Medienspiegel 10. August 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
Es geht in die dritte Runde: Das Referendum gegen die Asylunterkunft ist zu Stande gekommen
Gegen den Bau der Niederwiler Asylunterkunft wurde das Referendum ergriffen. 452 Niederwilerinnen und Niederwiler setzten ihre Unterschrift darunter. Die Stimmberechtigten werden nun an der Urne, am 24. Oktober, nochmals über das Geschäft befinden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/niederwil-es-geht-in-die-dritte-runde-das-referendum-gegen-die-asylunterkunft-ist-zu-stande-gekommen-ld.2172413


+++SOLOTHURN
Beschleunigtes Asylverfahren sorgt für weniger Zuweisungen und mehr Gewissheit
Im beschleunigten Asylverfahren braucht es in einem Fünftel der Fälle, die den Kanton Solothurn betreffen, vertiefte Abklärungen.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/kanton-solothurn-beschleunigtes-asylverfahren-sorgt-fuer-weniger-zuweisungen-und-mehr-gewissheit-ld.2172211



solothurnerzeitung.ch 10.08.2021

Pilotprojekt bis Ende 2022: Kanton unterstützt Kunsttherapie für traumatisierte Asylsuchende

Mit Kunst Asylsuchende mit einem Trauma stabilisieren – mit dieser Idee gründeten Joseph Aschwanden und Christina Roters aus Rüttenen 2017 den Verein Zaffe. Mittlerweile ist man zur offiziellen Fachstelle geworden – und Teil des kantonalen Gewaltpräventionsprogramms. Neu arbeiten die Fachpersonen deshalb auch mit Menschen aus den drei Asylzentren im Kanton Solothurn.

Noëlle Karpf

Malen, Tonfiguren formen, Kunstwerke aus Gips schaffen – und auf diese Weise Traumen aufarbeiten und verarbeiten. Das ist das Konzept des Vereins Zaffe, der mit Asylsuchenden im Kanton Solothurn arbeitet. Ein solches Angebot findet man nicht an jeder Ecke, im Kanton an gar keiner anderen als an der Strasse unterhalb des Solothurner Westbahnhofs, wo Zaffe zu Hause ist. Ein Spartenangebot, könnte man also sagen – aber: Für die Jahre 2021 und 2022 ist die Fachstelle immerhin Teil des kantonalen Gewaltpräventionsprogramms.

Im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts erhält der Verein Beiträge in der Höhe von 50’000 Franken jährlich. Dafür ist er vom Kanton anerkannt als offizielle Fachstelle – und gleichzeitig muss er gewisse Aufträge erfüllen. Welche das sind, erklären Joseph Aschwanden, Kunsttherapeut, und Cristina Roters, Maltherapeutin – beide aus Rüttenen –, die den Verein 2017 gegründet haben.

Einerseits therapiert Aschwanden hauptsächlich männliche Asylsuchende in Einzelsitzungen; bei Roters sind vor allem Frauen und Mädchen in der Maltherapie. Neu, weil man eben Teil des kantonalen Programms ist, treffen sich die beiden auch je mit einer Gruppe Asylsuchender aus den drei Asylzentren des Kantons zur «Psycho-Edukation»; zur Aufklärung über die psychische Gesundheit.

Zudem führt der Verein zweimal jährlich einen Anlass durch, mit dem Fachpersonen sensibilisiert werden sollen. Lehrpersonen, Sozialarbeiter und Hausärztinnen – diejenigen Personen, die mit traumatisierten Menschen zusammenarbeiten, aber nicht spezifisch ausgebildet sind dafür. Es sind auch diejenigen Personen, die einen Teil der Klientel an den Verein vermitteln, zur Stabilisierungstherapie.

Kapazität mehr als verdoppelt

Diese bleibt die Kernaufgabe der Zaffe-Vorstandsmitglieder. «Wir sind sehr niederschwellig, wir haben keine Anforderungen, was die Deutschkenntnisse angeht, bei uns müssen die Klienten keine Formulare ausfüllen, wir geben den Menschen den Raum, den sie brauchen, um sich gestalterisch mitzuteilen», sagt Roters. «Wir helfen ihnen, ihre Stimme wiederzufinden – ein Aspekt von Traumen ist, dass es einem die Sprache raubt», fügt Aschwanden an. Nur selten komme jemand nach einem ersten Beratungsgespräch nicht mehr. Das spreche dafür, dass das Angebot funktioniere, so der Kunsttherapeut.

Das – und die Zahlen. Gestartet ist Zaffe mit rund 100 Therapiestunden im ersten Halbjahr, mittlerweile sind es über 500 jährlich. Roters und Aschwanden besetzen zusammen ungefähr eine Vollzeitstelle. Es gibt eine Warteliste, weil sie nicht alle Interessierten sofort aufnehmen können.

Für weiteres Wachstum reicht das Budget nicht

«Mit dem Beitrag des Kantons arbeiten wir nicht kostendeckend, aber entspannter», erklärt der Rüttener. Auch hat der Verein mittlerweile einen Fundraiser angestellt, der zusätzliche Spendengelder eintreibt. Gestartet ist Zaffe mit einem Beitrag aus dem kantonalen Lotteriefonds, Unterstützung gab es dann etwa auch durch das Fraisa-Sozialprozent, aus welchem der Verein letztes Jahr 25’000 Franken erhielt. Sie hätten auch schon darüber gesprochen, eine weitere Person einzustellen, berichtet Roters. Im Moment reiche das Budget aber noch nicht aus.

Aber man merke schon: Man sei jetzt eine offiziellere Fachstelle – nicht nur Beschäftigung. Auch das spricht dafür, dass es eher noch mehr Anmeldungen gibt; mehr Fachpersonen, die den Verein kennen und potenzielle Klientel vermitteln. Wie erwähnt, dauert das Pilotprojekt im Rahmen des kantonalen Programms bis Ende nächsten Jahres. Bis dahin geht es weiter mit Anlässen, Psycho-Edukation, Einzeltherapien – und Wartelisten.

Trauma – wie weiter? Symposium für Fachpersonen. 19. August in Solothurn, 2. September in Olten. Infos und Anmeldung: Zaffe.ch
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/kanton-solothurn-pilotprojekt-bis-ende-2022-kanton-unterstuetzt-kunsttherapie-fuer-traumatisierte-asylsuchende-ld.2171297)



solothurnerzeitung.ch 10.08.2021

Warum der Kanton Kunsttherapie für Asylsuchende unterstützt – und was er bis 2023 sonst noch geplant hat

Im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts erhält ein Solothurner Verein, der traumatisierte Menschen therapiert, Geld vom Kanton. Dies, weil das Angebot zum Gewaltpräventionsprogramm 2019–2022 gehört. Nachgefragt bei Manuela Meneghini, Fachstellenleiterin Prävention und Gesundheitsförderung.

Noëlle Karpf

Der Kanton unterstützt den Verein zaffe im Rahmen des Gewaltpräventionsprogrammes 2019–2022. Warum?

Manuela Meneghini: Der Verein arbeitet schon länger auf diesem Gebiet. Er ist gut vernetzt im Kanton und arbeitet auch mit den Asylzentren. Auch wenn der Fokus des Programms eigentlich auf häuslicher Gewalt liegt, finden wir die Arbeit von zaffe sehr wichtig. Denn gerade traumatisierte Menschen haben oft auch Gewalt erlebt.

Ist das Angebot einzigartig?

Mir ist zumindest nichts Vergleichbares im Kanton Solothurn bekannt. Und die Nachfrage ist konstant hoch. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses niederschwellige Angebot unterstützen.

Soll das Angebot noch ausgebaut werden?

Im Moment nicht. Erfahrungsgemäss sollte das festgelegte Kostendach ausreichen für die geplanten Therapiesitzungen. Sollte die Nachfrage steigen, würden wir das natürlich wieder anschauen.

Welche anderen Angebote unterstützt der Kanton im Rahmen des Programms?

Das sind etwa Projekte im Rahmen der schulischen Gewaltprävention – wie das Projekt «Mein Körper gehört mir», bei dem es um den Schutz vor sexuellen Übergriffen geht. Ein wichtiger Teil ist ausserdem die Zusammenarbeit mit dem Notruf für Erziehungsberechtigte oder die Beratungsstelle für Personen, die potenziell Gewalt ausüben.

Welche Ziele sind noch offen; was wollen sie bis Ende 2022 erreichen?

Neue Angebote braucht es nicht – wichtig ist jetzt, die bestehenden gut zu vernetzen und die Absprache zwischen den einzelnen Fachstellen zu verbessern. Wir haben die Koordination zwischen den einzelnen Schnittstellen überprüft, die mit dem Bereich häusliche Gewalt zu tun haben. Wichtig ist etwa, einer Amtsstelle wie der Kesb aufzuzeigen, dass die erwähnte Beratungsstelle auch Jugendliche betreut. Das Ziel ist also, die Angebote bekannter zu machen, und die Zusammenarbeit zu optimieren.
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/gewaltpraevention-warum-der-kanton-kunsttherapie-fuer-asylsuchende-unterstuetzt-und-was-er-bis-2023-sonst-noch-geplant-hat-ld.2171917)


+++GROSSBRITANNIEN
Mehr Bootsflüchtlinge – Britische Regierung will Asylrecht verschärfen
Wer über illegale Wege nach Grossbritannien kommt, soll langfristige Nachteile haben – bis hin zu Gefängnisstrafen.
https://www.srf.ch/news/international/mehr-bootsfluechtlinge-britische-regierung-will-asylrecht-verschaerfen



nzz.ch 10.08.2021

Im Ärmelkanal schlägt die Zahl der Bootsmigranten alle Rekorde

Schon jetzt sind 2021 mehr Bootsmigranten von Frankreich nach Grossbritannien gelangt als im vergangenen Jahr. Nach dem Brexit steht London unter Druck, die Migration einzudämmen. Eine Asylreform soll Flüchtlinge abschrecken.

Nina Belz, Arles, und Niklaus Nuspliger, London

Der vergangene Mittwoch hat alle Rekorde geschlagen: Mindestens 482 Migranten haben in kleinen Schlauchbooten den Ärmelkanal überquert. Noch nie hat das britische Innenministerium so viele Ankünfte auf dem Seeweg an einem Tag gezählt. Möglicherweise waren es noch einige mehr, die von den Behörden nicht erfasst wurden. Gleichentags sollen französische Grenzbeamte acht Boote mit insgesamt 246 Personen an der Überfahrt gehindert haben.

Boot statt Lastwagen

Das Boot scheint den Lastwagen als Fluchtmittel abzulösen. Seit die Kontrollen auf dem Landweg immer schärfer und der Zugang zu den Camions schwieriger geworden ist, weichen die Migranten mit Ziel Grossbritannien auf den Seeweg aus. Es sind Flüchtlinge aus Iran, Afghanistan und dem Irak, aber auch aus Afrika, die unbedingt auf die Insel wollen, oft weil sie da bereits jemanden kennen.

In einem der etwa ein Dutzend provisorischen Lager entlang der französischen Küste warten sie auf die Möglichkeit, mit der Hilfe von Schleppern ans Ziel zu gelangen. Meist geschieht dies über Nacht, oft brauchen sie mehrere Versuche. Dafür zahlen sie von einigen hundert bis zu 3000 Euro; der Preis kann je nach Andrang und Wetterbedingungen auch fünfstellig werden. Die Zahl der Überfahrten steigt seit zweieinhalb Jahren immer stärker an.

Die zuständige nordfranzösische Präfektur Pas-de-Calais versicherte, sie tue alles, um die Überfahrten zu verhindern. Sie weist darauf hin, dass jedes Jahr rund die Hälfte der Überfahrten verhindert werden könne. Seit Beginn des Jahres hätten die Sicherheitskräfte rund 8500 Personen aus dem Kanal gerettet und nach Frankreich zurückgebracht. Bei Patrouillen zu Land und zu Wasser sowie für die Überwachung mit Drohnen und Helikoptern sind rund 5000 Beamte im Einsatz.

Es werden regelmässig Schlepper festgenommen. Um diesen die Arbeit zu erschweren, wurde kürzlich in den am meisten betroffenen Gemeinden der Verkauf von Benzin in Kanistern eingeschränkt. Die Schlepper passen ihre Strategie aber immer wieder an. Die Boote stechen längst nicht mehr nur an der engsten Stelle des Kanals in See. Manche wurden bereits südlich von Boulogne-sur-Mer aufgegriffen.

Zudem schicken die Schleuser oft mehrere Boote gleichzeitig los, damit wenigstens einige den Kontrollen entgehen und ihr Ziel erreichen. Die Fahrt über eine der meistbefahrenen Wasserstrassen der Welt in kleinen, oft überfüllten Booten ist zwar gefährlich, aber relativ kurz. Im Vergleich zu den Migrationsrouten im Mittelmeer kommt es daher zu sehr viel weniger Notsituationen auf See.

Kontrollverlust trotz Brexit

Hatten es 2019 noch 1844 Migranten irregulär über den Ärmelkanal geschafft, kamen 2020 über 8400 an. Bis in der ersten Augustwoche des laufenden Jahres verzeichnete das britische Innenministerium bereits fast 11 000 Ankömmlinge in mehr als 4040 Booten. Bei ruhiger See ist die britische Border Force im Dauereinsatz, und die Aufnahmelager in der Grafschaft Kent erleben Engpässe. Insgesamt aber steht das britische Asylsystem nicht am Anschlag, zumal andere europäische Staaten in jüngerer Zeit deutlich mehr Asylanträge als Grossbritannien verzeichneten.

Doch politisch setzen die Flüchtlingsboote im Ärmelkanal die Regierung unter Druck. Premierminister Boris Johnson hatte versprochen, dass Grossbritannien dank dem Brexit die Kontrolle über die Migration zurückerlangen werde. Der Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage, der neuerdings als Moderator für den neuen rechtskonservativen TV-Sender GB News auftritt, liess es sich nicht nehmen, auf einem Boot Flüchtlingen nachzuspüren, um vor laufender Kamera zu beweisen, dass die konservative Regierung ihr Brexit-Versprechen nicht einhalten kann.

Besonders exponiert ist die Innenministerin Priti Patel, die jüngst trotz Kritik aus dem Parlament 62,7 Millionen Euro nach Paris überweisen liess. In einem neuen Abkommen, das der französische Innenminister Gérald Darmanin als «historisch» bezeichnete, wurde unter anderem eine Verdoppelung der Einsatzkräfte von Gendarmerie und Polizei vereinbart, um die Migranten an der Abfahrt zu hindern. Auf Unmut stösst in London nun aber, dass sich die französische Küstenwache auf den Standpunkt stellt, sie könne die Boote aufgrund des internationalen Seerechts nicht mehr stoppen, sobald sie die Küste verlassen hätten.

Abschreckende Asylgesetzrevision

Vergangene Woche reiste Patel nach Griechenland, wo sie sich über die Bemühungen der griechischen Behörden unterrichten liess, Migranten in der Ägäis in die Türkei zurückzuführen. Zudem legte sie dem Parlament kürzlich eine Asylgesetzrevision vor, die eine abschreckende Wirkung entfalten soll. Künftig sollen nur noch Schutzbedürftige, die über legale Wege angekommen sind, langfristig in Grossbritannien bleiben können. Wer auf irregulärem Weg über ein sicheres Drittland wie Frankreich einreist, soll zurückgeschafft werden. Wenn das nicht möglich ist, soll er höchstens subsidiären Schutz erhalten – ohne stabile Aufenthaltsrechte und mit begrenztem Zugang zu Sozialleistungen.

Das Gesetzesprojekt ist heftig umstritten, weil die bisherige Interpretation der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 die Bestrafung eines illegalen Grenzübertritts verbietet. Zudem stellen sich praktische Fragen: So klammert das im Dezember besiegelte Brexit-Kooperations- und -Freihandelsabkommen zwischen London und Brüssel die Asylpolitik aus. Darum hat Grossbritannien seit Anfang Jahr keine Rechtsgrundlage mehr, um Asylsuchende auf den Kontinent zurückzuschicken.

Hilfe von Frontex?

Bis anhin zeigen Paris und die anderen EU-Hauptstädte nur wenig Interesse daran, mit Brexit-Britannien bilaterale Rückübernahmeabkommen auszuhandeln. Der französische Innenminister Darmanin machte zudem jüngst deutlich, dass er die Situation an der Nordgrenze nicht als allein französisches Problem betrachte. Bei einem Besuch in Calais kündigte er nicht nur die Erhöhung der Einsatzkräfte an. Er sagte auch, er habe die europäische Grenzschutzagentur Frontex dazu aufgefordert, im Ärmelkanal aktiv zu werden. Schliesslich handle es sich seit dem Brexit, genau wie beim Mittelmeer, um eine Aussengrenze der Union.
(https://www.nzz.ch/international/aermelkanal-die-zahl-der-bootsmigranten-schlaegt-alle-rekorde-ld.1639246)


+++BALTIKUM
Migranten an Belarus-Grenze: Lettland ruft Notstand aus
Wegen Hunderter illegaler Migranten an der Grenze zu Belarus hat Lettland in Teilen des Landes den Notstand ausgerufen.
https://www.nau.ch/news/europa/migranten-an-belarus-grenze-lettland-ruft-notstand-aus-65979971


+++AFGHANISTAN
Sicherheitslage in Afghanistan: EU-Botschafter in Kabul fordern vorübergehenden Abschiebestopp
Weil sich der Konflikt mit den Taliban verschärft, appellieren die Botschafter, vorerst niemanden dahin abzuschieben. NGOs fordern einen sofortigen Abschiebestopp.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/abschiebung-sicherheitslage-afghanistan-taliban-terror-asyl-eu


+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 10.08.2021

Zukunft der Berner Schützenmatte: Und wieder sucht die Stadt Ideen zur Umgestaltung

Selbst Insider verlieren den Überblick: Fünf Jahre nach Abschluss der letzten Partizipation ruft die Stadt erneut dazu auf, Ideen für die «Schütz» einzubringen.

Christoph Hämmann

Die Mitte-Stadträtin Milena Daphinoff wirkte aufrichtig perplex: «Echt jetzt, Stadt Bern, schon wieder?? Der gefühlt 1000. Workshop, und immer noch kein Plan», schrieb sie am Montagmittag auf Twitter. Daphinoff reagierte damit auf eine Mitteilung der Stadt mit dem Titel «Umgestaltung Schützenmatte: Ideen gesucht».

Konkret will die Stadt bis Ende 2022 eine «Vorstudie für die definitive Umgestaltung» der «Schütz» ausarbeiten. Zum einen werden dafür Workshops mit einem breit aufgestellten Begleitgremium durchgeführt, in dem laut Mitteilung «Vertreterinnen und Vertreter von verschiedenen Interessengruppen, Vereinen, Kommissionen und Anwohnern» mitarbeiten sollen.

Zum anderen ruft die Stadt die Bevölkerung dazu auf, sich ebenfalls einzubringen. Das mit der Vorstudie beauftragte Büro Bryum aus Basel werde dafür auf der Schützenmatte einen Bürocontainer aufstellen und vor Ort arbeiten. Interessierte können sich bei diesem «Open Office» informieren und ihre Ideen deponieren. Zwischen dem 16. August und dem 10. September sei der Container jeweils am Dienstag- und Donnerstagnachmittag besetzt.

«Wie man ein Projekt zu Tode partizipiert»

Auch Stadträtin Marianne Schild, Co-Fraktionschefin der Grünliberalen, reagierte konsterniert auf die Neuigkeit. «Von der Vorstudie zur Studie zum Pilot zum Pilot-Abbruch zum neuen Pilot zur Vorstudie…», antwortete sie auf Daphinoffs Tweet. Zusammen mit Daphinoff hatte Schild im Herbst 2017 mit zwei Vorstössen versucht, sich in die Schützenmatte-Planung einzubringen.

FDP/JF-Co-Fraktionschef Tom Berger kommentierte die Tweets der beiden Kolleginnen aus der Mitte lakonisch: «Oder wie man ein Projekt ‹erfolgreich› zu Tode partizipiert.»

Tatsächlich tut sich die Stadt seit vielen Jahren schwer damit, überhaupt einen Zugang zu finden, wie man sich des schwierigen Perimeters annehmen könnte. Jahrzehntelang war die Schützenmatte ein Parkplatz, um welchen rundherum der Verkehr braust, ums Eck liegt die Drogenanlaufstelle. Über dem Platz verläuft die Eisenbahnbrücke östlich des Hauptbahnhofs, unmittelbar daneben steht das Kultur- und Politzentrum Reitschule, das sich und seinen Vorplatz als offene Orte versteht, was auch schwierige Klientel mit sich bringt. Zusammen mit den Clubs am Bollwerk stellt die Reitschule zudem einen Nachtleben-Hotspot dar.

Kredit im Herbst 2016 bewilligt

Kein Wunder also, dass sich mit Blick auf die «Schütz» und deren künftige Nutzung vieles nach Treten an Ort anfühlt. Hinzu kommt, dass die Zwischennutzung der letzten Jahre mit Diebstählen und Gewaltproblemen zu kämpfen hatte, ehe Corona den Perimeter weitgehend lahmlegte – bis auf die Nutzung durch den Verein Medina, der als Anlaufstelle für Gestrandete ausharrt.

Korrekterweise muss man sagen: Dass die nächste Phase der «Schütz»-Planung erneut partizipativ erfolgen und zu einer Vorstudie führen soll, war seit Abschluss der vorangegangenen Phase bekannt. Im Herbst 2016 präsentierte der Berner Gemeinderat dem Stadtparlament ein «Nutzungs- und Entwicklungskonzept» für die Schützenmatte. Gleichzeitig beantragte er zusätzliche 400’000 Franken – um «wieder partizipativ» eine Vorstudie ausarbeiten zu können.

Ziel der Vorstudie, so der Gemeinderat damals, sei es, «die Schützenmatte und den Raum unter der SBB-Eisenbahnbrücke unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen zu einem vielfältig nutzbaren, urbanen Platz mit einfachen Gestaltungsmassnahmen aufzuwerten». Böse Zungen würden sagen: zu dem, was die «Schütz» in den vergangenen Jahren der Zwischennutzung mehr oder weniger erfolgreich gewesen ist.

In der damaligen Stadtratsdebatte wurde kaum über die konkrete künftige Nutzung des zentralen Platzes debattiert. Stattdessen kündigte die SVP erbitterten Widerstand gegen die Aufhebung der 150 Autoparkplätze auf, während sich die Linke erst einmal darüber freute, dass statt eines Parkplatzes endlich ein Freiraum ohne Konsumzwang entstehen sollte.

Trotzdem warnte etwa Stéphanie Penher vom Grünen Bündnis: «Obacht vor der Konzeptionitis.» Und Daphinoffs Fraktionskollege Philip Kohli (damals BDP), der Verzweiflung nahe, bat darum, doch einfach vorwärtszumachen, statt die nächste Partizipationsrunde aufzugleisen. Er sei nicht einmal gegen die Aufhebung der Parkplätze, sagte Kohli, und mit Blick auf die bisherige Zwischennutzung: «Was zum Henker will man denn noch mehr als die Bestätigung eines BDPlers, dass die Zwischennutzung super war?»

Bemerkenswert ist die Verzögerung, die sich die «Schütz»-Planung seit der Debatte im Herbst 2016 eingehandelt hat: Während es damals hiess, man lege Anfang 2017 mit der «Phase Vorstudie» los und schliesse sie bis Ende 2018 ab, hat sich nur schon der Beginn also bis heute verzögert.

«Partizipation durch alle Phasen»

Zur langen Verzögerung sagt Nadine Heller, Bereichsleiterin Gestaltung und Nutzung beim städtischen Tiefbauamt, dass diese zunächst den Einsprachen gegen die Aufhebung der Parkplätze geschuldet sei. Diese hätte die Stadt Ende 2016 umsetzen wollen, doch erst im Januar 2018 konnte die Blockade durch einen Kompromiss gelöst werden. «Danach hat die Vorbereitung und Ausschreibung der Vorstudie rund ein Jahr gedauert», so Heller. Intern sei die Arbeit an der Schützenmatte-Planung also schon letztes Jahr weitergegangen.

Und wieso bereits wieder eine so breite Partizipation? Eine solche denke man heute anders als früher, sagt Heller: «Partizipation ist nicht einfach ein Anlass, zu dem breit eingeladen wird, und dann wars das. Partizipation soll sich durch alle Phasen einer Planung ziehen und immer wieder auf Augenhöhe alle Interessierten, Nutzende und Anrainer involvieren.» Bereits bei den Vorarbeiten habe man gemerkt, dass insbesondere die bisherigen Nutzergruppen und die Leute aus der Nachbarschaft «den Ort sehr gut kennen und uns wichtige Inputs liefern können».

Kein Thema seien im Rahmen der Vorstudie die angrenzenden Perimeter wie das Eilgutareal, die Hodlerstrasse oder der Kopf der Lorrainebrücke. Auch deshalb sei das Projekt nun nicht mehr wie in der vorangegangenen Phase beim Stadtplanungsamt in der Präsidialdirektion angesiedelt, sondern beim Tiefbauamt, das für die Umgestaltung von Plätzen zuständig sei.

Die bürgerlichen Kritiker am weiteren Vorgehen, wie es die Stadt nun präsentiert hat, stören sich allein schon daran, dass das «Open Office» auf der Schützenmatte nur an Dienstag- und Donnerstagnachmittagen öffnen wird – «wenn die meisten Menschen arbeiten», so Daphinoff. Trotzdem werde sie – «gerade sehr desillusioniert» – vorbeigehen und eine Idee deponieren: «Machen wir doch einen See. Klimaanpassungsmassnahme und so.»
(https://www.bernerzeitung.ch/bern-sucht-ideen-zur-umgestaltung-der-schuetzenmatte-573204397794)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Communiqué zur Hausbesetzung an der Laubeggstrasse 40
Das Kollektiv Matsutake hat am 10. August die städtische Liegenschaft an der Laubeggstrasse 40 besetzt. Wir bestehen aus rund einem Dutzend Menschen unterschiedlichen Hintergrunds. Nebst einer jungen Familie, welche dringend ein Zuhause benötigt, sind wir ein Zusammenschluss von Handwerker:innen, Studierenden, Sozialarbeitenden, sowie Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus aufgrund ihrer Herkunft.
https://barrikade.info/article/4693


Baselland: Hausbesetzung in Liestal endet nach einem Tag
Hausbesetzungen in Basel sind keine Seltenheit, in Liestal aber schon. Heute morgen wurde in der Baselbieter Kantonshauptstadt ein Gebäude besetzt.
https://telebasel.ch/2021/08/10/hausbesetzung-in-liestal-endet-nach-einem-tag
-> https://twitter.com/jorimphotos/status/1424975709320228865
-> https://www.onlinereports.ch/News.117+M5b2c0832115.0.html
-> https://primenews.ch/news/2021/08/besetztes-haus-liestal-geraeumt-polizei-haelt-5-personen
-> https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/sicherheitsdirektion/polizei/polizeimeldungen/fuenf-personen-nach-hausbesetzung-durch-polizei-angehalten



Basler Zeitung 10.08.2021

Hausbesetzung bei Cheddite in Liestal: Aktivistinnen fordern ein Kulturzentrum in alter Sprengstofffabrik
Ein «antikapitalistisches Kollektiv» will eine geplante Grossüberbauung verhindern und wirft der Stadt Liestal vor, Menschen zu verdrängen. Die Polizei greift noch am selben Abend durch.

Jan Amsler

Es ist ein Bild, wie man es sonst aus Städten wie Basel, Bern oder Zürich kennt. Fahnen mit Parolen hängen an Fenstern und Fassade, und spätestens beim Anblick des N-förmigen Blitzes, der von einem Kreis umgeben ist, wird klar: Dieses an sich leer stehende Haus ist von Aktivisten besetzt.

Doch dieser Fall spielt sich nicht in einer Schweizer Grossstadt ab, sondern in Liestal auf dem Areal der früheren Sprengstofffabrik Cheddite. Die Besetzung des alten Verwaltungsgebäudes an der Heidenlochstrasse ist in mehrerer Hinsicht speziell: Im Baselbiet ist dieses Phänomen selten, und gerade hier, weit ausserhalb des Stadtkerns an der Grenze zu Lausen, überrascht das Engagement des «antikapitalistischen Kollektivs aus der Region Basel». Wie sich später herausstellt, handelt es sich bei den Besetzerinnen um fünf Frauen.

Die Aktivistinnen kritisieren in einem Flyer, den sie vor Ort aufgelegt haben, dass sich die Stadt Liestal «für wenige Privilegierte statt für die breite Masse» einsetze: «Liestal möchte mithilfe aktiver Aufwertung Menschen ohne viel Geld verdrängen und loswerden.» Die jungen Protestlerinnen kämpfen gegen die geplante Grossüberbauung an und wollen im besetzten Gebäude längerfristig ein «offenes Kulturzentrum» einrichten, «ein Ort ohne Konsumzwang, selbst verwaltet, ein Ort ohne Diskriminierung».

«Mit der Besetzung wird direkt vor Ort ein Abriss und die damit verbundene Aufwertung und Verdrängung verhindert», teilen sie auf Nachfrage über einen verschlüsselten E-Mail-Dienst mit. Und weiter: «Wir werden das Haus bis zum Abriss besetzen.» Eine Androhung, die sie gleichentags verwerfen werden.

Juristischer Streit um Denkmalschutz

Mit seiner Forderung bringt das Kollektiv eine neue Facette in einen seit Jahren andauernden Streit um ein neues Quartier. An diesem Standort ist die Fortführung der Überbauung Weidmatt geplant, ein Vorhaben über die Gemeindegrenze hinaus. Auf Lausner Boden sind die modernen und ökologischen Wohnblöcke bereits Realität. Auf Liestaler Seite stockt das Projekt wegen eines juristischen Verfahrens, dessen Ende unabsehbar ist.

In diesem Streit geht es aber nicht um Wohnpolitik, sondern um Denkmalschutz. Das Kantonsgericht hatte die Stadt Liestal dazu verpflichtet, beim Quartierplan nochmals über die Bücher zu gehen. Liestal bestellte ein denkmalpflegerisches Gutachten, gewichtete daraufhin das Interesse der Stadt aber immer noch höher und liess den Quartierplan ohne Änderung erneut vom Einwohnerrat absegnen. Der Baselbieter Heimatschutz machte wiederum Einsprache beim Regierungsrat, der diese nun überprüfen muss, und stellte in Aussicht, die Angelegenheit im Fall eines negativen Bescheids an das Kantonsgericht weiterzuziehen.

Polizei zuerst entspannt

Am Dienstagmittag ist die Polizei mit einer Handvoll Uniformierter auf dem früheren Areal der Sprengstofffabrik präsent. Die Stimmung ist entspannt, am meisten scheint die Polizisten zu stören, dass ein paar Sympathisanten das Geschehen vom Strassenrand aus mitverfolgen. Eine Besetzerin spaziert vermummt über das Dach, spielt Mundharmonika und weist die neugierigen Nachbarn darauf hin, dass vor dem Haus eine Schachtel mit Informationsflyern bereitliege.

Gegen Abend wird die Situation ernster. Wie Polizeisprecher Adrian Gaugler am Telefon sagt, hat die Cheddite AG als Hauseigentümerin Strafantrag gestellt. Für die Polizei bedeutet das, den Besetzerinnen ein Ultimatum zu setzen und das Haus zu räumen, sollten sie nicht kooperieren.

Dazu kommt es aber nicht, wie die Polizei später informiert: «Die fünf weiblichen Besetzerinnen verliessen die Liegenschaft innerhalb der gesetzten Frist und konnten widerstandslos durch die Polizei angehalten und auf einen Polizeiposten geführt werden.»
(https://www.bazonline.ch/aktivistinnen-fordern-ein-kulturzentrum-in-alter-sprengstofffabrik-791502858639)



basellandschaftlichezeitung.ch 10.08.2021

Liestal: Zehn Stunden an der Heidenlochstrasse: So lief die Hausbesetzung ab

Fünf Frauen besetzten am Dienstag die Liegenschaft an der Heidenlochstrasse 112 in Liestal. Das Haus soll abgerissen werden, damit eine Überbauung vergrössert werden kann. Der Polizeieinsatz sei übertrieben gewesen, findet ein Anwesender.

Kelly Spielmann

Kurz nach 16 Uhr umstellte die Baselbieter Polizei am Dienstag die Liegenschaft an der Heidenlochstrasse 112 in Liestal. Fünf Minuten zuvor hatte sie ein Ultimatum ausgesprochen: Die Personen, die das Gebäude besetzten, müssen es innert 30 Minuten verlassen – die Liegenschaftsbesitzerin hatte einen Strafantrag gestellt, sagt Polizeisprecher Adrian Gaugler auf Anfrage. Um 16.40 Uhr verliessen die Besetzenden – laut Polizei fünf Frauen – das Haus freiwillig und wurden von der Polizei angehalten.

Etwas mehr als zehn Stunden zuvor hatte die Besetzung begonnen. «Sie sind um 6 Uhr angekommen», erzählt ein Fotograf von «Jorimphotos», der sich auf Links- und Rechtsextremismus konzentriert und selber den ganzen Tag vor Ort war. Das Aufgebot der Polizei sei nach dem Ultimatum «enorm» und der Einsatz übertrieben gewesen, sagt er – man hätte das Problem auch anders lösen können.

Überbauung soll grösser werden

Auf einem Flyer der «Gruppe von jungen Menschen aus Liestal und Umgebung» steht: «Dies haben wir getan, da wir der Meinung sind, dass die Entwicklung der Stadt Liestal eine Richtung eingeschlagen hat, welche eine Zukunft für wenige Privilegierte anstatt für die breite Masse stellt.»

Denn: Das Haus an der Heidenlochstrasse 112 soll verschwinden. An seiner Stelle ist die Erweiterung der auf Lausener Boden bestehenden Cheddite-Überbauung vorgesehen. Geplant ist, dass zu den sechs Gebäuden in Lausen vier weitere in Liestal kommen. Aufgrund der nun zweiten Einsprache des Baselbieter Heimatschutzes verzögern sich diese Pläne – derzeit ist noch unklar, ob das Gebäude an der Heidenlochstrasse 112 als schützenswert eingestuft wird.

Ebendiese Pläne sind es, an denen sich die Besetzerinnen stören. Die Cheddite AG, Besitzerin des Hauses, überlasse dieses mutwillig dem Zerfall. «Schon seit Jahren stehen die Gebäude ungenutzt da, dies obwohl diese noch in einem guten Zustand sind und problemlos bewohnbar wären», heisst es auf dem Flyer. Stattdessen plane die Cheddite AG, das Haus abzureissen und durch «Luxusbauten zu ersetzen».

Bilder und Nachrichtenbeiträge zur Besetzung wurden auf sozialen Medien rege geteilt: So schrieb beispielsweise die Juso Baselland auf Twitter: «Solidarität mit den Besetzer*innen» – bewohnbarer Raum, der jahrelang leer stehe, zeige die Unsinnigkeit eines Systems, das privaten Profit über die Bedürfnisse der Menschen stelle. «Besetzungen stellen sich diesem Unsinn entgegen. Häuser stehen denen zu, die sie brauchen!»

Dies sehen auch die Besetzenden so: «Unser Haus» oder «Wohnen für alle» stand auf Transparenten, die am Haus hingen.

Keine erfahrenen Hausbesetzer

Auch auf Instagram macht die Besetzung die Runde: So teilte der Account «Basel Nazifrei» den Flyer und rief Menschen dazu auf, vor Ort zu gehen und Präsenz zu zeigen. Laut dem Fotografen kamen rund 15 Sympathisanten zum Schauplatz der Hausbesetzung. Dass es sich bei den fünf Frauen im Haus um erfahrene Aktivistinnen handle, sei eher unwahrscheinlich.

«Ich kenne mich aufgrund meiner Arbeit in der Szene aus, aber ich habe diese Leute noch nie getroffen», erzählt er. Es sehe aus, als hätten sie dies zum ersten Mal gemacht. «Sie liefen auf dem Dach rum und schauten immer wieder, was die Polizei macht. Wenn man das ein paar Mal gemacht hat, weiss man, wie alles abläuft. Dann sitzt man im Haus und spielt Karten.»

Die Besetzerinnen waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/liestal-zehn-stunden-an-der-heidenlochstrasse-so-lief-die-hausbesetzung-ab-ld.2172570)



Strafverfahren gegen St. Galler Polizei nach Krawall-Wegweisung
Die rund 650 Wegweisungen im Zusammenhang mit den Oster-Krawallen in St. Gallen vom vergangenen April haben für die St. Galler Stadtpolizei ein Nachspiel.
https://www.nau.ch/news/schweiz/strafverfahren-gegen-st-galler-polizei-nach-krawall-wegweisung-65979950
-> https://www.swissinfo.ch/ger/strafverfahren-gegen-st–galler-polizei-nach-krawall-wegweisung/46856706
-> https://www.fm1today.ch/ostschweiz/stgallen/strafverfahren-gegen-st-galler-polizei-nach-krawallnacht-143331097
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/strafverfahren-gegen-stgaller-polizei-nach-krawall-wegweisung-00163508/
-> -> https://www.blick.ch/schweiz/oster-krawalle-strafverfahren-gegen-st-galler-polizei-nach-krawall-wegweisung-id16741690.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/strafverfahren-gegen-st-galler-polizei-nach-krawall-wegweisung-389750441298
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/osterkrawalle-rekurse-gegen-wegweisungen-vom-tisch?id=12035028



nzz.ch 10.08.2021

Staatsanwaltschaft eröffnet Strafverfahren gegen Zürcher Polizisten wegen «Ablenkungsschlägen» auf den Kopf einer Demonstrantin

Mehrfach hat ein Stadtpolizist bei einer unbewilligten Frauen-Demo einer Demonstrantin gegen den Kopf geschlagen. Nun laufen Strafverfahren gegen ihn und die junge Frau.

Fabian Baumgartner

Das Video einer Verhaftungsaktion anlässlich des Internationalen Frauentages sorgte für Empörung. Die Filmaufnahmen von der «8. März Unite»-Demonstration vom 6. März in Zürich zeigten, wie ein Polizist einer am Boden liegenden jungen Frau mehrmals gegen den Kopf schlägt.

Mehrere hundert Demonstrantinnen hatten sich trotz dem damals geltenden Demonstrationsverbot in der Zürcher Innenstadt versammelt. Die Polizei versuchte mit einem Grossaufgebot, die unbewilligten Aktionen zu verhindern, sie verfügte Wegweisungen und setzte auch Reizstoffspray ein.

In einem Communiqué hielt die Stadtpolizei später fest, die Demonstrantin habe den Polizist in drei Finger gebissen. Als man die Frau unter heftiger Gegenwehr festgenommen habe, hätten sich mehrere Personen mit ihr solidarisiert und versucht, sie zu befreien.

Auch die junge Frau äusserte sich. Gegenüber dem «Blick» erklärte sie, sie sei einer Frau zu Hilfe geeilt, die von der Polizei ohne Vorwarnung grob aus der Menge gezogen worden sei. «Im nächsten Moment wurde ich an der Stirn gepackt, und man schlug mich zwei Mal auf den Hinterkopf. Dann wurde ich ebenfalls zu Boden gerissen.» Linke Kreise solidarisierten sich anschliessend mit der Demonstrantin.

    pic.twitter.com/wnQwDlBtpP
    — Feministisches Streikkollektiv Zürich (@femstreikzh) March 8, 2021

Obergericht erteilt Ermächtigung

Für den beteiligten Polizisten hat der Vorfall vom 6. März ein strafrechtliches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen nämlich vom Obergericht die Ermächtigung erhalten, um ein Strafverfahren gegen den Polizisten zu eröffnen. Dies sagt Erich Wenzinger, Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft, auf Anfrage. «Im Rahmen dieses Verfahrens werden nun der genaue Sachverhalt und die im Raum stehenden Straftaten geklärt.»

Die unschönen Szenen rund um die unbewilligte Frauen-Demonstration sorgten bereits für ein politisches Nachspiel. Die beiden Gemeinderätinnen Christina Schiller (al.) und Selina Walgis (Grüne) hatten zusammen mit 32 Ratsmitgliedern Fragen zum Polizeieinsatz gestellt. Sie verlangten unter anderem Auskunft darüber, wie die Vorkommnisse aufgearbeitet würden.

Der Stadtrat stellte sich in seiner Antwort auf den Standpunkt, bei den Schlägen gegen den Kopf der jungen Frau handle es sich um sogenannte Ablenkungsschläge. «Um einen Menschen, der sich massiv zur Wehr setzt, unter Kontrolle zu bringen, können gezielte Ablenkungstechniken seitens der Polizei notwendig werden», hielt der Stadtrat fest.

Polizei verzichtet auf personalrechtliche Massnahmen

Die Stadtpolizei untersuchte den Vorfall intern, Kommandant Daniel Blumer verzichtete jedoch auf personalrechtliche Massnahmen, der Mitarbeiter blieb deshalb im Dienst. Im Gespräch mit dieser Zeitung meinte Blumer: «Wir konnten feststellen, dass der Mitarbeiter die schweizweit geltenden Instruktionen eingehalten hat.» Die Demonstrantin habe den Polizisten in den Finger gebissen, in einer solchen Situation seien solche Schläge erlaubt.

Blumer kündigte jedoch eine Änderung beim Vorgehen an. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass Ablenkungsschläge gegen den Kopf nur noch in Notwehrsituationen zulässig sind. Dies, um Verletzungen zu vermeiden.» Die neuen Vorgaben habe er per sofort eingeführt.

Beim Polizeieinsatz wurden laut Angaben der Stadt insgesamt 156 Demonstrantinnen kontrolliert, 154 von ihnen wurden mit einer Wegweisung belegt. Sie wurden zudem wegen Verstosses gegen die damals geltenden Corona-Regelungen bei Demonstrationen verzeigt. Zwei Teilnehmer wurden zudem verhaftet.

Gegen die Demonstrantin, welche den Polizisten in den Finger biss, führt die Staatsanwaltschaft derzeit ebenfalls ein Verfahren – in ihrem Fall wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. In ihrem wie auch im Fall des Stadtpolizisten gilt die Unschuldsvermutung bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss.
(https://www.nzz.ch/zuerich/frauendemo-in-zuerich-strafuntersuchung-gegen-polizist-eroeffnet-ld.1639773)


+++BIG BROTHER
Schweiz: Geheimdienst überwacht Menschenrechtsorganisation seit 15 Jahren
Der Verein Solidarité sans frontières setzt sich für Menschenrechte und gegen Rassismus ein. Der Nachrichtendienst des Bundes sammelte Informationen über die politischen Aktivitäten des Vereins. Mit welcher Legitimation?
https://netzpolitik.org/2021/schweiz-geheimdienst-ueberwacht-menschenrechtsorganisation-seit-15-jahren/


+++POLIZEI SG
Anklage nach tödlichen Schüssen aus Polizeiwaffe
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat gegen zwei St. Galler Stadtpolizisten Anklage erhoben. Dies, nachdem im September 2020 bei einem Einsatz in einer Privatwohnung ein 22-jähriger durch mehrere Schüsse aus einer Polzeiwaffe tödlich verletzt wurde.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/anklage-nach-toedlichen-schuessen-aus-polizeiwaffe?id=12035184
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/vermischtes-people/kreisgericht-stgallen-gewaltdelikt-mit-metallpfanne-stgaller-staatsanwaltschaft-erhebt-anklage-gegen-zwei-stadtpolizisten-ld.2172439
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/erschlagene-nanny-giuliana-r-zwei-st-galler-polizisten-angeklagt-weil-sie-killer-steve-p-erschossen-id16741705.html
-> https://www.20min.ch/story/angreifer-erschossen-zwei-polizisten-werden-angeklagt-667020212471
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/1-8-milliarden-fuer-graubuendner-klimaneutralitaet?id=12035295
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/nach-toedlichen-schuessen-stgaller-stadtpolizisten-angeklagt-00163478/


+++POLIZEI DE
Neues Positionspapier „Chemical Irritants“
Amnesty International hat ein neues Positionspapier zum polizeilichen Einsatz von sogenannten „Chemical Irritants“, also Wirkstoffen wie Pfefferspray und Tränengas, herausgegeben.
https://amnesty-polizei.de/neues-positionspapier-chemical-irritants/


+++RECHTSPOPULISMUS
Tausende Plakate: Ominöse AfD-Unterstützer starten Kampagne gegen Grüne
Gegen die Grünen läuft eine massive Plakatkampagne. Verantwortlich ist offenbar einer, der in der Vergangenheit in fragwürdige Wahlkampfunterstützung der AfD verwickelt war.
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/bundestagswahl/id_90599672/ominoese-afd-unterstuetzer-starten-riesen-kampagne-gegen-die-gruenen-.html
-> https://www.rnd.de/politik/afd-nahe-firma-startet-negativkampagne-gegen-die-gruenen-im-wahlkampf-2RNXQDIPIBAEZGWDDXMKOEB4KA.html
-> https://taz.de/AfD-Freunde-haengen-Grossplakate-auf/!5788278/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Tausende Deutsche betroffen: Krankenschwester spritzte Kochsalz statt Corona-Impfungen
In Deutschland müssen 8557 Personen neu geimpft werden. Grund ist eine Krankenschwester, die Kochsalzlösungen statt Corona-Impfstoffe verabreichte – offenbar bewusst! Laut Ermittlern ist sie eine Corona-Leugnerin.
https://www.blick.ch/ausland/tausende-deutsche-betroffen-krankenschwester-spritzte-kochsalz-statt-corona-impfungen-id16741804.html


Nena ruft wieder aus – sie ist nicht allein: Das sind die Corona-Skeptiker der Musikwelt
Bei einem Konzert hat Nena erneut gegen die Coronamassnahmen in Deutschland gestichelt. Die Pop-Ikone ist nicht die einzige Musikerin, die sich skeptisch zeigt.
https://www.blick.ch/people-tv/international/nena-ruft-wieder-aus-sie-ist-nicht-allein-das-sind-die-corona-skeptiker-der-musikwelt-id16739263.html


Geschichte der Impf-Angst: Impfskeptiker gab es schon vor 200 Jahren
Die Angst vor dem Impfen reicht lange zurück. Eine Geschichte über die Impfpflicht, den Autismus-Mythos und andere Verschwörungstheorien.
https://www.tagesanzeiger.ch/was-das-impfen-mit-kuehen-zu-tun-hat-591286484501