein.

In einem Communiqué hielt die Stadtpolizei später fest, die Demonstrantin habe den Polizist in drei Finger gebissen. Als man die Frau unter heftiger Gegenwehr festgenommen habe, hätten sich mehrere Personen mit ihr solidarisiert und versucht, sie zu befreien.

Auch die junge Frau äusserte sich. Gegenüber dem «Blick» erklärte sie, sie sei einer Frau zu Hilfe geeilt, die von der Polizei ohne Vorwarnung grob aus der Menge gezogen worden sei. «Im nächsten Moment wurde ich an der Stirn gepackt, und man schlug mich zwei Mal auf den Hinterkopf. Dann wurde ich ebenfalls zu Boden gerissen.» Linke Kreise solidarisierten sich anschliessend mit der Demonstrantin.

    pic.twitter.com/wnQwDlBtpP
    — Feministisches Streikkollektiv Zürich (@femstreikzh) March 8, 2021

Obergericht erteilt Ermächtigung

Für den beteiligten Polizisten hat der Vorfall vom 6. März ein strafrechtliches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen nämlich vom Obergericht die Ermächtigung erhalten, um ein Strafverfahren gegen den Polizisten zu eröffnen. Dies sagt Erich Wenzinger, Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft, auf Anfrage. «Im Rahmen dieses Verfahrens werden nun der genaue Sachverhalt und die im Raum stehenden Straftaten geklärt.»

Die unschönen Szenen rund um die unbewilligte Frauen-Demonstration sorgten bereits für ein politisches Nachspiel. Die beiden Gemeinderätinnen Christina Schiller (al.) und Selina Walgis (Grüne) hatten zusammen mit 32 Ratsmitgliedern Fragen zum Polizeieinsatz gestellt. Sie verlangten unter anderem Auskunft darüber, wie die Vorkommnisse aufgearbeitet würden.

Der Stadtrat stellte sich in seiner Antwort auf den Standpunkt, bei den Schlägen gegen den Kopf der jungen Frau handle es sich um sogenannte Ablenkungsschläge. «Um einen Menschen, der sich massiv zur Wehr setzt, unter Kontrolle zu bringen, können gezielte Ablenkungstechniken seitens der Polizei notwendig werden», hielt der Stadtrat fest.

Polizei verzichtet auf personalrechtliche Massnahmen

Die Stadtpolizei untersuchte den Vorfall intern, Kommandant Daniel Blumer verzichtete jedoch auf personalrechtliche Massnahmen, der Mitarbeiter blieb deshalb im Dienst. Im Gespräch mit dieser Zeitung meinte Blumer: «Wir konnten feststellen, dass der Mitarbeiter die schweizweit geltenden Instruktionen eingehalten hat.» Die Demonstrantin habe den Polizisten in den Finger gebissen, in einer solchen Situation seien solche Schläge erlaubt.

Blumer kündigte jedoch eine Änderung beim Vorgehen an. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass Ablenkungsschläge gegen den Kopf nur noch in Notwehrsituationen zulässig sind. Dies, um Verletzungen zu vermeiden.» Die neuen Vorgaben habe er per sofort eingeführt.

Beim Polizeieinsatz wurden laut Angaben der Stadt insgesamt 156 Demonstrantinnen kontrolliert, 154 von ihnen wurden mit einer Wegweisung belegt. Sie wurden zudem wegen Verstosses gegen die damals geltenden Corona-Regelungen bei Demonstrationen verzeigt. Zwei Teilnehmer wurden zudem verhaftet.

Gegen die Demonstrantin, welche den Polizisten in den Finger biss, führt die Staatsanwaltschaft derzeit ebenfalls ein Verfahren – in ihrem Fall wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. In ihrem wie auch im Fall des Stadtpolizisten gilt die Unschuldsvermutung bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss.
(https://www.nzz.ch/zuerich/frauendemo-in-zuerich-strafuntersuchung-gegen-polizist-eroeffnet-ld.1639773)



Polizisten in Vollmontur: Grosseinsatz am Bahnhof Liestal wegen unbewilligter Demo
Am Bahnhof Liestal BL kommt es am Mittwochabend zu einem Polizeieinsatz. Grund dafür ist eine unbewilligte Demonstration.
https://www.blick.ch/schweiz/basel/unterbrueche-im-bahnverkehr-grosseinsatz-am-bahnhof-liestal-wegen-unbewilligter-demo-id16745193.html
-> https://twitter.com/__investigate__
-> https://telebasel.ch/2021/08/11/grosseinsatz-wegen-demo-am-bahnhof-liestal
-> https://www.bzbasel.ch/basel/blaulicht-region-basel-demonstration-nach-hausbesetzung-in-liestal-vorstoss-fuer-rueckgabe-der-parkkarten-in-basel-stadt-mehrere-unfaelle-beschaeftigen-die-kantonspolizei-ld.2069962
-> https://www.20min.ch/story/grosseinsatz-der-polizei-am-bahnhof-liestal-bl-258658180531


Nach Osterkrawalleinsatz: Strafverfahren gegen St.Galler Stadtpolizisten eingeleitet
War es Amtsmissbrauch? Nach den Osterkrawallen und dem harschen Einschreiten der St.Galler Polizei müssen sich die beteiligten Stadtpolizisten einem Strafverfahren stellen. Dies hat die St.Galler Anklagekammer entschieden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/nachspiel-nach-osterkrawalleinsatz-strafverfahren-gegen-stadtpolizei-eingeleitet-ld.2172711


+++REPRESSION DE
Anklage gegen Autonome zugelasssen: Prozess gegen Lina E. startet bald
Ab dem 8. September soll gegen die Leipziger Studentin und drei Mitangeklagte wegen Angriffen auf Neonazis verhandelt werden. Protest ist angekündigt.
https://taz.de/Anklage-gegen-Autonome-zugelasssen/!5793371/


+++KNAST
Untersuchung eingeleitet: 52-jähriger Häftling stirbt in JVA Bostadel
In der Justizvollzugsanstalt Bostadel ist am Dienstag ein Häftling verstorben. Die Staatsanwaltschaft untersucht den Fall.
https://www.zentralplus.ch/52-jaehriger-haeftling-stirbt-in-jva-bostadel-2160937/


+++POLIZEI SG
Polizeieinsatz vom Ostermontag in St. Gallen: Vorwurf Amtsmissbrauch – Schweiz Aktuell
Der Polizeieinsatz in St. Gallen vom Ostermontag hat ein juristisches Nachspiel. Die Anklagekammer des St. Galler Kantonsgerichtes hat entschieden, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen oder mehrere Polizisten wegen Amtsmissbrauch ermitteln muss.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/polizeieinsatz-vom-ostermontag-in-st–gallen-vorwurf-amtsmissbrauch?urn=urn:srf:video:a53d2746-79d4-4852-9d73-0fa1ccbe487d
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/wegweisung-und-schuesse-polizei-st-gallen-kaempft-mit-justiz-143343785


Was weiter geschah: St. Galler Polizei vor Strafverfahren
Die «Osterkrawalle» der coronamüden Jugend in St. Gallen haben für die Polizei ein juristisches Nachspiel. Die kantonale Anklagekammer hat einer Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die angezeigten Polizisten zugestimmt. Damals sprach die Polizei 650 Wegweisungen aus. Die betroffenen jungen Menschen durften für dreissig Tage nicht mehr in die Stadt.
https://www.woz.ch/2132/was-weiter-geschah/st-galler-polizei-vor-strafverfahren


+++POLIZEI TI
Nach Diebstahl in Bellinzona: Kosovare (†28) ertrinkt auf der Flucht im Fluss Ticino
Im Tessin kam es am Mittwochmorgen zu einer Tragödie. Auf der Flucht vor der Polizei ertrank ein Dieb im Fluss Ticino.
https://www.blick.ch/schweiz/tessin/nach-diebstahl-in-bellinzona-kosovare-28-ertrinkt-auf-der-flucht-im-fluss-ticino-id16744170.html


+++POLIZEI DE
Männliche Räume – Polizeiliche Raumproduktionen und Geschlecht
Seit nunmehr 40 Jahren gehören Frauen zum Bild der deutschen Polizei. Dennoch ist Männlichkeit in der Polizeikultur auffallend persistent. Eine Analyse institutioneller Raumproduktionen liefert Antworten auf die Frage, wie polizeiliche Maskulinität als konstitutiver Bestandteil der Polizei legitimiert wird.
https://www.cilip.de/2021/08/11/maennliche-raeume-polizeiliche-raumproduktionen-und-geschlecht/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Le Jeune UDC valaisan Léo Rouvinez a un tatouage nazi
Il affiche ouvertement son néonazisme sur les réseaux sociaux.
https://renverse.co/infos-locales/article/le-jeune-udc-valaisan-leo-rouvinez-a-un-tatouage-nazi-3187


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Hetze in Walliser Briefkästen: Impfgegner hausieren mit Mord-Vorwurf
Krude Verschwörungstheorien und abstruse Vorstellungen von Impf-Nebenwirkungen: In Oberwalliser Briefkästen landet massenweise Hetze von Impfgegnern.
https://www.blick.ch/wirtschaft/hetze-in-walliser-briefkaesten-impfgegner-hausieren-mit-mord-vorwurf-id16739317.html


Gebrüder Leppe: Experten für Menstruation und Pädagogik
Im “Gebrüder Leppe Talk” wird einem die Welt erklärt – gespickt mit Verschwörungstheorien und Antisemitismus
https://www.derstandard.at/story/2000128176435/gebrueder-leppe-experten-fuer-menstruation-und-paedagogik?ref=rss


+++HISTORY
bernerzeitung.ch 11.08.2021

Dauerausstellung mit Staubschicht: Illegale Menschenversuche – verschwiegen vom Historischen Museum

Der Bieler Psychiater Roland Kuhn wird noch immer als «Berner Pionier» gefeiert – obwohl seine menschenverachtenden Versuche längst bekannt sind.

Michael Feller

Zwischen Meret Oppenheim und Liselotte Pulver blickt er freundlich, aber bestimmt aus dem Bild. Roland Kuhn (1912–2005), Arzt und Psychiater. 1957 entdeckte er die antidepressive Wirkung des Wirkstoffs Imipramin, den das Basler Chemieunternehmen Ciba später als Tofranil verkaufte. Es war die erste moderne Arznei zur Behandlung von Depressionen.

Kuhns Leistung wird im Bernischen Historischen Museum gewürdigt, in der Ausstellung «Bern und das 20. Jahrhundert» im Dachgeschoss. Als einer mit «Berner Pioniergeist». Was im Historischen Museum nicht steht: Seine Erfolge erzielte er mit illegalen Medikamentenversuchen an seinen Patienten in der Psychiatrie Münsterlingen TG.

Die Geschichte ist eines der ganz dunklen Kapitel der Schweizer Pharmageschichte.

Waldau, dann Münsterlingen

Nach seinem Medizinstudium arbeitete der Bieler Roland Kuhn als Assistenzarzt in der Psychiatrischen Uniklinik Waldau in Bern, bevor er Oberarzt in Münsterlingen wurde. Zwischen 1971 und 1980 war er Direktor der dortigen psychiatrischen Klinik. Er hatte in Fachkreisen einen fantastischen Ruf. Erst nach seinem Tod wurde klar, dass die Patientinnen und Patienten den Preis dafür bezahlt hatten.

Ein erster Artikel dazu erschien 2012 im «Tages-Anzeiger», 2015 erteilte der Regierungsrat des Kantons Thurgau einem Team von Historikerinnen und Historikern den Auftrag, die Pharmaforschung in Münsterlingen zu untersuchen. 2018 zeigte SRF einen Dokfilm, der heute auch auf Youtube verfügbar ist. Einer breiten Öffentlichkeit ist heute bekannt, dass Roland Kuhn die nicht zugelassenen Medikamente ohne das Einverständnis der Betroffenen verabreichte, zum Teil unter Zwang.

Kuhn pflegte gute Beziehungen zur Basler Firma Ciba (heute Novartis). Die Ciba stellte die zu testenden Medikamente zur Verfügung, Kuhn lieferte die Beobachtungen seiner Studien. Der Psychiatrie kam dieses Vorgehen finanziell entgegen, weil die Ausgaben für Medikamente stets stiegen. Darüber hinaus wurde Kuhn von der Basler Chemie fürstlich entlohnt.

Unmengen von Pillen

Das Buch «Testfall Münsterlingen» von Historikerin Marietta Meier und ihrem Team zeigte 2019 das Ausmass der Menschenversuche: Bei 67 Substanzen liegen eindeutige Beweise vor, mindestens weitere 50 dürften ebenfalls getestet worden sein. In den Testberichten von Psychiater Kuhn sind insgesamt 2789 Personen vermerkt.

Es wurden unter Kuhn diverse Medikamente getestet, die später nicht auf den Markt kamen, weil sie für gefährliche Zwischenfälle verantwortlich waren. Insgesamt sind die Forscherinnen auf 36 Personen gestossen, die während oder kurz nach der Verabreichung von Prüfstoffen verstarben. Auch in anderen Psychiatrien wurden an Menschen ohne Einverständnis Medikamente getestet.

Wie kann das passieren?

«Zu seiner Entdeckung gehörte etwas Glück, aber auch eine präzise klinische Beobachtung und viel Engagement für seine Patienten», steht in der Ausstellung «Bern und das 20. Jahrhundert» auf einer Tafel unter dem Bild von Roland Kuhn. Kann sich das ein Historisches Museum erlauben?

«Das ist tatsächlich eine Pendenz, die seit längerem ansteht», sagt Thomas Fenner vom Bernischen Historischen Museum. Der Historiker ist verantwortlich für die Sammlung der Neusten Geschichte und somit auch für die Ausstellung «Bern und das 20. Jahrhundert». Der Text über die Entwicklung des ersten Antidepressivums durch Roland Kuhn soll bald überarbeitet werden. Dabei werde die historische Aufarbeitung der Münsterlinger Menschenversuche miteinfliessen.

Doch wie kann es passieren, dass neun Jahre nach den ersten Zeitungsberichten der Skandal nicht einmal erwähnt wird im Museum? «Für die Betreuung der Dauerausstellungen blieb in den letzten Jahren wenig Zeit», sagt Thomas Fenner dazu. Schuld daran sei die mangelnde Erschliessung der Sammlung gewesen, die man in den letzten zehn Jahren aufgearbeitet habe. Zudem wollte man zuerst den offiziellen Bericht zum Testfall Münsterlingen abwarten.

Museumsdirektor Thomas Pauli-Gabi hatte bereits vor seinem Stellenantritt im Mai 2020 angekündigt, dass er die Dauerausstellungen erneuern will. Wegen Abwesenheit konnte er gegenüber dieser Zeitung keine Stellung nehmen.

Die Ausstellung «Bern und das 20. Jahrhundert» zeigt nicht nur beim Jahr 1957 und bei Roland Kuhn, wie sehr das Museum stellenweise Staub angesetzt hat. Auf dem Zeitstrahl durch das vergangene Jahrhundert ist die Band Züri West unter 1988 eingetragen, als Musik zu den bewegten 80ern. Im Text wird das musikalische Oeuvre aufgelistet. «Bis 2004 erschienene Alben». Seit der Eröffnung der Ausstellung 2006 ist alles geblieben, wie es ist. Zumindest fast: Bei den mittlerweile verstorbenen «Pionieren» wurden die Lebensdaten nachgetragen.



Wo sind all die Objekte?

Die Versäumnisse in der Sammlung des Bernischen Historischen Museums gehen– mindestens – auf die Zeit von Thomas Pauli-Gabis Vorvorgänger Peter Jezler zurück, der das Haus von 1997 bis 2009 führte. Er investierte einen grossen Teil der Ressourcen in Ausstellungen, die zum Teil auch Publikumserfolge wurden, gleichzeitig wurde die Sammlung vernachlässigt.

Jezlers Nachfolger Jakob Messerli führte das Museum vom 2010 bis 2020. Er war gezwungen, das Gegenteil zu machen, die Wiedererschliessung der Sammlung war dringend. Die umfangreiche Sammlung ist auf mehrere Depots verteilt. Von vielen Objekten wusste das Museum schlicht nicht, wo sie sich befanden. Nun soll unter Thomas Pauli-Gabi wieder in die Ausstellungen investiert werden – auf Basis einer geordneten Sammlung. (mfe)
(https://www.bernerzeitung.ch/illegale-menschenversuche-verschwiegen-vom-historischen-museum-879100208395)