Medienspiegel 16. Juni 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
derbund.ch 16.06.2021

Bericht liegt bis Ende Jahr vor: Sind Berns Rückkehrzentren menschenrechtskonform?

Noch in diesem Jahr soll der unabhängige Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) über die Rückkehrzentren im Kanton Bern vorliegen.

Mit 126 zu 21 Stimmen überwies das Parlament eine Motion von Ursula Marti (SP/Bern), die einen unabhängigen Bericht über die Zustände in den Rückkehrzentren verlangt. Die Motionärin möchte insbesondere wissen, ob die Situation menschenrechtskonform und kindgerecht ausgestaltet ist.

Mit 107 zu 40 Stimmen überwies der Rat zudem eine Motion von Reto Müller (SP/Langenthal). Er verlangte einen Bericht über die Unterbringung von Asylsuchenden im Kanton Bern und wollte insbesondere wissen, ob es im Rückkehrzentrum Aarwangen menschenunwürdige Zustände gebe.

Mit ihren Forderungen nach einer unabhängigen Prüfung rannten die beiden SP-Mitglieder offene Türen ein, wie Sicherheitsdirektor Müller sagte. Bereits im Februar habe der Regierungsrat die Anti-Folter-Kommission beauftragt, die Nothilfe in den bernischen Rückkehrzentren auf ihre Rechtskonformität zu prüfen. Noch in diesem Jahr soll der Bericht vorliegen.

Der Kanton Bern hat im vergangenen Jahr sein Asylwesen neu strukturiert. Rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende sollen demnach möglichst rasch ausgeschafft werden. Sie sollen in Rückkehrzentren leben und lediglich Nothilfe erhalten.

Auf Drängen des Grossen Rates hat der Regierungsrat allerdings kürzlich eine Gesetzesänderung aufgegleist, damit auch diejenigen abgewiesenen Asylsuchenden Nothilfe erhalten können, welche privat untergebracht sind. chh/sda
(https://www.bernerzeitung.ch/sind-berns-rueckkehrzentren-menschenrechtskonform-453226730833)
-> Motion: https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-92399c2f2c1646749acf8953a2fec030.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/die-staedte-sagen-der-hitze-den-kampf-an?id=12004802 (ab 03:08)



Weisung zu Sozialhilfekürzungen: Kanton Bern ficht Statthalterentscheid an
Der Berner Regierungsstatthalter bezeichnete die Kürzung der Sozialhilfe einer vorläufig aufgenommenen Familie als unzulässig. Diesen Entscheid akzeptiert der Kanton Bern nicht und zieht in ans Verwaltungsgericht.
https://www.bernerzeitung.ch/bern-ficht-statthalterentscheid-an-384759932606
-> https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2021/06/20210616_1131_kanton_will_klaerungdersozialhilfefuervorlaeufigaufgenommene
-> https://www.derbund.ch/schnegg-geht-vor-gericht-726071803975


Hilterfingen gegen Lager: Appell zur Hilfe für geflüchtete Menschen
Eine Petition mit 500 Unterschriften verlangt, «jetzt» Flüchtlinge von den griechischen Inseln zu evakuieren.
https://www.bernerzeitung.ch/appell-zur-hilfe-fuer-gefluechtete-menschen-964984554655


+++BASEL
Nach sechs Monaten auf Lesbos: Wie abnormal normal es hier ist
Fanny Oppler hat auf Griechenland sechs Monate in einem Hilfsprojekt für geflüchtete Menschen gearbeitet. Jetzt ist sie zurück in Basel und fragt sich: Komme ich hier jemals wieder an?
https://bajour.ch/a/bpIghyLTRUp6eL2i/aus-meiner-sicht-fluchtlingshelferin-in-lesbos


+++LUZERN
Stadt Luzern gedenkt Ertrunkenen
Anlässlich des internationalen Flüchtlingstag kommt es in der Stadt Luzern zu mehreren Aktionen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/fluechtlingstag-stadt-luzern-gedenkt-ertrunkenen-ld.2152161


+++THURGAU
tagblatt 16.06.2021

«Selbst in den SVP-Hochburgen wehrt sich niemand gegen die fremden Goldesel»: Das Thurgauer Geschäft mit den Asylbewerbern

Die Revision des Thurgauer Sozialhilfegesetzes widerspricht übergeordnetem Recht: Diese Meinung vertritt der Anwalt Andreas Brauchli, der auch die Erweiterung des Kunstmuseums Thurgau verhinderte.

Thomas Wunderlin

Ein afghanischer Flüchtling konnte sich Ende 2019 bei der Bischofszeller Sozialhilfebehörde abmelden. Sein Einkommen als Hilfsarbeiter reichte für den knapp berechneten Lebensunterhalt seiner sechsköpfigen Familie. Zum Abschied schickte ihm die Sozialhilfebehörde eine Verfügung, die es in sich hatte.

Darin hiess es, der Afghane schulde der Stadt Bischofszell für die siebenjährige Sozialhilfe 285’000 Franken. Die Behörde berief sich auf das Gesetz, wonach Sozialhilfe grundsätzlich zurückbezahlt werden muss.

Das kantonale Departement für Finanzen und Soziales (DFS) hob die Verfügung auf. Gemäss dem Entscheid vom 30. November 2020 hat der Afghane keine Sozialhilfeschulden. Denn Bischofszell hatte die Globalpauschalen von fast einer halben Million Franken nicht eingerechnet, welche sie für die Unterstützung der afghanischen Familie erhalten hatte. So hatte Bischofszell in Tat und Wahrheit einen Gewinn von 211’477 Franken erzielt.

Nach Auffassung des DFS sind von den Globalpauschalen 91,3 Prozent im Klientenkonto als Einnahme zu verbuchen; ein kleiner Abzug für Betreuungskosten sei zulässig. Im Entscheid, der von SVP-Regierungsrat Urs Martin unterzeichnet ist, zitierte das DFS ausführlich das eidgenössische Asylgesetz.

Gegensatz Regierungsrat – Sozialdepartement

Der Fall ist aufschlussreich bezüglich der Revision des Sozialhilfegesetzes, die der Grosse Rat nächste Woche traktandiert hat. Der Regierungsrat will einen Paragrafen 19b einfügen, wonach ausbezahlte Globalpauschalen nicht dem Klientenkonto verbucht werden.

Damit will er eine Praxis legitimieren, die auch andere Gemeinden verfolgen. Sie behalten sich vor, die Sozialhilfe eines Tages von den Asylsuchenden zurückzuverlangen. Die Frage ist, ob die vorgesehene kantonale Gesetzesänderung dem übergeordneten Recht widerspricht.

In der Botschaft argumentiert der Regierungsrat umgekehrt wie das DFS im Bischofszeller Fall. Laut Regierungsrat besteht eine «stossende Ungleichbehandlung» mit anderen Sozialhilfebezügern, denen «kein fiktives Einkommen» gutgeschrieben wird.

Ungleichbehandlung zu Ungunsten der Flüchtlinge

Demgegenüber wird im DFS-Entscheid ausführlich erklärt, weshalb Flüchtlinge nicht wie Schweizer oder andere Einwohner ausländischer Nationalität behandelt werden können. Es fehlten ihnen persönliche Ressourcen – Sprachkenntnisse, Beziehungsnetz, Integration – und finanzielle Mittel.

Sie erhielten nicht die gleichen Leistungen wie übrige Sozialhilfebezüger, sondern je nach Status geringere. Einigen Kategorien von Flüchtlingen sei es verwehrt, ohne Bewilligung der kantonalen Behörden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Asylsuchende könnten ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern, was Schweizer und Ausländer mit Arbeitsbewilligung könnten, «sofern ein entsprechender Wille vorhanden ist». Wenn überhaupt eine Ungleichheit bestünde, dann sei diese zu Ungunsten der Flüchtlinge.

Nicht nur die Ausführungen des DFS weisen daraufhin, dass die Nichtverbuchung der Globalpauschalen übergeordnetem Recht widerspricht. Dies geht auch aus einem Urteil des Thurgauer Verwaltungsgerichts vom 25. November 2020 hervor. Es stellte fest, dass die Globalpauschalen dem Klientenkonto anrechenbar sind, und zwar zu 100 Prozent.

Mit diesem Entscheid hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde eines afghanischen Flüchtlings mit Jahrgang 1997 gut, von dem die Gemeinde Berg eine Schuldanerkennung von 22’134 Franken verlangt hatte.

Er hätte diese möglicherweise mittelfristig bezahlen können, da er überaus erfolgreich eine Handwerkerlehre abgeschlossen hat. Dann hätte Berg Geld für eine Leistung erhalten, für welche die Gemeinde schon vom Bund entschädigt worden ist.

Laut dem Urteil des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Globalpauschale «nach klarem Wortlaut» von Artikel 88, Absatz 2, des eidgenössischen Asylgesetzes um eine Abgeltung für Sozialhilfegelder, Krankenpflegeversicherung und Betreuung. Das Urteil veranlasste den Regierungsrat, den Paragrafen 19b in die Revision des Sozialhilfegesetzes einzufügen.

Anwalt sieht Widerspruch zu übergeordnetem Recht

In den Fällen Berg und Bischofszell vertrat der Weinfelder Anwalt Andreas Brauchli die Flüchtlinge. Er ist überzeugt, dass mit dem Paragrafen 19b nicht das gewünschte Ziel erreicht wird: «Würden die Globalpauschalen, wie dies schon früher der Fall war, einfach nicht verbucht, und würden auch künftig wieder getürkte Schuldverpflichtungen verfügt, würde ich eine solche liebend gerne anfechten.»

Es liesse sich nämlich «sehr einfach nachweisen», dass die betreffenden Asylsuchenden der Gemeinde nur deshalb etwas schulden sollen, weil diese gestützt auf den Paragrafen 19b die Einnahmen für dieselben Asylsuchenden schlicht und einfach nicht berücksichtigte: «Derartiger Beschiss kann nach meiner Überzeugung vor Bundesrecht niemals standhalten.»

Bis 2017 hatte der Bund laut Brauchli ein eigenes System der Rückforderungen. Bloss weil er seither aus welchen Gründen auch immer darauf verzichte, «entsteht logischerweise nicht einfach eine Rückforderungspflicht gegenüber den Gemeinden».

Die Gemeinden nähmen dank der Bundesunterstützung auch so wesentlich mehr ein, als sie ausgeben – «weshalb ja selbst in unseren SVP-Hochburgen niemand mehr ernsthaft gegen die fremden Goldesel aus Afghanistan, Eritrea usw. motzt».

Brauchlis Meinung hat Gewicht: Er war der Anwalt, der mit einer Beschwerde ans Bundesgericht die geplante Erweiterung des Thurgauer Kunstmuseums zu Fall brachte.



Urs Martin: Streitfrage «eineindeutig» klären

(wu) Zum Widerspruch zwischen dem Entscheid des Departements für Finanzen und Soziales (DFS) und der regierungsrätlichen Botschaft erklärt Regierungsrat Urs Martin: «Dieser Widerspruch besteht nur vordergründig.»

Im ersten Fall habe das DFS beruhend auf den aktuellen gesetzlichen Grundlagen einen Rekursentscheid getroffen. «Nun möchte aber der Gesamtregierungsrat das Gesetz ändern, sodass künftig Rekurse anders entschieden werden können. Zentral ist der Umstand, dass der Grosse Rat diese Frage eindeutig regeln soll. Egal, ob sich der Grosse Rat für oder gegen die Verbuchung der Globalpauschale entscheidet, ist die Frage anschliessend geklärt.» Damit würden die Rechtsunsicherheiten beseitigt, und es komme zu weniger Gerichtsverfahren.

Zur Frage, ob übergeordnetes Recht verletzt würde, verweist Martin auf das Asylgesetz, wonach die Kosten für Sozialhilfe «soweit zumutbar zurückzuerstatten» sind. Der Artikel 88,2 regle, wie sich die Pauschale herleite, und habe den Zweck, festzuhalten, dass die Kantone für den Vollzug des Asylgesetzes nicht weitere Ansprüche stellen könnten.

Dasselbe gelte für den DFS-Leitfaden Asyl bezüglich des Verhältnisses Kanton–Gemeinden: «Es ist grotesk, daraus abzuleiten, dass keine Rückerstattungspflicht bestehe.» Es gebe keinen Grund, weshalb Sozialhilfe für Asylsuchende, die vor allem über die direkte Bundessteuer und die Mehrwertsteuer finanziert werde, nicht rückerstattungspflichtig sein solle, hingen dies für Sozialhilfe der Fall sein solle, die über kommunale Steuern finanziert werde.

«Die Finanzierung der Sozialhilfe hat mit der Rückerstattungspflicht überhaupt nichts zu tun. Wäre dies so, könnten sich alle andern Sozialhilfebezüger auf den Standpunkt stellen, dass durch die Steuereinnahmen die Gemeinde die Kosten für ihre Sozialhilfe ja bereits gedeckt hätte.»

Martin betont, dass über 80 Prozent der Asylbewerber langfristig auf Unterstützung angewiesen seien, «was eine Rückerstattung kategorisch ausschliesst». Wenn aber ein afghanischer Ingenieur zwei Jahre auf Sozialhilfe angewiesen sei, dann aber einen Job in der Industrie finde – «wieso soll er vom monatlichen Einkommen von 15’000 Franken nicht 500 Franken an die Gemeinde zurückerstatten?»
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/sozialhilfe-selbst-in-den-svp-hochburgen-wehrt-sich-niemand-gegen-die-fremden-goldesel-das-thurgauer-geschaeft-mit-den-asylbewerbern-ld.2151617)


+++SCHWEIZ
«Jetzt verliere ich meine Kinder nicht mehr aus den Augen»
Nach einer schwierigen Flucht und acht bangen Jahren voller Angst und Ungewissheit über das Verbleiben ihrer Familie, findet eine Flüchtlingsfrau endlich ihre drei Kinder wieder. Sie möchte sie rasch möglichst zu sich in die Schweiz holen – doch als vorläufig Aufgenommene sind die Hürden dafür sehr hoch.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/damit-gefluechtete-mit-ihren-familien-zusammenleben-koennen


+++DEUTSCHLAND
Kein Wetteifern mit Asyl-Hardlinern
Pro Asyl, die Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen fordern anlässlich der Innenministerkonferenz ein bundesweites Abschiebungsmoratorium nach Afghanistan und Syrien. In einer gemeinsamen Mitteilung vom Mittwoch heißt es:
https://www.jungewelt.de/artikel/404658.kein-wetteifern-mit-asyl-hardlinern.html


»Seehofer blockiert die Aufnahme«
Während Innenministerkonferenz tagt, fordern »Seebrücke« und andere die Evakuierung von Geflüchteten aus Lagern. Ein Gespräch mit Michaela Rüsse
https://www.jungewelt.de/artikel/404623.asylpolitik-seehofer-blockiert-die-aufnahme.html


+++MITTELMEER
Deutsches Hilfsschiff rettet 86 Bootsmigranten – Malta soll helfen
Ein deutsches Hilfsschiff rettete am Mittwoch 86 Bootsmigranten vor Malta. Doch nicht alle Migranten hatten Platz auf dem Schiff.
https://www.nau.ch/news/ausland/deutsches-hilfsschiff-rettet-86-bootsmigranten-malta-soll-helfen-65948316


Gericht entscheidet über Bußgeld für Seenotretter Reisch
Claus-Peter Reisch aus Landsberg am Lech ist bekannt für seine spektakulären und oft umstrittenen Seenotrettungsaktionen im Mittelmeer. In Italien soll er ein Bußgeld von 300.000 Euro zahlen. Heute findet in Ragusa die Berufungsverhandlung statt.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/gericht-entscheidet-ueber-bussgeld-fuer-seenotretter-reisch,SaT62mn


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
bernerzeitung.ch 16.06.2021

Durchgangsplatz in Herzogenbuchsee: Die Fahrenden kommen erst im Frühling 2022

Eigentlich hätte der Durchgangsplatz im März eröffnet werden sollen. Dies verzögert sich jedoch um rund ein Jahr. Schuld sind die Arbeiten am Baugesuch.

Sebastian Weber

Im Frühling hätten im Waldäcker in Herzogenbuchsee eigentlich die ersten Schweizer Fahrenden haltmachen sollen. Der Fahrplan für den geplanten Durchgangsplatz war klar definiert: Die Bauarbeiten hätten im Herbst 2020 durchgeführt werden sollen. Der Platz mit maximal 15 Wohneinheiten für bis zu 60 Fahrende wäre dann im März eröffnet worden.

Tatsächlich sind im Waldäcker neben den Fussballfeldern und der Hundeschule bisher noch keine Wohnwagen vorgefahren. Das wäre auch gar nicht möglich: Denn der Platz wurde noch nicht vorbereitet. Bekanntlich muss der Parkplatz für die künftige Nutzung zuerst entsprechend hergerichtet werden. Es sind insbesondere Arbeiten nötig für die Erstellung eines Sanitärgebäudes und einer neuen Abwasserleitung.

Eben dafür werde aktuell das Baugesuch erstellt, informiert Projektleiter Florian Meier vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung. Die Ausarbeitung des Gesuchs nahm allerdings mehr Zeit in Anspruch als erwartet. Es habe zusätzliche Abklärungen für die Erschliessung benötigt, erklärt Meier.

Es ging dabei insbesondere um die geplante neue Abwassererschliessung vom Clubhaus des FC Herzogenbuchsee bis zum Durchgangsplatz. Diese muss neu erstellt werden. In den Dokumenten zur Mitwirkung sei die Abwasserleitung bereits vorgesehen gewesen, sagt Florian Meier. «Aufgrund vertiefter technischer Abklärungen musste die Linienführung jedoch angepasst werden, was zur Folge hatte, dass das Baugesuch überarbeitet werden musste.» Zudem seien die Arbeiten auch durch die Corona-Pandemie erschwert worden. Es wurde eine Begehung mit Vertretern der Fahrenden durchgeführt.

Öffentliche Auflage im vierten Quartal 2021

Laut Florian Meier ist nun vorgesehen, dass im vierten Quartal 2021 die öffentliche Auflage der kantonalen Überbauungsordnung inklusive Baugesuch erfolgen kann. Mit einer Einsprache der benachbarten Hundeschule rechnet der Projektleiter «Stand heute» nicht. Deren Vertreter hatten im Zuge der Mitwirkung einen separaten Eingangsbereich, ohne Berührungspunkt zum Platz der Fahrenden gefordert. Woraufhin der Kanton im März 2019 erklärt hatte, dass der Zugang zur Hundeschule durch einen Zaun abgetrennt werden soll. «Dieses Problem ist gelöst», so Meier.

Als letzter Schritt erfolge der Beschluss der kantonalen Überbauungsordnung durch die Direktion für Inneres und Justiz des Kantons Bern. Mit diesem würde auch die Baubewilligung erteilt, so Meier. Die Bauarbeiten sollen dann voraussichtlich im Winter 2021/22 durchgeführt werden, sodass der Durchgangsplatz im Frühling 2022 eröffnet werden kann.
(https://www.bernerzeitung.ch/die-fahrenden-kommen-erst-im-fruehling-2022-209663516301)



Motion SVP: Ausländische Fahrende: Kanton soll für entstandene Schäden haften
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-0c6c1f3cc1f747fc9b672368408e7312.html


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Kämpfe vereinen und in die Öffentlichkeit tragen
Am vergangenen Montag gingen in Bern am Abend über 30’000 Frauen* (cis, trans, intergeschlechtliche) und nonbinäre Menschen zusammen mit solidarischen Männern auf die Strasse, um ihre Wut und ihre Forderungen auszudrücken. Der schweizweite Frauenstreik 2021 stand unter dem Motto «Respekt! Bessere Löhne, bessere Renten!», doch konkret ging es um viel mehr – wir haben mit einigen Gruppen und Menschen über ihre Anliegen und Forderungen gesprochen.
https://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3944/K%C3%A4mpfe-vereinen-und-in-die-%C3%96ffentlichkeit-tragen.htm


SVP am Frauenstreik: «Mit Bier übergossen und als Nazis beschimpft»
Am Rande des Frauenstreiks kommts zum Eklat um SVPler Alfred Heer. Die Partei sagt nun, was sich zugetragen habe. Es geht um Nazi-Vorwürfe und Bierduschen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/svp-am-frauenstreik-mit-bier-ubergossen-und-als-nazis-beschimpft-65947913


Lastesis Intervention am feministischen Streiktag!
Am 14. Juni haben zwischen 200 und 300 FLINTA*s mit der Aufführung der feministischen Intervention “Un violador en tu camino” in Bern ein lautstarkes und kämpferisches Zeichen gegen sexualisierte Gewalt, Rape Culture und das Patriarchat gesetzt!
https://barrikade.info/article/4574


Feministischer Postenlauf und violettes Rathaus
Das feministische Kollektiv Thun-Berner Oberland macht auch nach dem Frauenstreik auf seine Anliegen aufmerksam.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/191192/


Ränn500k – der Antifaschistische Spendenlauf
Sicher hast du schon für 500k gespendet. Wie sieht es mit deinem Umfeld, deinen Eltern, Homies und Homegirls, Mitarbeiter:innen und Teamkolleg:innen aus?
Lassen wir jene nicht allein, die am 24. November 2018 auf die Strasse gegangen sind und einen rechtsextremen Aufmarsch in Basel verhindert haben! Am ränn500k sammeln wir weiter Geld für die Personen, die von der Basler Staatsanwaltschaft kriminalisiert und verfolgt werden.
Melde dich schnell an, suche dir deine Sponsor:innen und los geht’s!
https://vimeo.com/563592889


+++REPRESSION DE
Eskalation in der Rigaer Straße in Berlin: Rauchwolken über Friedrichshain
Die Bewohner*innen der Rigaer 94 wollen eine geplante Brandschutzprüfung weiterhin verhindern. Auf der Straße brennen nun Barrikaden.
https://taz.de/Eskalation-in-der-Rigaer-Strasse-in-Berlin/!5779505/
-> https://www.morgenpost.de/berlin/article232549015/Rigaer-94-Barrikaden-und-Feuer-auf-der-Strasse.html
-> #rigaer: https://twitter.com/search?q=rigaer&src=typeahead_click&f=live
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153329.rigaer-strasse-autonome-zone-eingerichtet.html
-> https://www.morgenpost.de/berlin/article232551503/Rigaer-94-60-verletzte-Polizisten-Konferenz-abgesagt.html
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/rigaer-strasse-94-berlin-polizei-brandschutzpruefung-ausschreitungen
-> https://taz.de/Proteste-in-der-Rigaer-Strasse-94/!5776966/
-> https://www.derstandard.at/story/2000127482805/strassenschlacht-vor-besetztem-haus-in-der-berliner-rigaer-strasse?ref=rss
-> https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/berlin-rigaer-strasse-brennende-barrikaden-und-fliegende-steine-a-1ce2cdc0-bfbb-481d-a6a8-fd8379e04708


Anonymität von Aktivist:innen: Innenminister gegen Fingerkleberei
Aktivist:innen verkleben bei Protesten ihre Fingerkuppen, um nicht identifiziert zu werden. Die Innenminister wollen dagegen nun vorgehen.
https://taz.de/Anonymitaet-von-Aktivistinnen/!5776998/


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Motion SVP: Keine Einbürgerung von Minderjährigen ohne deren Eltern
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-f2206b143c2f4f708a0fcb492818f906.html


+++MEDIENFREIHEIT
Ständerat schraubt in Zivilprozessordnung an Medienfreiheit
Der Ständerat hat die Zivilprozessordnung in einigen Punkten modernisiert. Er will, dass Zeuginnen und Zeugen künftig per Video angehört werden können. Und er senkte die Hürden für Massnahmen gegen missliebige Medienartikel.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210616153554394194158159038_bsd140.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210616132048406194158159038_bsd103.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210616043029547194158159038_bsd012.aspx
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/medienberichte-sollen-einfacher-verhindert-werden-koennen?id=d21e98cc-d046-4c37-a442-caea173e24ba
-> https://www.derbund.ch/gelegenheit-den-journalisten-eins-auszuwischen-816712820173
-> https://www.tagesanzeiger.ch/was-hat-der-staenderat-gegen-die-medien-583298168746


+++KNAST
tagesanzeiger.ch 16.06.2021

Obergericht eröffnet Urteil – Überraschung im Fall Brian: Härtere Strafe, aber keine Verwahrung

Der heute 25-Jährige muss 6 Jahre und 4 Monate hinter Gitter – auf eine Massnahme verzichtet das höchste Zürcher Gericht aber.

Liliane Minor

Das Obergericht hat im Fall Brian ein überraschendes Urteil gefällt. Es verschärft die vom Bezirksgericht Dielsdorf verhängte Strafe deutlich, von 4 Jahren und 9 Monaten auf 6 Jahre und 4 Monate. Auf eine stationäre therapeutische Massnahme verzichtet das Gericht jedoch. Auch von einer ordentlichen Verwahrung sieht das Gericht ab. Das heisst: Stand heute kommt der junge Mann in rund 3 Jahren frei.

Das Bezirksgericht Dielsdorf hatte das noch anders gesehen, es hatte Brian zu einer stationären Massnahme verurteilt. Eine solche dauert mindestens 5 Jahre und kann bei Bedarf immer wieder verlängert werden. Im Volksmund wird sie deshalb «kleine Verwahrung» genannt.

Das Obergericht kam zum Schluss, eine stationäre Behandlung sei nicht sinnvoll. Zwar sei die Rückfallgefahr für Gewalttaten deutlich erhöht, und Brian sei aufgrund seiner psychischen Auffälligkeiten eigentlich behandlungsbedürftig, sagte der vorsitzende Richter Christian Prinz in der Urteilseröffnung. Aber Brian habe «keinen Zweifel» daran gelassen, dass er sich nicht darauf einlassen würde: «Und ohne seine Mitarbeit ist eine Therapie nicht erfolgversprechend.»

Für eine ordentliche Verwahrung sieht das Gericht (nach kontroverser Beratung, wie Prinz anmerkte) keinen Raum. Denn der 25-Jährige gehöre nicht in jene Täterkategorie, für die das Gesetz die Verwahrung ursprünglich vorgesehen hat: «Er ist kein Mörder, kein Vergewaltiger, kein Räuber und kein Brandstifter.» Brian sei ein Schläger, seine Gewalt richte sich aber hauptsächlich gegen den Justizapparat: «Es besteht mehr als nur eine theoretische Chance, dass er sich in Freiheit bewährt.»

Dafür brauche er aber die Unterstützung von Menschen, die ihm nahestehen. Dass ihn mehrere Anwälte und etliche Unterstützer stattdessen in seinem Kampf bestärkten, sei kaum hilfreich, so Prinz: «Ich persönlich habe die grosse Befürchtung, dass sich Brian irgendwann selbst verwahrt, wenn ihm niemand einen anderen Weg aufzeigt.»

Aufseher glaubwürdig, Brian nicht

Was die Taten angeht, die Brian vorgeworfen werden, so sieht es das Gericht als erwiesen an, dass der Beschuldigte vor drei Jahren einen Aufseher in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies angegriffen und ihm mehrere wuchtige Faustschläge verpasst hat. «Das Bezirksgericht hat die Beweise überzeugend gewürdigt und zu Recht als versuchte schwere Körperverletzung beurteilt», sagte Prinz. Die Schilderungen der Zeugen – vor allem Sicherheitskräfte, die Brian nach seinem Ausraster überwältigten – seien stimmig und glaubwürdig.

Anders Brians Aussagen. Dass der junge Mann im Gefängnis von den Aufsehern immer wieder provoziert werde, sei nicht glaubwürdig. Der Gerichtsvorsitzende sprach von «Verschwörungstheorien», die als reine Schutzbehauptungen zu taxieren seien.

Zwar habe der Rechtsstaat in der Vergangenheit im Umgang mit Brian mehr als einmal die Grenze des Tolerierbaren überschritten. Aber es gebe keine Beweise, dass der junge Mann im Gefängnis Pöschwies aktuell schlecht behandelt werde.

Brian selbst zeige demgegenüber «über weite Strecken ähnliche Verhaltensmuster». Die Anklageschrift spreche Bände: Fast zwanzig Delikte werden Brian darin vorgeworfen, das meiste sind Drohungen, Beschimpfungen, Sachbeschädigungen. Angesichts dieser zahlreichen Delikte sei das Urteil des Bezirksgerichts «deutlich zu mild».

Verteidigung wollte Freispruch

Pflichtverteidiger Thomas Häusermann hatte in der Verhandlung vor Obergericht auf Freispruch plädiert. Der schwerste Vorfall, der Angriff auf einen Gefängnismitarbeiter, könne sich gar nicht so wie in der Anklageschrift geschildert abgespielt haben. Denn die Sicherheitsleute seien binnen Sekunden im Raum gestanden, als Brian ausrastete. Im Übrigen habe sein Mandant in einer Art Notwehr gehandelt: Die Haftbedingungen, denen der Gefangene ausgesetzt sei, würden von internationalen Experten als Folter eingestuft.

Das Obergericht trat darauf nicht ein. «Diese Vorwürfe gehen an der Sache vorbei», sagte Oberrichter Prinz. Zum einen habe das Bundesgericht die Haftbedingungen unlängst als «noch gerechtfertigt» bezeichnet. Zum anderen hätten die Behörden keine Gelegenheit bekommen, auf die Expertenberichte zu reagieren: «Einstweilen handelt es sich damit um reine Parteibehauptungen.» Ohnehin sei es nicht Sache des Obergerichts, in einem Strafverfahren die Haftbedingungen zu beurteilen.

Häusermann zeigte sich nach der Urteilseröffnung halb zufrieden, halb enttäuscht. Dass das Gericht weder Massnahme noch Verwahrung ausgesprochen habe, sei positiv: «Damit ist ein grosser Brocken vom Tisch.» Kein Verständnis hat er hingegen für die Strafhöhe: «Aus unserer Sicht ist der schwerste Vorwurf nicht bewiesen.» Ob die Verteidigung ans Bundesgericht gelangt, weiss Häusermann noch nicht.

Auch für Staatsanwalt Ulrich Krättli hat das Urteil positive und negative Seiten. Dass das Gericht das Urteil verschärft habe, sei richtig, sagte Krättli. Er hatte 7,5 Jahre Gefängnis gefordert und eine anschliessende Verwahrung. Der junge Mann sei ein derartiger «Extremfall an Renitenz und Gewaltbereitschaft», dass das die einzige Option sei. Nach der Urteilseröffnung sagte Krättli, der Verzicht auf eine Verwahrung sei nachvollziehbar. Auch er wollte sich noch nicht zu einem möglichen Weiterzug äussern.

Schweiz muss UNO Bericht erstatten

International steht die Schweiz wegen des Umgangs mit dem 25-Jährigen derweil am Pranger. UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer veröffentlichte am Montag eine Medienmitteilung, in welcher er den Justizbehörden und der Vollzugsanstalt Pöschwies vorwirft, die UNO-Konvention gegen Folter zu verletzen: «Die Haftbedingungen sind nicht vereinbar mit den Menschenrechten.» Das Aussendepartement hat nun 60 Tage Zeit, zu Melzers Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Brian habe seit der ersten Inhaftierung mit gerade mal 11 Jahren nie die Behandlung erhalten, die sein medizinischer Zustand verlangt hätte, schreibt Melzer. Er leide an ADHS, was einen vermehrten Bewegungsdrang mit sich bringe. Stattdessen sei er schon als Kind immer wieder teils wochenlanger Einzelhaft unterworfen worden.

In der Pöschwies sei Brian seit fast 3 Jahren isoliert, verbringe die meiste Zeit des Tages in seiner Zelle. Es sei schockierend, schreibt Melzer, dass die Einzelhaft als Disziplinierungsmassnahme gegen Brians Verhaltensprobleme angewendet werde: «Die meisten dieser Probleme scheinen durch die Isolation und die unangepasste Behandlung verschlimmert oder sogar ausgelöst worden zu sein.»

Die Zürcher Justizdirektion konterte ihrerseits in einer schriftlichen Stellungnahme, Melzers Schreiben sei vorverurteilend: «Wir stellen fest, dass Herr Melzer Vorwürfe erhebt, ohne die Beschuldigten angehört zu haben.» Zudem seien die Haftbedingungen nicht ganz so restriktiv, wie der UNO-Beauftragte sie geschildert habe. Und: Die Nationale Folterkommission (NKVF) habe sich bereits mehrfach ein Bild der Lage gemacht. Am 2. Juli steht der nächste Besuch an.

In einer ersten Version dieses Textes hiess es, Brian sei erstinstanzlich vom Bezirksgericht Zürich verurteilt worden. Das ist nicht korrekt, es war das Bezirksgericht Dielsdorf (das aber mangels Platz in Zürich tagte).
(https://www.tagesanzeiger.ch/ueberraschung-im-fall-brian-haertere-strafe-aber-keine-verwahrung-943811854292)



nzz.ch 16.06.2021

Fall Brian: Das Zürcher Obergericht verurteilt den bekanntesten Häftling der Schweiz – verzichtet aber auf die Anordnung einer Verwahrung

Das Zürcher Obergericht hat das Urteil im Fall Brian gefällt. Die Anwälte des Angeklagten erhoben zuvor schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Die wichtigsten Antworten zum Prozess.

Florian Schoop, Fabian Baumgartner

Wie fiel das Urteil aus?

Das Zürcher Obergericht hat den jungen Straftäter zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten sowie einer Geldstrafe in der Höhe von 70 Tagessätzen à 10 Franken verurteilt. Auf die Anordnung einer stationären Massnahme verzichtet das Gericht jedoch. Auch auf die von der Staatsanwaltschaft geforderte ordentlichen Verwahrung verzichtet das Gericht.

Oberrichter Christian Prinz begründet dies so: Eine Verwahrung sei immer die Ultima Ratio. Sie komme nur dann infrage, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft seien. Zwar habe sich Brian der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gemacht – ein Delikt, das als Katalogtat für die Anordnung einer Verwahrung aufgeführt ist. Zudem bestehe das Risiko auf erneute Straftaten, erklärt Prinz. «Aber Rückfallprognosen sind mit einer gewissen Fehlerquote behaftet.»

Niemand könne sagen, wie sich ein Mensch in Zukunft genau verhalten werde. «Brian ist kein Mörder, er ist kein Vergewaltiger, er ist kein Räuber und kein Brandstifter. Er ist vor allem ein Schläger», sagt Prinz. Seine Gewalt sei mit seinem Kampf gegen die Justiz zu verstehen. Es bestehe also durchaus die Möglichkeit, dass Brian sich nach Absitzen seiner Freiheitsstrafe bewähren könne. Eine Verwahrung sei deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismässig.

Die vorinstanzliche Beweiswürdigung bezeichnet Prinz als sehr gründlich und überzeugend. Entsprechend ist das Obergericht Brian der Vorinstanz auch in den Schuldsprüchen gegen Brian gefolgt. Es sprach den 25-Jährigen wegen versuchter schwerer Körperverletzung, einfacher Körperverletzung, Beschimpfung Drohung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung schuldig. Allerdings, so Prinz, sei das von der Vorinstanz festgelegte Strafmass deutlich zu mild ausgefallen. «Entsprechend haben wir angepasst.» Zum schwersten Vorwurf, der versuchten schweren Körperverletzung, erklärt Prinz: «Die unvermittelt ausgeführten Faustschläge bergen die latente Gefahr, einen Menschen schwer zu verletzen.»

Sowohl die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung haben nach dem Schuldspruch verlauten lassen, sie prüften nun das Urteil. Erst danach wollen sie über einen allfälligen Weiterzug ans Bundesgericht entscheiden.

Worum geht es?

Die Staatsanwaltschaft wirft Brian in ihrer Anklageschrift insgesamt 29 Delikte vor. Es geht unter anderem um versuchte schwere Körperverletzung, einfache Körperverletzung, Sachbeschädigungen sowie Drohungen und Beschimpfungen.

Brian wurde wegen dieser Vorwürfe im November 2019 vom Bezirksgericht Dielsdorf zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 10 Franken verurteilt. Zusätzlich sprach das Gericht eine stationäre Massnahme aus, um den 25-Jährigen zu therapieren. Im Gegensatz zur Freiheits­strafe kann die stationäre Massnahme nach Artikel 59 des Strafgesetzbuches beliebig verlängert werden. Sie wird deshalb als «kleine Verwahrung» bezeichnet.

Gegen das Urteil erhoben sowohl der Staatsanwalt als auch die Verteidigung Berufung. Deshalb musste sich nun das Obergericht mit dem Fall befassen.

Warum ist dieser Fall wichtig?

Speziell an dem Fall ist, dass die angeklagten Straftaten allesamt hinter Gefängnismauern stattfanden. Laut Anklageschrift soll der als «Carlos» bekannt gewordene Häftling Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Pöschwies unter anderem als «Hurensöhne», «Schwuchteln» und «Schlappschwänze» beschimpft und sie teilweise mit dem Tod bedroht haben. Zudem soll er auch Mithäftlinge angegangen haben. Der schwerste angeklagte Vorfall ereignete sich im Gesprächszimmer des Gefängnisses. Als ihm dort eröffnet worden sei, er werde wieder in die Sicherheitsabteilung verlegt, soll Brian gesagt haben: «Jetzt haben sie es also geschafft. Jetzt erkläre ich euch den Krieg.»

Bei der anschliessenden Auseinandersetzung mit Aufsehern erlitt ein Gefängnismitarbeiter im Juni 2017 ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma und Prellungen, Brian trug ein blaues Auge davon. Der Staatsanwalt wertet den Vorfall als versuchte schwere Körperverletzung, Brian hingegen spricht von einer harmlosen Rangelei.

Die Anklage deckt den Zeitraum von Januar 2017 bis Oktober 2018 ab. Auch danach kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem Insassen. Wegen insgesamt 30 weiterer Vorfälle ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft gegen den 25-Jährigen. Das Verfahren ist pendent, genauso wie zwei Untersuchungen gegen Aufseher der Justizvollzugsanstalt Pöschwies. Gegen sie wird wegen Übergriffen gegen Brian ermittelt.

Erscheint Brian vor Gericht?

Nein. Brians Anwalt Thomas Häusermann stellte im Vorfeld des Prozesses ein Dispensationsgesuch, das vom Obergericht bewilligt wurde. Häusermann sagte auf Anfrage, Brian sei aufgrund der jahrelangen Isolationshaft nicht in der Lage, vor Gericht zu erscheinen. Das mediale Aufsehen würde ihn überfordern. Brian selbst erklärte gegenüber der NZZ: «Ich habe dem Richter geschrieben und meinen Standpunkt dargelegt.» Bereits während der Verhandlung vor Bezirksgericht 2019 war der junge Mann abwesend. Damals hatte der Richter gar versucht, Brian in seiner Zelle in der Pöschwies von einem Erscheinen zu überzeugen. Vergeblich.

Warum werfen Brians Anwälte der Justiz Folter vor?

Brian lässt sich vor Obergericht von gleich drei Anwälten verteidigen. Neben dem amtlichen Verteidiger Thomas Häusermann traten auch Bernard Rambert und der Menschenrechts­experte Philip Stolkin auf. Die beiden neuen Anwälte plädierten vor allem zu einem Thema: die rigiden Haft­bedingungen, denen Brian seit Mitte August 2018 fast ununterbrochen ausgesetzt ist.

Bereits zu Beginn des Prozesses verlangten sie die sofortige Freilassung des 25-Jährigen. Rambert begründete dies so: «Brians Haftbedingungen erfüllen den Tatbestand der Folter und sind deshalb menschenrechtswidrig.» Die Zürcher Justizbehörden seien nicht bereit, von den Haftbedingungen auch nur ein Jota abzuweichen – trotz diversen Eingaben der Verteidigung. Das Amt sei damit nicht in der Lage, eines der elementarsten Rechte – das Verbot der Folter – zu beachten. Die Verteidiger forderten deshalb die sofortige Freilassung des jungen Mannes.

Rambert bezog sich bei seinen Ausführungen auf ein von der Verteidigung eingeholtes Gutachten. Das auf Akten basierenden Gutachten des Psychiaters Ralf Binswanger kommt zum Schluss, dass die Haftbedingungen, denen Brian unterworfen ist, verheerende Konsequenzen auf die Gesundheit eines Menschen haben. Die Gegenwehr von Brian gegen die Haftbedingungen sei deshalb rational begründet und sowohl ethisch als auch rechtlich vertretbar ist. Rambert sagte vor Gericht: «Die Haftbedingungen können nur mit dem Willen der zuständigen Behörde erklärt werden, die Persönlichkeit von Brian zu brechen».

Anwalt Philip Stolkin bezog sich bei seinen Ausführungen auf ein Gutachten gemäss Istanbul-Protokoll. Dieses kommt laut Stolkin zu einem eindeutigen Schluss: Die Haft entspreche in hohem Mass der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe. Brians Isolation müsse deshalb sofort beendet werden.

Der Fall bewegt laut Stolkin nicht nur die Schweiz, sondern habe auch eine internationale Dimension. Auch die Uno setze sich mit den Haftbedingungen auseinander. Inzwischen hat der Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, tatsächlich beim Eidgenössischen Departement des Äusseren interveniert. In einer Mitteilung hält Melzer fest, dass die Haftbedingungen aus seiner Sicht unmenschlich seien.

Auch das angegriffene Zürcher Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung reagierte: Es kündigte an, dass die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter die Haftbedingungen in der Pöschwies erneut untersuchen werde.

Beim Obergericht fanden Brians Anwälte jedoch kein Gehör. Es wies den Antrag auf sofortige Haftentlassung am ersten Prozesstag ab. Das Bundesgericht habe sich im Rahmen der Prüfung von Brians Beschwerde bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Haftbedingungen mit der Menschenwürde vereinbar seien, so die Begründung. Das Bundesgericht habe die Haftbedingungen noch für vertretbar gehalten. Entsprechend lehne man das Gesuch der Anwälte ab.

Was fordert die Staatsanwaltschaft?

Der Staatsanwalt Ulrich Krättli fordert aufgrund der vorgeworfenen Taten eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren, eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 10 Franken sowie die Anordnung einer Verwahrung gemäss Artikel 64 des Strafgesetzbuches.

Krättli sieht in der Verwahrung die einzige Möglichkeit, um der Gewalt und Gefährlichkeit Brians gerecht zu werden. Die Vorinstanz hatte eine sogenannte «kleine Verwahrung» angeordnet. Für Krättli ist eine solche Massnahme jedoch kein gangbarer Weg. «Der Beschuldigte wird sich niemals und unter keinen Umständen auf eine Therapie einlassen. Er manifestiert das täglich», sagte Krättli vor Obergericht. Brian sehe sich als Märtyrer, der niemals jemanden an sich heranlasse. Für den Staatsanwalt ist klar: «Ohne Gewaltverzicht kann eine Therapie nicht vollzogen werden». Sie mit einer Zwangsmedikation zu erzwingen, ist laut dem Staatsanwalt nicht verhältnismässig.

Für Krättli ist deshalb klar: «Der Tunnel, in den sich der Beschuldigte begeben hat, ist nicht nur rabenschwarz, sondern auch unendlich lange». Kein Therapeut, nur Brian selbst könne den Ausweg daraus schaffen – und vielleicht irgendwann wieder auf freien Fuss kommen. «Für so einen Extremfall, renitent, aggressiv und gewaltbereit, bleibt nur die Verwahrung übrig.»

Was fordert die Verteidigung?

Brians Verteidiger Thomas Häusermann fordert einen vollumfänglichen Freispruch sowie den Verzicht auf jegliche Massnahmen. Es sei nicht weniger als erschütternd, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt eine Verwahrung fordere. Es mangle bereits an den Voraussetzungen für eine Massnahme.

Häusermann begründete dies vor Obergericht so: Das Amt für Justizvollzug und die JVA Pöschwies seien Brian von Beginn weg mit maximaler Härte, Repression und Unterdrückung begegnet. Die Haftbedingungen seien nichts anderes als Folter. Häusermann beruft sich dabei auf ein Gutachten des Psychologen Ralf Binswanger sowie Berichte und Einschätzungen von Fachpersonen.

Häusermann forderte das Gericht deshalb auf, einen neuen Kurs einzuschlagen und «der jahrelangen Folter von Brian ein Ende zu setzen». Dem jungen Mann sei eine neue Chance zu geben, um zeigen zu können, dass er sich wohl verhalten könne, wenn er nicht gegen unmenschliche Haftbedingungen ankämpfen müsse. «Können wir jemandem, der seit Kindesbeinen immer wieder, und seit langem ununterbrochen unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt ist, strafrechtlich vorwerfen, wenn er schimpft, wenn er an die Türen und Fenster schlägt, wenn er seine Zelle unter Wasser setzt, wenn er droht und spuckt, wenn er einen Stuhl durch die Gegend wirft?», fragte Häusermann rhetorisch. Gegen unmenschliche Behandlung dürfe man sich wehren, so der Anwalt. Mit dieser «Vernichtungshaft» sei das angeklagte Verhalten Brians als «gesund und rational zu werten».

Zum Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung im Gesprächszimmer, erklärte Häusermann, an den Aussagen der Aufseher bestünden erhebliche Zweifel. Sein Mandant habe zwar einen Stuhl durch den Raum geworfen, nachdem man ihm mitgeteilt hatte, er werde wieder in Sicherheitshaft verlegt. Danach habe es auch ein Gerangel gegeben. Von harten und gezielten Schlägen wie ihn die Anklage schildere, könne jedoch keine Rede sein.

Wie hat die Vorinstanz geurteilt?

Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilte Brian am 6. November 2019 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 10 Franken. Die Freiheitsstrafe sollte laut Urteil zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben werden. Diese Therapie wird im Volksmund «kleine Verwahrung» genannt. Auf die Anordnung einer ordentlichen Verwahrung verzichtete der Richter jedoch. Sowohl Brians Anwalt Thomas Häusermann als auch der Staatsanwalt Ulrich Krättli erhoben gegen das Urteil Berufung.

Was würde eine Verwahrung bedeuten?

Brian wäre einer der jüngsten Täter, die in der Schweiz je ordentlich verwahrt wurden. Doch was bedeutet die «ordentliche» Verwahrung genau? Geregelt ist sie in Artikel 64 des Strafgesetzbuches. Wesentlich ist, dass es sich bei einer Verwahrung um eine Massnahme und nicht um eine Strafe handelt.

Anders als die Strafe dient die Massnahme nicht der Sühne für eine begangene Tat, sondern ausschliesslich dem Schutz der Öffentlichkeit. Wird ein verurteilter Straftäter verwahrt, heisst das, er wird über den Vollzug seiner Freiheitsstrafe hinaus dauerhaft inhaftiert. Ausgesprochen werden Verwahrungen denn auch nur für besonders gefährliche Straftäter.

Für ihre Anordnung müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Zunächst muss der Straftäter eine sogenannte Katalogtat begangen haben, also eine Straftat, die im entsprechenden Artikel 64 aufgelistet ist. Darunter fallen beispielsweise Mord oder vorsätzliche Tötung, aber auch eine schwere Körperverletzung stellt eine Katalogtat dar. Für den Staatsanwalt ist dies mit der Auseinandersetzung im Gesprächszimmer der JVA Pöschwies erfüllt. Er fordert dafür eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung.

Für eine Verwahrung muss neben einer solchen Tat davon ausgegangen werden, dass ein Täter weitere ähnlich gelagerte Taten begeht – sei es aufgrund seiner Persönlichkeitsmerkmale, der Tat- oder Lebensumstände oder aber aufgrund einer anhaltenden oder lang dauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, die mit der Tat in Zusammenhang steht. Darüber hinaus muss Einigkeit darüber bestehen, dass ein milderes Mittel wie etwa eine stationäre therapeutische Massnahme erfolglos verliefe.
(https://www.nzz.ch/zuerich/verwahrung-oder-freiheit-obergericht-faellt-urteil-im-fall-brian-ld.1626589)



nzz.ch 16.06.2021

«Brian ist kein Mörder und kein Vergewaltiger, aber er ist ein Schläger» – weshalb das Zürcher Obergericht beim bekanntesten Häftling der Schweiz auf eine Verwahrung verzichtet hat

Freiheit oder Verwahrung? Die Richter haben sich im Fall des jungen Straftäters Brian für einen Mittelweg entschieden: eine lange Freiheitsstrafe, aber keine Massnahme.

Fabian Baumgartner, Florian Schoop

Geht es um den jungen Straftäter Brian, haben schon viele zu Metaphern gegriffen. Am Ende der Urteilsverkündung war es auch beim Zürcher Oberrichter Christian Prinz so weit. Er griff zu Heinrich von Kleists Novelle Michael Kohlhaas. «Brian befindet sich in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale, die mich an den Fall Kohlhaas erinnert.» Dieser sei Opfer einer grossen Ungerechtigkeit geworden und habe sich entschlossen, zur Selbstjustiz zu schreiten. «Auch im Fall von Brian hat die ungerechte Behandlung in Institutionen dazu geführt, dass sich in ihm Wut und Ohnmacht verstärkten und sich in Gewalt entluden.»

In Kleists Novelle habe Kohlhaas nach folgender Devise gehandelt: «Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde.» Doch die Welt, so Prinz, sei nicht untergegangen. Kohlhaas dagegen sehr wohl. Und genau diese Befürchtung habe er auch bei Brian. «Ich glaube deshalb nicht, dass es angezeigt ist, den jungen Mann in seinem Kampf um Selbstjustiz zu bestärken.» Mittel- und langfristig werde sich Brian mit seiner gewaltsamen Auflehnung gegen die Behörden selbst in die Verwahrung bringen.

Verwahrung nicht verhältnismässig

Zuvor hatte Prinz an diesem Mittwochnachmittag nüchtern den Schuldspruch verlesen. Das Obergericht verurteilte den jungen Straftäter zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten sowie zu einer Geldstrafe in der Höhe von 70 Tagessätzen à 10 Franken – wegen versuchter schwerer Körperverletzung, einfacher Körperverletzung, Sachbeschädigung sowie Beschimpfung und Drohung. Alle Delikte geschahen innerhalb der Gefängnismauern. Auf die Anordnung einer ordentlichen Verwahrung, wie sie die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, verzichtete das Obergericht jedoch. Auch eine stationäre Massnahme sprach es nicht aus.

Anders hatte es noch die Vorinstanz gesehen. Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilte den jungen Mann im November 2019 zu einer tieferen Freiheitsstrafe – zu 4 Jahren und 9 Monaten sowie zu einer bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 10 Franken. Dafür sprach es eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 des Strafgesetzbuches aus, um Brian zu therapieren. Im Gegensatz zur Freiheits­strafe kann der sogenannte «59er» beliebig verlängert werden. Er wird deshalb als «kleine Verwahrung» bezeichnet und ist umstritten.

Die vom Staatsanwalt geforderte ordentliche Verwahrung gilt als eine der schärfsten Massnahmen, die das Schweizer Strafrecht kennt. Einschneidender ist nur noch die lebenslange Verwahrung. Doch diese kam bisher kaum zum Einsatz. Geprüft wird die Massnahme nur bei besonders gefährlichen Straftätern, vor denen man die Gesellschaft schützen will. Es geht etwa um Menschen wie Thomas N., den Vierfachmörder von Rupperswil, der im Dezember 2015 das Leben einer Familie auf bestialische Weise ausgelöscht hatte.

Christian Prinz begründet den Verzicht auf die Verwahrung Brians so: Dieses Mittel sei immer die Ultima Ratio. Es komme nur dann infrage, wenn alle anderen Instrumente ausgeschöpft seien. Zwar habe sich der junge Mann der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gemacht – ein Delikt, das als Katalogtat für die Anordnung einer Verwahrung aufgeführt ist. Zudem bestehe das Risiko auf erneute Straftaten. «Aber Rückfallprognosen sind mit einer gewissen Fehlerquote behaftet.»

Niemand könne sagen, wie sich ein Mensch in Zukunft genau verhalten werde, sagt Prinz. «Brian ist kein Mörder, er ist kein Vergewaltiger, er ist kein Räuber und kein Brandstifter. Er ist vor allem ein Schläger.» Seine Gewalt sei mit seinem Kampf gegen die Justiz zu verstehen. «Es besteht mehr als nur eine theoretische Chance, dass er sich draussen bewährt.» Eine Verwahrung sei deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismässig.

Für das Obergericht war klar, dass Brian eigentlich therapiebedürftig sei. Doch der junge Mann habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich nicht darauf einlassen würde. «Und ohne seine Mitarbeit macht eine Behandlung keinen Sinn.»

Die Beweiswürdigung des Bezirksgerichts Dielsdorf bezeichnet Prinz als sehr gründlich und überzeugend. Allerdings sei das von der Vorinstanz festgelegte Strafmass deutlich zu mild ausgefallen. «Entsprechend haben wir angepasst.»

Der Fall Brian ist längst zum Politikum geworden. Zum Ausnahmefall. Und zum Symbol einer Pattsituation zwischen Justiz und Häftling. Derzeit befindet sich der junge Mann seit mehr als zweieinhalb Jahren in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies in Regensdorf in Sicherheitshaft, also in fast totaler Isolation. 23 Stunden am Tag sitzt er allein in seiner Zelle. Für ihn gibt es keine Arbeit, keine Freizeitgestaltung, keinen Kontakt zu anderen Häftlingen.

Diese lange Isolationshaft bezeichnete der Uno-Sonderberichterstatter Nils Melzer jüngst als unmenschlich. Mit dieser Behandlung verstosse die Schweiz gegen die Anti-Folter-Konvention. Melzer hat deshalb beim Eidgenössischen Departement des Äusseren interveniert. Dieses hat nun 60 Tage Zeit für eine Stellungnahme.

Die Foltervorwürfe hatte auch die Verteidigung während des Prozesses vorgebracht. Das Obergericht ging aber nicht darauf ein. Prinz sagte, man habe sich selbstverständlich mit dem Thema befasst, bis jetzt handle sich aber um noch nicht überprüfte Parteibehauptungen.

Anwalt sieht Justiz in der Pflicht

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben nach dem Schuldspruch verlauten lassen, sie prüften nun das Urteil. Danach wollen sie über einen allfälligen Weiterzug ans Bundesgericht entscheiden. Der Staatsanwalt Ulrich Krättli erklärte, er sei zufrieden damit, dass ihm das Gericht mit Schuldsprüchen in allen angeklagten Punkten gefolgt sei. Die Frage, ob eine Verwahrung verhältnismässig sei, sehe er jedoch anders.

Brians amtlicher Verteidiger Thomas Häusermann sagte auf Anfrage: «Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Schuldsprüche sind jedoch haltlos und unbewiesen, das Strafmass deutlich zu hoch.» Für Häusermann bleibt der Foltervorwurf bestehen. «Die Zürcher Justizdirektion ist jetzt in der Pflicht, die unmenschlichen Haftbedingungen unverzüglich zu verbessern, und wird sich gegenüber der Uno rechtfertigen müssen.»

Urteil SB 200136 vom 26. 5. 21, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/fall-brian-warum-zuerichs-obergericht-auf-verwahrung-verzichtet-ld.1630746)



Sechs Jahre und vier Monate für «Carlos», aber keine Verwahrung
Das Zürcher Obergericht hat das Strafmass für den als «Carlos» bekannt gewordenen Brian K. erhöht. Den Vorwurf, die Sicherheitshaft, in der er sich befindet, sei Folter, wies es zurück.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuercher-obergericht-sechs-jahre-und-vier-monate-fuer-carlos-aber-keine-verwahrung-ld.2151859
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/keine-verwahrung-fuer-brian?id=12004871
-> https://www.watson.ch/!363826191
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zurcher-obergericht-verurteilt-carlos-zu-freiheitsstrafe-65948156
-> https://www.blick.ch/schweiz/keine-verwahrung-im-fall-carlos-zuercher-obergericht-verurteilt-brian-k-zu-freiheitsstrafe-von-6-jahren-und-4-monaten-id16605153.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/keine-verwahrung-fuer-carlos?id=571ed3b7-f6bc-4aa2-9a7c-3d7180804ed5
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/urteil-im-berufungsprozess-im-fall-brian?urn=urn:srf:video:589f7d25-80eb-42fc-8b77-0619aac4d44d
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/das-urteil-ist-gefallen-carlos-muss-noch-laenger-hinter-gittern-bleiben-142481704
-> https://www.20min.ch/story/29-delikte-im-gefaengnis-brian-wehrt-sich-gegen-freiheitsstrafe-und-therapie-827774884925
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-obergericht-verurteilt-carlos-zu-freiheitsstrafe-1-00160213/



Wanzen im Besuchsraum von Champ-Dollon
Technische Überwachungsgeräte dürfen nicht gegen Personen angeordnet werden, die sich im Freiheitsentzug befinden (Art. 281 Abs. 3 lit. a StPO). Das heisst nach einem neuen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts aber nicht, dass der Besuchsraum des Gefängnisses nicht abgehört werden dürfte, wenn sich die geheime Überwachung gegen den Besucher richtet (BGE 1B_638/2020 vom 04.06.2021, Publikation in der AS vorgesehen):
https://www.strafprozess.ch/wanzen-im-besuchsraum-von-champ-dollon/


+++POLIZEI DE
«Fast jeder Polizist hat eine Leiche im Keller, weil jeder mal was falsch gemacht hat, was vertuscht wurde»
Die rechtsextremen Vorfälle in der deutschen Polizei reissen nicht ab. Dazu kommen Alltagsrassismus, linke Feindbilder, keine Fehlerkultur, Gewaltexzesse. Was ist da los? Gespräch mit einem, der es wissen muss: Thomas Feltes, Polizeiwissenschaftler und einstiger Rektor einer Polizeihochschule.
https://www.republik.ch/2021/04/13/fast-jeder-polizist-hat-eine-leiche-im-keller-weil-jeder-mal-was-falsch-gemacht-hat-was-vertuscht-wurde


Pressemitteilung der Initiative 19. Februar Hanau zum neuen Polizeiskandal in Hessen: 13 der 19 rechtsextremen Polizeibeamten aus der aufgelösten SEK-Einheit waren in Hanau im Einsatz!
„Es ist noch weitaus schlimmer als wir schon befürchtet hatten“, formuliert Newroz Duman von der Initiative 19. Februar Hanau ihr Entsetzen über den neuen hessischen Polizeiskandal. Denn am gestrigen Abend ist in der Innenausschuss-Sitzung im hessischen Landtag nicht nur bekannt geworden, dass insgesamt sogar 49 Polizisten aus verschiedenen Bereichen in rechten Chats beteiligt waren. Innenminister Beuth bestätigte zudem, dass 13 der 19 rechtsextremen Polizeibeamten aus der aufgelöstem SEK-Einheit in der Tatnacht am 19. Februar 2020 in Hanau im Einsatz waren.
https://19feb-hanau.org/2021/06/16/pressemitteilung-13-der-19-rechtsextremen-sek-beamten-waren-in-hanau-im-einsatz/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153336.hessen-polizeiskandal-weitet-sich-aus.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/404633.neonazistrukturen-kein-ende-in-sicht.html
-> https://www.spiegel.de/panorama/sek-frankfurt-aufloesung-rechtsextreme-chats-seltsame-rituale-a-a692e07a-be7e-4c09-8433-e905d0ccafac
-> https://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/opfer-von-hanau-fordern-aufklaerung-ueber-sek-einsatz-90806454.html


+++FRAUEN/QUEER
Was gilt? LGBTI – meine Rechte
Im Alltag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI) gibt es viele rechtliche Fragen, die mit ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder der Variation ihrer Geschlechtsmerkmale zusammenhängen. Eine neue Broschüre beantwortet entsprechende Alltagsfragen.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/was-gilt-lgbti-meine-rechte


«Grüne Hunde»
Der Frauenstreik 2019 war eine der grössten Mobilisierungen der letzten Jahrzehnte. Vergangenen Montag, 14. Juni jährte sich der Grossanlass zum zweiten Mal. Zur Erinnerung, aber auch zur Auffrischung der Anliegen wurde wiederum gestreikt und mit verschiedenen Aktivitäten auf die Missstände aufmerksam gemacht. Die Berner Videokünstlerin Sarah Hugentobler realisierte 2019 einen Kurzfilm anlässlich des Frauenstreiks. Zwei Jahre danach unterhalten wir uns mit ihr über die Herstellung des Films und darüber, was vom Frauenstreik geblieben ist.
http://www.journal-b.ch/de/082013/kultur/3945/%C2%ABGr%C3%BCne-Hunde%C2%BB.htm


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEBN
Schwurblis in der Ostschweiz und ihre Aktivitäten
Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung bzw. Auszug von diversen Beobachtungen und Erkenntnissen der letzten Monate. Diese wurden im Rahmen der regelmässig stattfindenden Kundgebungen und Aktionen gegen die COVID Massnahmen diverser Gruppen im Umfeld des Stillen Protest, als auch dessen selbst gemacht. Wir beziehen uns dabei sowohl auf die schweizweiten Demonstrationen als auch diverse regionale Vorkommnisse in der Region Ostschweiz. Aufgrund des aktuellen Aufrufes des Stillen Protest zur Demonstration in St. Gallen für diesen Samstag, möchten wir einen genaueren Blick auf 2 für die Ostschweiz besonders relevante Personen werfen.
https://barrikade.info/article/4579


Trottel hat Tausende Follower
Ein Gespräch über Verschwörungstheorien und ihre Anhänger
Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) macht sich Sorgen, weil Falschinformationen offenbar so leicht Glauben finden. Michael Butter, Experte für Verschwörungstheorien, erkennt jedoch nicht, dass es wirklich schlimmer geworden wäre.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153348.verschwoerungstheorien-trottel-hat-tausende-follower.html


Trotz Verbreiten von Holocaustleugnung: Xavier Naidoo darf in Berlin singen
Im Netz verbreitet Xavier Naidoo Hass und Holocaustleugnung, beschimpft Juden als „Lügenbande“. Sein Konzert in Berlin soll trotzdem stattfinden.
https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/trotz-verbreiten-von-holocaustleugnung-xavier-naidoo-darf-in-berlin-singen/27289944.html
-> https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/zentralrat-der-juden-fordert-absage-von-xavier-naidoos-konzert/


Ken Jebsen verlässt KenFM, verlässt das Land & wird auch noch gehackt: Ist er am Ende?
Ist jetzt auch Verschwörungsideologe KenFM am Ende? Einem „Querdenker“ nach dem anderen geht langsam die Puste aus. Streit, kaum mehr Leute auf den Demos, keine Erfolge vorzuweisen. Von der geplanten Diktatur, der Revolution oder den geplanten großen Gerichtsprozessen hört man nichts mehr. Wir berichteten ausführlich darüber, dass die Pandemie-Leugner:innen-Bewegung im Moment komplett am Boden liegt. Möglicherweise beeindruckt das Wahngebilde der Weltverschwörung und der tödlichen Impfung immer weniger Leute, wenn nach und nach gelockert wird und fast jede:r zweite Deutsche schon mindestens eine Impfung bekommen hat (Quelle). Die Drohkulisse einer herbeifantasierten „Merkel Diktatur“ blieb aus. Tja:
https://www.volksverpetzer.de/bericht/kenfm-am-ende/