Medienspiegel 25. Juni 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Hat Bern die Migrationsbevölkerung zu schlecht informiert?
Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich vernachlässigt von den Behörden. Sie seien zu schlecht informiert worden, was die Corona-Schutzmassnahmen und die Impfung angeht. Eine Politikerin fordert Massnahmen. Und was sagt der Kanton dazu? Wir fragen nach.  (ab 10:50)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/hat-bern-die-migrationsbevoelkerung-zu-schlecht-informiert?id=12010281


+++SCHWEIZ
augenauf-Bulletin Nr. 108 Juni 2021
https://www.augenauf.ch/images/BulletinProv/Bulletin_108_Juni_2021.pdf
INHALT:
– Entwürdigende Polizeikontrolle: Alltag für Geflüchtete
– Haftbedingungen: «Foltercharakter kaum zu verleugnen»
– Bodycams: Im Dienste ihrer Polizei Frontex: Waffen gegen Geflüchtete
– Läppische Wiedergutmachung
– Workshops für rechtsextreme Polizist*innen
– Schikanen im Asylbereich
– Poesie von jungen Geflüchteten
– Das Korps macht einfach, was es will


Stoppt Eure Migrationspolitik! Kundgebung von Stopp Isolation vor dem SEM
Heute protestierte die Gruppe «Stopp Isolation» mit 100 Personen aus den Rückkehrzentren aus Aarwangen, Biel, Gampelen und dem Camp Sonnenblick aus St. Gallen, erneut vor dem SEM. «Wir waren bereits vor einem Jahr hier und haben erklärt, dass wir in den Zentren nicht wie Menschen behandelt werden. Seither hat sich nichts geändert. Die Rückkehrzentren werden sogar immer wie mehr wie Gefängnisse. Deshalb sind wir hier.»
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/06/25/stoppt-eure-migrationspolitik-kundgebung-von-stopp-isolation-vor-dem-sem/
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/abgewiesene-asylsuchende-demonstrieren-vor-dem-sem-65953705
kundgebung-von-stopp-isolation-vor-dem-sem/
-> https://www.swissinfo.ch/ger/migranten-demonstrieren-vor-bundesamt-gegen–asylcamps-/46736476
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/336765686-migranten-demonstrieren-vor-bundesamt-gegen-asylcamps
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/wir-haengen-in-der-luft-migranten-demonstrieren-vor-bundesamt-gegen-asylcamps-id16630228.html


Mediale Berichterstattung beeinflusst auch Richter:innen – 10vor10
Medien beeinflussen die Meinungsbildung, auch die von Richterinnen und Richtern. Eine Studie zeigt nun, dass die mediale Berichterstattung zu Asylthemen Auswirkungen auf Gerichtsentscheide hat.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/mediale-berichterstattung-beeinflusst-auch-richterinnen?urn=urn:srf:video:e7472918-27f6-45ba-a4f4-75e990b6877d
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/tausende-faelle-untersucht-medien-beeinflussen-richterinnen-und-richter-bei-asylentscheiden


50 Jahre ISA – Fachstelle für Migration – RaBe-Info 25.06.2021
Für viele Migrant*innen ist sie die solideste Brücke zu einer unbekannten Schweizer Gesellschaft. Seit 50 Jahren unterstützt die Fachstelle Migration ISA Menschen, die neu in der Schweiz sind. Sie weist ihnen den Weg durch den Behördendschungel, bietet Sprachkurse an und berät in verschiedenen Situationen kostenlos. Im RaBe-Info blicken wir mit ISA-Geschäftsleiter Tom Morgenegg zurück auf den Wandel, den die Fachstelle für Migration in den letzten 50 Jahren durchlaufen hat.
https://rabe.ch/2021/06/25/klimanotstand-in-koeniz/



bernerzeitung.ch 25.06.2021

Jubiläumsfest im Progr in Bern: Hier bringen Spiele
das Ausländerrecht näher

Am Wochenende feiert Isa, die Fachstelle für Migration, ihr 50-Jahr-Bestehen. Der Geschäftsleiter Tom Morgenegg schaut auf die vergangene Zeit zurück.

Sabine Gfeller

In einem Fantasieland namens Habibien erhalten Personen beim Eintritt einen ausländischen Pass in beliebiger Farbe. Ziel ist es, eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Je nach Farbe des Passes stossen die Personen jedoch auf verschiedene Hürden der Gesetze von Habibien. Das Prozedere ist für die Teilnehmenden nur ein Spiel. Am Ende sehen sie, mit welchem Pass sie wie weit kommen. Das Spiel hält den Teilnehmenden einen Spiegel vor. Denn: Personen unterstehen auch in der Schweiz unterschiedlichen Gesetzen, je nachdem, welche Farbe ihr Pass hat. Das Spiel soll Einblick in das Ausländerrecht und seine Auswirkungen auf die Integration gewähren.

Diesen Workshop mit dem Namen «Hürdenlauf im Hamsterrad» findet am Jubiläumsfest von Isa, der Fachstelle für Migration, statt. Sie feiert ihr 50-Jahr-Engagement für gesellschaftliche Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Zugang zum Recht für Migrantinnen und Migranten, wie auf der Einladung steht. Im Innenhof des Progr finden von Freitag bis Sonntag Workshops und Konzerte statt. Unter den Acts sind etwa Traktorkestar, Operation Zero – oder das Duo Cantastorie. Letzteres erinnert mit seinen Liedern an die Arbeitsmigration aus Italien.

Im Gespräch erzählt Tom Morgenegg anhand einiger herausgepickter Ereignisse, wofür sich die Isa im Kanton Bern in den vergangenen Jahren eingesetzt hat. Er leitet die Fachstelle an der Speichergasse vis-à-vis dem Progr. An mehreren Standorten im Kanton arbeiten für die Isa 50 meist Teilzeitmitarbeitende und 10 ehrenamtliche Vorstandsmitglieder. Die Fachstelle finanziert sich über Leistungsverträge mit dem Kanton sowie der Stadt Bern und hat einen kleinen Leistungsauftrag für die Stadt Burgdorf. Zudem erzielt sie etwa auch Einnahmen über Dienstleistungen wie Kurse. Die Isa hat ein Budget von rund 2,5 Millionen Franken.

Zu Beginn des Gesprächs betont Morgenegg, dass die Schweiz seit geraumer Zeit ein Einwanderungsland sei. Das Bewusstsein der Bevölkerung dafür fehle etwas.

Entstanden für die Saisonniers

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Saisonarbeiterinnen und -arbeiter aus Italien – aber auch aus Spanien und Portugal – in die Schweiz und trugen wesentlich zum Aufbau der Wohlstandsgesellschaft bei. «Aber die Schweizer Gesellschaft sicherte sich rechtlich ab, dass sie die Leute – sobald sie ihren Dienst erwiesen hatten – zurück in ihr Land schicken konnte», sagt Morgenegg. 1970 stimmte die Bevölkerung über die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach ab – und sagte knapp Nein. Ein Jahr später entstand Isa, um etwa die Leute beim Lernen der Sprache, bei der Versicherung oder bezüglich des Aufenthaltsstatus zu unterstützen.

Weit entfernte Kulturen

Als später viele Geflüchtete aus Kambodscha oder aus Sri Lanka in die Schweiz kamen, stand diese laut Morgenegg vor neuen Herausforderungen: Wie können sich Leute aus weit entfernten Kulturen in die Schweizer Gesellschaft integrieren? Da spezialisierte sich Isa auf den Bildungsbereich, mit dem Fokus auf Leute, die wenig Schulerfahrung haben, die das Alphabet nicht kennen.

In den letzten Jahren flüchteten dann viele aus Eritrea und Syrien in die Schweiz. In Ausländerfragen seien medial vor allem Geflüchtete im Fokus, sagt Morgenegg. Doch auffällig sei: «Leute, die über den Flüchtlingsweg kommen, machen nur etwa 8 Prozent der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz aus», sagt Morgenegg. Das gehe oft vergessen.

Interne Kinderbetreuung

Eine Errungenschaft der Fachstelle Migration war die interne Kinderbetreuung inklusive Frühförderung, die sie vor dreizehn Jahren aufbaute. Teilnehmende der Sprachkurse konnten ihre Kinder am selben Ort in Obhut geben. Und ganz im Sinne der Fachstelle: Die Betreuung übernahmen allesamt migrierte Personen. Im November wurde es jedoch aufgelöst.

Isa heute

Das Ziel von Isa ist es, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Anfangs hat man sich auf Migration und Integration fokussiert. Doch gerade im Kanton Bern beobachtet Morgenegg, dass Verschärfungen für verschiedene Gesellschaftsgruppen im Gange seien: Gekürzt würden Projektbudgets für Menschen mit Beeinträchtigung oder solche, die suchtkrank seien. «Deswegen wollen wir uns mit anderen Organisationen verknüpfen und Allianzen bilden», sagt der Geschäftsleiter von Isa.

Jubiläumsfest: Freitag ab 16 Uhr bis Sonntagnachmittag, im Progr-Innenhof in Bern.
(https://www.bernerzeitung.ch/hier-bringen-spiele-das-auslaenderrecht-naeher-391613940604)


+++GRIECHENLAND
Die Türkei als sicherer Drittstaat – kein Asyl in Hellas
Griechenland macht ernst: Geflüchtete sind rechtlos, wenn sie aus der Türkei ins Land kommen. Politik der maximalen Abschreckung wird verstärkt
https://www.heise.de/tp/features/Die-Tuerkei-als-sicherer-Drittstaat-kein-Asyl-in-Hellas-6118833.html


+++EUROPA
Pinkwashing: Keine Pride für Frontex
Nun schmückt sich sogar Frontex mit den Regenbogenfarben: eine Grenzschutzagentur, die dazu beiträgt, dass queere Geflüchteten von Europa ferngehalten werden.
https://www.zeit.de/zett/politik/2021-06/pinkwashing-frontex-lgbtqi-queer-migration-grenzschutz


EU will Deal mit der Türkei fortsetzen
Mit einem neuen Milliardenpaket und einer modernisierten Zollunion wird Ankara weiter in die europäische Flüchtlingsabwehr eingebunden
  https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153753.fluechtlingsabwehr-eu-will-deal-mit-der-tuerkei-fortsetzen.html


Aus Brüssel und Athen: Angriffe auf die Flüchtlingskonvention
Europa hält am Flüchtlingsdeal mit Erdoğan fest: mehr Geld für Flüchtlinge, aber auch für die Grenzaufrüstung. Griechenland hat kürzlich die Türkei für den Großteil aller Schutzsuchenden zum »sicheren Drittstaat« erklärt- aus Flüchtlingen werden Rechtlose. Die Flüchtlingskonvention wird mit Brüsseler Unterstützung weitgehend außer Kraft gesetzt.
https://www.proasyl.de/news/aus-bruessel-und-athen-angriffe-auf-die-fluechtlingskonvention/


+++FREIRÄUME
Interfraktionelle Interpellation GB/JA!, AL (Anna Leissing/Rahel Ruch, GB/Jemima Fischer, AL): Schützenmatte: Wann gibt es endlich Freiraum statt Parkplätze?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=84831f4080534e48bfd399f9f576ba02


Eichwäldli: Abriss der Soldatenstube vorläufig gestoppt
Der Innerschweizer Heimatschutz macht eine Beschwerde beim Luzerner Kantonsgericht. Dabei geht es ganz allgemein um die Handhabung beim Abriss schützenswerter Bauten. Bis ein Entscheid gefällt ist, bleibt die ehemalige Soldatenstube beim Eichwäldli auf der Luzerner Allmend stehen. (ab 00:48)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/eichwaeldli-abriss-der-soldatenstube-vorlaeufig-gestoppt?id=12009852


+++GASSE
Kleine Anfrage GB/JA! (Rahel Ruch, GB): Wann kommt die Rundbank auf dem Bahnhofplatz zurück?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=40f865c101574e3a93af9ca3aa474fdc


Interpellation Eva Gammenthaler (AL), Nicole Bieri (JUSO), Simone Machado (GaP): Demontage der Bänke unter dem Baldachin oder Demontage von Floskeln der Regierungsparteien?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=46b0f71a0bf743ccb5aa407f7941e4f7


Stadt Luzern will Drogenkonsum an Ufschötti auf den Grund gehen
An schönen Tagen ist die Ufschötti in der Stadt Luzern gerade bei Jugendlichen ein beliebter Versammlungsort. Und klar, dabei werden auch Alkohol, Marihuana und andere Drogen konsumiert. Mit einem Pilotprojekt will die Stadt mehr darüber erfahren, was für Drogen konsumiert werden.  (ab 02:59)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/stadt-luzern-will-drogenkonsum-an-ufschoetti-auf-den-grund-gehen?id=12010077


Die Regierung soll prüfen, ob das Baselbiet eine Wärmestube für Obdachlose braucht, findet der Landrat. (ab 03:09)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nicht-alle-genese-erhalten-ein-covid-zertifikat?id=12009891


Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann will den Bundesrat dazu bewegen, gezielt Roma in Osteuropa zu unterstützen. (ab 02:59)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/buergergemeinde-bubendorf-muss-kosovaren-einbuergern?id=12010083



nzz.ch 25.06.2021


Roma-Bettler aus Rumänien machen den Städten zu schaffen: Sicherheitsdirektoren schlagen bei Aussenminister Cassis Alarm

Der Kanton Basel-Stadt hat ein strenges Bettelverbot erlassen, nachdem die Stadt von aggressiven Bettlern überschwemmt worden war. Doch solche Vorschriften helfen nur beschränkt: Fünf Städte verlangen, dass der Bund die Armut in Rumänien stärker bekämpft.

Daniel Gerny

Ein schwerer taktischer Fehler von SP und Grünen hat den Basler Bürgerlichen vor einem Jahr zu einem Top-Thema verholfen, das den guten alten Parkplatz-Streit fast ganz aus den Schlagzeilen katapultiert hat: Das Kantonsparlament strich mit knapper Mehrheit und entgegen der dringenden Empfehlung des damaligen Justizdirektors Baschi Dürr das generelle Bettelverbot aus dem Übertretungsstrafrecht. Prompt wurde die Stadt von Dutzenden von Roma-Bettlerinnen und -Bettlern aus Rumänien überflutet, so dass es rasch selbst verständnisvollen Passanten zu viel wurde.

SP und Grüne verteidigten ihren Entscheid auch dann noch durch alle Böden, als die Stadtgärtnerei neue Verbotsschilder aufstellen musste, um der Benutzung innerstädtischer Parkanlagen als Toiletten entgegenzuwirken. Nun aber hat das Kantonsparlament auf Vorschlag der neuen Justiz- und Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (Liberal-Demokratische Partei) einer Neuauflage des Verbotes zugestimmt. Politisch ist dies interessant, weil SP und Grüne als Folge der Gesamterneuerungswahlen im Grossen Rat keine Chance mehr hatten, ihre Politik durchzuziehen. Der Entscheid ist nicht zuletzt ein Erfolg für die in Basel schwächelnde SVP, die das Thema am konsequentesten bearbeitet hat.

Mehr Meldungen auch in Zürich

Ob die Sache damit ad acta gelegt werden kann, ist allerdings eine ganz andere Frage. Denn auch in anderen Schweizer Städten scheint die internationale Betteltätigkeit zuzunehmen – ganz unabhängig von den Vorschriften. In Zürich, wo ein kantonales Bettelverbot gilt, gingen in den knapp sechs Monaten des laufenden Jahres bei der Einsatzzentrale der Stadtpolizei bereits deutlich mehr Meldungen zu Bettlerinnen und Bettlern ein, als dies 2018, 2019 und 2020 pro Jahr
der Fall war. Gleiches gilt für die Verzeigungen durch die Stadtpolizei: Während es in den vergangenen drei Jahren jeweils zwischen 707 und 747 Fälle waren, hat die Polizei im laufenden Jahr bereits über 800 Fälle registriert.

Über die Gründe für den Anstieg kann die Stadtpolizei keine Auskunft geben. Es ist nicht einmal klar, ob es tatsächlich mehr Bettler gibt – oder ob sich das Meldeverhalten der Bevölkerung geändert hat. So eindeutig wie in Basel präsentiert sich die Entwicklung in Zürich nicht. Allerdings warnte vor kurzem auch der Kanton St. Gallen vor Bettel-Betrügern aus Rumänien, die Passanten mit gefälschten Spendeformularen Geld abluchsten. Der Kanton betonte damals aber auch, dass gewöhnliches Betteln kaum vorkomme. Alexander Ott, Polizeiinspektor und Leiter der Fremdenpolizei der Stadt Bern, beobachtete laut «Berner Zeitung» in diesem Frühjahr in seiner Stadt ebenfalls eine Zunahme von aufdringlichen Bettlern aus Rumänien und Bulgarien.

Ursachen vor Ort bekämpfen

In einem Brief an Bundesrat Ignazio Cassis verlangen die Sozial- und Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren von fünf Schweizer Städten nun Unterstützung vom Bund: «Zahlreiche Familien und Einzelpersonen der Gruppe Roma halten sich in den Städten auf, um ihren Lebensunterhalt durch Betteln bestreiten zu können», schreiben sie in dem Brief, der der NZZ vorliegt. Sie drängen den Aussenminister dazu, mehr Geld für die Förderung von Roma in Rumänien einzusetzen, damit diese «ihr Leben im Heimatland selbst gestalten können». Unterzeichnet ist das Schreiben von den Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren aus den Städten Basel, Bern, Luzern, Lausanne und St. Gallen. Eingesetzt werden sollen Mittel aus der vom Parlament blockierten Kohäsionsmilliarde, die der Bundesrat nach dem Scheitern des Rahmenabkommens freigeben will.

Die Vertreter der fünf Städte bezeichnen in dem Brief Bettelverbote, wie sie das Basler Kantonsparlament diese Woche beschlossen hat, offen als «Symptombekämpfung». Die Ursachen «dieser Form der Armut und fehlenden Integration liege im Heimatland Rumänien», schreiben sie. Wenn es dort gelinge, diese vernachlässigte Bevölkerungsgruppe unter Wahrung ihrer Identität und Lebensform zu integrieren und auszubilden, «verhindert dies entwürdigende Tätigkeiten der Familien im weit entfernten Ausland».

Das Betteln ist in der Schweiz auch deshalb zum Thema geworden, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Januar ein allgemeines Bettelverbot im Kanton Genf kritisiert hatte. Seither ist offen, wieweit mit polizeilichen Mitteln überhaupt gegen Bettelei vorgegangen werden darf. Der EGMR erachtet in dem Entscheid eine Busse von 500 Franken, wie sie der Kanton Genf von einer Bettlerin verlangte, als Verstoss gegen die Menschenwürde. Und er kritisierte, dass das generelle Verbot «automatisch und quasi unvermeidlich» zu Sanktionen führe, ohne dass der Einzelfall geprüft werde. Genf setzte sein Verbot darauf kurzerhand ausser Kraft.

Verbot soll überprüft werden

In Basel-Stadt soll das Betteln als Folge des Urteils nicht mehr generell, sondern nur an neuralgischen Punkten untersagt werden. Diese sind allerdings so dicht gewählt, dass es wiederum auf ein De-facto-Bettelverbot in der Innenstadt hinausläuft: Verboten wird Betteln nämlich innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Läden, Restaurants, allen öffentlichen Gebäuden, um Geldautomaten, Haltestellen, Parkuhren und so weiter. Die «Demokratischen Juristinnen und Juristen» haben bereits bekanntgegeben, die Bestimmung gerichtlich überprüfen zu wollen. Untersagt sind in Basel ausserdem organisiertes Betteln sowie täuschende und unlautere Methoden – Vorschriften, bei denen die Beweisanforderungen hoch sind.

Es gilt deshalb keineswegs als sicher, dass die Bettlerinnen und Bettler so einfach aus dem Basler Stadtbild wieder verschwinden werden. Vorerst bleiben deshalb die unablässigen, unangenehmen Bitten um Geld. Die trostlosen Bilder von bettelnden Frauen und Männern am Trottoirrand sind irritierend und beelendend – doch auch das machte die Regierung des Kantons Basel-Stadt bei der Präsentation des Gesetzes unmissverständlich klar: «Es gibt kein Recht, im öffentlichen Raum nicht mit Unangenehmem konfrontiert zu werden.»
(https://www.nzz.ch/schweiz/roma-bettler-staedte-wollen-hilfe-von-bundesrat-cassis-ld.1632247)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Velodemo «Critical Mass» – diese Lehren zieht die Stadt Zürich
Die Velodemonstration «Critical Mass» sorgte vor rund einem Monat für grosse Diskussionen. Tausende Teilnehmerin:innen blockierten Zürichs Strassen. An gewissen Stellen gab es kein Durchkommen. Am Freitag ist eine weitere Ausgabe der Velodemo geplant. Die Stadtpolizei hat Massnahmen getroffen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/velodemo-critical-mass-diese-lehren-zieht-die-stadt-zuerich?id=12009987
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/wie-kommen-partygaenger-zu-einem-covid-zertifikat?id=12010059 (ab 04:50)


+++MENSCHENRECHTE
(Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N))
Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI, 19.073)
Als vorberatende Kommission des Zweitrats hat die APK-N die Ergänzung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte behandelt. Ziel der Gesetzesrevision ist die Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution, die den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Schweiz stärken soll. Nach eingehender Debatte über die Botschaft des Bundesrates ist die Kommission mit 19 zu 5 Stimmen auf die Vorlage eingetreten. In Abweichung vom Beschluss des Ständerates hat sie mit 14 zu 10 Stimmen beschlossen, die Aufgaben der nationalen Menschenrechtsinstitution gesetzlich nicht abschliessend aufzulisten. In der Gesamtabstimmung hat sie der Vorlage mit 19 zu 5 Stimmen zugestimmt.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-apk-n-2021-06-25.aspx


+++POLICE BE
Interfraktionelle Interpellation GB/JA!, AL/GaP/PdA (Lea Bill, GB/Eva Gammenthaler, AL): I can’t breathe – es reicht!
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=d9aef4fdd8654781b94140ea6ac81009


Motion Fraktion SP/JUSO (Michael Sutter, SP/Alina lrene Murano, SP): Verhältnismässiges Handeln der Polizei in der Stadt Bern endlich sicherstellen und Racial Profiling bekämpfen
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=17fce56f955b4c7a9dd4ffb57eb134f2


+++POLIZEI EU
Gefechtsfeldinformationen: EU-Polizei soll enger mit Geheimdiensten und Militär kooperieren
Behörden in der Europäischen Union nutzen biometrische Daten und Tatortspuren aus dem Irak und Syrien zur heimlichen Verfolgung Verdächtiger sowie zur Migrationskontrolle. Nun soll das Verfahren auf afrikanische Länder erweitert werden.
https://netzpolitik.org/2021/gefechtsfeldinformationen-eu-polizei-soll-enger-mit-geheimdiensten-und-militaer-kooperieren/


+++RECHTSPOPULISMUS
FDP-Vize:«Extinction Rebellion»-Drohbrief ist «terroristisch»
Sind die Drohungen von «Extinction Rebellion» terroristisch? Ja, sagt FDP-Nationalrat Philippe Nantermod – auch wenn sie nicht gewalttätig wären.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/fdp-vizeextinction-rebellion-drohbrief-ist-terroristisch-65952160


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
27 Teilnehmer an illegaler Veranstaltung im Restaurant Älpli in Gommiswald SG gebüsst: Jetzt hagelt es Bussen für die Corona-Skeptiker
Nach der illegalen Veranstaltung von Corona-Skeptikern im Restaurant Älpli in Gommiswald SG bekommen einige der Teilnehmer jetzt die Rechnung präsentiert. 27 der rund 90 anwesenden Personen wurden gebüsst.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/27-teilnehmer-an-illegaler-veranstaltung-im-restaurant-aelpli-in-gommiswald-sg-gebuesst-jetzt-hagelt-es-bussen-fuer-die-corona-skeptiker-id16627092.html
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/gommiswald-nach-versammlung-von-corona-skeptikern-im-aelpli-27-personen-werden-gebuesst-ld.2156286
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/illegaler-anlass-gommiswald-jetzt-hagelt-es-bussen-142650515


Impfskeptiker haben ein Stellenportal aufgeschaltet
Das Jobportal «impffrei.work» vermittelt Stellen «ohne Coronaimpfung» – auch in der Pflege oder in der Betreuung.
https://www.20min.ch/story/impfskeptiker-haben-ein-stellenportal-aufgeschaltet-991837314696


Coronavirus: Demos dürften trotz Lockerungen weiter stattfinden
Ab Samstag kehrt die Schweiz zum Courant normal zurück. Viele Beschränkungen fallen. Bedeutet dies nun das Ende der Anti-Corona-Demonstrationen?
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-demos-durften-trotz-lockerungen-weiter-stattfinden-65952987


+++CRITICAL MASS
tagesanzeiger.ch 25.06.2021

Critical Mass in Zürich: Grosser Andrang an Velodemo – gereizte Autofahrer

Mehrere 1000 Velo-Fans haben sich in der Stadt versammelt, um das Velo zu feiern. Im Strassen- und Tramverkehr kommt es vielerorts zu starken Einschränkungen.

Beat Metzler

Wird sie so gross wie die Letzte? Oder gar grösser? Das war die grosse Unbekannte bei der Juni-Ausgabe der Critical Mass, die am Freitagabend stattfindet.

Geschätzt haben etwa gleich viele Velofahrende mitgemacht wie am Freitag vor vier Wochen. Bis der Zug um acht Uhr das Central passiert hat, vergeht knapp eine halbe Stunde. Bei der letzten Ausgabe erstreckte sich die Kolonne etwa ähnlich lang. Damals nahmen gemäss einer Zählung von Involvierten 3000 bis 4000 Menschen teil.

Der Andrang von Ende Mai hat selbst den Kern der Bewegung und die Polizei überrascht. Dieses Mal haben sich die Beteiligten auf eine starke Beteiligung vorbereitet. Damit sich die vielen Velofahrenden besser an die Regeln des Anlasses halten, wurden sie vor Beginn der Rundfahrt über Lautsprecher, Flyer und in den Chat-Kanälen aufgeklärt. Zumindest zu Beginn scheint das zu funktionieren. Auf der Gegenfahrbahn fährt niemand, die Trottoirs bleiben mehrheitlich frei.

Besammelt haben sich die Velofahrenden wie jeden letzten Freitag im Monat um 18.45 Uhr beim Bürkliplatz. Die Stadthausanlage füllt sich rasch. Es sind mehrheitlich junge Menschen, auch Kinder radeln mit. Um etwa viertel ab sieben geht es los dem See entlang Richtung Bahnhof Enge. Von dort führt die Route, über die spontan entschieden wird, durch die Innenstadt und die Europaallee Richtung Hardbrücke. An der Spitze und am Schluss pedalen auch Stadtpolizistinnen vom Dialogteam mit.

Wie üblich bei der Critical Mass blockieren einige Velofahrende die Seitenstrassen (im Slang «corken»), damit die anderen in gemütlichen Tempo durch die Stadt rollen können. Mehrere Soundmobile sorgen für Party-Atmosphäre, im Enge-Autotunnel wird gejubelt und kollektiv geklingelt.

Vor einem Monat war es mehrmals Gehässigkeiten gekommen zwischen Teilnehmenden und feststeckenden Autofahrern. Diesmal scheint die Kundgebung friedlicher abzulaufen. Einige Autofahrer halten die Hupen gedrückt oder lassen den Motor aufheulen. Viele, die warten müssen sind aber aus ihren Wagen ausgestiegen, und filmen den Umzug. Auch zahlreiche Passantinnen halten ihre Handys in die Höhe, um den nicht versiegenden Velostrom festzuhalten.

Rund um die Knotenpunkte wie dem Central und dem Hauptbahnhof stauen sich die Trams und Busse. Für sie gibt es kein Durchkommen. Die Autoschlangen wirken kürzer als bei der letzten Ausführung. Es habe eher wenig Verkehr für einen Freitagabend, sagt ein erfahrener Critical-Mass-Teilnehmer. Vielleicht haben sich etliche Autolenkerinnen und -lenker auf den Anlass eingestellt und Zürich gemieden. Dies empfahl auch die Stadtpolizei.

Heftige Reaktionen im Parlament

Die erfolgreiche Mai-Ausgabe hat die Critical Mass, die seit Jahren in Zürich und vielen anderen Städten weltweit stattfindet, endgültig zum Politikum gemacht. Im Parlament führte sie zu heftigen Reaktionen. Die SVP sprach von Anarchie und forderte die zuständige Stadträtin Karin Rykart (Grüne) dazu auf, dieses «gesetzlose Affentheater für Wohlstandsverwahrloste» zu stoppen.

Der Hauptstreitpunkt ist, ob der Umzug eine Bewilligung braucht. Dies fordert die FDP. Im Moment ersucht die Critical Mass nicht einmal um eine Bewilligung, da die Teilnehmenden den Anlass als normalen, spontanen Stadtverkehr verstehen – und nicht als Demonstration.

Karin Rykart (Grüne), Vorsteherin des Sicherheitsdepartements, prüft derzeit die Bewilligungsfrage. Bisher hat die Stadtpolizei die Velokolonne aus Gründen der Verhältnismässigkeit geduldet. Um sich für dieses Wohlwollen zu bedanken, wurde in den Critical-Mass-Chats kürzlich dazu aufgerufen, Rykart eine Postkarte zu schicken.

Die Unterstützer von Critical Mass haben im Vorfeld versucht, Wohlwollen zu schaffen für ihre Veranstaltung. Eine Gruppe hat am Freitagnachmittag Flyer an Autofahrerinnen verteilt, um diese zum Umsatteln und Mitvelofahren zu bewegen. Andere wollen sich bei den wartenden VBZ-Chauffeurinnen für deren Geduld bedanken. Wieder andere haben angekündigt, am Ende des Velozugs den liegen gebliebenen Abfall einsammeln. Bislang ist aber kaum welcher liegengeblieben.

Auch die Stadtpolizei informierte dieses Mal aktiver, etwa über ihre Social-Media-Kanäle.

Irgendwann teilt sich der Umzug. Um etwa neun Uhr treffen sich die beiden Kolonnen wieder auf der Hardbrücke. Sie ist sozusagen die Alpe d’Huez der Zürcher Critical Mass und fehlt bei keiner Ausgabe. Velofahrende schätzen die erhöhte Schnellstrasse normalerweise für zu gefährlich ein. Umso mehr geniessen es viele, sie einmal befahren zu können. Um halb zehn steckt der Umzug auf der Brücke fest.

Critical Mass in Zürich Grosser Andrang an Velodemo – gereizte Autofahrer
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv438734h.mp4
(https://www.tagesanzeiger.ch/grosser-andrang-an-velodemo-347151645476)
-> https://www.20min.ch/story/zuerich-droht-heute-abend-ein-erneuter-verkehrskollaps-725821854395
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/velodemo-critical-mass-diese-lehren-zieht-die-stadt-zuerich?id=12009987
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/696153165-5-dinge-die-du-ueber-die-critical-mass-wissen-musst
-> https://www.watson.ch/schweiz/velo/399703141-critical-mass-heizt-streit-zwischen-velofahrer-und-autos-an
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/critical-mass-besammelt-sich-in-zurich-65952810
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/tausende-velos-unterwegs-critical-mass-bewegung-blockiert-zuercher-langstrasse-id16630927.html
-> https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fokus-critical-mass-in-zuerich—grosser-andrang-an-velodemo?urn=urn:srf:video:1b503dda-2872-4abe-ba17-d4c4f3669183



nzz.ch 25.06.2021

Erneuter Verkehrskollaps in Zürich: Mit einer Velo-Aktion belegt Critical Mass am Freitagabend mehrere Strassen, Tram- und Buslinien sind unterbrochen

Die Zürcher Verkehrsbetriebe warnen vor Ausfällen bis voraussichtlich um 22 Uhr.

Linda Koponen, Michael von Ledebur

Die ersten Velofahrer kommen zu früh. Kurz vor der abgemachten Uhrzeit, 18 Uhr 45, drängen sie sich bereits zu Hunderten auf dem Bürkliplatz. Polizisten vom Dialogteam tummeln sich in Leuchtwesten zwischen den Teilnehmenden, ein Abfallteam hat Besen an ihre Velokörbe befestigt, Masken trägt kaum jemand. Die meisten Anwesenden sind in ihren 20ern oder 30ern, doch in der Menge sind auch Familien mit Kindern und vereinzelte Senioren. Einige haben Wimpel an ihren Fahrrädern befestigt: Für die Gletscherinitiative etwa. Andere haben bunt geschmückte Anhänger mit Lautsprechern dabei.

Noch bevor die Kolonne losfährt, kommt es zu ersten Provokationen. Ein Mann in einem weissen Geländewagen verwirft die Hände. «Was ist das, Mann?», ruft er den Velofahrern zu, die an der Ecke Quaibrücke – Bahnhofstrasse teilweise bereits auf der Strasse stehen. Diese antworten mit einem Klingelkonzert. Die Organisatoren machen die Teilnehmenden per Lautsprecherdurchsage auf die Regeln des Abends aufmerksam: Masken tragen, nicht auf der Gegenfahrbahn fahren, Abfall einsammeln.

Dann geht es los. Die Kolonne bewegt sich dem General Guisan Quai entlang Richtung Rentenwiese. Eine Tram bleibt in der Menge stecken. «Hallooo? Velooo?», tönt es immer wieder aus der Menge. Der Tross wächst nach der Losfahrt im Minutentakt – wie schon vor vier Wochen schliessen sich mehrere tausend Personen dem Umzug an. Angeführt von einem Velo mit Regenbogenfahne und bunten Wimpeln fahren die Teilnehmenden über die Sihlhölzlibrücke und der Sihlstrasse entlang in Richtung Hauptbahnhof. Für den Autoverkehr ist kein Durchkommen mehr.

Die Zürcher Stadtpolizei und die Verkehrsbetriebe warnen vor Einschränkungen des Verkehrs. Bis voraussichtlich um 22 Uhr sei mit Verzögerungen zu rechnen, schreiben sie.

    Heute Abend wird die Juni-Ausgabe der @criticalmasszh stattfinden. Ausgehend vom #Bürkliplatz muss ab 19.15 Uhr mit Wartezeiten auf den Strassen in und um die Innenstadt gerechnet werden. Die aktuelle Verkehrslage im ÖV findet ihr jeweils hier: https://t.co/upzotKPM9M ^spa
    — Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH) June 25, 2021

Ist das eine Demo?

Bevor sich die Zürcher Velofahrer zu einer weiteren Critical Mass versammelten, debattierten die Behörden über eine Grundsatzfrage: Handelt es sich bei dem Anlass um eine bewilligungspflichtige Demonstration oder um ein «spontanes, grosses Verkehrsaufkommen von Velos»? Derzeit ist im Stadtparlament ein Vorstoss zu dieser Frage hängig. Am Donnerstag sagte Mathias Ninck, der Sprecher des Sicherheitsdepartements, man sei dabei, zu prüfen, ob es Möglichkeiten gebe, die Critical Mass in geregelte Bahnen zu lenken. Grundsätzlich halte man den Anlass für «bewilligungsfähig».

Einer, der diese Diskussion nicht verstehen kann, ist der Fraktionspräsident der städtischen FDP, Michael Schmid. Er sagt: «Es ist absurd, dass das Sicherheitsdepartement geltend machen will, dass es unklar sei, ob die Critical Mass bewilligungspflichtig ist.» Schmid verweist auf zwei frühere Vorstösse aus den Jahren 2005 und 2020. Der Stadtrat ist in diesen von einer Bewilligungspflicht ab einer gewissen Zahl ausgegangen. Für den FDP-Politiker Schmid ist klar: «Die Organisatoren müssen eine Bewilligung beantragen und gemeinsam mit der Polizei eine Route definieren.» Werde dies nicht gemacht, müsse die Polizei die Teilnehmer kontrollieren, verzeigen und wegweisen.

Das Anliegen der Velofahrer kann Schmid zwar verstehen. Man müsse die Verkehrspolitik jedoch ganzheitlicher betrachten. «In der Stadt Zürich ist angebliche Velopolitik aber oft vor allem Politik gegen Autos und den öffentlichen Verkehr.»

Die SP-Gemeinderätin und Stadtratskandidatin Simone Brander, die sich immer wieder in der städtischen Velopolitik einbringt, widerspricht: Eine Bewilligung brauche es aus ihrer Sicht für den Anlass nicht. «Das ist einfach Verkehr.» Brander selbst wird heute nicht mit der Masse mitradeln. «Es ist mir einfach zu gefährlich, in der Stadt Velo zu fahren, und in so einer grossen Menschenmenge würde ich mich unwohl fühlen.» Sie stehe aber in regem Austausch mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Critical Mass. Ihre Anliegen könne sie gut verstehen, denn es stehe schlecht um die Zürcher Velowege.

Für jene, die sich politisch für Velofragen einsetzen, ist die grosse Beachtung, die die Critical Mass nun erfährt, ein Geschenk. Befürchtungen, dass der Ärger über die Aktion kontraproduktiv wirken könnte, hegen sie nicht. Yvonne Ehrensberger ist Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich. Sie sagt: «Es ist eine gute und wichtige Bewegung, die zeigt, wie viele Leute im sicheren Umfeld Velo fahren wollen, nämlich für einmal geschützt durch die Masse an Velofahrenden.»

Auch der Stau blockiert den öV

Negativ fiel bei der letzten Austragung bekanntlich ins Gewicht, dass die Arbeit von Schutz und Rettung Zürich durch blockierte Rettungsachsen behindert wurde, sowie der Umstand, dass auch der öV blockiert war. Markus Knauss, der Geschäftsleiter des VCS Zürich und Stadtparlamentarier für die Grünen, hält die Aufregung darüber für übertrieben. «Der öV wird jeden Tag blockiert, weil sich Autokolonnen bis auf die Kreuzungen hinaus stauen.» Yvonne Ehrensberger sagt, die Critical Mass sei letztes Mal in Zürich sehr gross ausgefallen. In ihrer Wahrnehmung gibt es innerhalb der Bewegung «viele Menschen, die sich damit auseinandersetzen, dass es nicht auf die negative Seite kippt. Es ist eine sehr lernbereite Bewegung.»

Auch die Frage der Demonstrationsbewilligung sehen Knauss und Ehrensberger locker. Knauss, der mehrere Velodemos organisierte und jede bewilligen liess, findet, es gebe keinen wirklichen Unterschied. Die Automobilisten seien jedenfalls gleich verärgert und hätten nicht mehr Verständnis, wenn die Demo bewilligt sei.

Ohnehin führen viele Teilnehmende spontan mit, wenn sie den Tross von Velofahrerinnen und Velofahrern sähen. Die Leute hätten sich daran gewöhnt, sich den öffentlichen Raum anzueignen, das gelte nicht nur für die Velodemo, sondern beispielsweise auch für die vielen Freiluftbars in Zürich. «Ich nehme das zur Kenntnis, so wie ich auch Staus zur Kenntnis nehme.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-droht-durch-die-critical-mass-erneut-ein-verkehrskollaps-ld.1632416)



tagesanzeiger.ch 25.06.2021

Wieder Tausende Velos erwartet: Critical Mass bemüht sich um friedliche Fahrt durch Zürich

Die Velokundgebung hat vorgesorgt, um an diesem Freitag aggressive Situationen wie vor einem Monat zu vermeiden. Auch die Polizei hat Vorkehrungen getroffen.

Beat Metzler

Der Erfolg überrollte die Erfinder. Und er brachte unerfreuliche Nebenwirkungen.

Nun soll sich das Spektakel an diesem Freitag wiederholen, einfach ohne Zwischenfälle.

Im Rahmen der Critical Mass Ende Mai pedalten so viele Frauen und Männer wie noch nie durch Zürich. Die Kundgebung für eine velofreundliche Stadt findet seit Jahren jeden letzten Freitag im Monat statt. Der grosse Zustrom überraschte auch die Beteiligten. Sie schätzten die Menge auf 3000 bis 4000 Velofahrende. Bisher machten höchstens 1500 mit.

Im Verlauf des Abends kam es zu Zwischenfällen. Der Verkehr stand lange still, die Stimmung war teilweise gereizt. Einige Autofahrer steuerten ihre Wagen angeblich absichtlich in die Demonstration. Auch Velofahrer sollen provoziert haben. Mindestens eine Person erlitt leichte Verletzungen.

Für die Ausgabe von heute Freitagabend erwarten die Beteiligten einen ähnlichen Andrang. Um die Nebenwirkungen abzumildern, bildeten sich im Vorfeld mehrere Aktionsgruppen. Sie haben verschiedene Gegenmassnahmen ausgearbeitet. Das geht aus den Chat-Kanälen der Critical Mass und Gesprächen mit Involvierten hervor.

Autofahrer sollen mitmachen

Eine Gruppe wird am Freitagnachmittag Flyer an Autofahrer verteilen, um diese zum Umsatteln und Mitvelofahren zu bewegen. Eine andere Gruppe plant, am Abend auf die VBZ-Chauffeurinnen zuzugehen, die wegen des Umzugs warten müssen, und sich bei ihnen für die Geduld zu bedanken. Wieder andere möchten am Ende des Velozugs den liegen gebliebenen Abfall einsammeln.

Während der ersten 15 Minuten der Kundgebung werden ausserdem Durchsagen abgespielt, welche die Grundsätze der Critical Mass ausführen: nicht auf der Gegenfahrbahn oder dem Trottoir fahren, keine Lücken entstehen lassen, niemanden provozieren, nicht zu viel Alkohol trinken. Dies soll die Sicherheit erhöhen. Die verschiedenen DJ-Wägelchen werden während der Durchsagen keine Musik spielen.

Die Teilnehmenden haben auch dieses Mal keine Bewilligung beantragt. Und sie werden weiterhin spontan über die Route entscheiden. Die Zürcher Critical Mass, die zu einer weltweiten Bewegung gehört, wird von verschiedenen losen Gruppen durchgeführt. In deren Verständnis handelt es sich beim Anlass nicht um eine bewilligungspflichtige Demo, sondern um normalen Stadtverkehr.

Nach der letzten Ausgabe beschwerten sich bürgerliche Politiker über das «gesetzlose Affentheater» (SVP). Die FDP forderte im Gemeinderat, dass die Critical Mass künftig nur mit Bewilligung losrollen dürfe.

Karin Rykart (Grüne), Vorsteherin des Sicherheitsdepartements, prüft dieses Anliegen. Bisher hat die Stadtpolizei die Velokolonne aus Gründen der Verhältnismässigkeit geduldet.

Um sich für dieses Wohlwollen zu bedanken, wurde in den Critical-Mass-Chats kürzlich dazu aufgerufen, Rykart eine Postkarte zu schicken. Gemäss einem Sprecher hat die Stadträtin viele solcher lobender Zuschriften erhalten.

Polizei rät: Zürich umfahren

Auch die Stadtpolizei hat Vorkehrungen getroffen. Auf Informationstafeln an den Einfahrtsstrassen weist sie darauf hin, dass es am frühen Abend zu Verkehrsbehinderungen kommen kann. Über die Social-Media-Kanäle wird sie die Einschränkungen genauer beschreiben. Allgemein rät die Stadtpolizei, Zürich am Freitagabend wenn möglich mit dem Auto zu umfahren.

Je weniger Verkehr es hat, desto schwächer dürften die Nebenwirkungen ausfallen.

Aufnahmen von der letzten Critical Mass, aufgezeichnet von Sympathisanten.
Video: Veloradio
https://youtu.be/WQ0xgq501lk
(https://www.tagesanzeiger.ch/critical-mass-bemueht-sich-um-friedliche-fahrt-durch-zuerich-213844015370)